Grenzschichten Prandtl hat erstmals Anfang dieses Jahrhunderts das Vorhandensein von „Grenzschichten“ an umströmten und durchströmten Körpern theoretisch und experimentell festgestellt. Hiermit konnten bislang viele offene Fragen der Strömungsmechanik gelöst sowie wichtige technische Anwendungen und Verbesserungen (z.B. Grenzschichtabsaugungen an Tragflächen zur Auftriebsverbesserung ) geschaffen werden. So ist auch erst die deutliche Widerstandsreduzierung an Profilen (Kugeln, Zylinder, Tragflächen, etc.) mittels „Stolperdrähten“ durch entsprechende positive Grenzschichtenveränderungen hervorgegangen. Mit „Potentialströmungen“, d.h. der angenommenen drehungs- und reibungsfreien Strömung kann z.B. sehr gut die „Querkraftentstehung“ (Auftrieb) an umströmten Tragflügeln erklärt werden. Die tatsächlich auch vorhandenen „Widerstandskräfte“ lassen sich dagegen mit den reibungsfreien Potentialströmungen nicht belegen (d’Alembertsches Paradoxon). Aus Messungen weiß man, dass außerhalb der näheren Körperumgebung die tatsächliche Strömung der Potentialströmung sehr nahe kommt. Nur in unmittelbarer Nähe und nach dem Körper sind Abweichungen feststellbar. Somit sind zur Ermittlung der Querkräfte die Gegebenheiten der Potentialströmung um den Körper zu verwenden, zur Bestimmung der Widerstandskräfte sind die veränderten Verhältnisse in unmittelbarer Körpernähe bedeutsam. Von technischen Fluiden weiß man, dass sie neben Druckspannungen (Drücken) auch Schubspannungen übertragen. Diese Schubspannungen (Newtonsche Flüssigkeiten) hängen vom Geschwindigkeitsgradient dc x und der Fluidzähigkeit ab. Wenn auch die dz Schubspannungen i. a. gegenüber den Druckspannungen sehr klein und oft unbedeutend sind, so kann erst mit ihrer Hilfe (also reibungsbehaftete Strömung!) die Entwicklung der Widerstandskräfte in den wandnahen, reibungsbehafteten Schichten (Grenzschichten) des Körpers begründet werden. Es lassen sich also zwei Bereiche an umströmten Körpern bei tatsächlichen, reibungsbehafteten Strömungen nennen: 1. Außenströmungen; d.h. hier liegt eine (quasi) „Potentialströmung“ vor, es sind hier keine Schubspannungen wirksam dc x 0 dz 2. Grenzschichtbereich und evtl. Verwirbelungsgebiet (bei abgelöster Grenzschicht). Aufgrund der Haftbedingung tatsächlicher Fluide steigt innerhalb der Grenzschicht die Geschwindigkeit vom Wert Null an der Wand auf den Wert der Außenströmung an: c bei längs angeströmten Platten c a x bei längs angeströmten Profilen Aus Messungen und Theorie weiß man, dass diese Grenzschichten sehr dünn sind, d.h. die Grenzschichtdicke und somit der Geschwindigkeitsgradient dcx/dz >>. Die gebräuchlichste Definition der Grenzschichtdicke ist so festgelegt, dass aufgrund des fließenden Übergangs von Grenzschicht zur Außenströmung bei = 99 % der Geschwindigkeit c bzw. c a erreicht sein müssen; also liegt bei c = 0,99 * c vor. Abb. 1 Grenzschichtentwicklung an einer ebener Platte und einem keilförmigen Profil Abb. 2 Geschwindigkeitsverteilungen in der laminaren und turbulenten Grenzschicht Weitere Definitionen: Verdrängungsdicke 1 , Impulsverlustdicke 2 . Geschwindigkeitsverteilungen in der Plattengrenzschicht: Laminare Strömung in der Grenzschicht Lineare Verteilung: c( z ) z ; c Parabelförmige Verteilung: c(z) z 1 ; c 0 z 2 0 z Turbulente Strömung in der Grenzschicht Potenzgesetz: c( z ) z ( )m ; c z.B. m = Logarithmisches Gesetz: 0 z 1 1/7 – Gesetz der Geschwindigkeitsverteilung 7 nach Blasius c(z) 5,85 ln v z v 5,56 W Schubspannungsgeschwindigkeit Feststellungen zu Grenzschichtströmungen v 1. Wie bei der Rohrströmung können sich laminare und turbulente Grenzschichten ausbilden. Im Fall der turbulenten Grenzschicht ist immer eine sehr dünne, laminare (viskose) Unterschicht (viscous sublayer) an der Wand vorhanden, auf der sich dann die turbulente Grenzschicht aufbaut. 2. Die turbulente Grenzschicht ist vergleichsweise immer dicker als die laminare Grenzschicht. 