l 14 stadtkultur DER LANDBOTE Freitag, 10. Juni 2011 Mozart rappt im Stadthaus Für rund 1200 Primarschüler stand diese Woche ein ­besonderes Erlebnis auf dem Programm. Zusammen mit dem Orchester ­Musikkollegium wagten sie sich an die berühmte g-Moll-Sinfonie von Mozart heran. Eine rundum geglückte Sache. Christian Lanz Im Stadthaussaal haben gestern und heute für einmal die Kleinen das Sagen beziehungsweise das Singen. Ein gemeinsames Projekt der Jugendmusikschule Winterthur und Umgebung und des Musikkollegiums ermöglichte es den Erstklässlern, das Orchester von ganz nahe zu erleben und Mozarts g-Moll-Sinfonie kennen zu lernen. Als Höhepunkt werden sie vom Orchester unter der Leitung des Chefdirigenten Douglas Boyd beim Singen begleitet. Bereits vor Konzertbeginn wimmelten gestern die Schülerinnen und Schüler im Foyer durcheinander. Manuel und Tobias waren schon ganz aufgeregt. «Wir haben die Lieder immer und immer wieder geübt», berichteten sie atemlos, bevor sie zusammen mit den andern Buben und Mädchen in den Stadthaussaal strömten. Dort ging es fröhlich und lautstark zu und her. Eröffnet wurde das Konzert aber mit dem Mozart-Rap. Dass die Erstklässler diesen eifrig geprobt hatten, ist unbestritten. Es wurde mitgewippt und aus voller Kehle mitgesungen. Gleich selber mitdirigiert «Unsere Musiklehrerinnen und Musiklehrer haben zu Mozarts Sinfonie eigene Texte geschrieben», erläutert Lukas Hering, Leiter der Jugendmusikschule Winterthur und Umgebung. Danach wurden die Lieder erarbeitet und die Themen Mozart und Orchester durchgenommen. Die Proben nahmen fünf Monate in Anspruch. «Das spannende Erlebnis für die Kinder kam nur zustande, weil zahlreiche Lehrpersonen das Projekt tatkräftig unterstützt und ihre Klassen zum Besuch der Veranstaltung begleitet haben», betont Hering. Den Kindern hat das Konzert sichtlich gefallen. Livia und Melanie fanden vor allem den Dirigenten toll und haben während der Aufführung gleich selber mitdirigiert. Yannik kannte fast sämtliche Instrumente, dar­un­ter auch das Fagott. Während die einen dem Orchester aufmerksam zuhörten, fiel es andern schwerer, sich zu konzentrieren. Da wurde auch einmal herzhaft gegähnt oder in den Haaren gekratzt. Sobald es aber wieder ans Mitsingen ging, waren alle bei der Sache. Etwa im Lied von der kleinen Maus, die plötzlich davonspringt. Spontaner Applaus Monika Flieger, Klavier- und Grundschullehrerin an der Jugendmusikschule, führte durchs Programm und erklärte in einfachen Worten den Aufbau der Sinfonie. Mozarts Werk aus dem Jahre 1788 gehört zu seinen bekanntesten; zu hören waren der erste und der vierte Satz. Das Hauptthema des ersten Satzes ist so berühmt, dass es zu den Standard-Handy-Klingeltönen gehört. Nicht die Klingeltöne, sondern die Orchesterfassung haben die Schülerinnen und Schüler im Stadthaus erlebt. «Eine rundum geglückte Sache», meinten Lukas Hering und Monika Flieger. Manche Erstklässler klatschten spontan zwischen den beiden Sätzen, und ganz am Schluss, als noch einmal der Mozart-Rap zum Besten gegeben wurde, kannte die Begeisterung keine Grenzen mehr. Angebote für Jugendliche Das Musikkollegium offeriert Kindern und Jugendlichen verschiedene Angebote, um sich spielerisch mit Musik auseinanderzusetzen. Dar­un­ ter «Orchester hautnah», bei der Primarklassen die Gelegenheit haben, einmal während einer Probe mitten im Orchester zu sitzen und die Musiker aus nächster Nähe bei der Arbeit zu erleben. Im «Orchesterlabor» besucht ein Komponist oder Orchestermusiker Oberstufenschüler und berichtet über seine Arbeit. Nach dem preisgekrönten Jugendprojekt «Fealan» folgt im Frühjahr 2012 eine Fortsetzung: Winterthur schreibt eine zweite Oper und bildet dazu eigens junge Komponisten aus. Ein besonderes Konzerterlebnis für Kinder und Erwachsene schliesslich sind die traditionellen Familienkonzerte des Musikkollegiums. (cl) Das Musikkollegium spielt für und mit Erstklässlern aus dem Einzugsgebiet der Jugendmusikschule. Bild: Marc Dahinden Langer Abend der Reggae-Musik Der ganze Markt hat nun Einzug gehalten, mit ihm kommen farbige Gesichter aus aller Welt. Heute Abend beginnt nun mit Reggae-Musik die heisse Phase der Afro-Pfingsten. Wie es sich gehört für einen Musikstil, der tief unter die Haut geht und den Körper in Schwingung versetzt, wird Reggae nach wie vor in Echtzeit auf