Studie zu einer Reorganisation des Verfassungsschutzes

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Studie zu einer Reorganisation des Verfassungsschutzes – 1953
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Inhaltsverzeichnis
Einleitung............................................................................................. 2
1 Notwendigkeit des Verfassungsschutzes ...................................... 2
2 Aufgabe des Verfassungsschutzes ................................................ 3
3 Zentralisation oder Dezentralisation............................................... 3
4 Gute Koordination............................................................................ 5
5 Verfassungsschutz und militärische Abwehr ................................ 5
6 Beschränkung auf legitime Kompetenzen...................................... 6
7 Karteiführung ................................................................................... 6
8 Abgrenzung zwischen Polizei und Verfassungsschutz................. 7
9 Dienst an der verfassungsmäßigen Ordnung ................................ 7
10 Parlamentarische Kontrolle ........................................................... 7
11 Leiter als Politische Beamte .......................................................... 7
12 Weitergabe von Informationen ...................................................... 8
13 Koordinierung bei Vereinsverboten.............................................. 8
14 Verfassungsschutz und Presse .................................................... 8
15 Verfassungsschutz ist "Sonderbehörde" ..................................... 8
Studie zu einer Reorganisation des Verfassungsschutzes – 1953
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Einleitung
Die Leiter der Landesämter für Verfassungsschutz beschäftigen sich mit den Problemen, die sich in ihrer Berufsarbeit täglich stellen, nicht erst, seitdem der Verfassungsschutz insbesondere durch den "Fall John" ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückt ist. Die vorliegende Studie, die den politisch Verantwortlichen für den
Verfassungsschutz, den Herren Landesinnenministern, vorgelegt wird, behandelt
die Grundsätze, die bei einer Reorganisation zu beachten sind. Soweit Vorschläge
gemacht werden, beruhen sie auf völliger Übereinstimmung aller Leiter der Verfassungsschutzdienststellen der Länder. Die Studie ist lediglich als Arbeitsgrundlage gedacht und soll die Konferenz der Herren Innenminister vorbereiten, welche
die ungelösten Probleme des Verfassungsschutzes einer endgültigen Lösung zuführen soll.
In Ausführung des Art. 73 GG, der dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung
über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des
Verfassungsschutzes übertragen hat, ist das entsprechende Bundesgesetz am
27.09.1950 vom Bundestag verabschiedet worden. Dieses Gesetz umreißt die
Aufgaben des Verfassungsschutzes wie folgt:
Sammlung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen über Bestrebungen, die eine Aufhebung, Änderung oder Störung der verfassungsmäßigen
Ordnung im Bund und in den Ländern oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung
der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe zum Ziele haben.
Das Gesetz ist im übrigen die Rechtsgrundlage für das Bundesamt für Verfassungsschutz, verpflichtet Bund und Länder zur Zusammenarbeit auf diesem Gebiet und fordert von den Ländern die Bestimmung einer Behörde zur Erfüllung dieser Aufgaben. Demgemäß haben nach dem derzeitigen Stand alle Länder (ausgenommen Niedersachsen und Rheinland-Pfalz) durch Gesetz oder Organisationserlass Landesämter für Verfassungsschutz errichtet. In Niedersachsen und
Rheinland-Pfalz erledigen besondere Abteilungen des Ministeriums des Innern die
Aufgaben des Verfassungsschutzes.
1 Notwendigkeit des Verfassungsschutzes
Die Notwendigkeit des Verfassungsschutzes wird, von verfassungsfeindlichen
Gruppen und Personen abgesehen, heute allgemein anerkannt. Zur Begründung
der Notwendigkeit sei auf folgende Tatsache hingewiesen:
a) Deutschland hat keine kontinuierliche staatspolitische Entwicklung. Es leben
heute Menschen und nehmen Einfluß auf die politische Gestaltung des Staates, die ihre politische Formung in grundverschiedenen Staatsformen (Monarchie, Weimarer Republik, Drittes Reich, Bundesrepublik und Sowjetzonenregime) erhalten haben. Alle diese Menschen haben außerordentlich differenzierte politische Vorstellungen und Ideale.
