UNCTAD/EDM/MISC/2003/22 03

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PRESSEMITTEILUNG
BITTE BEACHTEN SIE DIE
SPERRFRIST:
12. September 2012, 19h00 MEZ
UNCTAD/PRESS/PR/2012/32
Original: English
UNCTAD: WIRTSCHAFTSPOLITISCHE MASSNAHMEN ZUR
VERRINGERUNG DER EINKOMMENSUNGLEICHHEIT STÄRKEN
WACHSTUM UND ENTWICKLUNG
Die UNO-Konferenz für Handel und Entwicklung plädiert für progressive
Besteuerung, höhere Sozialausgaben und am Produktivitätsfortschritt
orientierte Lohnerhöhungen
Genf, 12.September 2012 – Der Jahresbericht 2012 der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel
und Entwicklung (UNCTAD) tritt der weit verbreiteten Auffassung entgegen, daß zunehmende
Ungleichheit der Einkommensverteilung eine Voraussetzung für Effizienzsteigerung und Wachstum in
einer globalisierten Wirtschaft sei. Stattdessen empfiehlt er wirtschaftspolitische Maßnahmen, die der
Öffnung der Einkommensschere zwischen Arm und Reich entgegentreten und zugleich das
Wirtschaftswachstum fördern. Der Trade and Development Report 20121 mit dem Untertitel
„Wirtschaftspolitik für sozial ausgewogenes und stabiles Wachstum“ (Policies for inclusive and
balanced growth) wird heute veröffentlicht.
Maßnahmen zur Stabilisierung der Lohnquote, eine stärkere Besteuerung hoher Einkommen und
erhöhte Sozialausgaben sind dem Bericht zufolge nicht nur geeignet Einkommensdisparitäten zu
verringern, sondern auch die volkswirtschaftliche Effizienz zu erhöhen und Wachstumskräfte zu
stärken.
Der Bericht weist darauf hin, daß in den letzten drei Jahrzehnten die Fiskalpolitik darauf ausgerichtet
war, staatliche Eingriffe und vermeintlich durch progressive Steuern verursachte Verzerrungen der
Marktergebnisse zu verringern. Parallel dazu wurde eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und der
Löhne vorangetrieben und der Arbeitsplatzschutz eingeschränkt, der nach gängiger Auffassung die
Einstellung von Arbeitskräften behindert. Diese Strukturreformen haben die Einkommensungleichheit
verstärkt ohne jedoch wie erhofft zu geringerer Arbeitslosigkeit und stärkerem Wachstum zu führen.
Seit den 1980er Jahren wurde der Anteil der direkten Steuern am Gesamtsteueraufkommen in vielen
Ländern verringert; regressive indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer wurden dagegen erhöht.
Außerdem wurde oft versucht, den Staatsanteil am Sozialprodukt zu reduzieren. Die von den
Steuererleichterungen für hohe Einkommen und die Einschränkung der Staatsausgaben erwartete
Belebung der Unternehmensinvestitionen blieb jedoch aus, wie der Bericht feststellt.
Im Gegensatz dazu zeigen die in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen in einer Reihe von
Entwicklungsländern, insbesondere in Lateinamerika, daß eine Verstärkung der Steuerprogression
sowie höhere Staatsausgaben, vor allem für Sozialleistungen und die Bereitstellung öffentlicher Güter
* Kontakt: UNCTAD Communications and Information Unit, +41 22 917 5828, +41 79 502 43 11, [email protected],
http://unctad.org/en/pages/Media.aspx
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Der Trade and Development Report 2012 kann zum Preis von € 44,58 bezogen werden vom UNO-Verlag, Bonn
(http://uno.wbv.de/publikationenshop.html).
UNCTAD/PRESS/PR/2012/32
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und Dienstleistungen für die unteren Einkommensschichten, erheblich zur Beschleunigung eines sozial
ausgewogenen Wachstums beitragen können, schreibt die UNCTAD. Dies begründet der TDR damit,
daß höhere Einkommenszuwächse in den unteren Einkommensschichten die Nachfrageerwartungen
vieler Unternehmen verbessern und sie zu zusätzlichen Investitionen veranlassen.
Nach Auffassung der Autoren des TDR muss sich eine höhere und stärker progressive Besteuerung
auf das ökonomische Anreizsystem nicht negativ auswirken. So könnten etwa hohe Einkommen aus
spekulativen und anderweitig gesamtwirtschaftlich unproduktiven Aktivitäten erheblich stärker
besteuert werden als Einkommen aus eigentlicher unternehmerischer Tätigkeit oder Arbeitsleistung,
die zu einer Steigerung des realen Sozialprodukts und damit zur Erhöhung des gesellschaftlichen
Wohlstandes insgesamt beitragen.
