Aus dem Institut für Tierschutz und Verhalten (Heim-, Labortiere und Pferde) der Tierärztlichen Hochschule Hannover Untersuchung des Verhaltens von Golden Retrievern im Vergleich zu den als gefährlich eingestuften Hunden im Wesenstest nach der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung vom 5.7.2000 INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Veterinärmedizin (Dr. med. vet.) durch die Tierärztliche Hochschule Hannover Vorgelegt von Tina Johann aus Bremen Hannover 2004 Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. Hansjoachim Hackbarth 1. Gutachter: Prof. Dr. Hansjoachim Hackbarth 2. Gutachterin: Prof. Dr. Anne-Rose Günzel-Apel Tag der mündlichen Prüfung: 18.11.2004 Für meine Eltern Für mein Kind Inhaltsverzeichnis I. Einleitung 1 II. Literatur 3 1. Verhaltenslehre 3 1.1 Wesen und Verhalten 3 1.2 Verhaltensontogenese 3 1.3 Agonistik 6 1.3.1 Flucht- und Defensivverhalten 7 1.3.2 Aggressionsverhalten 8 1.3.3 Ursachen für aggressives Verhalten 10 1.4 Unangemessenes Jagdverhalten 15 1.5 Gestörtes und inadäquates Aggressionsverhalten 16 2. Kommunikation des Hundes, Ausdrucksverhalten 18 2.1 Gesamtausdruck “neutral“ 19 2.2 Abstand verringernde Signale 19 2.3 Abstand vergrößernde Signale 21 3. Beschwichtigungssignale 24 4. Stresssymptome 24 5. Wesenstests 25 5.1 Wesenstest nach den Richtlinien der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000 5.2 Wesenstest im Deutschen Retriever Club e.V. (DRC) III. 26 28 6. Rassemerkmale des Golden Retrievers 31 Material und Methoden 33 1. Hunde 33 2. Testgelände, Testpersonen und Testutensilien 33 3. Wesenstest nach den Richtlinien der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000 35 3.1 Durchführung des Wesenstests 3.1.1 Lerntest 36 3.1.2 Allgemeinuntersuchung 36 3.1.3 Wesenstestsituationen des Hund-Mensch und Hund-Umwelt-Kontakts 3.2 Bewertungssystematik IV. 35 36 48 3.2.1 Skalierung 48 3.2.2 Bestehen/Nichtbestehen des Wesenstests 50 3.2.3 Gestört o. inadäquat aggressives Verhalten 51 3.3 Datenaufnahme 52 3.4 Beurteilung der Hunde 52 4. Auswertung der Daten 53 Ergebnisse 54 1. Hunde 54 2. Höchste erreichte Skalierungen 54 3. Verhalten der Hunde in den einzelnen Situationen 55 4. Drohverhalten der Hunde in ähnlichen Situationen 58 5. Aggressives Verhalten der Skalierung 5, 6 und 7 59 6. Gestört oder inadäquat aggressives Verhalten 59 7. Höchste erreichte Skalierung im Vergleich zwischen den Hunden von MITTMANN (2002) und der Kontrollgruppe 60 8. Höchste erreichte Skalierungen im Vergleich zwischen Hunden mit bestandenem DRC-Wesenstest und Hunden ohne DRC-Wesenstest 61 9. Häufig beobachtete Lösungsstrategien: Submissives Verhalten und Stresssymptome bei den Golden Retrievern 63 V. Diskussion 64 1. Material und Methoden 64 1.1. Hunde 64 1.2. Wesenstest 66 1.3. Begutachtung 68 2. Ergebnisse 69 3. Schlussfolgerung 74 VI. Zusammenfassung 77 VII. Summary 79 VIII. Literaturverzeichnis 81 IX. Anhang 94 1. Anhang: Wesenstest für Hunde 94 2. Anhang: Vordruck Wesenstest 98 3. Anhang: Entwicklung des Niedersächsischen Wesenstests 102 4. Anhang: Lerntest und Frustrationstest 103 5. Anhang: Ausdrucksverhalten 105 6. Anhang: Datenquellen für Abbildungen 116 1 Einleitung I. Einleitung In dem Zeitraum Juli 2000 bis Juli 2002 galt in Niedersachsen die so genannte Niedersächsische Gefahrtierverordnung (GefTVO). Diese ging davon aus, dass von Hunden bestimmter Rassen eine besondere Gefährdung ausgeht. Aus diesem Grund mussten die Hunde der unten aufgeführten Rassen sowie Mischlinge aus ihnen einen so genannten Wesenstest absolvieren. Kategorie 1 Kategorie 2 American Staffordshire Terrier Dobermann Bullterrier Rottweiler Hunde vom Pitbull-Typus Staffordshire Bullterrier Kreuzungen mit diesen Rassen Bullmastiff Dogo Argentino Fila Brasileiro Kaukasischer Owtscharka Mastiff Mastino Espanol Mastino Napoletano Tosa Inu Kreuzungen mit diesen Rassen In der Dissertation von MITTMANN (2002) wurden von fünf Hunderassen und einem Hundetypus (Pitbull-Terrier) 415 Wesenstests nach der GefTVO, die vom 14.08.2000 bis 16.05.2001 am Institut für Tierschutz und Verhalten der Tierärztlichen Hochschule Hannover abgenommen wurden, unter folgenden Fragestellungen untersucht: 2 Einleitung • Gibt es Hinweise auf eine Rassedisposition für gestört oder inadäquat aggressives Verhalten bei den fünf Hunderassen und dem Hund vom Pitbull-Typus im Wesenstest? • Gibt es einen signifikanten Unterschied im Verhalten zwischen den Rassen der Kategorie 1 und 2? MITTMANN (2002) stellte bei 95% (395 Hunde) keine Hinweise für gestört oder inadäquat aggressives Verhalten fest. 19 Tiere wurden als inadäquat aggressiv und ein Hund als gestört aggressiv beurteilt (zusammen 5 %). Da zum damaligen Zeitpunkt keine Kontrollgruppe zur Verfügung stand, bezogen sich die Ergebnisse in der Arbeit von MITTMANN (2002) auf eine vergleichende Betrachtung zwischen den fünf Hunderassen (American Staffordshire Terrier, Bullterrier, Dobermann, Rottweiler, Staffordshire Bullterrier) und Hunden vom Pitbull-Typus. Ob von den vom Gesetzgeber als gefährlich eingestuften Rassen eine größere Gefahr für Dritte ausgeht, aufgrund von inadäquat oder gestört aggressivem Verhalten, kann nur mit Hilfe einer Kontrollgruppe von Hunden, die nicht einer dieser Rassen angehören, bewiesen bzw. widerlegt werden. In der vorliegenden Studie wurden deshalb 70 Hunde der Rasse Golden Retriever, geführt von ihren Besitzern, im Wesenstest nach den Richtlinien der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000 getestet. Die Bereiche des Hund-Mensch- und HundUmwelt-Kontakts wurden unter folgenden Gesichtspunkten ausgewertet: • Gibt es Hinweise auf eine Rassedisposition für gesteigertes Aggressionsverhalten bei Hunden der Rasse Golden Retriever im Wesenstest? • Gibt es einen signifikanten Unterschied in der Häufigkeit des Aggressionsverhaltens zwischen den von MITTMANN (2002) untersuchten Rassen und den getesteten Golden Retrievern? • Gibt es bei den Golden Retrievern Hinweise auf häufig gewählte Lösungsstrategien in Konfliktsituationen, wie sie im Wesenstest auftreten können? 3 Literatur II. Literatur 1. Verhaltenslehre des Hundes 1.1 Wesen und Verhalten Viele Autoren wie SEIFERLE und LEONHART (1984), SCHLEGER und STUR (1990), LÖFFLER und EICHELBERG (1991), BÄRTSCHI und SPENGLER (1992) sowie BRUNNER (1994) verstehen unter dem Begriff „Wesen“ die Gesamtheit angeborener und erworbener Verhaltenseigenschaften eines Individuums. Dieser Begriff wird oft sehr ungenau benutzt und in seiner Komplexität nicht erfasst. So meint FEDDERSEN-PETERSEN (2001 a), dass „Wesen“ nicht mit dem „Verhalten“ gleichzusetzen ist, sondern aus dem gezeigten „Verhalten“ eines Individuums zu erschließen ist. FISCHEL (1961) beschreibt das Wesen als das Ergebnis des Zusammenwirkens aller psychischen Eigenschaften: Temperament, Erregbarkeit, Angriffsneigung und Ängstlichkeit. Diese Definition verdeutlicht, dass das Wesen eine Eigenschaft ist, die nicht beobachtet werden kann, im Gegensatz zum Verhalten. Das „Wesen“ ist somit der Charakter eines Tieres, der durch das „Verhalten“ zutage tritt. Nach FEDDERSEN-PETERSEN (2000 b) kann in einem Wesenstest demnach von dem gezeigten „Verhalten“ eines Tieres auf sein „Wesen“ geschlossen werden. Aufgrund welcher Motive sich ein Tier auf eine bestimmte Art und Weise verhält, wird unter 1.3-1.5 erläutert. 1.2 Verhaltensontogenese Unter Verhaltensontogenese verstehen IMMELMANN et al. (1996) die individuelle Entwicklung eines Lebewesens von der befruchteten Eizelle bis zum Tod. Bei der Entwicklung des Sozialverhaltens beim Hund können bestimmte Entwicklungsphasen unterschieden werden, die nach einer genetisch festgelegten Reihenfolge und zu einem festen Zeitpunkt auftreten (SCOTT und FULLER 1965 a; siehe Tabelle II. 1). Besondere 4 Literatur Bedeutung fällt hier der Entwicklung von der Geburt bis zur Geschlechtsreife zu (Jugendentwicklung), da in diesem Zeitraum die stärksten Verhaltensänderungen stattfinden (IMMELMANN et al. 1996). Tabelle II. 1: Ontogenese des Sozialverhaltens von Haushunden (SCOTT und FULLER 1965 a, FOX 1971) Entwicklungsphase Zeitraum Besonderheiten Neonatale Phase Geburt-14.Lebenstag • • Übergangsphase 15.-21. Lebenstag • • • • Sozialisierungsphase • 3.-12. Lebenswoche • • Ohren u. Augen geschlossen Wahrnehmung von taktilen u. geschmacklichen Reizen Öffnung der Augen und des Gehörganges Stehen u. Laufen Beginn von Kampfspielen mit Geschwistern Entwicklung von sozialen Signalen (z.B. Knurren, Schwanzwedeln) Aufbau von Bindungen zu Artfremden Gewöhnung an die Umwelt Entwicklung einer Vielzahl von sozialen Verhaltensweisen Die Ontogenese hängt sowohl von inneren (genetisch bedingten) als auch von äußeren (Umwelt bedingten) Faktoren ab (TRUMLER 1989, BRUNNER 1994). Prinzipiell wird davon ausgegangen, dass beide Anteile einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten eines Individuums haben und beide durch den Menschen zu beeinflussen sind, entweder über Zucht (innere Faktoren) oder über die Aufzucht (äußere Faktoren). TINBERGEN (1979) beschreibt diese enge Verflechtung beider Faktoren zutreffend mit der Aussage, dass jedes Verhalten zu 100% vererbt und zu 100% erlernt ist. Von den in der Tabelle II. 1 aufgeführten Entwicklungsphasen soll nun die Sozialisierungsphase näher betrachtet werden. Diese Phase ist entscheidend für das gesamte weitere Leben eines Hundes, denn zu keiner Zeit lernt er so viele und entwicklungsentscheidende Dinge wie in diesen neun Wochen. Das Gehirn ist in diesem 5 Literatur Lebensabschnitt besonders aufnahmefähig für jegliche Reize, da der Organismus über eine besonders hohe Neoplastizität verfügt (FEDDERSEN-PETERSEN 2000 a). In diesem Lebensabschnitt werden Verhaltensänderungen durchgemacht, die durch soziale Bezugsformen zu anderen Individuen bedingt werden (TEMBROCK 1992 b). Der Hund lernt, was für ihn in seinem späteren Leben „normal“ ist, wovor er sich nicht zu ängstigen hat und bildet so ein Referenzsystem aus, indem soziale und physische Elemente der Umwelt dauerhaft in emotionale und kognitive Schemata abgespeichert werden (LINDSAY 2000). Werden in dieser Zeit besonders viele positive Erfahrungen gemacht, wird es dem Welpen bei einer Konfrontation mit neuen Reizen leichter fallen, schon bekannte Elemente zu entdecken und so seine eventuelle Angst zu überwinden (QUANDT 2001). Wächst der Welpe in der Sozialisierungsphase reizarm auf, entstehen Entwicklungsschäden (SCOTT und FULLER 1965 a). FEDDERSEN-PETERSEN (1991 a, 1991 b, 1992, 2001 a) spricht hier von „Deprivationsschäden“ oder einem „Deprivationssyndrom“. Diese Hunde werden im späteren Leben durch eine schlechte Lernfähigkeit, schnell einsetzende Stresszustände, geringes Repertoire an Konfliktlösungsstrategien und Probleme in der Erregungslage (hyperaktive oder gehemmte Tiere) auffallen (LINDSAY 2000, DEL AMO et al. 2001). „Der allgemein erhöhte Erregungslevel führt auch zu einer Erniedrigung für Aggression“ (QUANDT 2001). Auch die Beziehung zu Menschen kann bei mangelhaft sozialisierten Hunden auffällig sein. Durch eine schlechte oder unzureichende soziale Bindung zum Menschen können sie für diesen zu einer Gefahr werden (FEDDERSENPETERSEN und OHL 1995). APPLEBY et al. (2002) verweisen hier noch direkter auf die zentrale Bedeutung der Sozialisierungsphase, indem sie den Zusammenhang zwischen dem gezeigten Grad der Aggressivität gegenüber Menschen und Artgenossen bei erwachsenen Hunden und den spezifischen sozialen Kontakten in dieser Entwicklungsphase aufzeigen. Laut SCHÖNING (2001 b) geht von mangelhaft sozialisierten Hunden eine größere Gefahr aus, weil diese Hunde eine erhöhte Ängstlichkeit, eine mangelnde Kommunikationsfähigkeit und eine Stress- und Frustrationsintoleranz aufweisen. Stress, Angst und Frustration steigern wiederum die Motivation eines Hundes zur offensiven Attacke. 6 Literatur 1.3 Agonistik GATTERMANN (1993) beschreibt agonistisches Verhalten als eine Sammelbezeichnung für alle Verhaltensweisen gegenüber Artgenossen, die das eigene Verhalten störend beeinflussen. Es beinhaltet zwei gegensätzliche Bereiche: 1) Angriffs- oder aggressives Verhalten 2) Flucht- oder defensives Verhalten Zum agonistischen Verhalten gehören auch Verhaltensweisen, die durch eine Überlagerung von aggressivem und defensivem Verhalten entstehen, so z.B. das Drohverhalten (IMMELMANN et al. 1996). Durch beide Vorgehensweisen (Angriffs- oder aggressives Verhalten/ Flucht- oder defensives Verhalten) lassen sich Störungen beseitigen und raumzeitliche Distanzierungen beibehalten (TEMBROCK 1992 a). Agonistisches Verhalten beruht auf lebensnotwendigen Ansprüchen hinsichtlich Raum, Nahrung, Fortpflanzung, Betreuung der Nachkommen u. a. und steht mit dem Territorialverhalten, Sexualverhalten und anderen Funktionskreisen in Zusammenhang (GATTERMANN 1993). Empfindet ein Hund eine Situation als Konflikt, stehen ihm die vier folgenden Verhaltensweisen als Repertoire zur Verfügung: 1) Flucht (flight) 2) Drohverhalten und Angriff (fight) 3) Erstarren (freeze) 4) Ersatzhandlungen (flirt oder fiddle about) Grundsätzlich wird das Tier zuerst versuchen zu fliehen. Wenn jedoch die Fluchtdistanz unterschritten ist und eine Flucht als erfolglos gilt, wird eine der anderen Möglichkeiten gewählt. Natürlich muss nicht erst “flight“ gezeigt werden, schließlich können andere Verhaltensweisen als Erfolg versprechender erlernt worden sein (siehe Kapitel II. 1.3.3 D). 7 Literatur Beim Erstarren erhofft sich das Tier, dass die Gefahr vorübergeht, ohne es zu beeinträchtigen. Wird das „flirt“ („fiddle about“) gezeigt, versucht der Hund die Bedrohung mit Hilfe sozialer Gesten oder Übersprungshandlungen abzuwenden. Wird gedroht oder angegriffen, so soll die Bedrohung vertrieben bzw. beseitigt werden. Welche der vier Strategien gewählt wird, hängt von angeborenen Eigenschaften und von gemachten Erfahrungen des Individuums ab. Es wird diejenige Verhaltensweise gewählt, die in der jeweiligen Situation den meisten Erfolg verspricht (LINDSAY 2000, JONES-BAADE 2001 c). Aufgrund des Ziels des Wesenstests nach der Niedersächsischen GefTVO vom 05.07.2000, bei dem Individuen mit einem gestörten oder inadäquaten Aggressionsverhalten erkannt werden sollten, wird im Kapitel II. 1.3.2 ausführlich auf das Aggressionsverhalten (fight) eingegangen. 1.3.1 Flucht- und Defensivverhalten Flucht- und Defensivverhalten sind Verhaltensweisen der Agonistik, welche zusätzlich noch das Angriffs- und aggressive Verhalten beinhaltet. Bei einer Bedrohung wird das Tier prinzipiell zunächst die Möglichkeit der Flucht wählen. Sollte diese nicht möglich sein, so wird es versuchen, mit defensivem Verhalten die Bedrohung aktiv abzuwehren (ABRANTES 2001). Defensives Verhalten beinhaltet nach LINDSAY (2000) z.B. folgende Signalhandlungen: das Erstarren des gesamten Körpers, das Hinsetzen und Hinlegen, die Verlangsamung der Bewegungen, Abwenden des Blickes, Kopfes oder des gesamten Körpers, Maulschlecken (Lecken der eigenen Nase), Gähnen, Blinzeln der Augen, Schnüffeln, das Einknicken in den Gelenken (geduckte Körperhaltung), das Schwanzwedeln usw. Auch das Zurückziehen der Kopfhaut, eng anliegende oder mit der Öffnung nach unten orientierte Ohren oder zurückgezogene, die Zähne bedeckende Lippen gehören in den Bereich des defensiven Verhaltens (SCHALKE 2004). Sollten eine Flucht oder die genannten Signalhandlungen aggressives Verhalten des Gegenübers nicht beenden bzw. die Bedrohung nicht auf Abstand halten, kann nur noch aggressives Verhalten gewählt werden (LINDSAY 2000, ABRANTES 2001). 8 Literatur 1.3.2 Aggressionsverhalten Aggressionsverhalten gehört zum normalen Verhaltensrepertoire eines Hundes (SCHÖNING 2000 a, JONES-BAADE 2001 c). Es ist unerlässlich für das Zusammenleben in einer sozialen Gruppe, weil es das Miteinander regelt (FEDDERSEN-PETERSEN und OHL 1995). Aggressives Verhalten bietet eine Möglichkeit, lebenswichtige Dinge zu behalten oder zu erlangen. GATTERMANN (1993) nannte diese Dinge, die die individuelle Fitness steigern oder erhalten, Ressourcen. Die individuelle Fitness ist der relative Anteil der eigenen Gene an der nächsten Generation (IMMELMANN et al. 1996). Ressourcen sind z.B. Nahrung, Territorium, Geschlechtspartner und die Aufrechterhaltung der Individualdistanz, die der Unversehrtheit des eigenen Körpers dient (FEDDERSEN-PETERSEN und OHL 1995). Aggression ist also ein Konkurrenzverhalten um Fitness begrenzende Ressourcen (EIBLEIBESFELDT 1999). Als Aggression bezeichnet man Auseinandersetzungen zwischen Individuen (IMMELMANN 1982). Aggression kann sowohl intraspezifisch vorkommen, also zwischen Angehörigen einer Art, als auch interspezifisch, somit zwischen Artfremden (IMMELMANN et al. 1996). Beim Hund ist sowohl die intraspezifische als auch die interspezifische Aggression hoch ritualisiert, wodurch das Aggressionsverhalten eines Hundes sowohl einem anderen Hund als auch einem Menschen gegenüber bestimmten „Spielregeln“ untersteht (SCHALKE 2004). Gezeigt wird Aggressionsverhalten laut LINDSAY (2000) gegenüber Menschen, um Ressourcen zu behalten oder zu erwerben, als auch zum Zwecke der Selbstverteidigung, die besonders häufig bei mangelhaft sozialisierten Hunden auftritt. Beim Aggressionsverhalten wird zwischen offensivem und defensivem unterschieden (siehe Tabelle II. 2). SCHALKE (2004) definiert beide Formen in dem Sinne, dass sie die Distanzvergrößerung zum Ziel haben, sich aber in den zugrunde liegenden Motivationen unterscheiden. So empfindet der defensiv drohende Hund Angst bzw. Unsicherheit und fürchtet um die Ressource „körperliche Unversehrtheit“. Zeigt ein Hund offensives Aggressionsverhalten ist nicht Angst das zugrunde liegende Gefühl, sondern die Ursache kann Frustration im Wettbewerb um Ressourcen sein, ausgenommen die „körperliche Unversehrtheit“. Beide Verhaltensweisen beinhalten das Drohen, gehemmtes und freies 9 Literatur Aggressionsverhalten. Beim defensiven Aggressionsverhalten ist Submission zu beobachten, es kann jedoch auch Abwehrdrohen und Abwehr von Angriffen auftreten. Tabelle II. 2: Offensives und defensives Aggressionsverhalten mit zunehmend affinem Status (Zuwendung mit Distanzverringerung) (nach FEDDERSEN-PETERSEN und OHL 1995) Aggressionsverhalten Drohen Gehemmt Frei offensiv Anschleichen Blickkontakt Überfalldrohung Haarsträuben Knurren Vorn-Zähneblecken Beißdrohstellung Über-die-Schnauze-Beißen Gegenstand abnehmen Schieben, Anrempeln, Aufreiten, Runterdrücken, Umstellen, Überfall, Vorderbeinstoßen, Anspringen, Hochkampf, Rückenbiss, Verfolgen Angriff, Beißen, Ernstkampf defensiv Gebissklappern Wegsehen Abwehrschnappen Haarsträuben Knurren Voll-Zähneblecken Abwehrdrohen Abwehr mit gekrümmten Hals Abwehrkreisel Abwehr auf dem Rücken Abwehrstoßen Abwehrbeißen FEDDERSEN-PETERSEN (1999) hat so genannte „Eskalationsstufen“ erstellt, die mit Hilfe des Ausdrucksverhaltens von Hunden unterteilt werden. Die Distanz zum Sozialpartner und der Grad der Aggression stellen Parameter dar. Das im Wesenstest benutzte Skalierungssystem hat das von FEDDERSEN-PETERSEN (1999) erarbeitete Modell zur Grundlage (siehe Abbildung III. 1). 10 Literatur 1.3.3 Ursachen für aggressives Verhalten Die Ursachen für aggressives Verhalten sind vielfältig und komplex, es können immer mehrere Motivationen dem Aggressionsverhalten zugrunde liegen. SCHÖNING (2000 b) nannte folgende Bedingungen für aggressives Verhalten: • Schmerz oder Schock bedingte Aggression • Hormonell bedingte Aggression der Hündin und des Rüdens • Territorial bedingte Aggression • Pathologisch bedingte Aggression • Angst bedingte Aggression • Rang bezogene Aggression • Spielerische Aggression Im Folgenden werden nur die letzten drei Bedingungen und unangemessenes Jagdverhalten näher erläutert, da diese hauptsächlich von Hunden im Wesenstest gezeigt wurden. Auch unangemessenes Jagdverhalten gegenüber Menschen kann dieselben Folgen haben wie Aggressionsverhalten und wird deshalb mit aufgeführt. Durch eine klinische Allgemeinuntersuchung, die vor der Abnahme des Wesenstests stattfand, konnte Schmerz bedingte Aggression weitestgehend als Ursache für aggressives Verhalten im Test ausgeschlossen werden, da kranke Tiere nicht teilnehmen durften. Auch die Bedingungen hormoneller Status, Territorium und pathologische Ursachen hatten im Wesenstest eine untergeordnete Relevanz und werden deshalb hier nicht näher erläutert. 