EYECONOMY UNTERNEHMENSFÜHRUNG STARK ALS MARKE Viele Augenoptiker sind vor allem Absatzmittler, die Markenprodukte ihrer Lieferanten an den Endkunden bringen. Weit größere Erfolgschancen als sich dauerhaft unter dem Markendach namhafter Hersteller zu verstecken birgt allerdings ein selbständiger und unabhängiger, eigener Markenauftritt des Augenoptikers. FÜR KLEINE UND mittlere Unternehmen ist der Begriff „Marke“ häufig mit Missverständnissen behaftet. Viele Chefs meinen, dass eine Marke nur etwas für große Firmen sei oder sie glauben, dass sie sich den Aufwand für eine Markenbildung nicht leisten können. In Wahrheit kosten diese Aktivitäten nichts oder nur wenig. Und gerade kleinere Unternehmen können von Markenführung profitieren, weil sie in der Regel weniger bekannt sind und sich ihren Ruf erst noch erarbeiten müssen. Neben der (unberechtigten) Angst vor Überforderung und hohen Kosten hält eine Reihe weiterer Mythen kleinere Betriebe davon ab, sich mit Markenarbeit intensiver zu befassen. Beispielsweise, dass es dabei lediglich um Logogestaltung und werbliche Steigerung des Bekanntheitsgrades geht. f Richtig hingegen ist, dass strukturierte, markenkonforme Handlungen gefordert sind und nicht nur Kosmetik am optischen Erscheinungsbild. Gute Produkte verkaufen sich von allein – das mag sein. Mehr Absatz bei zugleich höheren Preisen lässt sich jedoch erst mit einer starken Marke erzielen. Im Alltag ist dann jeder gefordert – vom Chef bis zum Auszubildenden: Sie alle sind die wichtigsten Botschafter ihrer eigenen Marke. Ihren Handlungsspielraum und das Maß an individueller Selbstdarstellung schränkt das entsprechend auf markenkonformes Handeln ein. „Rabatte führen zum Vertrauensverlust und zur Erosion von Marken. Rabatt ist nur ein anderes Wort für Verzweiflung.“ (GABOR STEINGART, HERAUSGEBER HANDELSBLATT). MARKENFÜHRUNG IST CHEFSACHE Ein weiterer Irrtum ist, dass die Führung der Marke durch eine Werbeagentur zu erfolgen hätte. Markenführung ist aber zuallererst Chefsache! Nur wenn die Unternehmensführung das Thema als wichtig erkennt, wird die Marke nachhaltig gestärkt. Markenführung und Marketing sind ein starkes Team – aber mit klar voneinander abgegrenzten Aufgaben. Ziel der Markenführung ist eine klare und zukunftsweisende Profilierung des Unternehmens im Markt. Zum deutlichen Abheben vom Wettbewerb gehört die Definition eines Abb. 1: Raus aus der grauen Masse – ein Unternehmen, das weiß, wer es ist und wohin es will, wird seinen Weg zur Marke gehen. 20 E Y E B I Z Z // 3 . 2 0 1 5 Checkliste: Mein Unternehmen auf dem Weg zur starken Marke Mit dieser Standortbestimmung prüfen Sie, wie weit Ihr Unternehmen schon zur starken Marke gereift ist. Vergeben Sie für jede einzelne Frage einen Wert von 0 (gar nicht) bis 10 (sehr stark). 1. Wie klar und einleuchtend sind die Mission, die Vision und die inneren Werte des Unternehmens als zentrale Strategie definiert, die es in allen Belangen leitet? 2. Wie gut können Führung und Mitarbeiter in drei, vier Worten präzisieren, wofür das eigene Unternehmen steht und lebt? 3. Wie konsequent und regelmäßig werden Stärken–Schwächen–Analysen erstellt – idealerweise mit Hilfe von Kundenbefragungsergebnissen? 4. Inwieweit werden die Erkenntnisse aus Frage 3 mit Chancen und Risiken abgeglichen, die dem Unternehmen künftig Nutzen bringen bzw. ihm drohen könnten? 5. Inwieweit ist dem Unternehmen bewusst, durch welches wesentliche Herausstellungsmerkmal es sich gegenüber dem Wettbewerb abhebt? 6. Wie klar sind zukünftige Positionierung und anvisierte Zielgruppe des Unternehmens definiert? 7. Wie umfassend sind Mitarbeiter in die grundlegenden strategischen Überlegungen und Fragen der Unternehmenskultur einbezogen? 8. Wie eindeutig und detailliert sind die Leistungsangebote auf Produkt–, Dienstleistungs- und Beziehungsebene beschrieben? 9. Inwieweit verwendet das Unternehmen festgelegte Kommunikationskanäle und bringt die Elemente des Massenmarketing und des gezielten Marketing planvoll zum Einsatz? 10. Wie engagiert und kontinuierlich werden die Kernbotschaften des Unternehmens nach außen getragen – auch über den Kreis der Kunden und Partner hinaus? 11. Wie stark ist der Führung bewusst, welche Marketingmaßnahmen das Profil des Unternehmens schärfen und welche ihm andererseits durch „Verwässerung“ schaden? 12. Inwieweit sind einzigartige Fakten und Ereignisse aus der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Unternehmens Mitarbeitern, Kunden, Partnern und der Öffentlichkeit bekannt? 