Franz Liszt (1811 – 1886) ist eine der reichsten und schillerndsten

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Franz Liszt (1811 – 1886) ist eine der reichsten und schillerndsten Musikerpersönlichkeiten überhaupt. Sein langes, intensives Leben ist geradezu legendär geprägt von privaten wie künstlerischen Höhen und Tiefen, von Rastlosigkeit und
Suche nach Geborgenheit. Zu Lebzeiten feierte er als Pianist und Dirigent
spektakuläre Erfolge; aus heutiger Perspektive rücken naturgemäß seine
Kompositionen in den Vordergrund.
Innerhalb der geistlichen Vokal-Musik ist Liszt mit drei großen Oratorien und eine
Reihe starker Psalm-Vertonungen vertreten; sie gehören bis heute zum Repertoire der
Chöre. Unter ihnen darf die MISSA SOLENNES wohl als eines der
eindrucksvollsten Werke angesehen werden. Für mich zählt sie gar zum Besten, was
Liszt komponiert hat: in ihrer kompakten, hochkonzentrierten Anlage, der inneren
und äußeren Leidenschaft fordert sie jeden Musiker unmittelbar heraus und reißt auch
den Hörer spontan mit.
Das ca. einstündige Werk wurde 1856 zur Einweihung der Basilika in Gran (heute:
Esztergom) zum ersten Mal aufgeführt und daher auch „Graner Messe“ genannt. Wer
den gewaltigen Kirchenbau einmal gesehen hat, bekommt vielleicht eine Idee davon,
wie eine Musik für solch einen Raum beschaffen ist. Die „Graner Messe“ ist in jeder
Hinsicht „groß“ – in ihrem Pathos, ihrer Prachtentfaltung, ihrem (Lisztschen)
Temperament ebenso wie in ihrer intensiven meditativen Versenkung. Oft zeigt sie
eine tiefe Demut, gelegentlich sogar eine abgründige Trauer (bei den Worten
„crucifixus, passus“ etc.).
Wie in hochromantischer Musik üblich, liegt das Gewicht der musikalischen Aussage
nicht allein beim Chor. Auch das Orchester ist Träger des Geschehens; es sorgt für
den musikalischen „Grund“, für farbige Akzente und hinreißenden Schwung. Auch
die vier Gesangssolisten sind mit großen Partien bedacht. Um deren große
musikalische Bandbreite – von ekstatischem Jubel bis zum innigen Flehen – ausfüllen
zu können, sind Sänger von hoher stimmlicher, opernerfahrener Präsenz vonnöten.
Diese konnten für unsere Aufführung gewonnen werden, so dass auch unter diesem
Aspekt einem Hörgenuss nichts im Wege steht.
Die drei Motetten Anton Bruckners bilden zur „Graner Messe“ sowohl eine
Ergänzung als auch einen Kontrast. Wie Liszt gehört auch Bruckner der sogenannten
„neudeutschen Schule“ an, es gibt zwischen ihnen eine ganze Reihe stilistischer
Gemeinsamkeiten.
In ihrer Grundhaltung haben Bruckners Motetten jedoch wenig gemein mit der
sinfonisch – repräsentativen Musik der „Graner Messe“. Sie atmen – trotz der
Mitwirkung von Instrumenten – ganz den Geist der reinen, liturgisch orientierten
Vokalmusik. Sie sind nicht für öffentliche Anlässe, sondern für den Gottesdienst
komponiert; nichtsdestoweniger ist die Musik von hoher Intensität, von der
Sehnsucht und dem Flehen des gläubigen Beters geprägt. Das innige „Locus iste“
steht dabei in einem bemerkenswerten Kontrast zum „Ecce sacerdos“, welches zur
Anrufung Gottes gewaltige Energien freisetzt.
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