11 Literatur A) Angst bedingte Aggression Angst empfinden zu können ist eine angeborene Fähigkeit, die sinnvoll ist, weil das Individuum dadurch vor Bedrohungen geschützt wird und so die Empfindung Angst zum Überleben beiträgt (JONES-BAADE 2001 c). Laut QUANDT (2001) ist Angst eine angeborene innere und äußere Stressreaktion des Körpers auf Bedrohung, wodurch die Fitness erhöht wird, weil ein potentiell gefährlicher Kontakt vermieden wird. Dies trifft jedoch nur zu, wenn die Angst in einem gesunden Maß vorliegt. Angst bedingte Aggression tritt als Reaktion auf einen objektiv oder subjektiv als bedrohlich empfundenen Stimulus in einer bestimmten Situation auf (JONES-BAADE 2001 c). Angeborene Angstauslöser sind z.B. Feinde, Schmerzen, Geräusche oder Gebiete ohne Deckungsmöglichkeit (JONES-BAADE 2001 c). Prinzipiell können alle Reize, die über die Sinne erfassbar sind, zu Angst induzierenden Stimuli werden, wenn mit diesen negative Erfahrungen gemacht wurden (JONES-BAADE 2001 a). Durch Lernvorgänge können auch andere Stimuli, die mit der als Angst hervorrufend empfundenen Situation assoziiert wurden, Angstreaktionen erzeugen (BORCHELT und VOITH 1996). SCHÖNING (2000 a) sieht als Motiv für Angst bedingtes Aggressionsverhalten Angst vor einer Reduktion der individuellen Fitness bzw. vor dem Verlust einer Ressource an. Zunächst wird bevorzugt die Flucht als Problemlösungsstrategie gewählt werden, um dem Angst auslösenden Objekt zu entkommen. Sollte dies nicht möglich sein, weil der Hund z.B. an der Leine geführt wird und sollten auch Beschwichtigungssignale, Erstarren oder Übersprungshandlungen für den Hund nicht möglich oder aufgrund von früheren Erfahrungen nicht Erfolg versprechend sein, wird als Lösungsmöglichkeit der Angriff gewählt werden (QUANDT 2001). Dieser wird umso wahrscheinlicher, wenn der Hund in der Vergangenheit gelernt hat, dass er über Beißen den Angstverursacher vertreiben kann (LANDSBERG et al. 1999, LINDSAY 2000). Bei Haushunden sind die häufigsten Gründe für Angst- und Aggressionsprobleme mangelnde Sozialisation und Deprivation (QUANDT 2001). Bei einer Angst bedingten Aggression kann die Angst im Ausdrucksverhalten des Hundes wie folgt zu erkennen sein: große Augen mit großen Pupillen, unfokussierter Blick, lang gezogene Maulspalte, zurückgelegte Ohren, 12 Literatur zurückgezogene Gesichtsmuskulatur, eingeknickte Gelenke, Zittern, eingezogene Rute, Beschwichtigungssignale wie z.B. den Blick abwenden, Maulschlecken (sich über die eigene Schnauze lecken), Bögen gehen und Urinabsatz. B) Rang bezogene Aggression Rang bezogene Aggression ist immer ein Konflikt um Ressourcen innerhalb einer sozialen Gruppe (VOITH 1980, SCHÖNING 2001 a). Um die individuelle Situation innerhalb einer Gruppe zu optimieren, versuchen Hunde durch sozial expansives Verhalten eine höhere Rangposition einzunehmen. Eine Rangordnung hat laut IMMELMANN et al. (1996) Unterschiede zwischen Individuen bezogen auf Vorrechte zur Folge. Im Konfliktfall hat nur das dominante Tier uneingeschränkten Zugriff auf die Ressourcen, während die subdominanten Tiere verzichten oder unter sich weitere Regelungen in Bezug auf Vorrang zu Ressourcen haben, bis hin zu einer vollständigen Reihung. Eine Rangposition ist nicht angeboren, sondern resultiert aus Auseinandersetzungen zwischen zwei Individuen innerhalb eines Rudels. Die entstehende Rangordnung vermindert das Risiko von physischen Konfrontationen und somit das Verletzungsrisiko (HEATH 2002). „Eine feste und eindeutige Rangordnung ermöglicht ein geordnetes und entspanntes Zusammenleben im Rudel. Das gilt auch für das Leben eines Hundes in einer menschlichen Familie“ (JONESBAADE 2002). Jedoch geben Menschen ihren Hunden gegenüber oft uneindeutige Signale, so dass sich keine stabile Hierarchie ausbilden kann. Der Hund ist gezwungen, die ranghöhere Position gegenüber dem Menschen einzunehmen. Rang demonstrierende Verhaltensweisen vom Hund werden von den Besitzern oft als Zeichen der Zuneigung interpretiert (JONESBAADE 2001 b). Die folgende Aufzählung stellt einen Auszug von Verhaltensweisen dar, die von Hunden gezeigt werden können, die sich im Rang über ihren Besitzern bzw. Gruppenmitgliedern fühlen (nach OVERALL 1997, BEAVER 1999, LANDSBERG et al. 1999, LINDSAY 2000): 13 Literatur • Freier Zugang zu Ressourcen (Futter, Spielzeug) und/oder Verteidigung dieser Ressourcen gegenüber Gruppenmitgliedern • Einforderung von Zuwendung und/oder Futter • Strategisch günstige Plätze (meist erhöhte) beanspruchen • Aufmerksamkeit heischendes Verhalten (z.B. Bellen oder Jaulen) • Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Gruppenmitgliedern (Liegen auf den Füßen der Gruppenmitglieder, Liegen in Durchgängen) • Auflegen der Pfote auf Schulter, Rücken oder Kopf von Gruppenmitgliedern Hat ein Hund einen hohen sozialen Status eingenommen und wird ihm dieser streitig gemacht (z.B. über Nahrungskonkurrenz, Verweigerung des Zuganges zu strategisch günstigen Plätzen), kann aggressives Verhalten auftreten (FEDDERSEN-PETERSEN 1999, HEATH 2002). Oft sind es besonders unsichere Hunde, die über aggressives Verhalten versuchen, ihren Rang zu klären (OVERALL 1997). Ranghohe Tiere zeigen die geringste Anzahl von aggressiven Signalen, wie Beobachtungen an Wölfen gezeigt haben. Folgende menschliche Verhaltensweisen können Rang bezogene Aggression beim Hund auslösen (nach OVERALL 1997, BEAVER 1999, LANDSBERG et al. 1999, LINDSAY 2000): • Langer Blickkontakt zum Hund (Anstarren) • Berühren des Nackens, Rückens, der Schnauze oder der Pfoten des Hundes • Über den Hund steigen • Den Hund während des Schlafens stören • Verdrängen von Liegeplätzen • Verbale Kommandos, jede Art von körperlicher Bestrafung Außerdem können alle Situationen, in denen der Hund den Verlust einer Ressource befürchtet, aggressives Verhalten auslösen (BEAVER 1999). 14 Literatur C) Spielerische Aggression Spielverhalten ist gekennzeichnet durch Ausdrucksübertreibungen, häufige Wiederholungen und Bewegungsluxus (siehe Kapitel II. 2.2 C). Gerade für Welpen ist ein häufiger Sozialkontakt wichtig, damit sie im Spiel soziale Rollen einüben können und lernen ihre Aggression zu kontrollieren, so z.B. beim Erlernen der Beißhemmung. Sozialspiele gibt es bei Adulten, um Aggression umzulenken (FEDDERSEN-PETERSEN 2001 b). Angemessenes Spielverhalten ist nicht angeboren und muss durch Feedback gelernt werden (JONESBAADE 2001 b). Spielerische Aggression wird von Hunden gezeigt, um „ohne ernstere Kosten soziale Konflikte zu lösen und Informationen über des anderen Fähigkeiten und Ambitionen zu gewinnen“ (SCHÖNING 2001 a). Sie umfasst Verhaltensweisen wie Bellen, Knurren oder Schnappen. Spielaggression kann in eine andere Form des aggressiven Verhaltens übergehen und so das helle, häufig hintereinander auftretende Spiel-Knurren in ein tiefes und lang gezogenes, aggressives Knurren übergehen. Es können also Situationen, die als Spiel begonnen haben, für den Menschen unmerklich zu ernsten Auseinandersetzungen werden (SCHÖNING 2001 a). D) Lernkomponente der Aggression Nach JONES-BAADE (2001 b) wird aggressives Verhalten generell durch Lernen und Erfahrungen bestimmt. Hat das gezeigte Verhalten positive Konsequenzen für den Hund, ist es wahrscheinlich, dass das Verhalten öfter und verstärkt gezeigt wird. Einen wesentlichen Einfluss auf das Verhalten des Hundes hat die Reaktion des Besitzers. Dies trifft besonders zu, wenn dem aggressiven Verhalten Angst als Motiv zugrunde liegt, wie es bei dem überwiegenden Teil aller aggressiven Reaktionen bei Hunden der Fall ist. Angst ist besonders stark vom Lernen abhängig, so dass ganz normales menschliches Verhalten zu einer Verstärkung des Aggressionsverhaltens führen kann, z.B. wenn der Hund beruhigt, getadelt oder gestraft wird, denn alle diese Maßnahmen stellen Formen der Zuwendung dar und wirken generell verstärkend auf das Verhalten (JONES-BAADE 2002). 15 Literatur Versucht der Besitzer den Hund zu beruhigen, empfindet dieser den Tonfall als Belohnung. Auch bei negativen Einwirkungen von Seiten des Besitzers (Schimpfen, Leinenruck, Schläge) wird das aggressive Verhalten des Hundes verstärkt. Durch den vom Besitzer aufgebauten psychischen und physischen Druck nimmt der Stress für den Hund zu, was dazu führt, dass das aggressive Verhalten des Hundes früher und massiver gezeigt wird (SCHÖNING 2000 a). Es kann jedoch auch dazu kommen, dass der Hund lernt, dass er Drohsignale nicht mehr einsetzen darf, weil er während seines Drohverhaltens durch den Besitzer bestraft wurde. Dies kann laut JONES-BAADE (2001 b) zur Folge haben, dass Aggressionsverhalten für uns Menschen in völlig überraschenden Situationen und als vermeintlich „unprovozierte Angriffe“ von Hunden gezeigt wird. Durch die aufgeführten Verhaltensweisen des Besitzers hat dieser das Verhalten seines Hundes, in der Regel ohne es zu wollen, verstärkt. Es kann auch zu einer Stimmungsübertragung in einem Hund-Halter-Gespann kommen und somit zu Verhaltensänderungen beim Hund. Dieses „Unbewusste Verstärken durch den Besitzer“, welches nicht unbedingt negative Auswirkungen haben muss, spielt nicht nur im Aggressionsbereich eine Rolle, sondern ist in sämtlichen anderen Bereichen des Hundeverhaltens zu finden. Eine genaue Darstellung der Lerntheorie erfolgte bei MITTMANN (2002) und unterbleibt daher an dieser Stelle. 1.4 Unangemessenes Jagdverhalten Jagdverhalten dient dem Nahrungserwerb und stellt eine natürliche Verhaltensweise der Fleischfresser dar (BORCHELT 1983). Beim Jagen durchläuft der Hund die so genannte „Jagdhandlungskette“, die aus folgenden Elementen besteht: Suchen- Entdecken- AnstarrenAnschleichen- Nachjagen- Packen- Töten- Wegtragen der Beute- Fressen. Im Laufe der Domestikation hat sich der Mensch u. a. das Jagdverhalten von Hunden zu Nutze gemacht, indem er bestimmte Sequenzen dieser Handlungskette durch Zucht hervorgehoben oder zurückgedrängt hat und so „Spezialisten“ gezüchtet hat. Als Beispiel seien hier die Vorstehhunde, Stöberhunde oder Retriever zu nennen. Auslöser für Jagdverhalten ist u. a. die 16 Literatur rasche Fortbewegung eines Objektes. Prinzipiell können somit alle Lebewesen im Beuterepertoire eines Hundes sein (HART 1974). Was dieses Beutespektrum umfasst, hängt u. a. von Erfahrungen in der Sozialisierungsphase (3.-12. Woche) ab. Lernt der Welpe in dieser Zeit viele potentiell jagdbare Objekte (Jogger, Radfahrer, Kaninchen etc.) als nicht jagdbar kennen, wird so das Beutespektrum eingeengt. Zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat entwickelt sich dann das Jagdverhalten bei Hunden komplexer, so dass in dieser Zeit positive Jagderfahrungen das Risiko erhöhen, dass die Motivation zum Jagen wächst (SCHÖNING 2001 a, JONES-BAADE 2001 b). Findet dieses Jagdverhalten am falschen Objekt statt, sprechen einige Autoren von Beuteaggression oder Jagd bedingter Aggression (BEAVER 1983, BORCHELT 1983, O’FARRELL 1991, OVERALL 1993, LANDSBERG et al. 1999). Da jedoch dem Jagdverhalten ganz andere endogene Bereitschaften und andere Motivationen zugrunde liegen als dem Aggressionsverhalten und sich beide auch in der Neurophysiologie unterscheiden, ordnen JONES-BAADE (2001 c) und FEDDERSEN-PETERSEN und OHL (1995) das Jagdverhalten nicht dem aggressiven Verhalten zu. Beim Jagdverhalten ist auch kein Drohverhalten und kein Zeichen der Angst oder Wut zu beobachten, wie es beim Aggressionsverhalten sein kann. Somit spricht JONES-BAADE (2002) vom „unangemessenen Jagdverhalten“ oder „Jagdverhalten am falschen Objekt“, wenn es z.B. gegen Menschen gerichtet ist. Die Folgen vom unangemessenen Jagdverhalten und Aggressionsverhalten können für den Menschen dieselben sein. 1.5 Gestörtes und inadäquates Aggressionsverhalten Inadäquates Aggressionsverhalten ist aus der Sicht des Menschen unangemessenes Verhalten, das störend und auch gefährlich sein kann. Es handelt sich dann nicht um gestörtes Verhalten. FEDDERSEN-PETERSEN und OHL (1995) weisen darauf hin, dass inadäquates Aggressionsverhalten in tiermedizinischen Publikationen auch als „abnormes Verhalten“ bezeichnet wird. Nach HASSENSTEIN (1980) und WECHSLER (1989) liegt ein gestörtes Aggressionsverhalten vor, wenn das Tier sich dadurch selbst, seinen Sozialverband oder seine 17 Literatur Art schädigt. Hierbei weicht das Verhalten in Raum, Zeit, Frequenz, Sequenz und Bezugsobjekt von dem ab, was als Norm bezeichnet wir. „Aggressionsverhalten tritt nicht mehr als Form einer Anpassung auf, erscheint vielmehr biologisch und in seiner Genese als nicht nachvollziehbar, unvermittelt, plötzlich“ (FEDDERSEN-PETERSEN 1999). FEDDERSEN-PETERSEN und OHL (1995) sehen als mögliche Ursache für ein gestörtes Aggressionsverhalten ein gestörtes Hund-Umwelt-Verhältnis, denn aggressives Verhalten hat die Funktion, soziale Bindungen zu regulieren und damit das Verhältnis eines Hundes zu seiner Umwelt. 18 Literatur 2. Kommunikation des Hundes Ausdrucksverhalten FEDDERSEN-PETERSEN (2001 b) versteht unter „Ausdrucksverhalten“ die Gesamtheit von Gestik und Mimik, Blickkontakten sowie Körperhaltung und Lautgebung eines Hundes im jeweiligen Verhaltenskontext. Als Mimik werden Ausdrucksbewegungen im Gesicht bezeichnet, solche des übrigen Körpers als Gestik (IMMELMANN 1982). Durch das Lesen des Ausdrucksverhaltens eines Hundes können Informationen über dessen emotionalen Zustand, über Motivation und Verhaltensbereitschaft gewonnen werden. Dabei muss beachtet werden, dass es „nie einzelne Signale [sind], die einen bestimmten Bedeutungsinhalt haben, vielmehr differenziert zusammengesetzte Gesamtausdrücke, in denen Signalen je nach Kontext höchst unterschiedliche Bedeutungen zukommen können“ (FEDDERSENPETERSEN 2001 b). FEDDERSEN-PETERSEN und OHL (1995) bezeichnen Verhaltensweisen, die Informationen vom Sender zum Empfänger übertragen, als Signalhandlungen, Signale, Zeichen oder Auslöser. Hunde verfügen über ein umfangreiches und fein abgestuftes Signalrepertoire. So werden optische und akustische Signale zu Signalkomplexen zusammengesetzt, in denen die einzelnen Anteile mehr oder weniger betont auftreten können (OHL 1999). Ein solches Bündel von Signalkomponenten wird in der Ethologie als „Display“, „Gesamtausdruck“ oder „Ausdrucksfrequenz“ bezeichnet (FEDDERSEN-PETERSEN und OHL 1995). Im Folgenden werden die in der Literatur beschriebenen hundetypischen Gesamtdisplays aufgeführt. 19 Literatur 2.1 Gesamtausdruck “neutral“ Im Wesenstest wurde ein Hund in einer Testsituation mit dem Gesamtausdruck „neutral“ bewertet, wenn alle Ausdrucksregionen in rassetypischer Grundhaltung entspannt oder die Ausdrucksregionen des Hundes auf einen anderen Reiz (z.B. den Besitzer), als auf den der jeweiligen Testsituation gerichtet waren. FEDDERSEN-PETERSEN und OHL (1995) beschreiben einen sozial neutralen, umweltsicheren Wolf oder Hund folgendermaßen: „Bei normaler, ungestörter Haltung aufrecht stehend, wobei der Körper bei gestreckter Beinhaltung parallel zum Boden gehalten wird. Der Kopf ist leicht angehoben, so dass der Hals und die geschlossene Schnauze einen spitzen Winkel bilden. Der Schwanz hängt locker herunter. Das Gesicht ist glatt und die Lippen sind nicht angespannt. Bei Wölfen und spitzohrigen Hunden stehen die Ohren senkrecht nach oben. Die Augen blicken koordiniert und ruhig.“ 2.2 Abstand verringernde Signale Abstand verringernde Signale dienen immer dazu, die eigene Friedfertigkeit seinem Gegenüber zu signalisieren und so eine mögliche Bedrohung zu verhindern. FEDDERSENPETERSEN und OHL (1995) bezeichnen diese Signale auch als sozio-positive Signale. BEAVER (1999) nennt sie „submissive Signale“ und zählt zu ihnen die „aktive“ und „passive Unterwerfung“, sowie das „Spielverhalten“. A) Gesamtausdruck “Aktive Unterwerfung“ Die „aktive Unterwerfung“ gehört in den Bereich der „Abstand verringernden Signale“ und demonstriert die Bereitschaft zur aggressionslosen Begegnung. Dies geschieht durch verschiedene Ausdruckselemente. Der Hund wird sich mit mehr oder weniger stark eingeknickten Gelenken, tief wedelnder oder eingezogener Rute, leicht angehobenem Kopf mit in Richtung des Mauls bzw. der Hand des Sozialpartners orientierter Schnauze und dabei 20 Literatur leicht verdrehtem Kopf mit Präsentation des Halses seinem Gegenüber nähern. Die Augen werden klein und schmal, der Blick zum Sozialpartner gerichtet sein. Die Zähne werden durch die gespannten Lippen bedeckt und die Ohren werden nach hinten oder mit ihrer Öffnung nach unten orientiert sein (SCHENKEL 1967, FEDDERSEN-PETERSEN und OHL 1995, BEAVER 1999, ABRANTES 2001). Die „Aktive Unterwerfung“ wird häufig bei der Begrüßung verpaarter oder einander freundlich gesonnener Artgenossen oder auch dem Menschen gegenüber eingesetzt. Sie kann auch als Ziel die Integration in eine Gruppe haben. Welpen zeigen dieses Verhalten oft überschwänglich als beschwichtigende Geste adulten Tieren gegenüber. B) Gesamtausdruck “Passive Unterwerfung“ Bei der „passiven Unterwerfung“, auch „Passive Demut“ genannt, nähert sich das Tier nicht seinem Gegenüber an, eventuell verharrt das Tier sitzend mit vom Sozialpartner abgewandtem Blick. Dabei kann ein Pföteln, das Anheben einer Vorderpfote, in Richtung des anderen Hundes gezeigt werden. Sollte es die Situation veranlassen, dreht sich der Hund auf die Seite oder den Rücken und präsentiert mit leicht gespreizten Hinterbeinen den Bauch. Eventuell zeigt der Hund auch den Hals, sollte der Kopf nach hinten gestreckt werden; dieser kann aber auch auf der Brust liegen. Die Rute kann bis auf den Bauch oder eng an eine Körperseite gezogen sein (FEDDERSEN-PETERSEN und OHL 1995). Die Ausdrucksregionen im Angesicht (Ohren, Augen, Lippen) werden wie bei der „Aktiven Unterwerfung“ aussehen. Unterschiede in der Intensität des Ausdrucks können natürlich auftreten. C) Gesamtausdruck “Spielverhalten“ Spielverhalten zeichnet sich durch Ausdrucksübertreibungen aus. Hierbei werden die Signale ohne deutliche Graduierung mit großer Intensität gezeigt. Typisch hierfür sind häufige Wiederholungen und ein Luxus in den Bewegungen (FEDDERSEN-PETERSEN und OHL 21 Literatur 1995). Es ist ein Verhalten ohne Ernstbezug, die Hunde können ihre sozialen Fähigkeiten aufbauen bzw. verbessern, soziale Rollen einüben und ihre Muskulatur trainieren (IMMELMANN et al. 1996). Charakteristisch für Spielverhalten ist auch ein schneller Wechsel in der übertriebenen Mimik (SCHÖNING 2001 a), wobei ein so genanntes „Spielgesicht“ zu beobachten ist: die Ohren sind in Richtung des Sozialpartners nach vorne ausgerichtet und die Lippen nach hinten gezogen. Der Blick ist zwar direkt auf den Spielpartner gerichtet, es werden aber keine Drohsignale gesendet (BEAVER 1999, ABRANTES 2001). Eine das Spiel kennzeichnende Ausdrucksform ist die „Vorderkörpertiefstellung“, bei der der Hund seinen Vorderkörper auf den Boden senkt, die Vorderbeine sind gespreizt und die Hinterbeine bleiben stehen, so dass das Becken der höchste Punkt am Körper ist. Zusätzlich können ein „Kopfschleudern“ und eine hoch wedelnde Rute auftreten (FEDDERSEN-PETERSEN und OHL 1995, BEAVER 1999, SCHÖNING 2001 a). Manchmal ist beim Spiel ein „Hopsen“ zu sehen, bei dem der Hund mit steifen Gelenken mehrere Male vor dem anderen Hund hochspringt. In Konfliktsituationen können Spielsequenzen auch als Ersatzverhalten gezeigt werden, um dadurch die Situation zu entschärfen. 2.3 Abstand vergrößernde Signale Werden die folgenden Ausdrucksmöglichkeiten von Hunden eingesetzt, so wird dem Gegenüber signalisiert, dass die Distanz nicht weiter unterschritten werden soll. A) Gesamtausdruck “Imponierverhalten“ Imponierverhalten ist die Folge zweier sich überlagernder Gebrauchshandlungen (Angriffsund Fluchtverhalten/sexuelle Anziehung und Aggressionsbereitschaft) und muss daher als ambivalentes Verhalten verstanden werden, bei dem das Angriffs- bzw. Aggressionsverhalten nicht das Flucht- bzw. Sexualverhalten überwiegt (TEMBROCK 1992 a). Es wird unter rangnahen Tieren oder bei ähnlicher Konstitution gezeigt (WIESNER 1998) und wird von 22 Literatur SCHÖNING (2001 a) auch als „Rang zeigende Verhaltensweise“ bezeichnet, bei der nach VOTH (1988) Stärke und Selbstsicherheit demonstriert werden. Hierbei will sich das Tier möglichst groß und ausladend zeigen, es hat durchgedrückte Gelenke, eine hoch getragene Rute und einen erhobenen Kopf mit waagerecht gehaltener Schnauze, leicht nach vorne gerichtete Ohren und eine angespannte Muskulatur. Das Fell kann im Bereich des Schwanzes, des Rückens und des Nackens aufgestellt sein, um noch mehr Größe zu erzielen. Der Blick des Tieres ist nicht direkt auf den Artgenossen gerichtet, was in diesem Kontext eine soziale Überlegenheit beweisen soll (FEDDERSEN-PETERSEN und OHL 1995). Beim Imponierverhalten kommt es nicht zu einer Auseinandersetzung mit Körperkontakt, es sei denn, dass es in Droh- und Angriffsverhalten übergeht, wozu es laut VOTH (1988) und FEDDERSEN-PETERSEN (1989) leicht kommen kann. SCHÖNING (2001 a) sieht das Imponierverhalten sogar als Übergang zum Drohverhalten an. Imponierverhalten hat bei gleichgeschlechtlichen Hunden die Funktion der Einschüchterung, bei Tieren unterschiedlichen Geschlechts soll es anziehend wirken (IMMELMANN et al. 1996). B) Gesamtausdruck “Unsichere Drohung“ Droht ein Hund unsicher, auch als defensives Drohen bezeichnet, so geschieht dies nach ABRANTES (2001) aus Angst vor einer Bedrohung, die zuvor nicht durch beschwichtigende Signale oder Fluchtverhalten abgewendet werden konnte. Ziel des defensiven Drohens ist eine Distanzvergrößerung zum Gegenüber. Bei der unsicheren Drohung, die wie die sichere Drohung dem Gegner gegenüber eine Verteidigungsbereitschaft demonstrieren soll, können Verhaltensweisen aus dem Gebiet der Unterwerfung und der Flucht beobachtet werden. Kennzeichnend für Abwehrschnappen, diese Art Haarsträuben, der Drohung Knurren, sind Gebissklappern, Voll-Zähneblecken und Wegsehen, Abwehrdrohen (FEDDERSEN-PETERSEN und OHL 1995; siehe auch Tabelle II. 2). Weiterhin ist ein Hund zu beobachten, der versucht sich klein zu machen, indem er die Gelenke einknickt und den Hals einzieht. Der Blick ist nicht direkt auf den Gegner gerichtet, sondern ist unfokussiert mit weiten Pupillen. Die Ohren und die Maulwinkel sind nach hinten orientiert 23 Literatur bzw. gezogen und es entsteht ein Voll-Zähneblecken, wobei die gesamte Zahnleiste entblößt sein kann. Zusätzlich kann ein Lecken über die eigene Schnauzenregion als beschwichtigende Handlung beobachtet werden (FEDDERSEN-PETERSEN und OHL 1995, BEAVER 1999, ABRANTES 2001, DEL AMO et al. 2001, SCHÖNING 2001 a). C) Gesamtausdruck “Sichere Drohung“ Bei einem sicher (offensiv) drohenden Hund können im Gegensatz zu einem unsicher drohenden keine Verhaltensweisen aus dem Bereich der Flucht oder Beschwichtigung beobachtet werden. Ein sicher drohender Hund macht sich möglichst groß, seine Rückenhaare sind aufgestellt, er drückt die Gelenke seiner Gliedmaßen durch, der Kopf und der Schwanz sind erhoben und die Ohren aufrecht gehalten. Die Maulwinkel sind rund, so dass nur die vorderen Zähne sichtbar sind und ein Vorn-Zähneblecken vorliegt. Der Blick fixiert das Gegenüber (FEDDERSEN-PETERSEN und OHL 1995, DEL AMO et al. 2001, SCHÖNING 2001 a). D) Wechsel zwischen sicherer und unsicherer Drohung Ein ängstlicher Hund kann lernen, die Körpersignale eines sicher drohenden Hundes zu zeigen. Dies ist häufig der Fall, wenn der unsicher drohende Hund öfter die Erfahrung sammelt, dass ihn aggressives Verhalten im Leben weiterbringt. Das zugrunde liegende Gefühl der Angst ändert sich dabei jedoch nicht, und die unsichere Grundhaltung des Tieres kann in manchen Momenten sichtbar werden (DEL AMO et al. 2001). 24 Literatur 3. Beschwichtigungssignale Beschwichtigungssignale, auch als „Calming Signals“ bezeichnet, sind Teil des Defensivverhaltens und „werden zur Vorbeugung von Konflikten eingesetzt, also lange bevor Konflikte entstehen. Sie sollen Bedrohung und Probleme vermeiden, Stress und Unruhe, Nervosität, laute Geräusche und andere unangenehme Dinge beschwichtigen“ (RUGAAS, 2001). Zu beachten ist, dass ein einzelnes Signal keinen konkreten Informationsgehalt innehat, sondern erst die Summe von Einzelsignalen dem Empfänger in einer Kommunikation Informationen über die Motivationen des Senders mitteilen kann. Somit ist immer der Gesamtausdruck des Hundes im Hinblick auf die vorliegende Umweltsituation zu beurteilen (siehe Kapitel II. 2.). RUGAAS (2001) benennt als „Calming Signals“ folgende Verhaltensweisen: den gesamten Körper, Kopf oder Blick abwenden, Blinzeln, Maulschlecken, Erstarren, langsame Bewegungen, Wedeln der Rute, Vorderkörpertiefstellung (siehe Kapitel II. 2.2 C), Hinsetzen, Hinlegen, Gähnen, Bögen gehen, am Boden schnüffeln, Dazwischengehen (Splitten), Pfoteheben (Pföteln), Markierverhalten, Übersprungshandlungen, Lächeln, Schmatzen. Beschwichtigungssignale haben Signalcharakter in Situationen wie z.B. Stress. 4. Stresssymptome „Stress tritt dann auf, wenn ein Hund damit konfrontiert wird, sich ändern oder anpassen zu müssen“ (LINDSAY 2000). Die Folgen dieser Anpassung müssen für das Tier nicht negativ sein. Aber um dem nachkommen zu können, muss der Körper Energie zur Verfügung stellen. Diese Mobilisierung der Energiereserven wird durch die so genannte „Stressreaktion“ gewährleistet. Hierfür werden bestimmte Botenstoffe ins Blut abgegeben. „Ein andauernder Stresszustand führt zu einer deutlich nachweisbaren Erhöhung eines der so genannten „Stresshormone“ im Blut, des Cortisols“ (SCHÖNING 2001 a). Man unterscheidet zwei Formen von Stress, den Eu- und den Disstress. SCHÖNING (2001 a) beschreibt den Eustress in den ersten Lebenswochen eines Hundes folgendermaßen: „Milder Stress in diesem frühen Lebensabschnitt fördert die Entwicklung des Immunsystems und legt 25 Literatur den Grundstein für die Befähigung des Organismus, mit Stress und Belastung umzugehen.“ Disstress wiederum blockiert den Organismus in seinem Handeln und Denken und würde als Dauerzustand das Tier wie auch den Menschen krank machen. Außerdem senkt Stress die Reizschwelle für aggressives Verhalten (O’HEARE 2004). Befindet sich ein Tier in einem Stresszustand, kann dies an folgenden Stresssymptomen erkannt werden: Hecheln, sich schütteln, Übersprungshandlungen (z.B. einen Gegenstand aufnehmen), Einsatz von Beschwichtigungssignalen (siehe Kapitel II. 3.), häufiges Urinieren u. a. (RUGAAS 2001). 