Gleiche politische Vorstellungen und Ideale verbinden sie zu Gruppen oder
Parteien, um ihrer Auffassung Geltung zu verschaffen. Nicht alle bejahen die
unabdingbaren Grundprinzipien der demokratischen Staatsordnung, wie sie in
der Bundesrepublik Geltung haben bzw. behalten sollen.
b) Ein weiterer wichtiger Umstand ist die weitgehende Auflösung der moralischen
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Substanz der Menschen, hervorgerufen durch Überforderung der moralischen
Kraft. (Zwei Weltkriege mit übermenschlichen Leiden an der Front und in der
Heimat, Kriegsgefangenschaft, Vertreibung aus der Heimat, zwei Geldentwertungen, Konzentrationslager, Internierung und Entnazifizierung). Viele standen
oft mehrmals vor Entscheidungen, die über die moralische Kraft gingen. Zeit,
diese moralische Kraft neu zu bilden, stand bisher gar nicht zur Verfügung.
c) Im Gegensatz zu früher, da sich Verfassungsfeinde der klassischen Mittel des
Hochverrats bedienten - nämlich Gewalt und Drohung mit Gewalt - suchen
diese heute ihr Ziel durch Propaganda, Infiltration und Zersetzung in versteckter und scheinlegaler Form zu erreichen.
2 Aufgabe des Verfassungsschutzes
Die Aufgabe des Verfassungsschutzes ist im Gesetz vom 27.09.1950 ausreichend
definiert. Wegen und trotz aller Angriffe in Parlament und Presse Mus Faustregel
der Verfassungsschutzarbeit die Beobachtung von verfassungsfeindlichen
Parteien, Gruppen und Einzelpersonen sein und bleiben. Demokratische Vereinigungen und Parteien sind nur dann und insoweit in die Beobachtung einzubeziehen, wenn begründeter Verdacht radikaler Unterwanderung oder Infiltration besteht. (SDA infiltriert SPD; KPD infiltriert DGB; Rechtsradikale infiltrieren FDP.) Die
Erwähnung demokratischer Parteien in diesem Zusammenhang ist beispielsweise
zu verstehen und sollte einsichtige demokratische Staatsbürger nicht schrecken,
weil gerade die Unterwanderung verfassungstreuer Gruppen und Parteien zu den
modernen Kampfmitteln der Verfassungsfeinde gehört.
3 Zentralisation oder Dezentralisation
Die Frage Zentralisation oder Dezentralisation des Verfassungsschutzes bewegt
z.Zt. alle Gemüter.
Bei der Untersuchung dieser Frage sei einmal davon abgesehen, dass das
Grundgesetz die Dezentralisation hier ebenso statuiert wie in der Exekutive (Polizei, Verwaltung, Staatsanwaltschaft), und der Rechtspflege. Eine grundsätzliche
Änderung wäre eine politische Entscheidung, die der Gesetzgeber zu treffen hat.
Völlig abwegig werden Einzelerscheinungen in der Verfassungsschutzarbeit der
Länder aus der Zeit des Aufbaues verallgemeinert und allen zur Last gelegt. Wenn
im Zusammenhang mit der Affäre "Vulkan" und dem "Fall John" die Ursache bei
der Dezentralisation gesucht wird, so heißt das, den Tatbestand geradezu auf den
Kopf stellen.
Für Zentralisation sprechen folgende Tatsachen:
a) die zentrale Steuerung der meisten Angriffe auf die verfassungsmäßige Ordnung;
b) zumeist machen verfassungsfeindliche Bestrebungen nicht an den Ländergrenzen halt;
c) die Arbeit kann rationalisiert, Überschneidungen können vermieden werden;
d) das im Verfassungsschutz tätige Personal kann besser ausgebildet werden
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und hat bessere Aufstiegsmöglichkeiten.
Die Amtsleiter sind ohne Ausnahme der Meinung, dass wichtige Gründe bei sachlicher Abwägung den Ausschlag zugunsten der Dezentralisation geben.
Die Beobachtungsaufgabe des Verfassungsschutzes ist auf vertrauensvolle und
enge Zusammenarbeit mit allen Staatsbehörden angewiesen. Da diese ganz
überwiegend Landesbehörden sind, würde ein zentralisierter Verfassungsschutz
mehr oder weniger in der Luft hängen. Noch so fein ausgeklügelte Vorschriften
würden daran kaum etwas ändern. An dem Grundsatz, dass die Einrichtung zur
Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen in der Hand der Instanz liegt,
die für den Einsatz der Polizei verantwortlich ist, sollte schon deshalb festgehalten
werden, weil sonst folgenschwere Fehlleistungen oder Unterlassungen unausbleiblich sind.