Den Regierungen von Entwicklungsländern, die reich an Bodenschätzen sind, empfiehlt der Bericht
außerdem, einen größeren Teil der Gewinne aus der Ausbeutung dieser Rohstoffe abzuschöpfen als
sie dies bisher in vielen Fällen tun. Dadurch könnte die gesamte Bevölkerung in stärkerem Maße an
diesem Rohstoffreichtum teilhaben. Auch sollte die Besteuerung der oft sehr hohen Gewinne
ausländischer Investoren in den Entwicklungsländern generell überprüft werden.
Der so vergrößerte Spielraum bei den Staatsfinanzen erleichtert nicht nur die Durchführung staatlicher
Beschäftigungs- und Umverteilungsprogramme, sondern verbessert auch die Möglichkeiten für eine
antizyklische Wirtschaftpolitik, mit der in konjunkturellen Abschwungphasen oder Krisenzeiten die
Gesamtnachfrage stabilisiert werden kann.
Dem TDR zufolge ist das Paradigma der Flexibilität des Arbeitsmarktes gescheitert. Es ist damit nicht
gelungen die Arbeitslosigkeit zu senken. Im Gegenteil: die entsprechenden Arbeitsmarktreformen
haben die Arbeitslosigkeit tendenziell sogar noch erhöht. Den Grund hierfür sieht die UNCTAD in der
einzelwirtschaftlichen Betrachtung der Löhne, die die Rolle der Löhne und Gehälter als Determinante
der Konsumausgaben und damit als wichtigsten Bestandteil der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage
außer Acht lässt. Niedrigere Löhne mögen die Arbeitskosten für das einzelne Unternehmen senken,
aber sie können gesamtwirtschaftlich keine zusätzlichen Arbeitsplätze schaffen, da Lohneinbußen auf
breiter Front die Nachfrage verringern. Wenn die gesamtwirtschaftliche Produktivität stärker wächst als
die Löhne, kommt es zu einer Unterauslastung des Produktionspotentials und zu einem Rückgang der
Gewinne und der Unternehmensinvestitionen, wie der Bericht ausführt.
Auch die in letzter Zeit verschiedentlich gemachte Empfehlung, Löhne für gleichartige Qualifikationen
und Tätigkeiten stärker zwischen Unternehmen zu differenzieren anstatt ein gesamtwirtschaftlich
einheitliches Lohnniveau anzustreben wird von der UNCTAD verworfen. Eine derartige Lohnpolitik
würde die Investitions- und Innovationsanreize für die Unternehmen und damit den
Produktivitätsfortschritt unterminieren: wenn weniger effiziente Unternehmen ihre Gewinne auf Kosten
der Löhne ihrer Arbeitskräfte erhalten könnten, hätten sie keinen Grund ihre Produktivität zu erhöhen
um ihr Überleben zu sichern.
Flächentarifvereinbarungen, eventuell auf der Basis von Lohnempfehlungen seitens der Regierung
oder allgemeinen Richtlinien, können eine Verringerung der Lohnquote, wie sie in vielen Ländern
zuletzt stattgefunden hat, verhindern (siehe auch Pressemitteilung UNCTAD/PRESS/PR/2012/31).
Der TDR empfiehlt daher, mit Hilfe solcher Vereinbarungen das allgemeine Lohnniveau regelmäßig
entsprechend dem durchschnittlichen Produktivitätsanstieg und einem von der Zentralbank gesetzten
Inflationsziel zu erhöhen. Damit würden nicht nur große Unterschiede in den Löhnen für gleichartige
Beschäftigungen vermieden, sondern es würde gleichzeitig der Entstehung von Inflation vorgebeugt.
In Entwicklungsländern sind solche Vereinbarungen weniger leicht durchzusetzen und in Anbetracht
des relativ großen Anteils des informalen Sektors und des Kleingewerbes weniger wirksam als in den
meisten Industrieländern. Für die Verringerung der Einkommensungleichheiten ist es dort zunächst
wichtig, die Arbeitsmarktinstitutionen und Gewerkschaften zu stärken. Die stärkere und progressive
Besteuerung von Vermögen und hohen Einkommen, verbesserte staatliche Sozialleistungen, die
Einführung und regelmäßige Anpassung von Mindestlöhnen, die Schaffung von produktiver
Beschäftigung durch öffentliche Arbeitgeber, sowie Maßnahmen zur Erhöhung der Einkommen aus der
Landwirtschaft spielen dort zusätzlich eine besonders wichtige Rolle.
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