5. Wesenstests Wesenstests dienen zur Bestimmung angeborener und erworbener Charaktereigenschaften, die entsprechend dem im jeweiligen Rassestandard erwünschten Maß vorhanden sein sollten (ERTELT 1989). Durch einen Wesenstest sollten zum Zeitpunkt der Durchführung das Wesen des Hundes und ein späterer Verwendungszweck erkennbar sein (SCOTT und BIELFELT 1976). Das Wesen ist nicht mit Verhalten gleichzusetzen, was bei einer Beurteilung des Wesens zu berücksichtigen ist, sondern es ist von dem beobachteten Verhalten auf das Wesen eines Tieres zu schließen (FEDDERSEN-PETERSEN 2000 b). Hierbei muss auch die enge Sozialbeziehung zwischen Mensch und Hund berücksichtigt werden (FEDDERSENPETERSEN 1990 a, b). Wesenstests wurden im Hinblick auf unterschiedliche Verwendungszwecke und für verschiedene Altersstufen der Hunde entwickelt. Je nach Autor erfolgt die Durchführung im Welpenalter oder beim geschlechtsreifen Hund. So gibt es verschiedene Welpentests mit unterschiedlichen Fragestellungen. SCOTT und FULLER (1965 b) wollten mit ihrem Welpentest den Grad der Sozialisierung zum Menschen feststellen, indem sie die Reaktion eines isolierten Welpens beim Hochheben durch eine testende Person beurteilten. Durch einen ähnlichen Test nach CAMPBELL (1975) seien beim Welpen Aussagen über das Dominanzverhalten, die soziale Bindungsfähigkeit, die Erregbarkeit und die Hemmbarkeit zu treffen. 26 Literatur Um geeignete Hunde für die Aufgaben eines Blindenhundes zu bekommen, entwickelten PFAFFENBERGER et al. (1976) einen Welpentest mit Aufgaben aus dem späteren Aufgabenbereich eines Gebrauchshundes. Die Aussage von Welpentests über soziale Tendenzen in der Zukunft ist laut BEAUDET et al. (1994) aufgrund empirischer Testverfahren fraglich. Um eine größere Sicherheit bei den Prognosen über die Entwicklung eines Hundes zu erlangen, testeten WILSSON und SUNDGREN (1998) Deutsche Schäferhunde im Alter von 8 Wochen und ein zweites Mal mit 15 bis 20 Monaten. Die Ergebnisse führten zu der Schlussfolgerung, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Verhalten in den beiden Altersklassen gab. HORAK (1985) stellte jedoch bezogen auf die Spontanaktivität bei zwei, vier und zwölf Monate alten Schäferhunden fest, dass hier zutreffende Aussagen über eine spätere Lebhaftigkeit gemacht werden können. Die Leitung von Wesenstests wird üblicherweise von einer den Hunden fremden Person vorgenommen (CAMPBELL 1972, PFAFFENBERGER et al. 1976, SEIFERLE und LEONHARDT 1984, NETTO und PLANTA 1997, ALDINGTON 2000). Die Anzahl der Wesensrichter sollte möglichst klein sein. Zusätzlich sollten sich diese Richter regelmäßigen Kontrollen unterziehen und die Tests nach einem routinemäßig organisierten Schema durchführen, um unterschiedliche Umweltfaktoren zu minimieren (REUTERWALL und RYMAN 1973). So fanden GODDARD und BEILHARZ (1974) einen signifikanten Unterschied zwischen den bewertenden Personen im Hinblick auf die Beurteilung der Hunde, was dazu führt, dass die umweltbedingte Varianz bei allen genetischen Studien ein Übergewicht bekommt. 5.1 Wesenstest nach den Richtlinien der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000 Der Wesenstest, der dieser Arbeit zugrunde liegt, wurde von NETTO und PLANTA (1997) entwickelt, um in den Niederlanden äußerst aggressive Individuen der Rassen Fila Brasileiro, Dogo Argentino und American Staffordshire Terrier von der Zucht auszuschließen. NETTO und PLANTA (1997) sahen diesen Test nicht nur auf die vom Ministerium genannten Rassen 27 Literatur anwendbar sondern: „Der Zweck unserer Studie ist es, einen Verhaltenstest zu entwickeln, der wissenschaftlich validierbar ist und in Hundevereinen, von Laien durchführbar, als Instrument für die Etablierung selektiven Züchtens benutzt werden kann. Der Test soll nicht nur auf die vom Ministerium indizierten Rassen anwendbar sein, sondern ebenfalls eine generelle Anwendbarkeit besitzen, um unterschiedliche Stufen von Aggression bei Hunden, die für die Gesellschaft gefährlich sind, feststellen zu können“. Dieser Test von NETTO und PLANTA (1997) ist die Grundlage des Niedersächsischen Wesenstests. Nach dem Unfall im Sommer 2000 in Hamburg, bei dem ein Kind von zwei Hunden (Pitbull-Terrier-Typus) getötet wurde, wurde am 05.07.2000 die Niedersächsische Gefahrtierverordnung (GefTVO) erlassen. Der Wesenstest wurde angewandt um festzustellen, ob Hunde bestimmter Rassen eine gestörte Kommunikation aufweisen und eine Gefahr für ihre Umwelt darstellen. Am 3. Juli 2002 wurde die GefTVO vom Bundesverwaltungsgericht für nichtig erklärt (BverG 2002). Nach Vorgabe der Behörde sollen die Hunde im Test vor allem mit Reizen konfrontiert werden, die dazu geeignet sind, aggressives Verhalten auszulösen. Ein Wesenstest stellt jedoch immer eine Momentaufnahme von dem Verhalten des Hundes dar. Es kann somit nicht gesagt werden, ob der im Test unauffällige Hund zu einem anderen Zeitpunkt, unter einem anderen Stresslevel und bei anderen Reizen zu inadäquatem oder gestört aggressivem Verhalten neigen würde. Reize, die ein ganz bestimmtes Verhalten auslösen, werden als Schlüssel-, Signal- oder Kennreize bezeichnet (IMMELMANN et al. 1996). Natürlich kann in einem Wesenstest immer nur eine begrenzte Anzahl von solchen Schlüsselreizen für aggressives Verhalten enthalten sein. Wesentliche Reize, die in dem Wesenstest nach den Richtlinien der Niedersächsischen GefTVO vom 05.07.2002 nicht enthalten oder nicht zu beschaffen waren, waren z.B. Kinder und ängstliche Personen. Kinder konnten aus ethischen Gründen nicht als Testpersonen eingesetzt werden. Auch Menschen, die Angst vor Hunden haben, stellten sich nicht freiwillig zur Verfügung. Das Skalierungssystem, nach dem alle Situationen des Wesenstests (außer der Gehorsamsprüfung und dem Hund-Hund-Kontakt) bewertet werden, beinhaltet sieben Skalierungen, durch die aggressives Verhalten beurteilt werden kann (NMELF 2000; siehe Kapitel III. 3.2.1). Durchgeführt werden soll der Wesenstest durch von der Behörde benannte, 28 Literatur qualifizierte Tierärztinnen und Tierärzte, deren Wissen in Schulungen erweitert wurde, um eine möglichst einheitliche Bewertung der Hunde sicherzustellen. Einige Golden Retriever haben einen Wesenstest im Deutschen Retriever Club e.V. abgelegt. Diese Tatsache findet im Kapitel IV und V Beachtung, deshalb wird dieser Wesenstest im folgenden Abschnitt vorgestellt. 5.2 Wesenstest im Deutschen Retriever Club e.V. (DRC) Der Deutsche Retriever Club e.V. hat unter anderem die Aufgabe, die Rassestandards durch Zuchtkontrollen von den sechs Retrieverrassen Golden Retriever, Labrador Retriever, FlatCoated Retriever, Curly-Coated Retriever, Chesapeak Bay Retriever und Nova Scotia Duck Tolling Retriever zu wahren. Um eine Zuchtzulassung zu erlangen, muss ein bestandener Wesenstest, eine „Bringleistungsprüfung“ oder eine „Jugendprüfung für Retriever“ vorzuweisen sein. Der Wesenstest hat den von SEIFERLE und LEONHARDT (1984) überarbeiteten „Leitfaden für Wesensrichter“ zur Grundlage. Dieser Leitfaden wurde 1972 von der Schweizer Kynologischen Gesellschaft (SKG) mit dem Titel „Wesensgrundlagen und Wesensprüfung des Hundes“ herausgegeben. Das Anliegen von SEIFERLE (1972) war es, den „aufgrund seiner Wesensveranlagung sicheren vom scheuen und ängstlichen Hund zu unterscheiden, um diese ihrer heutigen Umweltsituation nicht mehr gewachsenen und darum schwer zu haltenden, nervösen und ängstlichen Tiere wenigstens von der Zucht ausschließen zu können.“ Dafür sollten den Wesensrichtern die Kenntnisse aus dem „Leitfaden“ vermittelt werden. Die Wesenstest-Ordnung im DRC (Stand 15.01.2001) benennt den Zweck, die Durchführung des Wesenstests, die Wesenstest-Bestimmungen, die Eintragung, Berichterstattung und die Ordnungswidrigkeiten. Zweck des Wesenstests ist danach, einen idealen Familienhund, der zusätzlich ein vorzüglicher jagdlicher Apporteur sein sollte und allen erdenklichen Alltagssituationen sicher gewachsen ist, durch Selektion als Wesensstandard des Retrievers zu gewährleisten. Die zu prüfenden Hunde müssen mindestens 9 Monate alt und sollten geschlechtsreif sein. 29 Literatur Zu Beginn des Tests findet eine Befragung des Hundebesitzers statt, in der unter anderem die Daten, der Gebrauch, die Aufzucht und das Umfeld des Hundes erfragt werden. Danach fordert der Wesensrichter den Hundebesitzer auf, nach anfänglicher Ansprache des Hundes spazieren zu gehen und ihn dabei nicht zu beachten. Hier soll die Bindung zwischen Hund und Halter und die Eigenständigkeit des Hundes getestet werden (DRC 2004). Es sollen dann Gegebenheiten wie in einer Fußgängerzone durch anwesende Testpersonen (Besitzer anderer zu prüfender Hunde) geschaffen werden. Zwischen eng durcheinander laufenden Menschen, die den Hund nicht beachten, soll der Hund unangeleint hindurch gehen. Der Wesensrichter spannt unerwartet einen Regenschirm in Richtung des Hundes auf. Hiernach wird der Hund durch seinen Hundeführer in Rückenlage verbracht und der Wesensrichter übernimmt den so fixierten Hund. In dieser Testsituation soll der Hund durch Akzeptieren der Rückenlage zeigen, dass er auch unangenehme Handlungen von Menschen akzeptiert und sich ihnen unterordnet (DRC 2004). Der Wesensrichter könnte in dieser Situation auch Hinweise auf das Vorhandensein eines so genannten Kampftriebs beim Hund erlangen (DRC 2004). Als nächstes folgen Spielsituationen zwischen Hund und Halter, mit und ohne Gegenstand, und zwischen Hund und Fremdpersonen, die ihn dabei anfassen sollen. Der Wesensrichter übernimmt beim Spiel zwischen Hundebesitzer und Hund den Spielgegenstand (Lappen) und will auch dabei den Hund auf einen so genannten Kampftrieb untersuchen. Die Vorstellung, dass dem Verhalten von Hunden bestimmte Triebe zugrunde liegen, wird in der modernen Ethologie schon seit längerem als veraltet betrachtet (SCHALKE 2004). In der „Kreisprobe“ bewegen sich 8-15 Testpersonen zunächst langsam, dann schnell auf den in der Mitte des Kreises stehenden Hund zu. Der Hundebesitzer befindet sich außerhalb des Kreises und wird gegebenenfalls durch den Richter aufgefordert, seinen Hund zu rufen. Jede Bedrohung des Hundes ist laut Wesenstestordnung zu unterlassen. In dieser Testsituation wird die Bindung zwischen Hund und Besitzer und die Willensstärke des Hundes getestet (DRC 2003). Im so genannten „Parcours“ wird das Verhalten des Hundes auf je 3-5 optische (z.B. aufblasbare Plastiktiere, Person in Gespensterverkleidung, wackelnde Zelte, an Bäumen aufgehängte Stofftiere) und akustische Reize (z.B. Rasseln, Tröten, mit Blechdosen gefüllte Leinensäcke) getestet. Dazu verteilen sich Testpersonen auf Anweisung des Wesensrichters auf dem Testgelände und lösen beim Passieren der einzelnen Stationen durch den Hund den oder die entsprechenden Reize aus. Am Ende des Tests wird die Schussfestigkeit der Hunde 30 Literatur geprüft, indem mit einer Schreckschusspistole des Kalibers 9mm zwei Schüsse abgegeben werden. Für den Golden Retriever gibt es seit dem 01.01.1997 (DRC 1997) etwas abweichende Durchführungsempfehlungen, wodurch der Test in einigen Situationen gemäßigter für diese Rasse ist. So darf der Hund in der Rückenlage nicht gekniffen werden, um sein Wesen auf „Härte“ zu überprüfen. Im Parcours ist die Anzahl der akustischen und optischen Reize auf je 3 reduziert (anstatt 3-5 Reize) und in der Kreisprobe sollten 12 Personen anwesend sein, anstatt 8-15. Außerdem sollte beim Golden Retriever zusätzlich noch die Verträglichkeit mit Artgenossen getestet werden. Laut Wesenstest-Bestimmungen besteht der Hund den Wesenstest nicht, „wenn Misstrauen oder Kampftrieb in sehr ausgeprägtem Maße (++) vorhanden sind. Der Hund besteht den Test nicht, wenn eine der folgenden Eigenschaften in ausgeprägtem Maße (+) oder drei dieser Eigenschaften mehr oder weniger (+/-) vorhanden sind: Unsicherheit, Ängstlichkeit, Scheue, Schreckhaftigkeit, Nervosität, angstbedingte Schärfe, sicherheitsbedingte Schärfe, Schussscheue“ (Wesenstest-Ordnung im DRC, Stand 15.01.2001). Für den Golden Retriever gelten seit dem 01.01.1997 für das Nichtbestehen leicht abweichende Bedingungen. Die Wesensrichter im Deutschen Retrieverclub werden nach den „Richtlinien für das Heranbilden und Ernennen von Wesensrichtern“ ausgebildet und ernannt. Danach müssen Wesensrichter-Anwärter mehrere Anwartschaften bei mindestens vier verschiedenen Wesenrichtern ableisten, in einem Gespräch mit Wesensrichtern die erforderlichen Grundkenntnisse der kynologischen Verhaltensforschung nachweisen und an Veranstaltungen zur Fortbildung von Wesensrichtern teilnehmen. Die Prüfung zum Wesenrichter erfolgt in einer praktischen und theoretischen Prüfung durch mindestens drei Wesensrichter. Die Ausbildung von Wesensrichter-Anwärtern findet somit durch schon tätige DRCWesensrichter statt. 31 Literatur 6. Rassemerkmale des Golden Retrievers Das Ursprungsland der Golden Retriever ist Großbritannien. Durch die genauen Zuchtaufzeichnungen von Sir Dudley Marjoribank, Lord of Tweedmouth, Züchter der ersten Hunde dieser Rasse, ist heute bekannt, welche Elterntiere am Anfang der Golden-RetrieverZucht standen. Dies war der gelbe, wellhaarige Rüde „Nous“ (geworfen 1864) und die leberbraune, langhaarige und gelockte Tweed Waterspaniel Hündin „Belle“ (geworfen 1863), deren Rasse heute ausgestorben ist. Aus dieser Verpaarung gingen vier gelbe Welpen hervor, von denen Lord Tweedmouth die Hündin „Cowslip“ zur Weiterzucht behielt. Diese wurde mit einem Tweed Waterspaniel-Rüden und später mit einem Irish Setter-Rüden gekreuzt. Eine Hündin aus dem Waterspaniel-Wurf wurde mit einem schwarzen, wellhaarigen RetrieverRüden gepaart und eine Hündin aus diesem Wurf wurde von einem Rüden aus dem Irish Setter-Wurf gedeckt, woraus erneut vier gelbe Welpen hervorgingen, von denen wiederum eine Hündin mit einem schwarzen, wellhaarigen Retriever-Rüden zusammengebracht wurde. Nach dem Tod von Lord Tweedmouth baute Vicomte d’Harcourt mit zwei Hunden aus der Tweedmouth-Zucht eine Zucht unter dem Namen „Culham“ auf. Aus dieser Zucht finden sich zwei Hunde in den meisten Stammbäumen der heutigen Golden Retriever. Der Golden Retriever wurde 1913 vom Kennel Club als selbständige Rasse anerkannt. 1920 gründete sich der Club für Golden Retriever und es wurde ein Standard beim Kennel Club deponiert (RÄBER 2001). Dem Golden Retriever wird eine große Apportierleidenschaft nachgesagt, weshalb seine ursprüngliche Aufgabe als Jagdhund in der Arbeit nach dem Schuss besteht. Seine Wasserfreudigkeit führte zum Apportieren von Federwild aus Gewässern. Laut einem Rasseportrait des Golden Retriever Clubs e.V. (GRC) gehört zu den Wesensmerkmalen der Golden Retriever „das „will to please“, das „gefallen wollen“. Dies wird besonders durch die ausgeprägte Lernfreude erkennbar, die zu Einsätzen der Golden Retriever in verschiedenen Arbeitsfeldern führt“ (GRC 2002). Weiterhin heißt es dort, dass sie „sehr kinderfreundlich, nicht aggressiv und äußerst menschenbezogen sind“ (GRC 2002). Auch im FCI-Standard (Federation Cynologique Internationale) wird das Wesen des Golden Retrievers als „freundlich, liebenswürdig und zutraulich“ beschrieben und als Charakteristika werden „Wille 32 Literatur zum Gehorsam, intelligent mit natürlicher Anlage zu arbeiten“ genannt (FCI-Standard No.111e/24.Juni 1987). 33 Material und Methoden III. Material und Methoden 1. Hunde Aus statistischen Gründen durften die Hunde der Kontrollgruppe nur einer einzigen Rasse angehören. Der Golden Retriever steht in keinem Bundesland der Bundesrepublik Deutschland auf den so genannten „Rasselisten“. Er gilt als familienfreundlicher und friedfertiger Hund und ist häufig in unserer Gesellschaft vertreten. Aufgrund dieser Gegebenheiten wurde der Golden Retriever als Kontrollgruppe ausgewählt. Die Golden Retriever Besitzer nahmen mit ihren Hunden auf freiwilliger Basis an dem Wesenstest teil. Von den 70 getesteten Golden Retrievern waren 22 männlich, davon 3 kastriert, und 48 weiblich, von denen 6 kastriert waren. Die Hunde stammten aus verschiedenen Zuchtverbänden, einige gehörten keinem Verband an. Das Mindestalter für die Teilnahme lag bei 15 Monaten, ein Höchstalter gab es nicht, gemäß den in den Richtlinien des Wesenstests festgesetzten Alterseinschränkungen. 33 Golden Retriever hatten den Wesenstest des DRC’s (Deutscher Retriever Club e.V.) bestanden, zwei waren durchgefallen. 35 Hunde hatten keinen Wesenstest dieses Verbandes abgelegt. Alle Hunde waren in Privatbesitz und der Gutachterin persönlich nicht bekannt. 2. Testgelände, Testpersonen und Testutensilien 2a) Testgelände Die Wesenstests wurden bei Tageslicht am Institut für Tierschutz und Verhalten der Tierärztlichen Hochschule Hannover abgenommen. Der Hund-Mensch- und Hund-UmweltKontakt wurden auf einem eingezäunten Außengelände (ca. 1300 m², 38m x 36m) durchgeführt. Neben diesem Gelände liegt eine nur zum Teil eingezäunte Wiese, auf der der Gehorsam der Hunde geprüft wurde. Das Testen der Verträglichkeit mit Artgenossen (Hund- 34 Material und Methoden Hund-Kontakt) fand sowohl auf dem eingezäunten Außengelände, als auch davor auf einem asphaltierten Platz statt. Der das gesamte Außengelände umfassende Metallbauzaun ist zwei Meter hoch und an einer Seite durch eine zu sichernde Tür unterbrochen. Als Platzbelag dient ein Sand-Kies-Gemisch. An einer Seite befindet sich ein ca. 4 Meter breiter, asphaltierter Weg. Das gesamte Testgelände ist von jedem Standpunkt aus gut einsehbar. Die Allgemeinuntersuchung und der Lerntest wurden zu Beginn des Wesenstests in einem separaten Raum des Instituts durchgeführt. Dieser Raum misst ca. 40 m². Dort besteht nur eine geringe Geräuschbelastung. Den Hunden waren die Örtlichkeiten des Wesenstests nicht bekannt. 2b) Testpersonen Als Testpersonen wurden Studierende der Tierärztlichen Hochschule Hannover eingesetzt. Anzahl, Geschlecht, Alter und Größe variierten je nach Anmeldung. Für die Durchführung eines Wesenstests standen mindestens drei Testpersonen zur Verfügung, von denen eine die Videokamera bediente. Vor Beginn wurden die Testpersonen auf Sicherheitsbestimmungen und die tierärztliche Schweigepflicht im Rahmen dieser Studie hingewiesen. Die Begutachtung erfolgte immer durch dieselbe Tierärztin. 2c) Testutensilien Je nach Testsituation wurden verschiedene Gegenstände und Bekleidungen benötigt. Diese sind Eigentum der Tierärztlichen Hochschule Hannover und wurden schon von MITTMANN (2002) zur Durchführung des Wesenstests nach den Richtlinien der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000 benutzt. Die Testutensilien werden in der Beschreibung der einzelnen Testsituationen aufgeführt. Um den Sicherheitsstandard einzuhalten, wurde zum Führen der Hunde eine 2 m lange, doppelendige Leine (Hunter®) oder eine geeignete Leine der Hundebesitzer benutzt. Zur Gehorsamsprüfung wurde in Einzelfällen eine 5 m lange Schleppleine (Trixi®) als 35 Material und Methoden Sicherheitsleine verwendet. Bei zwei Golden Retrievern wurde ein Plastikmaulkorb der Größe 8 eingesetzt. Alle Wesentests der 70 Golden Retriever, mit Ausnahme der Allgemeinuntersuchungen und der Lerntests, wurden mit Hilfe einer Videokamera (Typ Sony CCD-TR 950E) filmisch festgehalten. Diese verfügt zur Erleichterung der filmischen Auswertung über die Möglichkeit, das Filmmaterial in Zeitlupe abzuspielen. 3. Wesenstest nach den Richtlinien der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000 Aufgrund der Kontrollgruppenfunktion wurden die 70 Golden Retriever im Wesenstest nach den Richtlinien der bis zum Juli 2002 gültigen Niedersächsischen Gefahrtierverordnung getestet. Diesem Wesenstest waren auch die 415 von MITTMANN (2002) beurteilten Hunde, die von dieser Verordnung betroffen waren, unterzogen worden. Im Gegensatz zu diesen Hunden wurde bei den Golden Retrievern kein Gutachten für die behördliche Anerkennung der Wesenstests erstellt. 3.1 Durchführung des Wesenstests An einem Prüfungstag durften maximal 5 Hunde angemeldet sein. Die Reihenfolge der Wesenstestabnahme der einzelnen Hunde wurde vor Ort nach dem Zufallsprinzip festgelegt. In einem ruhigen Raum wurde allen Teilnehmern der Ablauf vorgestellt und Fragen beantwortet. Danach wurde mit jedem Hund einzeln und in Abwesenheit der anderen Hunde ein Lerntest durchgeführt und der Hund auf mögliche, den Wesenstest beeinträchtigende gesundheitliche Störungen untersucht. Anschließend wurde der Hund-Mensch-, HundUmwelt- und Hund-Hund-Kontakt sowie die Gehorsamsprüfung für jeden Hund getrennt abgenommen. Auf den Hund-Hund-Kontakt und den Gehorsam wird in dieser Arbeit, angelehnt an MITTMANN (2002), nicht näher eingegangen. 36 Material und Methoden Für den einzelnen Golden Retriever dauerte die Abnahme des Wesenstests insgesamt ca. 60 Minuten. Zwischen den Segmenten entstanden unterschiedlich lange Wartezeiten; der HundHund-Kontakt wurde für alle Hunde erst nach der Beendigung des für den Testtag letzten Wesenstests abgenommen. 3.1.1 Lerntest Unter Einfluss von Beruhigungsmitteln kann das Lernverhalten eines Hundes verändert und herabgesetzt sein. Mit Hilfe eines Lerntests (SCHÖNING 2000 a), wie z.B. Aufbau eines Clickers (klassisch konditionierter sekundärer Verstärker) oder Erlernen von Hörzeichen, wurde herabgesetzte Lernfähigkeit weitestgehend ausgeschlossen. Wenn ein Hund während dieser Übung Hinweise auf eine niedrige Frustrationstoleranz zeigte, wurde zusätzlich ein Frustrationstest durchgeführt. 3.1.2 Allgemeinuntersuchung In der tierärztlichen Allgemeinuntersuchung des Gesundheitszustandes des einzelnen Tieres wurden das Herz-Kreislaufsystem und der Bewegungsapparat von der Gutachterin untersucht. Ziel war es, die gesundheitliche Tauglichkeit zur Abnahme des Wesenstests festzustellen und Beschwerden, die während des Tests zu einem Schmerz bedingten Aggressionsverhalten führen könnten, auszuschließen. 3.1.3 Wesenstestsituationen des Hund-Mensch- und Hund-Umwelt-Kontakts Der zu testende Hund wurde von seinem Halter geführt. Waren mehrere Halter oder erwachsene Familienangehörige anwesend, wechselten sich diese ab. Zuvor wurde dem Halter die Bedeutung und Ausführung jeder einzelnen Testsituation durch die Gutachterin erklärt sowie auf Sicherheitsvorkehrungen hingewiesen. 