Die Berufung auf Analogien - so war es schon immer und alle anderen Staaten
machen es auch so - und auf das bessere Funktionieren eines zentralen Nachrichtendienstes verfehlt zwar nie die optische Wirkung, berücksichtigt aber nicht die
völlig anders gearteten politischen und soziologischen Voraussetzungen. Im Gegensatz zu allen westlichen Demokratien dient der Verfassungsschutz ganz oder
überwiegend der Beobachtung innerstaatlicher verfassungsfeindlicher Bestrebungen, die z.B. in den angelsächsischen Ländern gar keine Bedeutung haben.
Für Dezentralisation spricht auch die Struktur der politischen Parteien, die selbst
bei den großen demokratischen Parteien nicht uniform im ganzen Bundesgebiet
ist. Wirtschaftliche, kulturelle, konfessionelle, politische Faktoren sind von Land zu
Land verschieden und haben ihr Eigengewicht im Gesamtrahmen der Bundesrepublik.
Die sog. radikalen Organisationen, auch die gesteuerten KP-Tarnorganisationen
haben ihr Schwergewicht in einem oder in mehreren Ländern oder beschränken
sich sogar auf ein oder mehrere Länder. Die Beobachtung solcher Organisationen
an Weisungen einer fernen Zentrale zu binden, ist genau so abwegig, wie die im
Zusammenhang mit dem "Fall John" erhobene Forderung nach stärkerer Zentralisation und umfassender Weisungsbefugnis des Bundesamtes gegenüber den
Landesämtern für Verfassungsschutz. Eine solche Forderung wäre nur dann
berechtigt, wenn den Landesämtern für Verfassungsschutz der Vorwurf der Illoyalität gegenüber dem Bundesamt für Verfassungsschutz gemacht werden könnte.
Das Gegenteil ist der Fall: Alle Landesämter für Verfassungsschutz haben nach
bestem Können und rückhaltlos ihre Erkenntnisse, soweit sie von Bedeutung über
ein Land hinaus sind, dem Bundesamt laufend mitgeteilt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat, von Ausnahmen abgesehen, derartige Vorwürfe nicht erhoben. Es hätte zudem auf Grund des Gesetzes vom 27.09.1950 die Möglichkeit
gehabt, ein pflichtwidrig handelndes Landesamt für Verfassungsschutz zur Pflichterfüllung anzuhalten.
Bei der augenblicklichen politischen Situation in der Bundesrepublik ist es erforderlich, im Verfassungsschutz Erkenntnisse und Beurteilung aus der Gesamtsicht
des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit den Erkenntnissen und der Beurteilung von der "Front" bzw. nahe am Objekt zu vergleichen und abzustimmen. Das
aber erreicht man nicht mit einer weisungsbefugten Zentrale, die organisatorisch,
personell und sachlich straff organisiert ist. Die Erfahrungen auf diesem Gebiet in
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der jüngsten Vergangenheit sollten hier noch genau so abschreckend wirken wie
bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates im Zusammenhang mit der Beratung über die Art. 73 Nr. 10 und 87 GG sowie bei den Beratungen des Bundestages über das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in
Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 27.09.1950. Zentralisierter Verfassungsschutz bedeutet Schaffung eines Mammutbetriebes mit schwer kontrollierbarer Machtanhäufung und Gruppenbildung, während im föderalistischen Aufbau der Bundesrepublik gerade zum Wohl der Staatsbürger eine Gewalt die andere hemmt.
Was im Verfassungsschutz notwendig ist, das ist eine Koordinierungsstelle mit erfahrenen Sachverständigen und keine Zentrale, die durch Weisungsbefugnis Initiative und Verantwortungsfreude lähmt und ausrottet. Kein Arbeitskreis innerhalb
der Bundesrepublik will so vorbehaltlos eine führende Bundeszentrale im geschilderten Sinne wie die Landesämter für Verfassungsschutz.
4 Gute Koordination
Ist die Frage Zentralisation oder Dezentralisation zugunsten der im Grundgesetz
festgelegten Dezentralisation beantwortet, so kommt es für ein reibungsloses
Funktionieren des Verfassungsschutzes auf eine gute Koordinierung an, wie sie
im Gesetz vom 27.09.1950 von Bund und Ländern gefordert wird.