13. Mit welcher Wiedererkennbarkeit kommen die inhaltlichen Unternehmensaspekte in sämtlichen Elementen des Erscheinungsbildes zum Ausdruck? 14. Wie konkret ist festgelegt, welche emotionalen Faktoren im Rahmen des Unternehmensauftritts hervorgehoben werden sollen? 15. Wie stark ist das Versprechen, welches das Unternehmen seinen potenziellen Kunden gibt, an allen Berührungspunkten tagtäglich erlebbar? herausragenden Leistungsmerkmals, das einen veritablen Kundenvorteil darstellt: „Sei anders, sei besser!“. Die in der Markenführung getroffenen strategischen Entscheidungen werden anschließend vom Marketing mittels markt– MARKEN SIND VERLÄSSLICHE BEGLEITER DES TÄGLICHEN LEBENS Studien haben gezeigt, dass weltweit 98 Prozent aller Informationen auf dem Müll landen – und dass Produkte von mehr als zwei Dritteln der Konsumenten als austauschbar „Schwache Marken machen Kundenwerbung, für starke Marken machen Kunden Werbung.“ (PROF. KARSTEN KILIAN, HOCHSCHULE WÜRZBURG–SCHWEINFURT). und kundenspezifischer Werbeaktivitäten operativ umgesetzt. Beispielsweise be stimmt die Markenführung Kommunikationskanäle, für die das Marketing entsprechendes Werbe– und Informationsmaterial zur Verfügung stellt. WWW.EYEBIZZ.DE erlebt werden. Gerade unter diesen Aspekten haben Marken eine besondere Bedeutung. Ohne dass es den Verbrauchern immer bewusst ist, sind Marken wichtige und verlässliche Begleiter in ihrem täglichen Leben und haben für sie mehrfachen Nutzen: 21 EYECONOMY f Vor dem Kauf: Marken geben bessere und schnellere Orientierung durch wertvolle Informationen zur Herkunft und Ausrichtung eines Unternehmens. Dadurch sparen Kunden Zeit bei der Suche nach geeigneten Anbietern. f Während des Kaufs: Marken sorgen für Sicherheit. Sie geben Vertrauen und reduzieren die Risiken falscher Kaufentscheidungen, finanzieller Nachteile und zu fürchtender Qualitätsmängel. f Nach dem Kauf: Marken stiften ideellen Nutzen für Selbstverwirklichung und Identifikation, was zu Kundenbindung und Weiterempfehlung führt. Alles in allem überwiegen die Chancen, die sich auch Augenoptikern durch Markenführung bieten. Neben planbaren rentablen loyalität bei Qualitätsgleichstand eine wichtige Rolle. Zudem üben Markenunternehmen eine stärkere Anziehungskraft auf qualifizierte Mitarbeiter aus – in Zeiten des Fachkräftemangels ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil. MARKTSTARK: DAS UNVERWECHSELBARE GESICHT Wie aber gelingt es einem qualitätsorientierten Augenoptikbetrieb, sich zur überzeugenden Marke zu entwickeln und sich ein unverwechselbares Gesicht in der für Brillenkunden unübersichtlichen Masse der Anbieter zu geben? Im ersten von zwei Schritten führen markenbildende Maßnahmen zur Markenidentität (siehe Abbildung 1). Das Unternehmen formt dabei sein Selbstbild in allen denkbaren Facetten der „Markenführung ist ein logischer Prozess – kein Voodoo.“ (DR. CHRISTINE WICHERT, LOGIBRAND ST. GALLEN). Umsätzen durch kontinuierlichen Absatz und höhere Preise spielen vor allem die leichtere Abgrenzbarkeit gegenüber der Konkurrenz und die Vorteile der Marken- Abb. 2: Das Markensteuerrad berücksichtigt neben rationalen und emotionalen Aspekten auch neueste Erkenntnisse des Neuromarketing. 22 Persönlichkeit. Dazu gehören das Finden der künftigen Positionierung und das Durchlaufen eines eigenen CI-Prozesses (CI = Corporate Identity) in den folgenden fünf Stufen: f Leitbild f Kultur f Leistungen f Kommunikation und f Erscheinungsbild. Der zweite Schritt – die Markenführung – hat zum Ziel, die Identität des Unternehmens in den Köpfen der Kunden und in der Öffentlichkeit zu verankern. Gelingt dies deckungsgleich mit dem Selbstbild, hat sich das Unternehmen sein gewünschtes Markenimage erschaffen. Damit eine Marke in ihrer Komplexität erfolgreich an diesen Punkt gelangt, lässt sich das so genannte „Markensteuerrad“ (siehe Abbildung 2) einsetzen. Mit diesem Instrument können alle rationalen und emotionalen Kernelemente des unternehmerischen Auftritts übersichtlich angelegt und verfolgt werden. Das Markenversprechen an die Kunden soll schließlich Tag für Tag in allen Berührungspunkten des Unternehmens spürbar und erlebbar sein. // DR. KERSTIN FRÖDE wechselte nach ihrer wissenschaftlichen Laufbahn an der Humboldt-Universität zu Berlin mit abschließender Promotion und diversen Tätigkeiten in Industrieunternehmen in die Augenoptikbranche. Seit 2000 gehört sie zum Team von Tameling Consulting in Frechen bei Köln; seit 2008 ist sie Mitgesellschafterin. Als Leiterin des Innendienstes ist sie erste Ansprechpartnerin für die Kunden des Unternehmens. Kontakt: www.tameling-consulting.de E Y E B I Z Z // 3 . 2 0 1 5