37 Material und Methoden Für den gesamten Test galten folgende Bestimmungen: • Zum Führen der Hunde durften nur Halsbänder und Leinen benutzt werden, die die Sicherheitsbestimmungen erfüllten. Die Halsbänder mussten aus Leder oder Nylon, fest verstellbar und widerstandsfähig sein. Sie durften beim Hund keine Schmerzen verursachen. Würge- und Stachelhalsbänder waren somit nicht zugelassen. Es musste sicher gestellt sein, dass die Hunde nicht aus dem Halsband entweichen konnten. Die doppelendigen Leinen mussten aus Leder mit zwei Karabinern zum Sichern des Hundes sein. Bei Beginn wurde den Hundebesitzern die Handhabung der Leine während des Tests erläutert, um ein plötzliches Entgleiten zu verhindern. • Die Hundehalter wurden dazu aufgefordert, kein Rucken an der Leine zu zeigen. • Grundsätzlich durften die Hunde erst nach Beendigung der einzelnen Testsituation belohnt werden und somit während der Testsituation nur mit Hilfe der Stimme auf den Besitzer konzentriert werden. • Die Testsituationen wurden mit einem Plastikmaulkorb und verlängerter Leine wiederholt, wenn der Hund aggressives Verhalten mit Annäherung in Richtung der Testperson zeigte. Bei der Wiederholung wurde darauf geachtet, dass sich die Testperson im Aktionsradius des Hundes bewegte. Auf den folgenden Seiten ist jede einzelne Testsituation aus dem Hund-Mensch- und HundUmwelt-Kontakt tabellarisch abgebildet, wie sie in den Testunterlagen aufgeführt war. Zusätzlich werden die Ausführungen der Situationen beschrieben. Die Reihenfolge des Testens war nur bei bestimmten Testsituationen von Bedeutung, worauf im kommentierenden Text hingewiesen wird. Die Bedrohungssituationen (Situation 5, 20, 31, 32) wurden im Wechsel mit Nichtbedrohungssituationen getestet. Die Golden Retriever durchliefen alle Testsituationen, die für Hunde der Kategorie 1 nach der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000 vorgeschrieben waren. Diese beinhalteten auch die vier Situationen „Lappen“, „Bedrohung mit Stock“, „Feuerzeug“ und „Schrubber“, die für Hunde der Kategorie 2 nicht vorgesehen waren. 38 Material und Methoden Wenn im kommentierenden Text keine anderen Gegebenheiten beschrieben werden, bewegten sich die Testperson und der angeleinte Hund aufeinander zu und passierten sich im Abstand von ca. 2 Metern. Der Hund wurde dabei immer auf der Seite der Testperson geführt. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 1. Der Hundehalter versucht mit dem Hund zu spielen, macht optische Spielaufforderungen. In dieser Testsituation soll der Hundebesitzer seinen frei laufenden Hund (ohne Hilfsmittel wie z.B. einen Ball) über die Stimme und Körperbewegungen zum Spielen auffordern. Der Halter muss ganz bestimmte Verhaltenselemente zeigen: schnelles Weglaufen vor dem Hund, Rückwärtslaufen und abrupte Armbewegung nach oben. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 2. Eine Person macht Spielbewegungen vor dem Hund. Wie in der ersten Testsituation beschrieben, versucht nun eine Testperson den Hund nach denselben Kriterien zum Spielen aufzufordern. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 3. Der Hund wird an einem Pfosten (wie z.B. vor einem Geschäft) angebunden und eine Person läuft in ca. 50 cm Abstand vorbei. Der Besitzer bindet seinen Hund an einen Zaunpfosten und muss mit allen dem Hund vertrauten Personen in einen für den Hund nicht einsehbaren Raum gehen. Währenddessen geht eine Testperson in ca. 50 cm Abstand an dem Hund vorbei, ohne ihn dabei direkt anzuschauen, da der Hund einen direkten Blickkontakt als Bedrohung auffassen könnte. 39 Material und Methoden Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 4. Der Hundehalter legt die Hand auf den Hals/Rücken des Hundes, umfasst den Fang (zusammen mit freundlichem Ansprechen des Hundes). Der Hundebesitzer soll zunächst seine Hände flach hinter das Halsband des Hundes auf dessen Rücken legen. Danach wird er dazu aufgefordert, mit beiden Händen den Fang des Hundes zu umfassen und zu schließen. Diese Rang anmaßenden Gesten werden so lange durchgeführt, bis der Hund sie akzeptiert. Bei aggressivem Verhalten des Hundes gegenüber seinem Halter wird die Situation sofort angebrochen. Diese Testsituation wird durch alle den Hund im Test führenden Personen geprüft. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 5. Eine Person passiert den Hund, blickt sich um und starrt ihn an. Hund und Halter stehen in ca. 15 Meter Entfernung zur Testperson. Der Hundehalter ist angewiesen, seinen Hund sicher festzuhalten und nicht weiter auf ihn einzuwirken. Die Testperson nähert sich dem Hund zielstrebig auf eine für Hunde bedrohliche Art und Weise, indem sie nach vorne übergebeugt mit hochgezogenen Schultern langsam näher kommt und den Hund mit starrem Blick fixiert. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 6. Eine Person in schwarzem Mantel (lang) und Hut geht vorbei. Eine Testperson zieht einen langen, dunklen Mantel an und setzt sich einen Hut auf. Beim Vorbeigehen am Hund soll der Mantel locker schwingen. Wie in allen Testsituationen, in denen eine Bedrohung des Hundes nicht beabsichtigt wird, schaut die Testperson den Hund nicht direkt an. 40 Material und Methoden Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 7. Eine Person kniet vor dem Hund und streckt die Hand aus, mit Ansprache (Individualabstand 0,50m+Leine). Testperson und Hund-Halter-Gespann gehen aufeinander zu und ca. drei Meter vor dem Hund hockt sich die Testperson mit abgewandtem Blick und ausgestreckter Hand hin und spricht den Hund mit hoher Stimme an. Diese für den Hund freundliche Körpersprache soll eine entspannte Kontaktaufnahme ermöglichen können. Es bleibt dem Hund überlassen, wie weit er sich der Testperson nähern möchte. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 8. Eine Person stolpert beim Passieren des Hundes in ca. 1 m Entfernung. Indem sich die Testperson auf Höhe des Hundes schnell und abrupt klein macht, täuscht sie ein Stolpern vor. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 9. Ein Jogger läuft in beiden Richtungen vorbei, läuft dabei einmal plötzlich (ohne Ankündigung) vor dem Hund weg. Kurz nachdem das Hund-Halter-Gespann losgegangen ist, wird es im Abstand von ca. 2 Metern auf der Seite des Hundes von einer joggenden Testperson überholt, die nach einigen Metern abrupt umdreht und erneut den Hund joggend passiert. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 10. Eine Person mit Stock tastet sich über den Weg (Abstand 2m). In dieser Situation soll das Verhalten des Hundes auf einen Menschen mit Blindenstock beurteilt werden. Die Testperson führt den Stock am Boden von der einen zur anderen Seite, berührt den Hund dabei nicht. 41 Material und Methoden Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 11. Ein „Betrunkener“ torkelt vorbei (Abstand 2m). Um dem Hund nicht nur optisch und akustisch, sondern auch olfaktorisch den Eindruck eines Betrunkenen zu vermitteln, ist die Jacke der Testperson mit Alkohol getränkt. Die Testperson lallt und torkelt beim Passieren des Hundes. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 12. Eine Person streift den Hundekörper beim Passieren. Die Testperson und der angeleinte Hund gehen aufeinander zu, der Abstand zwischen ihnen beträgt ca. 1 Meter. Kurz bevor die Testperson auf Höhe des Hundes ist, nähert sie sich und versucht den Hund mit ihrem Bein zu streifen. Ein direkter Blickkontakt von Seiten der Testperson wird vermieden. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 13. Eine Gruppe bleibt neben dem Hund stehen und unterhält sich, der Hund wird dabei ab und zu leicht berührt. Eine Gruppe von mindestens drei Testpersonen und das Hund-Halter-Gespann gehen aufeinander zu. Die Testpersonen gehen nicht in einer geschlossenen Reihe auf den Hund zu, da dies eine bedrohliche Komponente für den Hund haben könnte. Beim Zusammentreffen wird der Hund gelegentlich leicht berührt, ohne ihm Beachtung zu schenken. 42 Material und Methoden Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 14. Einige (4) Personen kommen auf den Hund zu (nicht zielgerichtet) und bleiben mit Körperberührung neben ihm stehen (Fahrstuhlsituation), Um die Enge in einem Fahrstuhl imitieren zu können, wird diese Situation in einer Zaunecke des Außengeländes durchgeführt. Der Besitzer steht in dieser Ecke, vor ihm befindet sich sein Hund. Vier Testpersonen kommen dicht hintereinander auf den Hund zu und treten eng an ihn heran. In dieser Situation wird der Hund stark körperlich bedrängt. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 15. Eine fremde Person streicht dem Hund über den Rücken (mit Ansprache; während Situation 14). Diese Situation ist in die „Fahrstuhlsituation“ (Situation 14) integriert. Eine Testperson spricht den Hund an und streicht ihm dabei über den Rücken. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 16. Eine Person weint (Kind). Eine Testperson hockt und weint laut. Der Hund wird auf Seiten der Testperson im Abstand von zwei Metern vorbeigeführt Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 17. Eine Person liegt am Boden und steht abrupt auf, als Halter und Hund den Testgang machen (Abstand 2m). Hund und Halter passieren eine hockende Testperson, die dabei aufspringt und den Weg des Hundes schneidet, ohne dass der Hund die wegrennende Testperson erreichen könnte. 43 Material und Methoden Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 18. Der Hundehalter spricht leise und freundlich mit dem Hund, während eine Person beim ersten Passieren laut in die Hände klatscht und beim zweiten Passieren schreit. Dies geschieht nicht in Richtung des Besitzers und seines Hundes. Der Hundehalter steht mit seinem Hund, dem er freundlich zuredet und streichelt, an dem asphaltierten Weg, während eine Testperson, laut in die Hände klatschend, vorbei geht. Danach rennt die Testperson schreiend zu ihrem Ausgangspunkt zurück. Während der gesamten Testsituation schaut die Testperson den Hund nicht direkt an. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 19. Konfrontation mit Angstschweiß (Person geht vorbei). Diese Situation ist nicht geprüft worden, da sich eine Testperson mit Angstschweiß nicht zur Verfügung gestellt hat. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 20. Eine Person schreit den Hund wütend an. Die Testperson schaut den Hund direkt an und geht schnell auf das frei stehende HundHalter-Team zu. Dabei schreit sie laut und gestikuliert mit den Armen. Diese Bedrohung des Hundes wird erst innerhalb der Leinenlänge abgebrochen oder wenn der Hund mit einer aggressiven Kommunikation antwortet, woraufhin ihm bei der Wiederholung der Testsituation ein Maulkorb aufgesetzt wird. 44 Material und Methoden Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 21. Eine Person (Testperson aus Situation 20) spricht den Hund an. Diese Testsituation folgt unmittelbar nach Situation 20 („Anschreien des Hundes“). Die Testperson aus Situation 20 nimmt eine deeskalierende Körperhaltung ein, indem sie den Blick abwendet, sich hinhockt, eine Hand dem Hund zur möglichen Kontaktaufnahme entgegenstreckt und ihn ruhig und leise anspricht. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 22. Eine Person zieht ein lärmendes Gerät vorbei. Eine Testperson zieht auf dem asphaltierten Weg einen lärmenden Kindertraktor an dem passierenden Hund vorbei. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 23. Halter und Hund passieren (sehr eng) einige bunte Luftballons. Eine Testperson hält in beiden Händen Luftballons und geht so dicht an dem Hund vorbei, dass er die Luftballons erreichen könnte. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 24. Ein Regenschirm wird unmittelbar vor dem Hund aufgespannt. (Aber nicht als bedrohende Intentionsbewegung, vielmehr so, wie es auf der Straße geschehen kann.) Kurz bevor die Testperson auf Höhe des Hundes ist, spannt sie nach oben gerichtet einen Regenschirm auf. 45 Material und Methoden Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 25. Vor dem Hund fallen Blechdosen scheppernd auf den Boden. Hund und Halter stehen, während eine Testperson in Richtung des Hundes einzelne Blechdosen auf den asphaltierten Weg wirft. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 26. Ein Ball rollt auf den Hund zu. Eine Testperson schießt einen Ball vor sich her und nähert sich so dem ihr entgegen kommenden Hund. Ein paar Meter vor dem Hund schießt sie den Ball quer vor diesem entlang und rennt in einem Abstand von ca. 2 Metern geradeaus an dem Hund vorbei. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 27. Ein Auto setzt ein Stück in seine Richtung zurück und hupt dabei. Diese Testsituation wird vor dem eingezäunten Testgelände abgenommen. Hund und Halter positionieren sich dicht neben einem geparkten Auto, welches dann einige Meter zurücksetzt und dabei hupt. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 28. Ein Kinderwagen wird vorbei geschoben. Eine Testperson schiebt beim Passieren des Hundes eine Kinderkarre mit einer Babypuppe. Skalierung 29. Ein Fahrradfahrer fährt klingelnd vorbei. Dem Hund kommt ein klingelnder Fahrradfahrer entgegen. Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 46 Material und Methoden Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 30. Ein Lappen (Tuch) berührt den Hund beim Durchtritt durch eine Tür. Diese Situation findet in den Räumlichkeiten des Instituts statt. Ein Lappen wird auf Blickhöhe des Hundes quer in einen Türrahmen gespannt, diesen soll der Hund passieren. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 31. Eine Testperson geht auf den Hund zu, bedroht ihn, macht Anstalten ihn anzugreifen (ohne Hilfsmittel, Abstand 2m). In dieser Bedrohungssituation geht eine Testperson laut pöbelnd und gestikulierend direkt auf den entgegenkommenden Hund zu, unterschreitet jedoch nicht die Leinenlänge. Die Testperson schaut dem Hund dabei in die Augen. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 32. Eine Person bedroht den Hund mit einem Stock. Die Testperson verhält sich genauso wie in Situation 31 beschrieben, nur dass sie zusätzlich einen Besenstiel als Bedrohungselement verwendet. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 33. Eine Person zündet ein Feuerzeug vor dem Hund. Das Hund-Halter-Gespann steht und in ca. 30 cm Abstand wird ein Feuerzeug mehrmals vor dem Hund gezündet. 47 Material und Methoden Skalierung 34. Der Hund muss unter einem hindurchgehen. Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) Besenstiel o.ä. Eine stehende Testperson hält auf Hüfthöhe im rechten Winkel zum eigenen Körper einen Besenstiel. Der Hundehalter führt den Hund auf Seiten des Stockes, unter dem der Hund hindurch gehen soll. Skalierung Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 35. Ein Schrubber macht Geräusche auf dem Boden. Der Hund muss an einer Testperson vorbeigehen, die mit einem Besen auf dem asphaltierten Weg hin und her schrubbt. 48 Material und Methoden 3.2 Bewertungssystematik Das Verhalten des jeweiligen Hundes wurde in jeder Testsituation einzeln bewertet. Für die Bewertung wurde die im Wesenstest vorgeschriebene Skalierung herangezogen. 3.2.1 Skalierung Das Verhalten eines Hundes wird in jeder Situation einer Verhaltenskategorie zugeordnet, die als Skalierung bezeichnet wird. Es gibt sieben mögliche Skalierungen, die das Skalierungssystem bilden (siehe Abbildung III. 1). Wird eine Testsituation mit der Skalierung 1 bewertet, zeigte der Hund keine aggressiven Signale, sondern blieb neutral, zeigte eine soziale Annäherung, Meide-, Spiel- oder Fluchtverhalten. Wurde die Skalierung 27 vergeben, benutzte der Hund in der jeweiligen Situation eine aggressive Kommunikation in verschiedenen Eskalationsstufen. Eine genaue Beschreibung des Verhaltens des Hundes wurde in dem Testbogen in der Zeile „Beschreibung des Ausdrucksverhaltens“ neben der Skalierung vorgenommen. Die sieben Skalierungen zeigt Abbildung III. 1. Die kursiv gedruckten Erläuterungen entsprechen den Vorgaben aus dem Wesenstest nach den Richtlinien der GefTVO vom 05.07.2000 und dienen dem besseren Verständnis. 49 Material und Methoden Abbildung III.1: Erläuterung der Skalierung nach der GefTVO Skalierung 1 Keine aggressiven Signale beobachtet. Hund bleibt neutral oder zeigt Meideverhalten. Zu diesem Verhalten gehören auch die „soziale Annäherung“, die „passive Demut“, das „Fluchtverhalten“ und das „Spielverhalten“ eines Hundes. Skalierung 2 a) Akustische Signale (Knurren und/oder tiefes Bellen/Fauchen/Schreifauchen) b) Optische Signale (Zähneblecken, Drohfixieren u. a. mit oder ohne Knurren und/oder Bellen u. a.) Hierbei handelt es sich um akustische und optische Drohsignale. Skalierung 3 Schnappen (Beißbewegung aus einiger Entfernung), mit oder ohne Knurren und/oder Bellen und/oder Zähneblecken, Drohfixieren u. a. Drohsignale mimisch bzw. im Körperbereich Keine Annäherung Skalierung 4 Ebenso wie 3, aber mit unvollständiger Annäherung (Stehen bleiben in einer gewissen Distanz) Skalierung 5 Beißen (Beißversuch) oder Angreifen (Angriffsversuche: Annäherung bei hoher Geschwindigkeit und Zustoßen; mit Knurren und/oder Bellen und/oder Zähneblecken) Diese Klasse beinhaltet Beißen oder Angreifen ausschließlich mit vorangegangenem optischen und/oder akustischen Drohverhalten. Stoßen durch den Maulkorb wird als Beißen gewertet. Skalierung 6 Ebenso wie 5, aber ohne mimische oder lautliche Signale Diese Klasse beinhaltet Beißen oder Angreifen ausschließlich ohne vorangegangenes optisches und/oder akustisches Drohverhalten. Skalierung 7 Beruhigung des Tieres nach Eskalation ist erst nach über 10 Minuten zu beobachten 50 Material und Methoden 3.2.2 Bestehen/Nichtbestehen des Wesenstests Entscheidend für das Bestehen oder Nichtbestehen des Tests ist das Verhalten des Hundes in den einzelnen Testsituationen. Die Testsituationen werden unterteilt in Bedrohungs- und Nichtbedrohungssituationen, denen unterschiedliche Gewichtungen bei der Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen zukommen. Bedrohungssituationen: „Anstarren“ (Sit. 5), „Anschreien“ (Sit. 20), „Bedrohung ohne Hilfsmittel“ (Sit. 31), „Bedrohung mit Hilfsmittel“ (Sit. 32) Nichtbedrohungssituationen: alle Testsituationen außer den Bedrohungssituationen Ein Hund hat den Wesenstest bestanden, • wenn er in den Nichtbedrohungssituationen mit Verhalten der Skalierung 1 bis einschließlich 4 reagiert, und • wenn er in den Bedrohungssituationen mit Verhalten der Skalierung 1 bis einschließlich 5 reagiert. Ein Hund hat den Wesenstest nicht bestanden, • wenn er in den Nichtbedrohungssituationen mit Verhalten der Skalierung 5 reagiert, • wenn er mit Verhalten der Skalierung 6 oder 7 reagiert, unabhängig von der Art der Situation Ein Nichtbestehen hatte für die Hunde dieser Kontrollgruppe keinerlei ordnungsbehördliche Auswirkungen! 51 Material und Methoden 3.2.3 Gestört oder inadäquat aggressives Verhalten Bei der Beurteilung eines Hundes auf seine Gefährlichkeit ist zu entscheiden, ob er in den Testsituationen angemessen reagiert hat oder inadäquates oder gestörtes Aggressionsverhalten gezeigt hat. Nach der Niedersächsischen GefTVO vom 05.07.2000 war jeder einzelnen Testsituation ein Multiplikator zugeordnet. Der Multiplikator 1 wurde Situationen zugeordnet, in denen die Hunde einer Bedrohung ausgesetzt wurden. Der Multiplikator 2 fand sich bei Testsituationen, die der Hund eventuell als ungewöhnlich und somit als beängstigend empfinden könnte, z.B. Blechdosen, die scheppernd zu Boden fallen. Der Hund sollte jedoch mit diesen Situationen umgehen können, da sie ihm häufig im alltäglichen Leben begegnen könnten. Genauso sollte der Hund mit Situationen umgehen können, die den Multiplikator 3 trugen, denn in diesen wurde dem Hund eindeutig freundlich begegnet („Freundliche Ansprache“) oder aber der Hund hätte im Alltag mit ihnen konfrontiert werden können („Stolpern“). Zeigte ein Hund im Test Verhalten der Skalierung 5 (Beißen oder Angreifen mit vorangegangenem Drohverhalten) und der Situation war der Multiplikator 1 zugeordnet, so war sein Verhalten nachvollziehbar, beim Multiplikator 2 war es zwar nachvollziehbar, aber unerwünscht und beim Multiplikator 3 war es gravierend und nicht mehr akzeptabel. Um zu bestehen, durften die Hunde in Situationen mit dem Multiplikator 3 nur Verhalten der Skalierung 1 bis einschließlich 4 zeigen, in Situationen, denen der Multiplikator 1 oder 2 zugeteilt war, durften sie auch mit Verhalten der Skalierung 5 reagieren. Eine Zuordnung von Multiplikatoren zu den einzelnen Testsituationen wurde abgeschafft und für das Bestehen des Wesenstests durfte Verhalten der Eskalationsstufe 5 nur noch in den Bedrohungssituationen (früher Multiplikator 1) gezeigt werden. Die Beurteilung eines Hundes als angemessen aggressiv oder aber als inadäquat aggressiv ist somit von seinem Verhalten in den Bedrohungs- bzw. Nichtbedrohungssituationen abhängig. Als inadäquat wird Beißen oder Angreifen mit vorangegangenem Drohverhalten (Skalierung 5) in sämtlichen Nichtbedrohungssituationen angesehen. Verhalten mit der Skalierung 6 (Beißen oder Angreifen ohne vorheriges Drohverhalten) und 7 (Beruhigung des Tieres nach Eskalation erst nach über 10 Minuten) entspricht ungeachtet der Situation gestört aggressivem Verhalten. 52 Material und Methoden 3.3 Datenaufnahme Der Name des Besitzers, Alter und Geschlecht des Hundes waren der Gutachterin durch die Anmeldung bekannt. Am Tag der Testabnahme wurde die Allgemeinuntersuchung und der Lerntest schriftlich auf dem Deckblatt des Wesenstestvordruckes festgehalten. Während des Wesenstests wurden die Skalierungen und Stichpunkte über das Ausdrucksverhalten des Hundes nach jeder Testsituation im Vordruck notiert. Weiterhin wurde die Datenaufnahme durch das Filmen mit einer Videokamera vorgenommen. Außer der Allgemeinuntersuchung und dem Lerntest wurden alle Testsituationen filmisch so festgehalten, dass die beteiligten Testpersonen, der Hundehalter und das Ausdrucksverhalten des Hundes deutlich zu erkennen waren. 3.4 Beurteilung der Hunde Die erste Beurteilung der Hunde fand während des Wesenstests durch die Gutachterin statt. Für jede Testsituation wurden eine Skalierung und Stichpunkte zum Ausdrucksverhalten des Hundes auf dem Vordruck schriftlich notiert. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde das Videomaterial durch die Gutachterin gesichtet, jede einzelne Testsituation ausgewertet, mit der ersten Beurteilung verglichen und schriftlich auf dem PC festgehalten. Die auf diese Weise schriftlich erstellten Wesenstests der 70 Golden Retriever sind für die statistische Auswertung dieser Arbeit herangezogen worden. Ein schriftliches Gutachten über den getesteten Golden Retriever, wie es über Hunde angefertigt wurde, die unter die Niedersächsische GefTVO vom 05.07.2000 fielen, wurde nicht erstellt. 53 Material und Methoden 4. Auswertung der Daten Für die statistische Auswertung und Erstellung der Graphiken (siehe Kapitel IV) wurde das Statistikprogramm „GraphPad Prism 4“ benutzt. Für den paarweisen Vergleich von Daten wurde die Signifikanz mittels des Chi-Square Wertes geprüft. Es wurde eine Signifikanz der Irrtumswahrscheinlichkeit von unter 5% angenommen (p<0,05). Unterschiede bei einer 54 Ergebnisse IV. Ergebnisse 1. Hunde Das Alter der getesteten Golden Retriever betrug 15 Monate (Mindestalter) bis 10 Jahre, im Mittel waren sie 4,1 Jahre alt (Abbildung IV. 1). 70 Anzahl der Hunde 60 50 40 30 20 14 8 10 11 10 6 4 8 6 1 2 9 10 0 1 2 3 4 5 6 7 Alter in Jahren 8 Abbildung IV. 1: Altersverteilung der getesteten Golden Retriever (n=70) 2. Höchste erreichte Skalierungen Die Zuordnung des Verhaltens zu den verschiedenen Skalierungen wurde für jede einzelne Testsituation vorgenommen. In der folgenden Abbildung IV. 2 ist für jeden Testhund die höchste Skalierung (1-7) aller Testsituationen dargestellt. Somit bekamen 41 Hunde (58,6%) im gesamten Wesenstest keine höhere Skalierung als die 1, es wurden also keine aggressiven Signale gesendet. Bei 28 Golden Retrievern (40,0%) wurden die Testsituationen mit 1 und 2 55 Ergebnisse bewertet, da sie akustisch und/oder optisch drohten (2a, 2b). Ein Hund (1,4%) hatte als höchste Skalierung eine 5; er zeigte in einer Testsituation das Beißen als Reaktion auf einen getesteten Reiz. Die Bewertungen 3 (Beißbewegung aus einiger Entfernung), 4 (Beißbewegung mit unvollständiger Annäherung), 6 (Beißen oder Angreifen ohne vorherige Drohsignale) und 7 (Beruhigung des Tieres nach Eskalation erst nach über 10 Minuten) wurden bei keinem Hund vorgenommen. 