Die Koordinierung auf Landesebene unterliegt keiner Kritik. Die Zusammenarbeit
der Landesämter untereinander erfolgt ohne Vorbehalt und auf der Basis vollsten
gegenseitigen Vertrauens der Leiter. Doppelbeschäftigung von bezahlten Quellen
wird vermieden durch die Vereinbarung, dass jedes Amt nur Quellen aus dem eigenen Amtsbereich benutzt. Insoweit aufgetretene Mängel sind bisher ohne
Reibung und Trübung der wechselseitigen Beziehungen in offener Aussprache
geklärt und beseitigt worden. Es liegt kein Grund vor anzunehmen, dass dieses
Verfahren in Zukunft nicht befriedigen sollte.
Schwierigkeiten in der Koordinierung sind bisher nur im Verhältnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu den Landesämtern aufgetreten, ohne dass hier die
Frage der Verantwortlichkeit für diese Schwierigkeiten aufgeworfen werden soll.
Die Ursache liegt einmal in der Tatsache begründet, dass das Bundesamt eine eigene Nachrichtenbeschaffung innerhalb des Bundesgebietes hat, die sich mit der
aller Landesämter überschneidet. Das Bundesamt hat die ihm seit langer Zeit und
wiederholt von den Landesämtern angetragene Führung und Leitung mit Steuerung aus zentraler Sicht unter gleichzeitigem Verzicht auf eigene Nachrichtenbeschaffung innerhalb des Bundesgebietes abgelehnt.
Das Bundesamt sollte diese Aufgabe übernehmen, dann wäre das Problem der
Koordinierung gelöst. Im Rahmen der Steuerung könnte das Bundesamt Forschungsexperten zu den Landesämtern schicken, die bei der Anwerbung von
Quellen mit den Landesämtern für Verfassungsschutz Hand in Hand arbeiten.
Nach Absprache könnte das Bundesamt für Verfassungsschutz bei besonderen
Objekten auch dann noch die Anwerbung und Führung von Quellen selbst
übernehmen. Im Übrigen sollte sich das Bundesamt auf Aus- und Fortbildung des
Personals der Verfassungsschutzämter beschränken.
5 Verfassungsschutz und militärische Abwehr
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Klärung ist notwendig in der Frage, ob Verfassungsschutz und militärische Abwehr
zusammengefasst oder getrennt bleiben sollen.
Richtig ist, dass die Grenze zwischen verfassungsfeindlichen Bestrebungen und
militärischer Ausspähung heute personell, d.h. einsatzmäßig und im Ziel verwischt
ist. Diese Tatsache rechtfertigt nicht die Konzentration in einer Hand. Was nicht
zusammengehört, sollte man nicht verbinden. Man sollte auch nicht die Gefahr
heraufbeschwören, dass in einem zusammengefassten Dienst das militärische
Element das Übergewicht über das immer vorrangige politische Element erhält.
Überschneidungen hat es in der Staatsverwaltung immer gegeben; sie werden
auch immer wieder auftreten. Ebenso wie dort, können sie bei Verfassungsschutz
und militärischer Abwehr durch enge Zusammenarbeit und regen Gedankenaustausch (Entsendung von Verbindungsmännern) überwunden werden.
6 Beschränkung auf legitime Kompetenzen
Notwendig ist die Beschränkung des Verfassungsschutzes auf seine legitimen
Kompetenzen. Der Verfassungsschutz darf keine ihm fremden Aufgaben
übernehmen, sie dürfen ihm auch nicht zugeschoben werden. Zu den fremden
Aufgaben im Sinne des Gesetzes vom 27.09.1950 sind z.Zt. zu rechnen:
a) Beteiligung an Pass- und Einbürgerungsangelegenheiten,
b) Personenüberprüfungen,
c) Betriebsschutz,
d) Spionageabwehr (II/G-Aufgaben).
Betriebsschutz sollte dem Verfassungsschutz nur insoweit obliegen, als es sich
um politische Infiltration und Unterminierung der Wirtschaftsunternehmen handelt.
Soweit es sich jedoch um wirtschaftliche Ausspähung unter militärischen Gesichtspunkten handelt, sollte die Zuständigkeit der militärischen Abwehr begründet
sein.
Das gleiche gilt von der Spionageabwehr: Zuständigkeit des Verfassungsschutzes
nur bei politischem Landesverrat bzw. politischer Staatsgefährdung. Praktisch
müssen sich die Verfassungsschutzdienststellen z.Zt. überwiegend mit
militärischem Landesverrat bzw. militärischer Staatsgefährdung beschäftigen. Das
geschieht nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf ausdrücklichen Wunsch des
BfV.