der Bühne produziert. Vom Band kommt da rein gar nichts. Dies jedenfalls ist die Philosophie der Musiker aus Jamaika, der Schweiz und der Elfenbeinküste. Man muss sie also auch live erleben, Alpha Blondy alias Seydou Koné, Julian Marley, die Gruppen Inner Circle und Culture sowie das Trio Elijah, Dodo und Knackeboul. Viele Namen für einen einzigen Konzertabend? In der Tat, aber es ist ja auch ein langer Abend, er beginnt schon um 19 Uhr und dauert bis 1.30 Uhr. Nach Hause kommt man danach ganz einfach mit dem Konzertticket, das auf dem gesamten Netz der ZVV gültig ist. Sogar der Nachtzuschlag ist bereits darin enthalten. Trotzdem kostet das Ticket nur 70 Franken. Afro-Pfingsten sind eben kein «Cüpli»-Anlass. (dwo) Endzeit-Klangvisionen Heftige Kontraste bestimmten das letzte Abonnementskonzert des Musikkollegiums dieser Saison mit Werken von Brett Dean und Mozart. Dann lud der Dirigent zum Apéro. rita wolfensberger Dieser Abend war mehr als «nur» ein Konzert: Er war vor allem ein Fest, das Musikkollegium, Dirigent Douglas Boyd und das Publikum miteinander feierten. Nebst der Musik von Brett Dean und Mozart gab es auch kurze Ansprachen des Chefdirigenten Douglas Boyd (in Englisch) und des Konzertmeisters Ralph Orendain (in Deutsch), die sich beide mit warmen Dankesworten ans Publikum wandten und auch mit Komplimenten für dessen Treue, Interesse und stete Aufnahmebereitschaft, die sich auch bei «schwierigeren» Programmen bewährt haben. Sie luden alle Musikfreunde zu einem gemeinsamen Apéro und la- teinamerikanischen Rhythmen nach dem Konzert mit Dirigent und Musikern ein. Für die gelobte Aufnahmebereitschaft war das Konzert mit Brett Deans im Jahr 2000 komponierten «Pastoral Symphony» gleich selber ein Beispiel. Das Programm insgesamt war charakteristisch in mehrfacher Hinsicht: Zum einen setzte Boyd einen starken Akzent auf sein Ziel, in Winterthur Musik aus dem angelsächsischen Raum bekannt zu machen, wobei es sich diesmal um Australien handelt: Geboren ist Brett Dean in Brisbane. Ferner war ein klarer Akzent mit Mozart gesetzt, und schliesslich zeigte sich – wenn auch diskret –, wie Komponist und Interpret sich oft gegenseitig inspirieren. Brett Dean kann heuer seinen fünfzigsten Geburtstag feiern. Seine «Pastoral Symphony» beschreibt weit entfernt von jeder Naturidylle im Gegenteil die verheerenden Zustände einer Zivilisation, die Raubbau an der Natur betreibt und mit ihrem Maschinenund Verkehrslärm die ursprünglich göttlichen Gesänge der Vögel überwuchert und schliesslich gänzlich zum Verstummen bringt. Natürlich kann eine solche Musik nicht «schön» im romantischen Sinne ertönen; sie ist überaus stark instrumentiert, auch mittels Sampling und zugeschalteten CDKlängen angereichert, sie verbindet auch den Schatz der Vogelstimmen zu Beginn mit dem brutalen «Schlusskrach, den Bläser und Schlagzeug vorbereiten» (Zitat Programmheft). Klanggierig Aber nicht nur «Endzeitvision» herrscht in diesem Werk: Es bekundet auch eine geradezu grenzenlose Begierde nach Klängen: ungewohnten, noch nie da gewesenen Klängen, in denen eventuell Melodisches, auch sofort nachvollziehbare Harmonik, untergeordnet bleibt. Was jedoch bruchlos herrscht, ist eine rhythmische Klarheit, welche wohl wechselt und immer neue Befindlichkeiten schafft, aber die Pulsationen durchwegs aufrecht und das Werk in Ordnung hält. Und eben dies – nebst der Meisterung der zum Teil äusserst anspruchsvollen Partitur – wussten Boyd und das Musikkollegium beispielhaft zu realisieren. Die Konzertarien von Mozart «Bella mia fiamma» und «Misera dove son» gehören in die Kategorie von Werken, die im Hinblick oder gar in Zusammenarbeit mit einem Interpreten entstanden sind, und es ist offensichtlich, dass die Primadonnen, denen Mozart diese Arien zugedacht hat, ein imponierendes sängerisches Po­ten­zial besessen haben müssen – aber auch heutzutage gibt es sie, die grossen Mozart-Interpretinnen: Eine von ihnen ist Malin Hartelius, die in den beiden Rezitativen eine meisterhafte Sprech-Gesangstechnik vorlegte und dann in beiden Arien grosse, starke Stimme entwickelte und die Emotionen, welche den entsprechenden Liebestragödien zugrunde liegen, zu packendem Ausdruck brachte. Mit einer hochgradig inspirierten Interpretation von Mozarts g-MollSinfonie KV 550 endete dann der musikalische Teil des Festes.