70 Anzahl der Hunde 60 50 40 41 28 30 20 10 1 0 1 2 3 4 Skalierung 5 6 7 Abbildung IV. 2: Verteilung der höchsten Skalierungen bei den getesteten Golden Retrievern (n=70) 3. Verhalten der Hunde in den einzelnen Situationen Die Abbildung IV. 3 stellt jede einzelne Testsituation mit der Häufigkeit des Auftretens der einzelnen Eskalationsstufen bzw. Skalierungen von 1-6 dar. Daraus wird ersichtlich, in welchen Testsituationen am häufigsten aggressives Verhalten von den Hunden eingesetzt wurde. In den Bedrohungssituationen zeigten 12 Hunde (17,1%) beim „Anstarren“ und 7 Hunde (10,0%) bei der „Bedrohung ohne Hilfsmittel“ optische und/oder akustische Drohsignale (Skalierung 2). In allen anderen Testsituationen wurden keine höheren Werte für die Häufigkeit von aggressivem Verhalten ermittelt, lediglich in der Testsituation 56 Ergebnisse „Betrunkener“ drohten auch 7 Tiere mit optische und/oder akustische Drohsignalen (Skalierung 2). In den durch schnelle und abrupte Bewegungen der Testperson (Situation „Stolpern“, „Abruptes Aufstehen“, „Klatschen/Schreien“ und „Jogger“) gekennzeichneten Nichtbedrohungssituationen reagierten z. B. 6 Hunden (8,6%) beim „Klatschen/Schreien“ mit optischen und/oder akustischen Drohsignalen (Skalierung 2). Von den restlichen Nichtbedrohungssituationen riefen die Situationen „Regenschirm“ (5 Hunde; 7,1%) und „Betrunkener“ (7 Hunde; 10,0%) auffallend häufig Verhalten der Skalierung 2 hervor. In der Testsituation „Betrunkener“ zeigte ein Hund (1,4%) Verhalten der Eskalationsstufe 5 (Beißen oder Angreifen mit vorangegangenem Drohverhalten). Dies war die einzige Testsituation, in der ein Golden Retriever eine höhere Skalierung als 2 bekommen hat. Die fünf Situationen, in denen am häufigsten aggressives Verhalten der Hunde beobachtet wurde, waren „Anstarren“, „Bedrohung ohne Hilfsmittel“, „Klatschen/Schreien“, „Regenschirm“ und „Betrunkener“. Das Ergebnis zeigt, dass das aggressive Verhalten der Hunde von dem Verhalten der Testpersonen in den einzelnen Situationen abhängig war. 57 Ergebnisse 1 Skalierung: Spiel Halter 70 Spiel Besitzer 70 Geschäft 70 Rang anmaßende Gesten 70 Anstarren 3 58 Mantel Freundliche Ansprache 70 Stolpern 67 70 Blindenstock 70 2 62 70 Gruppe 70 Fahrstuhl 70 Rücken streicheln 70 Weinen 68 2 Abruptes Aufstehen 69 1 6 64 Anschreien 69 Ansprache n. A. 70 Lärmendes Geräusch 70 Luftballons 70 5 Blechdosen 70 Ball 70 Auto 70 Kinderwagen 70 Fahrrad 67 Lappen 70 3 7 63 Bedrohung m. H. 68 Feuerzeug 70 Besenstiel 69 Schrubber 70 0 1 65 Bedrohung o. H. 35 1 7 Streifen Regenschirm 6 5 3 Jogger Klatschen/Schreien 4 12 68 Betrunkener Testsituationen 2 2 1 70 0 15 0 0 0 15 0 Anzahl der Hunde Abbildung IV. 3: Skalierungen 1-6, die je Situation von den getesteten Golden Retrievern (n=70) gezeigt wurden n. A. : nach Anschreien o./m. H. : ohne/mit Hilfsmittel 58 Ergebnisse 4. Drohverhalten der Hunde in ähnlichen Situationen (Bedrohungs- und Nichtbedrohungssituationen) Im Hund-Mensch- und Hund-Umwelt-Kontakt gibt es insgesamt vier Bedrohungssituationen. In 7,9% aller durchgeführten Bedrohungssituationen wurde Drohverhalten (Skalierung 2-4) von den Hunden gezeigt. In den Nichtbedrohungssituationen beträgt dieser Wert 1,4%. Damit zeigten die Hunde in den Bedrohungssituationen höchst signifikant (Chi-Square-Test, p<0,0001) mehr Drohverhalten (Skalierung 2-4) als in den Nichtbedrohungssituationen. Anteil der Situationen in % 100 75 50 25 7,9% 1,4% 0 Bedrohungssituationen Nichtbedrohungssituationen Drohen (Skalierung 2 - 4) Abbildung IV. 4: Prozentualer Anteil des Drohverhaltens (Skalierung 2-4) der getesteten Golden Retriever pro durchgeführter Testsituation 59 Ergebnisse 5. Aggressives Verhalten der Skalierung 5, 6 und 7 Von den 70 getesteten Golden Retrievern reagierte ein Hund in der Situation „Betrunkener“ mit Verhalten der Eskalationsstufe 5 (Beißen oder Angreifen mit vorangegangenem Drohverhalten). Die Eskalationsstufen 6 (Beißen oder Angreifen ohne vorangegangenes Drohverhalten) und 7 (Beruhigung des Tieres nach Eskalation erst nach über 10 Minuten) wurden bei keinem Hund dieser Kontrollgruppe beobachtete. 6. Gestört oder inadäquat aggressives Verhalten Nach den Beurteilungskriterien des Wesenstests haben 69 Tiere (98,6%) in den jeweiligen Testsituationen angemessen reagiert und stellen für den Menschen keine Gefahr dar. Anders verhielt es sich mit einem einzigen Golden Retriever, der in einer Testsituation („Betrunkener“) gedroht und gebissen hat und deshalb die Skalierung 5 bekam. Die Testsituation „Betrunkener“ zählt zu den Nichtbedrohungssituationen und somit war in dieser Situation Verhalten mit der Skalierung 5 gravierend und nicht mehr akzeptabel. Dieser Hund zeigte demnach inadäquat aggressives Verhalten und hätte gemäß der Niedersächsischen GefTVO vom 05.07.2000 den Wesenstest nicht bestanden. Bei MITTMANN (2002) zeigten von den 415 getesteten Hunden 19 Tiere inadäquat aggressives und 1 Hund gestört aggressives Verhalten. Der statistische Vergleich der Hunde bezogen auf das Vorkommen von inadäquat aggressivem Verhalten (19 Tiere bei MITTMANN (2002), 1 Hund in der Kontrollgruppe) lieferte einen p-Wert von 0,19 (ChiSquare-Test). Somit gab es keinen signifikanten Unterschied in der Häufigkeit von inadäquat aggressivem Verhalten zwischen den beiden Gruppen. Zum gleichen Ergebnis führte der paarweise Vergleich der Rassen Bullterrier, Rottweiler, Staffordshire Bullterrier und der Hunde vom Pitbull-Typus mit dem Golden Retriever, wo Werte von 0,26 < p < 1 (ChiSquare-Test) errechnet wurden. Anders verhielt es sich bei den Rassen American Staffordshire Terrier und Dobermann. Hier lag der p-Wert bei 0,047 bzw. 0,049 (Chi-Square-Test) und somit gab es bei diesen Rassen 60 Ergebnisse eine signifikante Häufung im Auftreten von inadäquat aggressivem Verhalten im Vergleich zum Golden Retriever. Aus statistischen Gründen konnten keine Berechnungen bezogen auf gestört aggressives Verhalten vorgenommen werden (Skalierung 6 und 7). 7. Höchste erreichte Skalierungen im Vergleich zwischen den Hunden von MITTMANN (2002) und der Kontrollgruppe In der Abbildung IV. 5 wird ein Vergleich zwischen der Kontrollgruppe der Golden Retriever und den als gefährlich eingestuften fünf Hunderassen und einem Hundetypus (American Staffordshire Terrier, Bullterrier, Dobermann, Rottweiler, Staffordshire Bullterrier und Hunde vom Pitbull-Typus), bezogen auf die höchste erreichte Skalierung im Wesenstest, gemacht. Bei MITTMANN (2002) reagierten von den 415 getesteten Hunden 158 Tiere (38,1%) im gesamten Test nur mit Verhalten der Skalierung 1 (keine aggressiven Signale), bei den Golden Retrievern waren es 41 von 70 Hunden (58,6%). Verhalten der Eskalationsstufe 2 als höchste erreichte Skalierung im Test zeigten bei den als gefährlich eingestuften Hunden 201 Tiere (48,4%), in der Kontrollgruppe waren es 28 Hunde (40,0%). Die Skalierungen 3 und 4, die bei den Golden Retrievern nicht vergeben wurden, wurden in der Studie von MITTMANN (2002) von 12 (2,9%) und 6 Tieren (1,5%) erreicht. Gebissen und zuvor gedroht (Skalierung 5) hat bei den Golden Retrievern ein Hund (1,4%), in der von MITTMANN (2002) untersuchten Gruppe waren es 37 Hunde (8,9%). Ein einziger Hund (0,2%) bekam bei MITTMANN (2002) als höchste Skalierung eine 6. Verhalten der Eskalationsstufe 7 kam in keiner der beiden untersuchten Gruppen vor. 61 Ergebnisse 100 90 Anteil der Hunde in % 80 Golden Retriever (n = 70) als gefährlich eingestufte Hunde (n = 415) 70 60 59% 48% 50 40 38% 40% 30 20 9% 10 3% 1% 2% 0,2% 0 1 2 3 4 Skalierung 5 6 7 Abbildung IV. 5: Verteilung der höchsten Skalierungen bei den 70 getesteten Golden Retrievern und den 415 als gefährlich eingestuften Hunden (MITTMANN 2002) 8. Höchste erreichte Skalierungen im Vergleich zwischen Hunden mit bestandenem DRC-Wesenstest und Hunden ohne DRC-Wesenstest (Deutscher Retriever Club e.V.) Um festzustellen, ob es zwischen Golden Retrievern mit bestandenem DRC-Wesenstest, der eine Zuchtzulassung zur Folge hat, und Golden Retrievern ohne DRC-Wesenstest einen Unterschied in dem Auftreten von aggressivem Verhalten gibt, wurden diese beiden Gruppen miteinander verglichen. Von den 70 getesteten Golden Retrievern hatten 33 Hunde (47,1%) einen Wesenstest im Deutschen Retriever Club e.V. bestanden. Zwei Golden Retriever hatten den DRCWesenstest aufgrund großer Unsicherheit nicht bestanden. Diese beiden Hunde hatten im 62 Ergebnisse Wesenstest nach den Richtlinien der Niedersächsischen GefTVO vom 05.07.2000 als höchste Skalierung die 1 (keine aggressiven Signale). Von den 33 Hunden, die den DRC-Wesenstest bestanden hatten, erreichten 20 Hunde (60,6%) in dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Wesenstest als höchste Skalierung eine 1 (keine aggressiven Signale) und 13 Hunde (39,4%) die Skalierung 2 (optische und/oder akustische Drohsignale). Bei den Hunden, die keinen bestandenen DRC-Wesenstest vorlegen konnten (37 Hunde), bekamen 21 Hunde (56,8%) als höchste erreichte Skalierung eine 1 und 15 Hunde (40,5%) eine 2. Ein Golden Retriever (2,7%) bekam als höchste Skalierung eine 5 (Beißen oder Angreifen ohne vorangegangenes Drohverhalten), dieser Hund gehörte in die Gruppe der Hunde, die dem DRC-Wesenstest nicht unterzogen worden waren. . 100 90 Anteil der Hunde in % 80 mit DRC-WT (n = 33) ohne DRC-WT (n = 37) 70 60 61% 57% 50 39% 41% 40 30 20 10 3% 0 1 2 3 4 Skalierung 5 6 7 Abbildung IV. 6: Verteilung der höchsten Skalierungen, die von den Golden Retrievern mit und ohne bestandenen DRCWesenstest (WT) erreicht wurden 63 Ergebnisse 9. Häufig beobachtete Lösungsstrategien: Submissives Verhalten und Stresssymptome bei den Golden Retrievern Die Hunde durchliefen 34 Testsituationen im Hund-Mensch und Hund-Umwelt-Kontakt, somit waren es bei 70 Hunden insgesamt 2380 Testsituationen. Der prozentuale Anteil von Testsituationen, in denen die Hunde beschwichtigendes Verhalten und/oder Stresssymptome, d.h. Unsicherheiten im Umgang mit den Testreizen zeigten, lag zwischen 29,4% und 91,2%. Im Mittel waren es 68,9% der Testsituationen, in denen die Golden Retriever die genannten Lösungsstrategien (submissives Verhalten) wählten. 64 Diskussion V. Diskussion Bei dieser Arbeit handelt es sich um eine Kontrollgruppenstudie. Es wurden 70 Golden Retriever im Wesenstest nach der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung (GefTVO) vom 05.07.2000 getestet. Die Ergebnisse wurden mit denen von MITTMANN (2002) verglichen, in deren Studie 415 Hunde aus fünf Hunderassen (American Staffordshire Terrier, Bullterrier, Dobermann, Rottweiler, Staffordshire Bullterrier) sowie Hunde vom Pitbull-Typus untersucht wurden. Die Hunde bei MITTMANN (2002) unterlagen alle der damaligen Verordnung. Die Rassen American Staffordshire Terrier und Bullterrier sowie Hunde vom Pitbull-Typus fielen in die Kategorie 1 der Rasseliste der Gefahrtierverordnung. In der Kategorie 2 wurde der Dobermann, Rottweiler und der Staffordshire Bullterrier geführt. Die Niedersächsische Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000 unterstellte den betroffenen Hunden, insbesondere den Hunden der Kategorie 1, dass von ihnen eine besondere Gefahr für Menschen und andere Hunde ausginge. 1. Material und Methoden 1.1 Hunde Teilnehmen konnten alle Golden Retriever ab einem Alter von 15 Monaten. Dass es sich tatsächlich um Hunde der Rasse Golden Retriever gehandelt hat, wurde aufgrund der Rasseangaben durch die Besitzer angenommen und von der Gutachterin phänotypisch kontrolliert. Das Alter und die Kennzeichnung der Hunde wurden durch den Impfpass nachvollzogen. Die Auswertung der Ergebnisse in Bezug auf das Alter der Tiere blieb wie bei MITTMANN (2002) unberücksichtigt. Ein wesentliches Kriterium dieser Kontrollgruppe war die freiwillige Entscheidung der Hundebesitzer, an dem Wesenstest teilzunehmen. Das Ergebnis musste von den Besitzern keiner Behörde vorgelegt werden und unterlag der tierärztlichen Schweigepflicht. Von den Hunden, deren Wesenstestergebnisse Grundlage der Arbeit von MITTMANN (2002) waren, 65 Diskussion waren jene der Kategorie 1 gezwungen den Wesenstest zu absolvieren und das Testergebnis musste dem zuständigen Sachbearbeiter vorgelegt werden, der über das Weiterleben des Hundes entschied. Hunde der Kategorie 2 konnten freiwillig zum Wesenstest angemeldet werden und beim Bestehen den Maulkorb- und Leinenzwang verlieren. Damit wird deutlich, dass das Ablegen des Wesenstests für ein Hund-Halter-Team mit einem als gefährlich eingestuften Hund Auswirkungen auf das zukünftige Führen des Hundes oder auf das Weiterleben des Tieres hatte. Besitzer dieser Hunde unterlagen oft einem hohen psychischen Druck, verhielten sich ihren Hunden gegenüber dadurch anders als im Alltag, was das Verhalten der Hunde beeinflusste (siehe Kapitel II. 1.3.3 D). Bei den Golden RetrieverBesitzern lag aus unterschiedlichen Gründen ein Interesse an dieser Studie vor. Einige wollten einen zweiten Wesenstest machen, da sie mit dem Ergebnis des DRC-Wesenstests nicht einverstanden waren; bei anderen spielten unerwünschte Verhaltensweisen des Hundes bei der Entscheidung für den Test eine Rolle. Der Großteil der Besitzer nahm aus Interesse am Ausdrucksverhalten ihrer Hunde während des Wesenstests an dieser Studie teil. Das unbewusste Verstärken des Verhaltens eines Hundes durch seinen Besitzer ist umso deutlicher, je größer die Belastung des Hund-Halter-Gespanns ist (siehe Kapitel II. 1.3.3 D). Hat der Besitzer Befürchtungen vor dem Wesenstest, wird sich dieser psychische Druck auf den Hund übertragen, welcher, insbesondere in einer für ihn unangenehmen Situation, sensibler für die Verhaltensänderungen seines Besitzers ist. Befindet sich ein Hunde in einer Konfliktsituation, wird er eine oder mehrere der im Kapitel II. 1.3 aufgeführten Verhaltensweisen (Fight, Flight, Freeze, Flirt) zeigen, so dass ein neutrales Verhalten unwahrscheinlich wird. Derartige Gegebenheiten lagen wesentlich öfter bei den Hund-Halter-Teams der Studie von MITTMANN (2002), als in dieser Arbeit vor, wodurch das häufigere Auftreten von aggressiven Verhaltensweisen bei den von MITTMANN (2002) untersuchten Hunden erklärt werden kann. 66 Diskussion 1.2 Wesenstest In 53 (2,2%) von insgesamt 2380 Testsituationen (70 Hunde x 34 Testsituationen des HundMensch- und Hund-Umwelt-Kontakts) reagierten die Hunde mit aggressivem Verhalten. Gezeigt wurde es meistens in so genannten Bedrohungssituationen (z.B. „Anstarren“, „Bedrohung ohne Hilfsmittel“) und Situationen mit schnellen, abrupten oder merkwürdigen Bewegungen (z.B. „Klatschen/Schreien“, „Betrunkener“). Zum gleichen Ergebnis kam auch MITTMANN (2002). Diese Übereinstimmung zeigt, dass Hunde, unabhängig von der Rasse, auf dieselben Reize aggressives Verhalten zeigen. Sie fühlen sich somit durch ähnliche menschliche Verhaltensweisen bzw. Gegebenheiten bedroht. Diese menschlichen Verhaltensweisen weichen von dem ab, was die meisten Hunde als „normal“ kennen gelernt haben. Zusätzlich erzeugte die Durchführung der 34 Testsituationen des Hund-Mensch- und Hund-Umwelt-Kontakts ohne größere Pause einen Stressanstieg bei den Hunden und ihren Besitzern. Ein allgemein erhöhter Erregungslevel unter Stress führt zu einer Herabsetzung des Schwellenwertes für Aggressionsverhalten (QUANDT 2001). Die aufgeführten Zusammenhänge zeigen auf, wie wichtig beim Hund die ersten Lebenswochen (Sozialisierungsphase; siehe Kapitel II. 1.2) sind, in denen er lernt, was er in seinem späteren Leben als „normal“ ansieht bzw. was ihn ängstigt. Außerdem wird in diesem Lebensabschnitt der Grundstein für die Befähigung des Organismus gelegt, mit Stress und Belastungen umzugehen. Um die Wahrscheinlichkeit, dass ein Welpe in seinem späteren Leben aggressives Verhalten aus Unsicherheit oder Angst heraus zeigt, zu minimieren, muss der Besitzer seinem Hund möglichst viele Reize in Verbindung mit positiver Erfahrung präsentieren. Dabei spielt die Rasse des Hundes keine Rolle. Weiterhin belegt diese Übereinstimmung, dass Menschen durch ihr Verhalten bei Hunden Aggressivität hervorrufen können. In unserer Gesellschaft wird häufig gefordert, dass ein Hund sich in jeder Situation friedlich zeigen muss. Diese Forderung ist mit dem „Normalverhalten“ eines Hundes nicht zu vereinbaren. Wie die Wesenstestergebnisse gezeigt haben, kann auch der Golden Retriever, der als „friedfertig und familienfreundlich“ gilt, dem nicht nachkommen. Im Test wurde bei 29 Hunden aggressives Verhalten beobachtet, bei einem in inadäquater Form. Bei den anderen 28 Golden Retrievern in vertretbarer Art und Weise, wenn auch z. T. in Nichtbedrohungssituationen (s. o.). 67 Diskussion Testsituation: „Anschreien“ Diese Testsituation unterlag in dieser Studie anderen Bedingungen als bei MITTMANN (2002) und wird deshalb genauer betrachtet. Bei der Situation „Anschreien“ geht die Testperson schnell, laut schreiend, in drohender Körperhaltung (leicht nach vorne gebeugter Oberkörper, angespannte Muskulatur) und den Hund direkt anstarrend, auf das sich ca. 20 Meter entfernt befindende Hund-Halter-Gespann zu. Erst innerhalb der Leinenlänge wird dieser Angriff durch die Testperson abgebrochen. In der Studie von MITTMANN (2002) trugen die Hunde in den meisten Fällen prophylaktisch einen Maulkorb, was in der Kontrollgruppe nur bei einem einzigen Hund und bei einem anderen nach vorangegangenem Drohverhalten der Fall war. Bei den Golden Retrievern wurde so verfahren, weil keiner der Hunde an einen Maulkorb gewöhnt war und die meisten Besitzer das vorsorgliche Aufsetzen eines Maulkorbes ablehnten. Von den 415 von MITTMANN (2002) getesteten Hunden reagierten in der Testsituation „Anschreien“ 314 Tiere mit Verhalten der Skalierung 1 (keine aggressiven Signale), 72 zeigten Drohverhalten der Skalierung 2 (optische und/oder akustische Drohsignale), 4 Hunde machten Beißbewegungen aus einiger Entfernung zur Testperson ohne sich anzunähern (Skalierung 3), 6 Hunde zeigten das zuvor beschriebene Verhalten jedoch mit einer unvollständigen Annäherung (Skalierung 4) und 19 Tiere bissen die Testperson (stoßen durch den Maulkorb) mit vorangegangenen Drohsignalen (Skalierung 5). Unter den 70 getesteten Golden Retrievern zeigten 69 Tiere in dieser Testsituation keine aggressiven Verhaltenssignale und bekamen folglich eine 1 als Skalierung. Ein Hund zeigte Drohverhalten der Skalierung 2. Zu berücksichtigen ist, dass in der Studie von MITTMANN (2002) beobachtet wurde, dass ein aufgesetzter Maulkorb die Hunde ablenkte und sie in ihrem Verhalten hemmte (SCHALKE 2004). Diese Tatsache hebt die unterschiedlichen Ergebnisse in der betreffenden Testsituation noch deutlicher hervor. Eine Erklärung für die unterschiedlichen Testergebnisse könnte in der Qualität der Bedrohung durch die Testperson liegen. Ein Hund mit Maulkorb wird eventuell massiver und für das Tier überzeugender angegriffen, als ein nicht eingeschränkter Hund. Jedoch muss eine stärkere Bedrohung nicht zwangsläufig zu einer aggressiven Antwort des Hundes führen. Dieser kann auch eingeschüchtert sein und deshalb deeskalierende Verhaltensweisen zeigen. 68 Diskussion Hunde, die nicht an das Tragen eines Maulkorbes gewöhnt sind, können so sehr davon abgelenkt sein und versuchen den Korb abzustreifen, dass sie die Testsituation nicht im vollen Umfang mitbekommen. Dies war der Fall bei den beiden Golden Retrievern, die in der Testsituation „Anschreien“ einen Maulkorb trugen. 1.3 Begutachtung Die Begutachtung von Hundeverhalten unterliegt immer den subjektiven Einflüssen des Beobachters. Im Gegensatz zu den Wesenstests der als gefährlich eingestuften Hunde, bei denen grundsätzlich zwei Gutachterinnen den Test abnahmen und das Videomaterial in Grenzfällen gemeinsam auswerteten, konnte bei der Kontrollgruppe nur eine Gutachterin die Wesenstests abnehmen und auswerten. Bei Schwierigkeiten in der Ausarbeitung konnte jedoch jederzeit eine zweite Gutachterin zu Rate gezogen werden. Grundsätzlich fand die Begutachtung des Verhaltens der Hunde in den einzelnen Testsituationen auf dem Außenplatz des Instituts für Tierschutz und Verhalten der Tierärztlichen Hochschule Hannover statt und später durch das von jedem Wesenstest angefertigte Videoband. Die Auswertung der Videobänder ermöglichte die wiederholte Betrachtung von Testsituationen in verlangsamtem Ablauf sowie als Standbild. Auch ein Vergleich von verschiedenen Situationen und Hunden war auf diese Weise möglich. Durch diese Art der Auswertung konnten auch kleinste Verhaltenselemente bzw. schnelle Wechsel im Ausdrucksverhalten der Hunde erfasst und dokumentiert werden. Die Ergebnisse lassen sich durch das Videomaterial jederzeit erneut überprüfen. Durch die exakt vorgeschriebenen Testsituationen und das Bewertungssystem war eine validierbare Auswertung des Verhaltens der einzelnen Hunde möglich. 69 Diskussion 2. Ergebnisse In dem Wesenstest nach den Richtlinien der Niedersächsischen GefTVO vom 05.07.2000 wurde die Kontrollgruppe auf eine Rassedisposition für gesteigertes Aggressionsverhalten, auf einen signifikanten Unterschied in der Häufigkeit des Aggressionsverhaltens zwischen der Kontrollgruppe und den von MITTMANN (2002) untersuchten Hunden und auf häufig gewählte Lösungsstrategien in Konfliktsituationen untersucht. 2a) Rassedisposition für gesteigertes Aggressionsverhalten Ein einziger Golden Retriever (1,4%) erhielt in einer Nichtbedrohungssituation die Skalierung 5 und zeigte inadäquat aggressives Verhalten. Diese Testsituation war die Situation „Betrunkener“, in der weitere 7 Hunde (10,0%) mit optischen und/oder akustischen Drohsignalen reagierten. Dieses Ergebnis und das unter Punkt 2b beschriebene lässt bei den untersuchten Golden Retrievern keine Rassedisposition für gesteigertes Aggressionsverhalten erkennen. Situation „Betrunkener“ Die Testsituation „Betrunkener“ stellt eine Alltagssituation dar. Die Reaktion der Skalierung 5 (Beißen mit vorangegangenem Drohverhalten) wird vom Gesetzgeber als gravierend und nicht mehr akzeptabel angesehen. In dieser Situation bewegt sich die Testperson für den Hund merkwürdig, riecht nach Alkohol und spricht laut lallend. Dieses Verhalten entspricht nicht dem eines „normalen“ Menschen und kann deshalb vom Hund als bedrohlich empfunden werden. Um zu diesem als bedrohlich empfundenen Menschen eine möglichst große Distanz aufzubauen, reagieren Hunde mit agonistischem Verhalten (siehe Kapitel II. 1.3). Was für einen Hund „normal“ ist und dem Bild seiner Erfahrungen entspricht, hängt insbesondere von den Erfahrungen während der Sozialisierungsphase ab (QUANDT 2001). „Mangelnde Sozialisation, zu wenig Kontakt mit Menschen, anderen Hunden, anderen Tieren und der Umwelt ganz allgemein beeinträchtigt bzw. verhindert eine angemessene Entwicklung und 70 Diskussion Reifung des Gehirns. Diese Hunde neigen zu Nervosität, Unsicherheit und Ängstlichkeit. Solche Hunde sind bestrebt, alles, was sie beunruhigt, auf Distanz zu halten“ (JONESBAADE 2001 c). Wenn ein Hund hingegen in der Phase der Sozialisation sich ungewöhnlich bewegende und aussehende Menschen kennen gelernt hat, wird er diese als „normal“ betrachten und ihnen keine Bedeutung mehr beimessen (TRUMLER 1989, BRUNNER 1994). Aufgrund des Ausdrucksverhaltens des Hundes, der in dieser Testsituation als Skalierung eine 5 bekam, war Angst die Ursache für das aggressive Verhalten, die dadurch noch verstärkt wurde, dass der Hund angeleint und somit in seinen Verhaltensmöglichkeiten stark eingeschränkt war. Diese Tatsache verdeutlicht erneut die Wichtigkeit einer guten Sozialisation der Hunde und geschulter, verantwortungsbewusster Hundebesitzer. 