7 Karteiführung
Die Führung der Kartei - ohne Kartei ist die Durchführung der dem Verfassungsschutz gestellten Aufgabe undenkbar - hat in Parlament und Presse Anlass zu Polemiken gegeben. Die überwiegende Zahl der Verfassungsschutzdienststellen benutzt die Kartei als Zentralkartei (auch Zentralregistratur); nur drei Ämter führen
ihre Kartei im Wesentlichen als sog. "Verdächtigen"-Kartei, d.h. in die Kartei wird
dort nur derjenige aufgenommen, der mindestens in den begründeten Verdacht
der Beteiligung an verfassungsfeindlichen Bestrebungen gekommen ist. Beide
Methoden der Karteiführung haben ihre Vorzüge und Nachteile. Definitive Klärung
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ist dringend geboten. Bei der Entscheidung sollte beachtet werden, dass die
Tatsache der Aufnahme in die Kartei bei einer Zentralkartei nicht insbesondere
nicht verfassungsfeindliche Haltung des Aufgenommenen beweist. Wird die Zentralkartei abgelehnt, dann ist neben der Kartei eine vollständige Registratur wie bei
anderen Behörden mit dem dann notwendigen sachlichen und personellen Aufwand erforderlich.
8 Abgrenzung zwischen Polizei und Verfassungsschutz
Zu der äußerst wichtigen Frage der Abgrenzung zwischen Polizei und Verfassungsschutz, um deren Klärung sich die Amtsleiter schon seit über Jahresfrist
bemühen, - Exekutivbefugnisse für den Verfassungsschutz werden von den
Amtsleiters einhellig abgelehnt - wird auf die Denkschrift "Polizei und Verfassungsschutz" Bezug genommen, die den Herren Innenministern vorliegt.
9 Dienst an der verfassungsmäßigen Ordnung
Die Amtsleiter der Ämter für Verfassungsschutz lehnen es ab, mit dem Verfassungsschutz einer politischen Partei oder der jeweiligen Regierung zu dienen. Die
Arbeit des Verfassungsschutzes hat sich also nicht auf Regierungs- oder Verfassungskritik zu erstrecken, sondern auf den Dienst an der verfassungsmäßigen
Ordnung der Bundesrepublik zu beschränken.
10 Parlamentarische Kontrolle
Eine parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes, wie sie in der Presse
und von einzelnen Parlamentariern gefordert worden ist, ist abzulehnen. Die politische Verantwortung für den Verfassungsschutz hat der zuständige Minister wie
jeder Minister für sein Ressort; er allein hat das Weisungsrecht. Die parlamentarische Kontrolle, wie sie gefordert wird, würde das Prinzip der Gewaltenteilung
durchlöchern. Der zuständige Minister allein ist auch für Persönlichkeit des Leiters
der Verfassungsschutzdienststellen verantwortlich.
Unbedenklich erscheint jedoch, wie es bereits in mehreren Ländern praktiziert
wird, ein regelmäßiges Gespräch zwischen einem Gremium bzw. Ausschuss des
Parlaments sowie dem verantwortlichen Minister und dem Leiter der Verfassungsschutzdienststelle. Gegen stand dieses Gespräches können aber nur generelle
Fragen des Verfassungsschutzes und ein allgemeiner Lagebericht sein, dagegen
nicht Details und Erkenntnisse über Einzelpersonen.
Darüber hinaus muss es den Amtsleitern gestattet sein, Vorstände demokratischer
Parteien oder anerkannter staatstragender Organisationen (z.B. DGB) über beobachtete Infiltrations-, Unterwanderungs- und Spaltungsversuche seitens verfassungsfeindlicher Gruppen zu unterrichten.
11 Leiter als Politische Beamte
Die Amtsleiter sind sich darüber einig, dass sie politische Beamte sind, ohne dass
(ausgenommen der Bund und das Land Hessen) eine Versetzung in den Wartestand vorgesehen oder möglich ist. Diese Möglichkeit sollte überall geschaffen
werden. Ihre Notwendigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass der Amtsleiter stets
das Vertrauen des verantwortlichen Ministers besitzen muss, wenn eine
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gedeihliche Arbeit gewährleistet sein soll. Andererseits erscheint eine Versetzung
aus der Leitung der Sonderbehörde des Verfassungsschutzes in einen anderen
Verwaltungszweig ohne Einvernehmen mit dem Betroffenen nicht zumutbar. Amtsleiter, die ihre Pflicht erfüllen, eine Pflicht, die viele Beamte bekanntlich heute nicht
zu übernehmen bereit sind, sollte man im Falle eines Wechsels des verantwortlichen Ministers weder der Großmut noch der Willkür des Nachfolgers überlassen.