2b) Unterschiede in der Häufigkeit des Auftretens von Aggressionsverhalten zwischen der Kontrollgruppe und den Hunden bei MITTMANN (2002) Aggressionsverhalten der Skalierungen 2-4 trat in beiden Gruppen in vergleichbarer Häufigkeit auf. So reagierten 40,0% der Golden Retriever und 48,0% der Hunde bei MITTMANN (2002) mit Verhalten der Skalierung 2. Insgesamt zeigten 3,9% der Hunde aus der Studie von MITTMANN (2002) Verhalten der Skalierungen 3 und 4 und 4,1% der Hunde bissen, jedoch in nachvollziehbaren Testsituationen. Beim inadäquat aggressiven Verhalten gab es weder im Vergleich beider Gruppen, noch im paarweisen Vergleich der Rasse Golden Retriever mit den Rassen Bullterrier, Rottweiler, Staffordshire Bullterrier und mit Hunden vom Pitbull-Typus signifikante Unterschiede. Dies ist besonders erwähnenswert, weil Bullterrier und Hunde vom Pitbull-Typus nach der Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000 den Wesenstest ablegen mussten und es für sie um ihr Weiterleben ging (Kategorie 1-Hunde). In so einem Hund-Halter-Gespann lag also ein viel höherer Stresslevel vor, als bei den Golden Retriever-Teams. Besitzer von Staffordshire Bullterriern und Rottweilern meldeten ihre Hunde zwar freiwillig für den Test an, taten dies jedoch in der Hoffnung, den Maulkorb- und Leinenzwang zu verlieren (Kategorie 2-Hunde). Auch hier ist eine emotionale Anspannung zu unterstellen. 71 Diskussion Bei den Rassen American Staffordshire Terrier und Dobermann ergab sich im paarweisen Vergleich mit dem Golden Retriever, bezogen auf inadäquat aggressives Verhalten, eine signifikante Häufung. Der American Staffordshire Terrier unterlag damals den Einschränkungen der Kategorie 1 und somit entschied auch hier der Test über das Weiterleben des Hundes. Hunde der Rasse Dobermann, bei denen es um den Gegenbeweis der Notwendigkeit des Maulkorb- und Leinenzwanges ging, gehörten in die Kategorie 2. Der Golden Retriever, der in unserer Gesellschaft den Ruf eines familienfreundlichen und friedfertigen Hundes hat, zeigte in dem Wesenstest nach den Richtlinien der Niedersächsischen GefTVO vom 05.07.2000 im Gesamtvergleich und in den meisten paarweisen Vergleichen mit den Hunden aus der Studie von MITTMANN (2002) nicht signifikant weniger inadäquat aggressives Verhalten. Auffallend war jedoch, dass die Hunde der Kontrollgruppe als häufige Lösungsstrategie in Konfliktsituationen submissives Verhalten und/oder Zeichen von Stress zeigten. 2c) Submissives Verhalten und Stresssymptome im Wesenstest Beurteilt wurden die Hunde nach einem Skalierungssystem, wie im Kapitel III. 3.2.1 beschrieben. Unsicheres, defensives Verhalten und Stresssymptome (siehe Kapitel II. 1.3.1, 3. und 4.) konnten von diesem Bewertungsschema nicht detailliert erfasst werden, da sie in die Skalierung 1 (keine aggressiven Signale) fallen. Alle Golden Retriever zeigten in einigen oder mehreren Testsituationen starkes Beschwichtigungsverhalten (Defensivverhalten) und Stressanzeichen gegenüber den belebten und unbelebten Umweltreizen. Für einige Hunde war der Wesenstest eine sehr große Belastung, so dass sie nur schwer zum weiteren Durchführen des Tests motiviert werden konnten. Jede einzelne Testsituation wurde anhand der Beschreibungen des Ausdrucksverhaltens ausgewertet und nach dem Vorhandensein von Submission und/oder Stresssymptomen in eine der Gruppen „unsicher“ (submissives Verhalten/Stressanzeichen) oder „sicher“ (Skalierung 1 und keine Beobachtung von submissivem Verhalten und/oder Stresssymptomen) eingeteilt. Bei den 70 Golden Retrievern gab es insgesamt 2380 Testsituationen (bei jedem Hund 34 Situationen im Hund-Mensch- und Hund-Umwelt-Kontakt), von denen 1641 Situationen 72 Diskussion (68,9%) in die Gruppe „unsicher“ gehörten. Somit zeigten die Golden Retriever im Durchschnitt in 68,9% aller Testsituationen des Hund-Mensch- und Hund-Umwelt-Kontakts beschwichtigendes Verhalten und/oder Stresssymptome. Bei Betrachtung des Einzeltieres ist auffällig, dass der geringste Wert bei 29,4% (10 Testsituationen) und der höchste bei 91,2% (31 Testsituationen) liegt. Folglich empfand sogar der „selbstsicherste“ Golden Retriever beinahe ein Drittel der Testsituationen, bei einem prozentualen Anteil an Bedrohungssituationen von 11,8%, als konfliktreich und unangenehm. Der Wesenstest löste somit bei den Golden Retrievern auffallend häufig starken Stress aus und in diesen Konfliktsituationen zeigten die Hunde als Lösungsstrategie oft submissives Verhalten. Laut § 1 des Tierschutzgesetzes liegt es in der „Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“ (Tierschutzgesetz 1998). Nach der Rechtsprechung sind Leiden „alle vom Begriff des Schmerzes nicht erfasste Beeinträchtigungen des Wohlbefindens, die über ein schlichtes Unbehagen hinausgehen und eine nicht ganz unwesentliche Zeitspanne fortdauern“ (Verwaltungsgerichtshof BadenWürttemberg 1994). Ein Hund, der durch seine genetischen Veranlagungen, seine schlechte oder mangelhafte Sozialisierungsphase und späteren Lernerfahrungen häufig seine Umwelt als beängstigend und somit stresserzeugend empfindet, unterliegt somit einem Leiden. 2d) DRC-Wesenstest Der Deutsche Retriever Club e.V. (DRC) versucht über Wesenstests die Zucht der verschiedenen Retrieverrassen zu kontrollieren bzw. zu optimieren. Eine Zuchtzulassung kann u. a. durch einen bestandenen Wesenstest erlangt werden. Dadurch sollen nur Hunde mit erwünschtem Wesen in die Zucht gelangen. Im Folgenden werden die Ergebnisse der DRCWesenstests und der Wesenstests nach der Niedersächsischen GefTVO vom 05.07.2000 miteinander verglichen. Außerdem findet ein Vergleich der Golden Retriever mit bestandenem DRC-Wesenstest und ohne DRC-Wesenstest bezogen auf die im Wesenstest nach der Niedersächsischen GefTVO vom 05.07.2000 höchste erreichte Skalierung und auf submissives Verhalten/Stresssymptome statt. 73 Diskussion Von den 70 getesteten Golden Retrievern hatten 35 Hunde zusätzlich einen Wesenstest beim DRC e.V. gemacht, 33 hatten ihn bestanden. In der Testzusammenfassung bewerteten die Richter von letzteren 15 Hunde (45,5%) sowohl im Kontakt mit Menschen als auch bei akustischen und optischen Reizen als „sicher“, 12 Hunde (36,4%) in einem dieser beiden Bereiche als „sicher“ und 6 Hunde (18,2%) als beeindruckt, uninteressiert, vorsichtig, zutraulich oder untergeordnet. Im Wesenstest, der dieser Studie zugrunde liegt, zeigten sich die 33 Golden Retriever in 71,3% der Testsituationen als gestresst und submissiv. Dieser Wert unterscheidet sich nur geringfügig von dem, der bei Hunden ohne DRC-Wesenstest ermittelt wurde; dieser lag bei 66,9%. Auch bei den höchsten erreichten Skalierungen unterscheiden sich die beiden Gruppen nicht voneinander (siehe Abbildung IV. 6). Von denen beim DRC-Wesenstest durchgefallenen Hunden war einer schussempfindlich, bei dem anderen wurde der Test aufgrund von Scheue und Ängstlichkeit abgebrochen. In dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Wesenstest zeigten sich diese beiden Hunde in 64,7% bzw. 73,5% der Testsituationen unsicher und somit knapp unter bzw. über dem Gesamtdurchschnitt (68,9%). Bei keinem der 35 Hunde wurde von dem zuständigen DRC-Wesensrichter eine Testsituation mit Drohverhalten des Hundes beurteilt. Im Wesenstest nach der Niedersächsischen GefTVO vom 05.07.2000 erhielten 40,0% der Hunde als höchste erreichte Skalierung eine 2 und drohten somit optisch und/oder akustisch. Zwischen dem DRC-Wesenstest und dieser Studie lagen meistens mehrere Monate oder Jahre, was die unterschiedlichen Ergebnisse in Bezug auf das Vorhandensein von unsicherem Verhalten erklären könnte. Jedoch wird ein Hund im Laufe seines Lebens durch Lernerfahrungen und individuelle Anpassungsstrategien an seine Umwelt in seinem Verhalten eher sicherer. Ein weiterer Grund könnte in den Unterschieden zwischen dem DRC-Wesenstest und dem Wesenstest nach den Richtlinien der Niedersächsischen GefTVO vom 05.07.2000 liegen. Der Wesenstest vom Deutschen Retriever Club e.V. zielt auf den Nachweis eines bestimmten, erwünschten Wesens beim Golden Retriever ab, während mit Hilfe des Wesenstests dieser Studie, Tiere mit inadäquatem oder gestörtem Aggressionsverhalten erkannt werden sollen.. Letzterer Test legt großen Wert auf alltagsnahe Testsituationen, um eine mögliche Gefährdung durch den Hund im Alltag einschätzen zu können. Im DRC-Wesenstest ist die 74 Diskussion Mehrzahl der Testgegebenheiten nicht alltagsnah. Somit ist festzustellen, dass die Golden Retriever in den Alltagssituationen des Wesenstests nach den Richtlinien der Niedersächsischen GefTVO vom 05.07.2000 unsicherer reagieren, als im DRC-Wesenstest. Zu erwähnen ist noch die unterschiedliche Dauer der Tests, die beim DRC-Wesenstest pro Hund ca. 30 Minuten, in dieser Studie ca. 1 Stunde beträgt. Der wesentliche Grund für die stark voneinander abweichenden Testergebnisse, bezogen auf submissives, stressbedingtes und aggressives Verhalten, sind die Wesensrichter des DRC’s im Vergleich zu den Gutachtern im Wesenstest nach der Niedersächsischen GefTVO vom 05.07.2000. Hier müsste die Qualifikation der beurteilenden Richter überprüft und die Einschätzung von bestimmten Verhaltenskategorien angeglichen werden. Durch eigene Beobachtungen im Rahmen von DRC-Wesenstests konnten bei den Wesensrichtern große Unterschiede in den Ansichten über erwünschte Wesenszüge beim Golden Retriever, im Wissen über Ausdrucksverhalten bei Hunden und in der Beurteilung von Testsituationen festgestellt werden. Die Ausbildung von Wesenstest-Anwärtern findet durch Wesensrichter statt, die wiederum ihr Wissen untereinander weitergeben. Im Gegensatz dazu sind Tierärzte ausgebildete Ethologen, von denen nur fachlich spezialisierte Ärzte Wesenstests abnehmen dürfen. Eine Empfehlung wäre, dass der DRC seine Ausbildung und Weiterbildung der Wesenrichter durch solche Tierärzte vornehmen lassen sollte. 3. Schlussfolgerung Obwohl die Niedersächsische Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000 am 3. Juli 2002 vom Bundesverwaltungsgericht für nichtig erklärt wurde, unterliegen noch heute auf Bundesebene die Rassen American Staffordshire Terrier, Bullterrier, Staffordshire Bullterrier und Hunde vom Pitbull-Terrier den Einschränkungen einer Rasseliste. Es gilt ein Einfuhr- und Verbringungsverbot. Das Aussprechen eines Zuchtverbots wurde an die Bundesländer abgegeben; in Niedersachsen besteht für die aufgeführten Rassen kein Zuchtverbot. In dieser Studie wurde beim Vergleich der Rassen American Staffordshire Terrier, Bullterrier, Dobermann, Rottweiler, Staffordshire Bullterrier und Hunden vom Pitbull-Typus mit der 75 Diskussion Kontrollgruppe der Golden Retriever kein signifikanter Unterschied im Auftreten von inadäquat aggressivem Verhalten festgestellt. Es ist somit u. a. ethologisch nicht vertretbar, dass bestimmte Hunderassen vom Gesetzgeber und der Gesellschaft diskriminiert werden. Der American Staffordshire Terrier und der Dobermann fielen zwar im paarweisen Vergleich mit dem Golden Retriever bezogen auf inadäquat aggressives Verhalten auf, jedoch sollte diese Tatsache nicht zu Sanktionen in der Haltung dieser Rassen führen. Unabhängig von der Hunderasse sollte es das Ziel sein, kompetentere Hundebesitzer bzw. Züchter hervorzubringen. Diese große Verantwortung sollte der Gesetzgeber, jeder Hundebesitzer und derjenige, der es werden will und sich somit einen guten Züchter aussuchen sollte, tragen. Die Verantwortung des Gesetzgebers kann in Form eines vorgeschriebenen oder begünstigten (z.B. Hundesteuerermäßigung) Hundeführerscheins für alle Hundebesitzer bestehen, bei dessen Erwerb Hund und Halter ihre „Gesellschaftstauglichkeit“ unter Beweis stellen müssen. Zusätzlich müssten Züchter und Hundeschulen bzw. Hundetrainer Qualifikationen nachweisen, die ihnen spezielle ethologische Kenntnisse und Erfahrungen bescheinigen. Diese Kompetenzen sind unverzichtbar, denn die Gründe für veraltetes Wissen und traditionelle Ausbildungsmethoden vieler Hundebesitzer finden sich in der Qualität ihrer „Lehrer“ (Hundeschulen, Hundetrainer, Züchter, andere Hundebesitzer, Literatur). Den Zusammenhang zwischen dem Auftreten von aggressivem Verhalten bei Hunden und aversiven Erziehungsmethoden (z.B. Leinenruck) stellte BRUNS (2003) in ihrer Arbeit über die von MITTMANN (2002) getesteten Hunde dar. Halter, die entspannt mit ihren Hunden umgingen, konnten diesen mehr Sicherheit vermitteln als Halter, die z.B. über Leinenrucks versuchten, auf ihre Hunde erzieherisch einzuwirken. Bei den Hunden, die nicht oder weniger über aversive Methoden ausgebildet wurden, lag ein besserer Gehorsam vor und die Besitzer konnten das Verhalten ihrer Hunde realistischer einschätzen und somit die Hunde angemessener beeinflussen. So verwies BRUNS (2003) darauf, dass die Sachkunde des Besitzers der beeinflussende Faktor für Aggressionsverhalten des Hundes in Konfliktsituationen ist. Auch wenn der Staat dieser Verantwortung nicht nachkommen kann, so sollte jeder Hundebesitzer an einem fundierten Fachwissen interessiert sein, welches er sich vor dem Kauf eines Hundes aneignen sollte. So kann der Kauf des „falschen“ Welpens bzw. Hundes vermieden werden. Kompetente Hundekäufer fördern kompetente Züchter und 76 Diskussion Hundeausbilder, so dass die Aufzucht und Erziehung des Hundes, besonders im Hinblick auf die Sozialisierungsphase, optimal verlaufen kann. Die aufgezählten Forderungen würden nicht nur dazu beitragen, das Auftreten von nicht erwünschtem, inadäquatem oder gestörtem Aggressionsverhalten zu minimieren, sondern auch zu einer Reduzierung sehr submissiver Hunde führen. Diese sehr ängstlichen, unsicheren Tiere können nicht nur eine Gefährdung für Menschen und andere Hunde darstellen, da Angst häufig die Ursache für aggressives Verhalten ist, sondern sie unterliegen auch einem Leidensdruck, der in seiner Ausprägung tierschutzrelevant sein kann. Durch die Gesellschaft wird häufig nur offensichtlich misshandelten, vernachlässigten oder abgerichteten Tieren Leid zugestanden. Dass auch ein als „kinder- und familienfreundlich“ titulierter Hund aufgrund einer ständigen Unsicherheit gegenüber seiner Umwelt leiden kann, erscheint oft weniger nahe liegend. 77 Zusammenfassung Johann, Tina: Untersuchung des Verhaltens von Golden Retrievern im Vergleich zu den als gefährlich eingestuften Hunden im Wesenstest nach der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000 VI. Zusammenfassung In dieser Studie wurden 70 Hunde der Rasse Golden Retriever vom 17.01.2003 bis zum 18.11.2003 in dem Wesenstest nach den Richtlinien der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung (GefTVO) vom 05.07.2000 getestet. Diese Tiere dienten als Kontrollgruppe für die von MITTMANN (2002) getesteten 415 Hunde, die unter diese Verordnung fielen. Die Kontrollgruppe sollte vor allem Aufschluss darüber geben, ob es einen signifikanten Unterschied in der Häufigkeit des Aggressionsverhaltens zu den von MITTMANN (2002) untersuchten Rassen gibt. Weiterhin war von Bedeutung, ob bei den Golden Retrievern eine Rassedisposition für gesteigertes Aggressionsverhalten im Wesenstest beobachtet werden konnte und ob es Hinweise auf eine in Konfliktsituationen häufig gewählte Lösungsstrategie gab. Dem Wesenstest lag ein Skalierungssystem zugrunde, mit dessen Hilfe das Verhalten der Hunde in 7 Kategorien eingeteilt werden konnte. Die Skalierung 1 bedeutet, dass der Hund in der jeweiligen Testsituation keine aggressiven Signale gesendet hat. Aggressionsverhalten verschiedener Eskalationsstufen entsprach den Skalierungen 2-7. Die Studie begrenzte sich auf die 34 Testsituationen des Hund-Mensch- und Hund-Umwelt-Kontakts gemäß der von MITTMANN (2002) eingehaltenen Vorgehensweise. Von den 70 getesteten Golden Retrievern bekamen 41 Hunde im gesamten Test keine höhere Skalierung als eine 1 und zeigten somit nie aggressives Verhalten. 28 Hunde reagierten im Test mit Verhalten der Skalierung 2 (optische und/oder akustische Drohsignale), die Skalierungen 3 (Schnappen mit stationärem Körper), 4 (Schnappen mit unvollständiger Annäherung), 6 (Beißen ohne vorangegangenes Drohverhalten) und 7 (Beruhigung des Tieres nach Eskalation erst nach über 10 Minuten) wurden bei keinem Hund beobachtet. Ein Hund 78 Zusammenfassung bekam in der Testsituation „Betrunkener“ die Skalierung 5, da er Beißen mit vorangegangenem Drohverhalten gezeigt hatte. Nach den Richtlinien des Wesenstests reagierten somit 69 Hunde (98,6%) in den Testsituationen angemessen und nur ein Hund (1,4%) zeigte inadäquat aggressives Verhalten. Bei MITTMANN (2002) reagierten 395 Hunde (95%) adäquat, 19 Hunde (4,6%) inadäquat aggressiv und ein Hund (0,2%) gestört aggressiv. Im Vergleich der Gruppe von MITTMANN (2002) und der Kontrollgruppe ergab sich kein signifikanter Unterschied in der Häufigkeit von inadäquatem Aggressionsverhalten. In der Kontrollgruppe fielen im Ausdrucksverhalten der Hunde häufig submissives Verhalten und/oder Zeichen von Stress auf. Für viele Hunde schien der Test eine große Belastung zu sein. Hat ein Hund in seinem Alltag länger andauernde Stresszustände, so ist dies laut Tierschutzgesetz (1998) ein Leiden und nicht zu akzeptieren. Diese Tatsache sollte in Zucht und Erziehung Beachtung finden. Die Ergebnisse zeigen, dass es nicht legitim ist, bestimmte Rassen zu diskriminieren und sie den Verboten und Einschränkungen von so genannten Rasselisten zu unterwerfen. Vielmehr sollte in unserer Gesellschaft ein kompetenter, fachlich gebildeter und verantwortungsvoller Hundebesitzer gefördert werden, denn dies ist eine wirkungsvolle Maßnahme, um Verhaltensproblemen bei Haushunden vorzubeugen. 79 Summary Johann, Tina: Assessment of the behaviour of Golden Retrievers in comparison to the behaviour of dogs considered dangerous according to the Dangerous Animals Act of Lower Saxony, Germany (GefTVO) of 5th of July 2000. VII. Summary In this study 70 dogs of the Golden Retriever breed were evaluated according to the Guidelines of the Dangerous Animals Act of Niedersachsen, Germany (GefTVO) of 5th of July 2000 starting 17.01.2003 throughout 18.11.2003. The dogs served as a comparison group to the 415 dogs, affected by the law, which were tested by MITTMANN (2002). The main aim of evaluating the comparison group was to see whether there was a significant difference to the breeds evaluated by MITTMANN (2002) with regard to the frequency of aggressive behaviour. Furthermore it was important whether a breed disposition for exaggerated aggressive behaviour could be observed in the Golden Retrievers during the behaviour-test and whether there was an indication of a certain, frequently chosen problemsolving-strategy in conflict situations. The behaviour-test was based on a scaling system which served as an aid to divide the behaviour of the dogs into 7 categories. A scale value of 1 was indicative for the dog not showing any aggressive signals during the given test situation. Aggressive behaviour of varying escalation levels was assigned a scale value of 2-7. Following the procedure of MITTMANN (2002) this study focuses on the 34 test situations assessing the behaviour of the dogs towards humans and the environment. Out of the 70 tested Golden Retrievers, 41 reached a highest scale value of 1 throughout the test, thus showing no aggressive behaviour at all. During the test 28 dogs showed behaviour rated scale 2 (visual and/or acoustic threatening behaviour). Scale value 3 (snapping with stationary body), 4 (snapping with incomplete approach), 6 (biting not preceded by threatening behaviour) and 7 (calming down more than 10 minutes later, after escalation) was not observed in any dog. One dog was rated scale value 5 during the test situation "drunken person", since he showed biting preceded by threatening behaviour. 80 Summary Therefore, according to the Guidelines of the behaviour-test 69 dogs (98,6%) reacted appropriately throughout the test situations, and merely one dog (1,4%) showed inadequate aggressive behaviour. In the study of MITTMANN (2002) 395 dogs (95%) reacted appropriately, 19 dogs (4,6%) showed inadequate aggressive behaviour and one dog (0,2%) showed disturbed aggressive behaviour. Comparing the MITTMANN (2002) group and the comparison group no significant difference in the frequency of inadequate aggressive behaviour could be observed. Submissive behaviour and /or signs of stress occurred often in the expressive behaviour of the dogs of the comparison group. The test seemed to be a rather large burden to a lot of the dogs. If a dog has to endure ongoing stressful situations during his everyday life, the German animal welfare act considers this an unacceptable suffering. This fact should be taken into consideration while breeding and training. The results show that it is neither legitimate to discriminate against certain breeds nor to submit them to the rules and regulations of the so called breed-lists. Instead a competent, specifically educated and responsible dog owner should be supported in our society, since this is an effective way to prevent behaviour problems in household dogs. 81 Literaturverzeichnis VIII. Literaturverzeichnis ABRANTES, R. (2001): Dog Language: An Encyclopedia of Canine Behavior. Wankan Tanka Publishers, Illinois ALDINGTON, E.H.W. (2000): Von der Seele des Hundes. 9. Aufl., Gollwitzer Verlag, Weiden APPLEBY, D., J.W.S. BRADSHAW und R.A. CASEY (2002): Relationship between aggressive and avoidance behaviour in dogs and their experience in the first six months of life. Veterinary Record 150, 434- 438 BÄRTSCHI, M. und H. SPENGLER (1992): Hunde sehen- züchten- erleben, das Buch vom Berner Sennenhund. 2. unverändert. Aufl., Haupt-Verlag, Bern BEAUDET, R., A. CHALIFOUX und A. DALLAIRE (1994) : Predictive value of activity level and behavioural evaluation on dominance in puppies. Appl. Anim. Behav. Sci. 40, 273-284 BEAVER, B.V. 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Auflage, März 2003 Einführung Nach § 3 Abs. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über das Halten von Hunden (NHundG) vom 12.12.2002, Nds. GVBl. 2003 S. 2, bedarf die Haltung eines gefährlichen Hundes einer Erlaubnis. Als gefährlich gelten die in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Hundeverbringungs- und einfuhrbeschränkungsgesetzes vom 12. April 2001 (BGBl. I S. 530) genannten Hunde (das heißt: Bullterrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier sowie Hunde des Typs Pit Bull Terrier und Kreuzungen mit Hunden dieser Rassen oder dieses Typs). Ferner kann die Gefährlichkeit und damit die Erlaubnispflicht eines Hundes einer anderen Rasse oder eines anderen Typs, der eine übersteigerte Aggressivität aufweist, durch die Behörde festgestellt werden (vgl. § 3 Abs. 3 NHundG). Im Rahmen des Erlaubnisverfahrens ist u. a. erforderlich, die Fähigkeit des Hundes zu sozialverträglichem Verhalten durch einen Wesenstest nachzuweisen (§ 5 Absatz 1 Nr.2 NHundG). Vom zuständigen Fachministerium benannte, besonders qualifizierte Tierärztinnen und Tierärzte führen den Wesenstest durch. Die Anforderungen an die Durchführung des Wesenstestes wurden von einer Arbeitsgruppe erarbeitet; die durchführenden Tierärztinnen und Tierärzte werden entsprechend geschult, um zu einer weitgehend einheitlichen Bewertung der Hunde im Hinblick auf ihre Fähigkeit zu sozialen Verhalten zu kommen. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass auch Hundehalter, die einen Hund mit bestandenem Wesenstest führen, ihrer Sorgfalts- und Aufsichtspflicht bei der Mitnahme des Hundes außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke und Privatwohnungen zu genügen haben. Ziel: Erkennen von Individuen mit gestörter aggressiver Kommunikation (Hunde mit "unakzeptablem Aggressionsverhalten": Fehlen der Eskalationsstufen 1 - 6 nach FEDDERSEN-PETERSEN 1999; s. ANHANG II) und Auftreten von Indikatoren für inadäquates Aggressionsverhalten/Sozialverhalten). Aggressionsverhalten tritt nicht mehr als Form einer Anpassung auf, erscheint vielmehr biologisch und in seiner Genese als nicht nachvollziehbar, unvermittelt, plötzlich. Hunde mit gestörter aggressiver Kommunikation leiden (Tierschutzrelevanz: § 11b TierSchG i. d. F. von 1998) und sind für ihre Umwelt aufgrund ihrer Verhaltensstörung ein erhöhtes Gefährdungspotential. Alter der zu testenden Hunde: Mindestens 15 Monate 95 Anhang Charakterisierung des Tests: Der Hund wird mit einer Vielzahl von Stimuli konfrontiert; insbesondere solchen, die bekannterweise Aggressionsverhalten bei Hunden auslösen. Aggressives Verhalten ist normaler Bestandteil des Hundeverhaltens. Genom und Umgebung spielen eine große Rolle, sind aber nicht zu trennen. Aber: Aggression hat eine genetische Komponente, ist jedoch vielursächlich. Hier wiederum gibt es verschiedene Motivationen zur Auslösung aggressiven Verhaltens. Diese Tatsache muss bedacht werden. Entsprechenden Reizen müssen Hunde begegnen können, ohne dass es zu Ernstkämpfen (Eskalationen einer Interaktion) mit Artgenossen oder Menschen kommt. Der Test ist wissenschaftlich validierbar und ist allgemein anwendbar. Situationen: Geprüft wird auf Sozialverhalten und Kommunikationsverhalten. Der Hund wird optischen, akustischen und olfaktorischen Reizen ausgesetzt, welche von der belebten (Sozialpartner: Menschen und Artgenossen, andere Spezies) und unbelebten Umwelt ausgehen. Orte: Den Ort ausschließen, den der Hund vom Training kennt (Hundeplatz). Bedacht werden sollte, ob man die Hunde auch jeweils 2x evaluieren sollte: auf dem eigenen Territorium (Haus/Garten) und in einem fremden Gebiet (Park/Open Field Situation). Dies kann besonders bei nicht eindeutig zu beurteilenden Hunden hilfreich sein. Gebraucht werden: -Zwei weitere Hunde, männlich und weiblich, -vier weitere Personen, -Kinderwagen, Kassettenrecorder mit Kindergeschrei, benutzte Windeln, Luftballons, Blechdosen, Regenschirm, Ball, Fahrradklingel, Auto, Schrubber, Stock (Blinder), Alkohol (Betrunkener), langer Mantel, alte Jacke für Alkohol, Feuerzeug, Videokamera, Sicherheitsequipment (Maulkorb, der das Beißen des Hundes sicher verhindert, aber die Beurteilung der Mimik des Hundes zulässt sowie Doppelleine (Bedrohung des Hundes)). Anamnese: Datenerhebung zur sozialen Vergangenheit der Hunde über die Erstellung eines entsprechenden Fragebogens, die der Hundebesitzer auszufüllen hat. Der Besitzerfragebogen sollte nach definierter Gesetzmäßigkeit analysiert werden (Korrelationen mit bestimmten Ereignissen). Durchführung des Testes: Dem Test geht zunächst eine Allgemeinuntersuchung des Hundes voraus, um möglicherweise vorhandene organische Schäden oder Erkrankungen zu erkennen, die zur Beeinflussung des Verhaltens des Hundes führen können. Danach wird ein Frustrations- und Lerntest (vgl. Anhang ,,Lernverhalten, Frustration und Bedrohung") durchgeführt, anhand dessen Vorbehandlungen des Hundes mit gewissen Beruhigungsmitteln erkannt werden können, da diese das Lernvermögen des Hunde erheblich herabsetzen würden. Anschließend wird der Hund den aufgeführten Beurteilungssituationen ausgesetzt. Er wird dabei von dem Hundehalter an der Leine geführt und von den testenden Personen (ein Tierarzt und ein Helfer) beobachtet und gefilmt. Der Helfer bereitet die zu prüfenden Situationen vor. Die Situationen sollen einen möglichst "normalen", alltäglichen Charakter haben. Sie müssen bewusst dargestellt werden, der Hund muss den Stimuli in den einzelnen Testsituationen gezielt ausgesetzt werden. In Situationen der Bedrohung muss abgestuft bedroht werden (Distanzverkürzung, Steigerung der Gestik und Akustik). Im Bedarfsfall sind zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen zu treffen (ggf. zusätzliche Sicherheitsleine und/oder Maulkorb).Soweit möglich, sollte der Hund ohne Maulkorb getestet werden. Der Maulkorb erschwert die Beurteilung der Mimik des Hundes und kann u. U. ein anderes Verhalten provozieren. 96 Anhang Die Gesamtdauer des Tests, wenn er gründlich und ruhig durchgeführt wird, beträgt ca. 50-60 Minuten. In diesem Zeitrahmen sind keine längeren Entspannungspausen für die Hunde enthalten; trotzdem aber deutliche Pausen, die sich dadurch ergeben, dass Hund und Halter jeweils auf jede neue Situation warten müssen bzw. auf ,,Startpositionen" geschickt werden. Da der Test nicht alle relevanten Situationen nachstellen kann, denen der Hund während der nächsten Jahre begegnen wird, ist ein gewisser Stresslevel wünschenswert. Abgesehen von kritischen Sonderfällen sind längere Pausen entbehrlich. Wo keinerlei Reaktion des Hundes erfolgt, muss kritisch hinterfragt werden, ob der Hund den Stimulus überhaupt wahrgenommen hat. Unter Umständen muss mit veränderten Aspekten in der jeweiligen Situation das Bild abgerundet werden: Prolongation; Intensitätswechsel, Richtungswechsel; Personenwechsel etc. Da der Gutachter die Gesamtübersicht und Gesamtkontrolle über das Geschehen haben muss, sollte der Gutachter nur in speziellen Situationen (z. B. bei Bedrohung des Hundes) die Testperson darstellen. Das Testen mit der Flexileine stellt ein großes Sicherheitsrisiko dar. Das Testen mit Stachelhalsband ist ebenfalls ein Sicherheitsrisiko und erschwert die Beurteilung: 1. Es bleibt die Frage, wie gut der Halter seinen Hund tatsächlich kontrolliert oder ob nicht der Schmerz durch das Stachelhalsband den Hund in einer eventuellen Vorwärtsintention stoppt. 2. Schmerzen erzeugen Stress und Stress wirkt sich auf die Aggressionsbereitschaft aus. Da der Hund kontrolliert bestimmten Stressoren ausgesetzt werden soll, ist es nicht wünschenswert, diese durch nicht kalkulierbare Stressoren zu beeinflussen. Das Verhalten des Besitzers muss mit ein Kriterium für die Bewertung sein. In Situationen, in denen die Besitzer aktiv massiv Einfluss auf das Hundeverhalten nehmen (bewusst oder unbewusst), sollte mit ,,neutralem" Besitzer bzw. ohne Besitzer nachgetestet werden. Um eine größere Akzeptanz der Hundehalter zu erzielen, empfiehlt es sich, dem Tierhalter die Situationen und den Hintergrund des Tests in einem einführenden Gespräch zu erläutern. Bewertung: (modifiziert nach Netto, W. J. und Planta, D. J. U. (1997) Skalierungssystem für die Reaktionen: 1. Keine aggressiven Signale beobachtet (z. B. Hund zeigt Meide- oder Angstverhalten) (s. Anhang ,,Ausdrucksverhalten"). 2. a) Akustische Signale (Knurren und/oder tiefes Bellen/Fauchen/Schreifauchen) b) Optische Signale (Zähneblecken, Drohfixieren u. a. mit oder ohne Knurren und/oder Bellen u. a.), dabei bleibt der Hund stationär oder befindet sich im Rückzug. 3. Schnappen (Beißbewegungen aus einiger Entfernung), mit oder ohne Knurren und/oder Bellen und/oder Zähneblecken, Drohfixieren u. a. Drohsignale mimisch bzw. im Körperbereich dabei bleibt der Hund stationär oder befindet sich im Rückzug. 4. Wie 3. aber mit unvollständiger Annäherung (Stehenbleiben in einer gewissen Distanz). Dabei ist darauf zu achten, ob der Hund selbst stoppt oder durch die Leine gestoppt wird. 5. Beißen (Beißversuche) oder Angreifen (Angriffsversuche: Annäherung bei hoher Geschwindigkeit und Zustoßen; mit Knurren und/oder Bellen und/oder Zähneblecken). 6. Wie 5., aber ohne mimische oder lautliche Signale. 7. Wie 6., aber: Beruhigung des Tieres nach Eskalation ist erst nach über 10 Minuten zu beobachten. 97 Anhang Anforderungen an das zu erstellende Gutachten: Das Gutachten sollte gerichtstauglich sein. Hierzu sind folgende Voraussetzungen erforderlich: -Darstellung der gesetzlichen Grundlagen -Definition relevanter Termini (zumindest des Begriffs ,,Aggressionsverhalten") -Darlegung des Testablaufs -Beschreibung aller Situationen, in denen der Hund mit mehr als Skalierung ,,1" beurteilt wurde -ableitende Beurteilung aus der Befundung. Im Gutachten soll abgewogen werden, ob die dem Hund eigene individuelle Qualität und Quantität aggressiver Reaktionen auf entsprechende Stimuli eine erhebliche Gefahr für den Menschen darstellt oder nicht. Dabei steht es dem Gutachter frei, auch Empfehlungen - z. B. hinsichtlich des Besuchs einer Hundeschule bei schlechter Kommunikation zwischen Hund und Halter - auszusprechen. Es ist eine Videoaufzeichnung über den Test anzufertigen (Forensik). Das Datum und die aktuelle Uhrzeit sollten auf dem Video dokumentiert sein. Die Kamera darf nicht vom Gutachter selbst geführt werden, damit dieser die Gesamtübersicht und Kontrolle über das Geschehen behält auch unter Sicherheitsaspekten. Die Situationen sind vollständig mit allen Beteiligten ins Bild zu nehmen. Insbesondere der Hund und dessen Reaktionen müssen erkennbar sein. Eine Kennzeichnung der einzelnen Testsituationen (z. B. Einblenden der Situationsnummer) erleichtern die Übersichtlichkeit. Die Kamera sollte nicht allein auf einem Stativ stehen, da sonst relevante Aspekte der jeweiligen Situation verloren gehen können. 98 Anhang 2. Anhang: Vordruck Wesenstest Wesenstest nach der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000 Hund-Mensch-Kontakt 36. Der Hundehalter versucht mit dem Hund zu spielen, macht optische Spielaufforderungen. 37. Eine Person macht Spielbewegungen vor dem Hund. 38. Der Hund wird an einem Pfosten (wie z.B. vor einem Geschäft) angebunden und eine Person läuft in ca. 50 cm Abstand vorbei. 39. Der Hundehalter legt die Hand auf den Hals/Rücken des Hundes, umfasst den Fang (zusammen mit freundlichem Ansprechen des Hundes). 40. Eine Person passiert den Hund, blickt sich um und starrt ihn an. 41. Eine Person in schwarzem Mantel (lang) und Hut geht vorbei. 42. Eine Person kniet vor dem Hund und streckt die Hand aus, mit Ansprache (Individualabstand 0,50m+Leine). 43. Eine Person stolpert beim Passieren des Hundes in ca. 1 m Entfernung. 44. Ein Jogger läuft in beiden Richtungen vorbei, läuft dabei einmal plötzlich (ohne Ankündigung) vor dem Hund weg. 45. Eine Person mit Stock tastet sich über den Weg (Abstand 2m). 46. Ein „Betrunkener“ torkelt vorbei (Abstand 2m). 47. Eine Person streift den Hundekörper beim Passieren. 48. Eine Gruppe bleibt neben dem Hund stehen und unterhält sich, der Hund wird dabei ab und zu leicht berührt. Skalierung (A) Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 99 Anhang Skalierung (A) Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) Skalierung (A) Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 49. Einige (4) Personen kommen auf den Hund zu (nicht zielgerichtet) und bleiben mit Körperberührung neben ihm stehen (Fahrstuhlsituation), 50. Eine fremde Person streicht dem Hund über den Rücken (mit Ansprache; während Situation 14). 51. Eine Person weint (Kind). 52. Eine Person liegt am Boden und steht abrupt auf, als Halter und Hund den Testgang machen (Abstand 2m). 53. Der Hundehalter spricht leise und freundlich mit dem Hund, während eine Person beim ersten Passieren laut in die Hände klatscht und beim zweiten Passieren schreit. Dies geschieht nicht in Richtung des Besitzers und seines Hundes. 54. Eine Person schreit den Hund wütend an. 55. Eine Person (Testperson aus Situation 19) spricht den Hund an. Hund-Umwelt-Komplex 56. Eine Person zieht ein lärmendes Gerät vorbei. 57. Halter und Hund passieren (sehr eng) einige bunte Luftballons. 58. Ein Regenschirm wird unmittelbar vor dem Hund aufgespannt. (Aber nicht als bedrohende Intentionsbewegung, vielmehr so, wie es auf der Straße geschehen kann.) 59. Vor dem Hund fallen Blechdosen scheppernd auf den Boden. 60. Ein Ball rollt auf den Hund zu. 61. Ein Auto setzt ein Stück in seine Richtung zurück und hupt dabei. 62. Ein Kinderwagen wird vorbei geschoben. 100 Anhang Skalierung (A) Bemerkung (Beschreibung des Ausdrucksverhaltens) 63. Ein Fahrradfahrer fährt klingelnd vorbei. 64. Ein Lappen (Tuch) berührt den Hund beim Durchtritt durch eine Tür. 65. Eine Testperson geht auf den Hund zu, bedroht ihn, macht Anstalten ihn anzugreifen (ohne Hilfsmittel, Abstand 2m). 66. Eine Person bedroht den Hund mit einem Stock. 67. Eine Person zündet ein Feuerzeug vor dem Hund. 68. Der Hund muss unter einem Besenstiel o. ä. hindurchgehen. 69. Ein Schrubber macht Geräusche auf dem Boden. Gehorsam Sitz Platz Komm Aus ausgeführt nicht ausgeführt 101 Anhang Hund- Hund- Kontakt 70. Ein bellender Hund steht vor dem Hundehalter und dem Hund (Abstand 2m). 71. Zwei Hunde passieren den Prüfling (gut sozialisierte Hündin, sozialisierter Rüde, Abstand etwa 2m). 72. Unmittelbar danach: der Halter stolpert und berührt dabei den Hund. 73. Konfrontation mit einem selbstsicheren Rüden/einer selbstsicheren Hündin hinter einem Zaun. 74. Der zu prüfende Hund wird ca. 2 m vor dem Zaun angebunden. Hündin: Rüde: 102 Anhang 3. Anhang: Entwicklung des Niedersächsischen Wesenstests Dr. Johan Altmann Amtstierarzt; Vorsitzender des Niedersächsischen Tierschutzbeirates Rudolf Dettmar Vertreter des VDH Niedersachsen, Harsum Bullterrier- Züchter Dr. Dorit Feddersen-Petersen Ethologin, Fachtierärztin für Verhaltenskunde und Tierschutzkunde; Institut für Haustierkunde, ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel Dr. Barbara Gottstein Tierärztin; Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Prof. Dr. Hansjoachim Hackbarth Leiter des Tierschutzzentrums der Tierärztlichen Hochschule Hannover Ortlieb Lothary Bullterrier-Züchter Gesellschaft der Bullterrier-Freunde e. V., Maxhütte, staatl. geprüfter Sachverständiger Dr. Sabine Petermann Tierärztin; Leiterin des Tierschutzdienstes Niedersachsen Dr. Esther Schalke Tierärztin; Tierschutzzentrum der Tierärztlichen Hochschule Hannover Dr. Barbara Schöning Fachtierärztin für Verhaltenskunde und Tierschutz, Hamburg 103 Anhang 4. Anhang: Lerntest und Frustrationstest I. Tests zum Lernverhalten und Frustrationsverhalten (Dr. Barbara Schöning MSc., Fachtierärztin für Verhaltenskunde und Tierschutz) -geben Hinweise über die Stress- und Frustrationstoleranz; -geben Hinweise über bevorzugte Verhaltensmuster eines individuellen Hundes unter Stress bzw. im Zustand der Frustration; -geben Hinweise über das Lernverhalten/-vermögen; z.B. unter dem Aspekt, dass verhaltenstherapeutische Maßnahmen empfohlen werden bzw. um deren Wirksamkeit abzuschätzen. In die Frustration als solche werden auch zunächst subtile und dann gesteigerte Bedrohungselemente eingebaut. Stress- und Frustrationstoleranz und das Lernverhalten werden dabei in Kombination abgetestet. 1. Wodurch ist der Hund zu motivieren? Am besten eignen sich Leckerli. Sie sind einfach zu handhaben und das Ergebnis ist am besten reproduzierbar. Ansonsten einzusetzen: Spielzeug, Besitzer(sozial)kontakt bzw. der Weg zum Besitzer. 2. Wenn ein Motivator nach 1. etabliert ist, wird mit den Tests begonnen. Im Folgenden ist das Procedere für den Einsatz von Leckerli beschrieben. Analog muß dann der eventuell nötige Einsatz anderer Motivatoren erfolgen. Die Leckerli sollten höchstens halbe Frolic-Größe haben. 3. Der Hund wird mit Leckerli angefüttert (ca. 4-5 Stück). 4. Das 5. oder 6. Leckerli wird zwischen den Fingern festgehalten, wenn der Hund es nehmen will. Wie reagiert der Hund? Ausprobieren, das Leckerli aus der Hand zu ,,nagen" (wie lange); zügig weggehen und sich ,,interessanteren" Dingen zuwenden; Meideverhalten; Drohverhalten; Aggression; Anbieten von antrainiertem Verhalten; Kommunikation (Submission z.B.)? 5. Der Hund wird über das Leckerli hinweg mit den Augen fixiert (Cave: Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, je nachdem welches Verhalten bei 4. gezeigt wurde). 6. Dann wird der Oberkörper leicht nach vorne gekippt und auf den Hund zu bewegt. 7. Das Leckerli wird auf den Boden geworfen. Einige Male (2-3) darf der Hund es nehmen. Dann wird das Leckerli zwischen den eigenen Beinen hindurch leicht nach hinten geworfen. Wenn der Hund dem Leckerli hinterher will, wird er frontal rein mit dem (aufgerichteten) Körper wortlos geblockt. Ausweichmanöver des Hundes werden ebenfalls geblockt. Setzen Sie sich ein Ziel, für welches Verhalten Sie dem Hund den Weg zum Leckerli freigeben wollen. Der Hund darf z.B. zum Leckerli, wenn er sich hinsetzt. Seien Sie aber dabei flexibel und ändern Sie je nach angebotenen Verhaltensweisen des Hundes Ihr gesetztes Ziel, wo es nötig ist allerdings nicht jedes Mal sondern so, daß der Hund die Möglichkeit hat, den Zusammenhang zwischen seinem Verhalten und der Freigabe des Weges zu lernen. Es gibt Hunde, die z.B. für ein Meideverhalten oder einen Rückzug den Weg frei bekommen sollten etc. Diese Prozedur wird solange wiederholt, bis der Hund erkennbar reproduzierte Verhaltensweisen zeigt sich also z.B. dreimal in Folge vor Ihrem Körperblock hingesetzt hat. 8. Beim Blocken wird eine zügige Bewegung nach vorne gegen den Hund ausgeführt. Weicht er zurück, wird er noch über 2-3 m verfolgt, soweit es die Räumlichkeit zulässt. Wenn der Hund nach wenigen Durchgängen (6.) gelernt hat, sich zügig hinzusetzen, wird gegen den sitzenden Hund diese Vorwärtsbewegung ausgeführt. Dabei gilt auch für hier der Sicherheitshinweis aus 5. 9. Versuchen Sie nun, den Clicker als sekundären Verstärker einzuführen. Der Hund erhält Leckerli Stück für Stück aus der Hand und bei jedem Kontakt Hand-Schnauze wird mit der anderen Hand der Clicker gedrückt. Dies wird ca. 7-8 mal durchgeführt. Wo es problematisch erscheint, die Hand dem Hund hinzuhalten, wird das Leckerli etwas weiter weg auf den Boden geworfen und der Clicker in dem Moment gedrückt, wenn der Hund zu Fressen beginnt. Es gibt Hunde, die von Beginn an unsicher 104 Anhang reagieren hier muss abgewogen werden, ob die weiteren Schritte durchgeführt werden sollten. 10. Nun wird ein Kugelschreiber mit der Spitze in die Hand genommen, die den Clicker hält. Der Kugelschreiber klemmt mit der Spitze zwischen kleinem Finger und Ringfinger, das obere Ende zeigt Richtung Hund vom Handrücken weg. Der Clicker liegt auf dem 2. Gelenk des Zeigefingers und wird mit dem Daumen so fixiert, das der Daumen auch den Clicker drücken kann. Das obere Ende des Kugelschreibens wird dem Hund kurz gegen die Nase gehalten und zeitgleich ertönt der Click sofort danach gibt die andere Hand das Leckerli. Lernziel ist, dass der Hund lernt, selbständig mit der Nase gegen diesen ,,Targetstick" zu stoßen, um Click zu hören und das Leckerli zu erhalten. Dazu wird, wenn nötig, 3-4 mal mit dem Stift aktiv gegen die Nase gestoßen. Dazwischen wird aber abgewartet, ob der Hund nicht schon auf kürzere Distanz selbständig seine Nase gegen den Stift stößt. Falls dieses geschieht, wird die Distanz zwischen Nase und Stift vergrößert. 11. Hunde, die sich so auf den ,,Targetstick" konditionieren lassen, haben eine hohe Stress- und Frustrationstoleranz und ein ausgezeichnetes Lernvermögen. Es gibt Hunde, die nach dem allerersten Encounter mehr oder weniger stark ängstlich reagieren und z.B. aus der Angst heraus auch offensivaggressives Verhalten zeigen Cave! 12. Falls Hunde ängstlich reagieren aber nicht offensiv-aggressiv, sollte die Bedrohung mit dem Stift prolongiert werden. Dem Hund wird der Stift hingehalten und wenn der Hund Rückzugs- bzw. Meideverhalten zeigt, wird er unter Wahrung der Sicherheitskautelen kurz damit verfolgt. Einige Hunde zeigen bei ruhiger Prolongation auch Entspannung und ein dadurch wieder verbessertes Lernen. Die Nummern 10-12 müssen entsprechend vorsichtig gestaltet werden unter konstanter Beobachtung des Hundes und Berücksichtigung seiner Kommunikation. Hinweise für eine vorherige Verabreichung von Sedativa an den Hund wären auch hier deutliche Brüche im Verhalten; z.B. wenn ein Hund bis zu einem bestimmten Punkt trotz leichter Steigerung in Qualität und Quantität der Bedrohung/der Frustration keine Verhaltensanpassung zeigt und dann plötzlich schlagartigen Verhaltensveränderungen zu beobachten sind. 105 Anhang 5. Anhang: Ausdrucksverhalten III. AUSDRUCKSVERHALTEN (modifiziert nach Ziemen, E. (1971), Feddersen-Petersen, D. (1992, 1994), Feddersen-Petersen, D. und Ohl, F. (1995), zusammengestellt von Rottenburg, S. (2000) a) Soziale Annäherung Fellwittern: Die Haare oder Gegenstände, die in den Haaren festgeklebt sind, werden bei einem anderen Tier beschnuppert. Oft wird die Schnauze dabei ins Fell hineingesteckt. Vor allem werden die Rücken-, Hals- und Kopfhaare berochen. Ins-Fell-Stoßen: Das Tier stößt mit der Schnauze kurz in das Fell des Partners hinein. Die Stöße werden besonders gegen die Flanken und gegen Kopf und Hals gerichtet. Vorlaufen: Mit gehobenem Kopf und leicht federnden Schritten, manchmal auch mit leichtem Kopfschleudern, läuft das Tier in einer bestimmten Richtung vor einem oder mehreren Tieren des Rudels weg. Schnauzenkontakt: Die Tiere beriechen sich gegenseitig in der Schnauzengegend. Fellbeißen: Das Tier beißt in das Fell eines anderen Tieres hinein. Fell-Lecken: Das Tier leckt dem Partner besonders am Kopf und am Rücken das Fell. Beknabbern: Das Fell eines Partners wird besonders am Kopf und am Hals mit den Incisivi beknabbert. Analwittern: Ein Tier beriecht, in seltenen Fällen beleckt es die Analgegend eines anderen Tieres. Violwittern: Die Oberseite der Schwanzwurzel wird berochen, evtl. auch mit den Incisivi beknabbert. Folgen: Ein oder mehrere Tiere laufen einem oder mehreren Tieren nach. Sich-Aneinanderreiben: Zwei Tiere reiben ihre Flanken meist in einer Antiparallel-Stellung kurz gegeneinander. Drängeln: Die Tiere laufen eng beieinander her. Es kommt immer wieder zu körperlichem Kontakt zwischen den Tieren. 