Grundsätzlich sollte jedoch im Interesse der Sicherung und Festigung der Arbeit
des Verfassungsschutzes eine Kontinuität in der Leitung angestrebt werden. Dazu
wird man am ehesten gelangen, wenn bei Besetzung der Stelle des Leiters der
Verfassungsschutzdienststelle das Agreement der Opposition eingeholt wird.
Dadurch würde dem Gerede von Amtsmissbrauch der Boden entzogen. Dagegen
halten es die Amtsleiter für gefährlich und der Arbeit abträglich, die personelle Besetzung der Verfassungsschutzdienststelle nach der Proportionalität vorzunehmen.
Auch für die Mitarbeiter des Leiters Verfassungsschutzdienststelle trägt der zuständige Minister die Verantwortung. Die Berufung der Mitarbeiter darf aber nicht
gegen den Willen des Leiters erfolgen, weil hier wie nirgends sonst gegenseitiges
Vertrauen und Einklang Voraussetzung für gedeihliche Arbeit sind.
12 Weitergabe von Informationen
Verfassungsschutz ist nicht Selbstzweck. Ausgewertete Informationen müssen,
wenn sie jeder Nachprüfung standhalten, an die zuständigen Stellen (dem Minister, der Polizei, den Strafverfolgungsbehörden) weitergegeben werden. Im Übrigen muss der Amtsleiter nach verantwortlicher Prüfung entscheiden, ob er Informationen zunächst nur zur Kenntnis nimmt und archiviert, oder ob er sie seinem
Minister mit bestimmten Vorschlägen unterbreitet.
13 Koordinierung bei Vereinsverboten
Koordinierung in einem anderen als dem unter 4.) behandelten Sinne - letztlich
keine Aufgabe des Verfassungsschutzes, sondern der Minister bzw. Regierungen
in Bund und Ländern - ist nach den bisherigen Erfahrungen dringend geboten bei
der Feststellung von Verboten verfassungsfeindlicher Organisationen. Z.Zt. ist es
so, dass in einem Land eine verfassungsfeindliche Organisation sich ungehindert
entfalten kann, während die gleiche Organisation in einem anderen Land von der
Exekutive an jeder Betätigung gehindert und ihre führenden Mitglieder strafrechtlich verfolgt werden. Die föderalistische Treuepflicht der Länder untereinander sollte ein einheitliches Vorgehen aller Länder ermöglichen.
14 Verfassungsschutz und Presse
Grundsätzlich sollte eine Unterrichtung der Presse durch die Verfassungsschutzämter unterbleiben. (In Bayern ist sie gesetzlich verboten). Nur mit Genehmigung des Ministers können von Fall zu Fall Auskünfte an die Presse gegeben
werden. Dagegen ist nichts daran auszusetzen, die seriöse Presse für eine positive Berichterstattung über den Verfassungsschutz zu interessieren.
15 Verfassungsschutz ist "Sonderbehörde"
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Der Verfassungsschutz ist ein Novum in der deutschen Verwaltung und als solches nicht in das allgemeine Schema einzuordnen. In Form und Aufgabe weicht
der Verfassungsschutz von der allgemeinen Verwaltung ab und stellt eine "Sonderbehörde" dar. Die überlieferten und erprobten Verwaltungsgrundsätze können
nur insoweit im Verfassungsschutz Geltung haben, wie sie die Durchführung der
gestellten Aufgabe nicht hemmen.
1. Die Amtsleiter sind der Meinung, dass sie selbst und ihre Mitarbeiter Mitglied
einer staatstragenden politischen Partei sein können, aber in diesen Parteien
kein Amt bekleiden, sich parteipolitisch auch nicht (z.B. als Redner) exponieren dürfen.
2. Die Amtsleiter sind aus gegebener Veranlassung schließlich der Meinung,
dass sie sich kraft ihrer Stellung alle oder regional in Gruppen zur Erörterung
ihrer Aufgaben zusammenfinden dürfen.
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