106 Anhang Freundliches Umeinanderlaufen: Die Tiere laufen mit hochgestellten Beinen und federnden Schritten unter häufigen Sozialkontakten umeinander herum. Die Schwänze werden in einem leichten Bogen nach oben gehalten und wedeln heftig. Die Köpfe sind gehoben. Die Ohren sind nach hinten gelegt. Viele Tiere winseln. Schnauzenlecken: Die Schnauze, und manchmal das ganze Gesicht, eines Partners wird beleckt. Eigene Schnauze lecken: Das Tier leckt aus einiger Entfernung auf den Partner gerichtet die eigene Schnauze. Schnauzenstoßen nach Schenkel (1947): Im Zusammenhang mit dem Schnauzenlecken wird oft bei einer Intensitätssteigerung auch die Schnauze sanft bis kräftig gegen die Lippenpartie des Partners gestoßen. Freundlich-demütiges Umeinanderlaufen: Ein oder mehrere Tiere laufen mit eingeknickten Beinen und heftig wedelnden Schwänzen winselnd und drängend um ein oder mehrere meist ranghohe Tiere und versuchen ihnen das Gesicht zu lecken (entspricht SCHENKELS (1947) Aktiver Unterwerfung). Freundliche Annäherung nach UMLAUF (1993): Ein Tier nähert sich einem anderen, bzw. läuft an einem anderen Tier vorbei, blickt es dabei an und wedelt leicht. b) Passive Demut Auf-den-Rücken-Rollen: Das Tier wirft oder legt sich auf den Rücken. Die Hinterbeine werden leicht gespreizt. Der Schwanz ist meist zwischen den Beinen eingezogen, der Kopf kann gehoben und nach vorne auf den Boden gestreckt werden, so dass die Halspartie freiliegt. Passive Unterwerfung: Neben dem von SCHENKEL (1947) beschriebenen Ausdrucksverhalten der passiven Unterwerfung dürfte auch das Kopfwegdrehen in rangunterlegener Haltung als eine Form der passiven Unterwerfung im Stehen gelten. c) Agonistik Freies aggressives Verhalten: Beißschütteln: Nachdem das Tier sich im Fell des Gegners festgebissen hat, wird der Kopf kräftig hin und her gerissen. 107 Anhang Angriff: Mit leicht gesenktem und weit nach vorn und gerade gehaltenem Kopf läuft der Aggressor mit etwas eingeknickten Beinen auf den Gegner zu und springt ihn an. Ernstkampf: Zwei Tiere versuchen mit großer Intensität, sich gegenseitig möglichst schwere Wunden zuzufügen. Die Bisse werden vor allem gegen Kopf, Schnauze und Hals des Gegners gerichtet. Die Tiere beißen sich im Fell des Gegners fest. Intensives Beißschütteln. Verfolgen: Ein fliehendes Tier wird verfolgt und im Laufen gebissen. Über-den-Rücken-Beißen: Beim Verfolgen versucht der Verfolger das geduckt fliehende Tier quer auf den Rücken zu beißen. Gehemmt aggressives Verhalten: Überfall: Der Überfall unterscheidet sich vom Angriff, indem hier der Kopf und der Schwanz höher gehalten werden, die Beine sind nicht eingeknickt, sondern steif (Imponierhaltung). Der Überfall erfolgt in Galoppsprüngen, oft aus einer Lauerstellung heraus und nach einer Überfalldrohung. Beißerei: Die Tiere richten knurrend und zähnebleckend kurze Bisse gegeneinander. Meist wird nur in die Luft gebissen, seltener kurz und ohne Kraft in Fell des Gegners. Ringkampf: Eine besondere Form der Beißerei. Die Tiere heben eine oder beide Vorderpfoten und stellen diese gegen den Gegner. Gleichzeitig stemmen sie die Hinterbeine nach hinten, so dass sie vorne hochgehen und so für kurze Zeit beide auf den Hinterbeinen stehend die Beißerei fortführen. Quer-Aufreiten: Der Angreifer legt seine Vorderbeine quer vor der Seite oder schräg von hinten auf den Rücken des Gegners, droht oder richtet durch Vorstoßen des Kopfes Bisse gegen dessen Nacken. Runterdrücken: Das Tier legt sich oder stemmt die Vorderbeine auf seinen unter ihm liegenden Gegner und drückt ihn so mit seinem Körpergewicht nach unten. Schieben: Mit gesenkt gehaltenem Kopf schiebt der Hund sich breitseitig gegen seinen Gegner, drückt ihn auf diese Weise evtl. in eine Ecke und sucht jetzt durch plötzliches Zubeißen, besonders an Hals und Brust, oder durch ein schnelles Herumspringen, den Gegner an Flanken oder Anrempeln (nach EISFELD 1966): der Angreifer schleudert durch eine heftige Drehung seinen Hinterkörper gegen den Gegner. 108 Anhang Umstellen des Gegners: Mehrere Tiere bilden einen Kreis oder, wenn der Gegner sich in eine Ecke zurückgezogen hat, einen Halbkreis um den Gegner, der sich durch Abwehrbeißen, -stoßen und -drehen heftig verteidigt. Über die Schnauze beißen: Die Schnauze des Partners wird von unten, von der Seite oder von oben quer ins Maul genommen. Alle Intensitätsstufen des Voll-Zähnebleckens können dabei gezeigt werden. Das Beißen ist fast immer von einem Knurr-Fauchen oder von einem Winseln begleitet. Deutliche Beißhemmung. Anspringen: Das Tier stößt mit hoch erhobenem Kopf mit einem Sprung gegen ein meist sich auf den Rücken werfendes oder auf dem Rücken liegendes Tier und beißt es quer über den Hals oder Nacken oder droht durch querstehen. Vorstoßen: Das Tier stößt mit gesenktem und nach vorn gerichtetem Kopf blitzartig und zielgerichtet mit dem Kopf oder durch einen Sprung mit dem ganzen Körper gegen den Partner. Es beißt mehr oder weniger fest zu. Dann zieht es sich sofort wieder zurück. Vorderbeinstoßen: Das Tier galoppiert in steifen kurzen Sprüngen auf sein Angriffsziel zu. Kurz vor dem Gegner bleibt es stehen, hebt die Vorderpfote hoch und stößt mit diesen gleichzeitig und mit großer Kraft zur Erde. Das Stoßen wiederholt sich schnell hintereinander, dann zieht sich das Tier zurück, und es erfolgt evtl. ein neuer Angriff. Alle Ausdrucksstrukturen sind auf das Angriffsziel gerichtet. Der Kopf wird hoch, der Schwanz in einem Bogen nach oben gehalten. Die Rückenhaare können gesträubt sein. Offensives Drohverhalten: Beißdrohstellung nach SCHENKEL (1947): Das Körpergewicht liegt hauptsächlich auf den Vorderbeinen. Der Kopf ist entweder nach vorne gezogen (Angriffstendenz) oder hochgezogen (Imponiertendenz). Der Rücken ist gerade. Der Schwanz steht waagerecht nach hinten (Angriffstendenz) oder in einem Bogen nach oben (Imponiertendenz). Die Beine sind entweder leicht eingeknickt (Angriffstendenz) oder steif und gerade (Imponiertendenz). Die Rückenhaare können bei starker Angriffstendenz gesträubt sein. Die stärkste Ausdrucksleistung liegt im Gesicht: Vorn-Zähneblecken, der starre, auf den Gegner gerichtete Blick, die gerunzelte Stirn. Der optische Ausdruck kann, muss aber nicht, durch ein tiefes Knurren oder Fauchen ergänzt sein. Über-dem-Gegner-Stehen: Der Hund steht parallel, anti-parallel oder quer über seinem liegendem Gegner. Intensives Zähneblecken und Knurren. 109 Anhang Überfalldrohung nach SCHENKEL (1947): Ohne Zähneblecken, aber den Gegner genau fixierend, knickt das Tier alle Beine leicht bis so stark ein, dass er fast zum Liegen kommt. Der Abstand zum Gegner kann groß sein (bis zu 30 cm). Anschleichen: In der Haltung und in der Mimik der Überfalldrohung nähert sich das Tier seinem Gegner langsam und mit eingeknickten Beinen. Defensives Drohverhalten: Abwehrdrohen nach SCHENKEL (1947): Das Abwehrdrohen kann je nach Intensität und sozialer Situation in seiner Ausdrucksform sehr fein differenziert werden. Die Ausdruckselemente des Abwehrdrohens liegen hauptsächlich im Gesicht und in der Lautgebung, während das Tier ansonsten eine eher undifferenzierte defensive Körperhaltung einnimmt. Vor allem die verschiedenen Formen des Zähnebleckens und des Nasenrückenrunzelns sind charakteristische Ausdruckselemente. Bei der intensitätsschwächsten Form des Abwehrdrohens ist nur der Nasenrücken gerunzelt. Mit zunehmender Bedrohung und Abwehrbereitschaft werden die Mundwinkel nach hinten gezogen und die Zähne gebleckt. Stark sozialund/oder umweltunsichere Tiere zeigen als die intensivste Form von Abwehrdrohen das Maulaufreißen. Bei sozial- und umweltsicheren Tieren dagegen beobachtet man bei zunehmender Abwehrbereitschaft ein immer ausgeprägtes Vorn-Zähneblecken, die Ohren stehen nach vorne gerichtet, die Rückenhaare sind gesträubt. Die intensitätsschwächeren Formen des reinen Abwehrdrohens sind lautlos. Die intensiveren Formen von Abwehrdrohen werden durch eine Lautgebung untermalt: Beim sehr selten zu beobachtenden Maulaufreißen kann man ein leises Fauchen bis zu einem Schrei-Fauchen hören. Selbstsichere Tiere, die abwehrbereit ein Vorn-Zähneblecken zeigen, können Knurren oder Knurr-Fauchen zeigen. Abwehrschnappen: Das angegriffene Tier richtet alle schnellen Bisse in die Luft gegen seinen Gegner. Die defensive Körperhaltung und Drohmimik werden beibehalten. Noch besteht eine deutliche Beißhemmung. Gebissklappern nach EISFELD (1966): Wie beim Abwehrschnappen werden mehrmals schnelle Beißbewegungen gegen den Gegner gerichtet. Dabei schlagen die Zähne jedesmal mit einem lauten Geräusch zusammen. Abwehrbeißen: Das Tier richtet in defensiver Haltung durch kurze Vorstöße Bisse besonders gegen den seitlichen und oberen Teil des Nackens und oft auch gegen das Ohr des Gegners. Abwehrstoßen: Im Zusammenhang mit dem Abwehrschnappen und -beißen kann das angegriffene Tier schnell auf einen der Angreifer zuspringen, um sich sofort wieder zurückzuziehen. 110 Anhang Abwehrkreisel: Wenn das Tier von seinen Gegnern umstellt ist und diese durch schnelle Vorstöße, besonders gegen den hinteren Teil seines Körpers, kräftige Bisse richten, dreht es sich immer wieder im Kreis, um abwehrende Bisse gegen die hinter ihn stehenden Tiere zu richten. Abwehr auf dem Rücken nach EISFELD (1966). Ein oder mehrere Tiere stehen über einem auf dem Rücken liegenden Tier. Sie beißen es in Hals, Brust und Genitalbereich. Das liegende Tier verteidigt sich durch Pfotenstemmen, Strampeln, Drohen und gelegentliche Schnappbewegungen. Vorne-Niedergehen: Der Vorderkörper wird nach unten gedrückt. Die Vorderbeine sind nach vorne gestreckt. Der Kopf ist gehoben. Das Tier blickt seinen Gegner an. Hinterteil-Zukehren nach EISFELD (1966): Das Tier dreht seinen Hinterkörper immer in Richtung gegen den (die) Angreifer. Abwehr mit gekrümmtem Hals: Das Tier dreht den Hinterkörper gegen den Gegner. Der Rücken ist nach oben gekrümmt. Gleichzeitig wird der gesenkte Hals zur Seite gedreht, so dass er völlig ungedeckt ist. Fluchtverhalten: Flucht: Das Tier rennt, wenn möglich solange es gejagt wird, vor seinem/n Angreifer/n weg. Verstecken nach UMLAUF (1993): Anstatt des Weglaufens wird eine im Zwinger vorhandene Hütte aufgesucht, um sich dort flach auf den Boden zu legen. Abstandhalten: Ein Tier hält zu einem oder mehreren oder allen Tieren der Gruppe einen Abstand, der größer ist als der normale Individualabstand. Dazu zählt nach UMLAUF (1993) z. B. auch das Freimachen von Liegeplätzen. d) Imponierverhalten: Demonstrieren: Zwei Tiere stehen sich entweder frontal gegenüber oder sie stehen parallel oder antiparallel nebeneinander, oder ein Tier steht quer vor seinem Gegener, oder sie gehen oder sie laufen eng umeinander. Dies geschieht in typischer Imponierhaltung. 111 Anhang Imponierschieben: Ein rangüberlegenes Tier stellt sich in Imponierhaltung quer oder parallel zu seinem Gegner auf und schiebt dann mit der Breitseite in Richtung auf den Gegner, meist ohne, oder nur leicht, mit ihm in Berührung kommend. Abdrängeln: Ein Tier hindert ein anderes Tier am Weiterlaufen entweder durch eine Drohung, oder es stellt sich in den Weg oder es läuft neben oder hinter dem Gegner in Imponierhaltung. Imponierscharren: Das Tier scharrt mit einer Vorderpfote oder alternierend oder es spritzschaufelt mit allen vier Pfoten lose Erde nach hinten. Dabei sind die Ausdrucksstrukturen auf den Gegner gerichtet (aggressives Scharren). Zusätzlich Imponierhaltung. Halsdarbieten: Das ranghöhere Tier steht parallel zu seinem Gegner. Der Kopf des unterlegenen Tieres befindet sich auf der Höhe der Hals-Schulterpartie des überlegenden Tieres. Dieser kann seinen Kopf leicht gehoben (Imponiertendenz) bis tief gesenkt halten, wobei er in beibehaltener Imponierhaltung (Schwanz hoch, Ohren nach vorne, Beine gerade) jetzt den Hals streckt und den Kopf leicht zur Seite dreht. Imponierjagen: Das Tier verfolgt seinen fliehenden Gegner ganz dicht im schnellen Galopp. Dabei werden die Galopp-Phasen der beiden Tiere oft nahezu synchron gesprungen, so dass es den Eindruck erweckt, es komme nicht auf das Einholen des Gegners an. Imponiertragen: Mit einem Futterstück, manchmal auch mit einem Ersatzobjekt (Holzstück) im Maul läuft das Tier steifbeinig in Imponierhaltung mit gehobenem Kopf und mit nach oben gebogenem Schwanz vor seinem Partner, schiebt sich evtl. gegen ihn und dreht immer den Kopf weg, wenn der Partner nach dem Futterstück greift. e) Spielverhalten Spielbewegungen Hoppsen: Das Tier springt 1 - 5 mal hintereinander steifbeinig und fast senkrecht hoch. Dabei verlassen alle vier Beine nahezu gleichzeitig den Boden. Vorne-Hochschleudern: Im Lauf wirft das Tier Vorderkörper und Kopf hoch, so dass es ein paar Schritte nur auf den Hinterbeinen läuft. Vorne-Hochspringen: Aus dem Stehen springt der Hund mit den Vorderbeinen hoch. 112 Anhang Im-Kreis-Springen: Das Tier springt immer wieder auf der Stelle hoch. Im Sprung dreht sich der Vorderkörper nach hinten, wobei sich der Hinterkörper in einer schleudernden Bewegung mitdreht. Manchmal versucht es, sich in den eigenen Schwanz zu beißen. Kopfschleudern nach TEMBROCK (1958): Der Kopf wird mit großer Amplitude locker hin und her geworfen oder plötzlich ruckartig zur Seite geworfen. Kopf-Hochwerfen nach TEMBROCK (1958): Der Kopf wird im Laufen in einem Bogen hoch und nach hinten geworfen. Spiel-Vorderbeinstoßen: Die spielerische Form unterscheidet sich vor allem vom zweckgebundenen Vorderbeinstoßen durch das Spielgesicht, dem nach hinten geworfenen Kopf und durch das häufige Kopfschleudern. Plötzliches Losrennen: Mit schräg nach oben gehobenem Kopf rennt das Tier plötzlich los. Initialspiele Spiel-Vorne-Niedergehen: Diese Spielaufforderung unterscheidet sich vom Vorne-Niedergehen des gejagten Tieres durch die weit auseinandergespreizten Vorderbeine, das meist tiefere Niedergehen des Vorderkörpers, den etwas stärker gehobenen Kopf und den nicht ganz eingekniffenen Schwanz. Die Vorderbeine machen kurze, hoppsende Bewegungen, gleichzeitig wird der Kopf ruckartig von einer Seite zur anderen geworfen. Aufforderungslaufen nach TEMBROCK (1958): Aus dem Vorne-Niedergehen vor dem Partner kann sich der Aufforderungslauf entwickeln. Das Tier geht vorne herunter, springt mit den Vorderbeinen hoch, dreht sich etwas, geht vorne nieder, usw. Spielerische Annäherung: Beim Laufen im langsamen Trab verlagert das Tier durch pendelnde Bewegungen das Körpergewicht abwechselnd auf eines der beiden Vorderbeine. Das freie Bein wird dabei schräg zur Seite und etwas steif hochgehoben. Kopfpendeln und schräger Blick auf den Partner. Spielerischer Überfall: Ein Partner wird zum Teil aus großer Entfernung überfallen. Spielerisches Hinwerfen nach TEMBROCK (1958): Das Tier rollt sich vor dem Partner schräg nach vorne über, so dass es auf den Rücken oder in eine Seitenlage zu liegen kommt, den Kopf gegen den Partner gerichtet. Der Unterkiefer kann sowohl nach oben als auch durch eine Halsdrehung nach unten zeigen. 113 Anhang Spielerisches Über-denRücken-Beißen: Das Tier läuft plötzlich auf den Partner zu und beißt ihn quer über den Rücken. Spielerisches Vorstoßen: Plötzlich und für den Partner unerwartet beißt oder stößt ein Tier die Schnauze in die Flanken oder in den Bauch des Partners. Dann springt er sofort wieder zurück oder rennt weg. Spielscharren oder Schaufeln nach TEMBROCK (1958): Kurze unvollständige und zwecklose Scharr- oder Schaufelbewegungen. Kontaktspiele Spielbeißen: Charakteristisch für diese Spielbisse ist, dass das Maul weit aufgerissen ist, dass sie ohne Drohmimik ausgeführt werden, meist lautlos sind und eine starke Beißhemmung aufweisen. Heben des Kopfes nach TEMBROCK (1958): Plötzlich heben die Partner in der Frontalstellung ruckartig den Kopf, das Maul wird aufgerissen Heben der Vorderpfote nach TEMBROCK (1958): Das eine Tier versucht, seinen Spielpartner in die Brust oder in den Hals zu beißen. Dieser wehrt ab durch eine Abdrehung des Kopfes. Gleichzeitig hebt er eine Vorderpfote und versucht, diese seinem Gegner über die Schulter zu legen. Dadurch kann er ihn wegschieben. Unten-herum-Beißen nach TEMBROCK (1958): Der Hund läuft auf den Partner zu und versucht, ihn aus einer Parallelstellung oder Frontalstellung unten herum in die Brust zu beißen. Hochspringen: Der Partner springt, wenn er an der Brust oder auch an anderen Stellen des Vorderkörpers gebissen wird, mit dem Vorderkörper hoch und dreht sich aus dem Biss heraus. Umklammern: Beim Hochspringen wird versucht, die Vorderbeine um den Hals oder auf die Schultern des Partners zu legen. Spielerisches Niederdrücken nach TEMBROCK (1958): Durch Umklammern oder Heben der Vorderpfoten oder durch einen Nackenbiss versucht das Tier, seinen Partner nach unten zu drücken. 114 Anhang Aufreiten: Das Tier springt mit den Vorderbeinen quer oder schräg von hinten auf den Rücken des Partners, Kopfschleudern. Abwehr auf dem Rücken: Das Tier liegt auf dem Rücken. Ein oder mehrere Partner beißen es in die Brust, den Hals oder in die Genitalgegend. Das Tier reagiert mit Stemmschieben (nach TEMBROCK 1958), Stemmbeißen oder Treteln. Spielerisches Schieben: Wie aggressives Schieben nur mit Spielgesicht, Spielbewegungen und Beißhemmung. Spielerisches Hinterteilzudrehen: Das Tier verteidigt ein Spielobjekt dadurch, daß es seinem Spielpartner das Hinterteil zudreht. "King of the castle" nach DARLING (1937): Ein Tier springt hoch auf einen der erhöhten Gegenstände und verteidigt durch spielerische Schnappbewegungen, Kopfstoßen, spielerisches Schieben und Beißen seinen Platz. Rennspiele Hoppelgalopp: Viele Rennspielformen zeichnen sich durch ihren Bewegungsluxus aus. Die Hinterbeine stoßen den Körper nicht nur schräg nach vorne, sondern vor allem auch nach schräg oben. Die Vorderbeine werden nicht nur weich und fließend, sondern hart und steif auf den Untergrund aufgesetzt. Zwischendurch werden "unnötige" Sprünge und Spielbewegungen ausgeführt. Folgelauf nach Tembrock (1958): Der fliehende Partner wird verfolgt. Je höher die Geschwindigkeit des gejagten Tieres ist, desto regulärer ist der Galopp der jagenden Tiere. Spielerisches Rückenbeißen: Der Verfolger versucht, das wegrennende Tier einzuholen und ihm quer über den Rücken zu beißen. Zick-Zack-Galopp: Das fliehende, meist hoppelgaloppierende Tier ändert sich plötzlich die Richtung um etwa 25°. Je näher die Verfolger sind, desto häufiger wird die Richtung gewechselt. Rennen: Das Tier rennt mit größter Geschwindigkeit durch das Rudel und in die Nähe des Rudels. Andere Tiere rennen nach, doch ist die Geschwindigkeit und Beweglichkeit des ersten Tieres so groß, daß sie nicht mitkommen, Abkürzungen machen und dann in großen Sprüngen von dem rennenden Tier übersprungen werden können. 115 Anhang Überspringen nach TEMBROCK (1958): Während des Rennens werden auch ganz kleine Hindernisse sowie Partner oder eine ganze Gruppe von Tieren unnötig übersprungen. Prallsprung nach TEMBROCK (1958): Das Tier springt an einer Wand, einem Baum o. ä. hoch, dreht sich am höchsten Punkt und stößt sich mit den Hinterbeinen wieder schräg nach unten ab. Pudeltypische Spielsignale Trampeln nach FEDDERSEN-PETERSEN (1992): Mit den Vorderbeinen. Bellen nach FEDDERSENPETERSEN (1992): Relativ stereotyp bellen sich die Tiere gegenseitig an, zeigen dabei immer wieder Spielbewegungen. f) Sexualverhalten Präsentieren nach FEDDERSEN-PETERSEN (1994): Fähe legt den Schwanz zur Seite und bleibt stehen, duldet Anogenitalkontrolle und Lecken des Rüden. Herandrängen nach FEDDERSEN-PETERSEN (1994): Fähe legt den Schwanz zur Seite, duldet Anogenitalkontrolle bzw. fordert sie heraus durch Herandrängen ihres Hinterteils an den Rüden. Paarungsaufforderung nach FEDDERSENPETERSEN (1994): Aufreitversuche, Hinterteil der Fähe wird an den Körper des Rüden gepresst. Bewegungen können dabei luxurierend sein, Spielcharakter haben. Kopulation: Aufreiten , Heranziehen , Friktionsbewegungen , Abrollen , Hängen Folgelaufen: Der Rüde läuft in einem Abstand von 0,5 3 m hinter dem Weibchen her. Alle Ausdrucksstrukturen sind auf die Genitalregion des Weibchens gerichtet. Knabbern: Der Rüde schlägt in schneller Form die Incisivi aufeinander beim Beriechen von Urin oder dem Genitalbereich eines läufigen Weibchens. 116 Anhang 6. Anhang: Datenquellen für Abbildungen Tabelle 1: Anzahl der Hunde je Alter und Geschlecht Alter weiblich weiblich männlich männlich gesamt kastriert kastriert 15 Monate bis 2 Jahre 7 1 5 1 14 2 bis 3 Jahre 6 0 2 0 08 3 bis 4 Jahre 8 1 2 0 11 4 bis 5 Jahre 3 1 5 1 10 5 bis 6 Jahre 2 1 2 1 06 6 bis 7 Jahre 2 1 1 0 04 7 bis 8 Jahre 8 0 0 0 08 8 bis 9 Jahre 5 0 1 0 06 9 bis 10 Jahre 1 0 0 0 01 10 bis 11 Jahre 1 1 0 0 02 43 06 18 03 70 Summe Tabelle ist Datenquelle für: Abbildung IV.1: Altersverteilung der getesteten Golden Retriever (n=70) 117 Anhang Tabelle 2: Höchste gezeigte Skalierung und bestandener DRC-Wesenstest Höchste Skalierung Anzahl der Hunde Davon bestand. DRCTest Skalierung 1 41 20 Skalierung 2 28 13 Skalierung 3 0 0 Skalierung 4 0 0 Skalierung 5 1 0 Skalierung 6 0 0 Skalierung 7 0 0 70 33 Summe Tabelle ist Datenquelle für: Abbildung IV.2: Verteilung der höchsten Skalierungen bei den getesteten Golden Retrievern (n=70) Abbildung IV.5: Verteilung der höchsten Skalierungen bei den 70 getesteten Golden Retrievern und den 415 als gefährlich eingestuften Hunden (MITTMANN 2002) Abbildung IV.6: Verteilung der höchsten Skalierungen, die von den Golden Retrievern mit und ohne bestandenem DRC-Wesenstest (WT) erreicht wurden 118 Anhang Tabelle 3: Alle Skalierungen 1-7, die je Situation von allen 70 Hunden gezeigt wurden Testsituationen Skalierungen 1 2 3 Spiel Halter 70 0 0 Spiel Besitzer 70 0 0 Geschäft 70 0 0 Rang anmaßende Gesten 70 0 0 Anstarren 58 12 0 Mantel 68 2 0 Freundliche Ansprache 70 0 0 Stolpern 67 3 0 Jogger 70 0 0 Blindenstock 70 0 0 Betrunkener 62 7 0 Streifen 70 0 0 Gruppe 70 0 0 Fahrstuhl 70 0 0 Rücken streicheln 70 0 0 Weinen 68 2 0 Abruptes Aufstehen 69 1 0 Klatschen/Schreien 64 6 0 Anschreien 69 1 0 Ansprache nach Anschreien 70 0 0 Lärmendes Gerät 70 0 0 Luftballons 70 0 0 Regenschirm 65 5 0 Blechdosen 70 0 0 Ball 70 0 0 Auto 70 0 0 Kinderwagen 70 0 0 Fahrrad 67 3 0 Lappen 70 0 0 Bedrohung ohne Hilfsmittel 63 7 0 Bedrohung mit Hilfsmittel 68 2 0 Feuerzeug 70 0 0 Besenstiel 69 1 0 Schrubber 70 0 0 Bedrohungssituationen sind kursiv gedruckt. 4 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 6 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 7 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Tabelle ist Datenquelle für: Abbildung IV.3: Skalierungen 1-6, die je Situation von den getesteten Golden Retrievern (n=70) gezeigt wurden Abbildung IV.4: Prozentualer Anteil des Drohverhaltens (Skalierung 2-4) der getesteten Golden Retriever pro durchgeführter Testsituation Danksagung Da es ein Herzenswunsch war Doktorandin am Institut für Tierschutz und Verhalten zu sein, danke ich besonders Herrn Prof. Dr. Hackbarth für das Überlassen des Themas und für seine schnellen Hilfestellungen. Frau Dr. E. Schalke gilt mein Dank für ihre Inspirationen und ihre fachliche Unterstützung. Herrn Dr. Rohn vom Institut für Biometrie, Epidemiologie und Informationsverarbeitung der Tierärztlichen Hochschule Hannover möchte ich für seine fachliche Unterstützung danken. Meinen Eltern danke ich, dass sie so sind, wie sie sind. Ohne ihre Worte und Taten hätte es diese Arbeit nie gegeben. Diana danke ich, dass sie nun schon so lange ein Teil meines Lebens ist. Meinem Kind danke ich dafür, dass es mir Leichtigkeit, Ruhe und Kraft gegeben hat. Yvonne danke ich für ihre Musik, die mir sehr beim Schreiben dieser Arbeit geholfen hat. Claudia, Jennifer und Helge gilt mein Dank für ihre schnelle Hilfe. Angela danke ich für die richtigen Worte im richtigen Moment, ohne die es diese Arbeit vielleicht nicht zu diesem Zeitpunkt gegeben hätte.