3. Der Geschwindigkeitsgradient der turbulenten Grenzschicht ist wie bei der Rohrströmung steiler als derjenige der laminaren Grenzschicht: (dcx/dz)t > (dcx/dz)l Demzufolge wird wegen = ( + At) * (dcx/dz) die Schubspannung und somit auch der Widerstand ( Verluste) aufgrund des größeren Geschwindigkeitsgradienten (dcx/dz) und der zusätzlichen Impulsaustauschgröße At immer größere Werte annehmen als im laminaren Fall. 4. Eine laminare Grenzschicht kann ab einer bestimmten Strecke xKr. (Lauflänge) in die turbulente Grenzschicht übergehen (umschlagen : Umschlagspunkt U). Bei scharfkantigen Profilnasen liegt der Umschlagpunkt weiter stromabwärts. Bei stumpfen, rechteckigen Profilen ist die Grenzschicht meist von vornherein turbulent. Als Maß zur Ermittlung von xKr. benutzt man die Reynoldszahl ReKr wie folgt Re Kr. c x Kr. 3 10 5 5 10 5 ( 3 10 6 ) x Kr. 3 10 5 5 10 5 Laminare Grenzschicht: Re Turbulente Grenzschicht: c x 35 10 5 c Re c x 35 105 5. An einer bestimmten Stelle x des Profils wird mit zunehmender Geschwindigkeit c die Grenzschichtdicke kleiner (bei gleichem Fluid). 6. Über dem Weg x wird (bei gleichem c und gleichem Fluid ) die Grenzschichtdicke anwachsen. 7. Die Ausbildung und Form der Grenzschicht (lam., turb., Umschlagpunkt, Ablösungspunkt) hängt in starkem Maß von der Druckverteilung in der Außenströmung und somit auch in der Grenzschicht ab. Bei längs angeströmten Platten ist der Druck p(x) = p konstant. Grenzschichten an längs angeströmten Platten sowie mäßig gewölbten, ablösungsfrei umströmten Oberflächen. Ohne auf die Herleitungen wegen des Aufwandes eingehen zu können, seien hier einige Gleichungen über Grenzschichtgrößen der längs angeströmten ebenen Platte sowie der mäßig gewölbten, ablösungsfrei umströmten Oberflächen genannt: 1. Umschlag von der laminaren zur turbulenten Grenzschicht: Re Kr. Hieraus folgt: c x Kr. 3 10 5 5 10 5 x Kr. 3 10 5 5 10 5 (s.o.) c 2. Laminare Grenzschichtdicke, wenn Re erfüllt ist: c x L Re Kr. 3 10 5 5 10 5 L 5 xL c x L. 3. Turbulente Grenzschichtdicke, wenn 1 2 x 0L,5 Re erfüllt ist: c x T Re Kr. 3 10 5 5 10 5 T 0,37 xT c x T. 1 5 x 0T,8 : glatte Wände Die Grenzschichtdicke wächst demnach im turbulenten Fall nahezu linear mit x 0T, 8 , dagegen im laminaren Fall mit x 0L, 5 an, wenn c und konstant bleiben. Beispiel: Gegeben: Grenzschichtdickenberechnung an einer ebener Platte c 20 m / s ; Fluid: 20C Gesucht: 1. L bei x L x Kr 2. T bei x T 300mm x Kr aus Re Kr x Kr * c 3 5 *10 5 400000 x Kr 400000 * 1 400000 *15 *10 6 * c 20 x L x Kr 0,3m 300mm 2 Luft mit 15 *10 6 m s bei 1. L L 5* xL xL 5* Re L c * x L 5* 0,3 20 * 0,3 15 *10 6 L 2,37 mm 2. T T 0,37 * xT xT 0,3 0,37 * 0,37 * 0, 2 0, 2 0, 2 Re T c * x T 20 * 0,3 6 15 *10 T 8,4mm Plattenreibungsbeiwert cF(x) und Widerstandsbeiwert cW Mit Hilfe des Impulssatzes, der Wandschubspannung W(x) an der Plattenoberfläche, dem Schubspannungsansatz für „Newtonsche Fluide“ = * (cx(x,z)/ z), der Strömungsart in der Grenzschicht (laminar, turbulent), der Geschwindigkeitsverteilung innerhalb der Grenzschicht cx (x,z) und der Grenzschichtdicke L bzw. T lassen sich der Plattenreibungsbeiwert cF(x) und der Widerstandsbeiwert cW einer längs angeströmten Platte wie folgt herleiten. Der Plattenreibungsbeiwert muss als örtlicher und damit von x abhängiger Wert verstanden werden, da aufgrund der Definition c F x W x c 2 2 die vom Weg x abhängige Schubspannung W x L 0,664 c 2 2 c xL dies so vorgibt (hier bei laminarer Grenzschicht an der Stelle xL). Bei der Bestimmung der Widerstandskraft FW an der Oberfläche einer Plattenseite wird die Schubspannung W(x) über der Plattenlänge von x = 0 bis x = l integriert. Hieraus definiert man den Widerstandsbeiwert cW FW A c 2 2 mit A b l . Im Einzelnen lauten die Plattenreibungsbeiwerte cF(x) und Widerstandsbeiwerte cW wie folgt: 1. Laminare Grenzschicht Plattenreibungsbeiwert: c F x L 0,664 Re L x L 0,664 c xL xL = beliebige Lauflänge in der lam. Grenzschicht Widerstandsbeiwert: cW 1, 328 Re l 1, 328 c l l = Plattenlänge mit nur lam. Grenzschicht wobei Re l = c l 3 10 5 5 10 5 . 2. Turbulente Grenzschicht, glatte Oberfläche Voraussetzungen: Von Beginn an turbulent; glatte Oberfläche Grundlage: 1/7 - tel Gesetz der turbulenten Geschwindigkeitsverteilung. Plattenreibungsbeiwert: c F x T 0,058 Re T 1 5 0,058 1 c xT 5 xT = beliebige Lauflänge in der turb. Grenzschicht Widerstandbeiwert: cW 0,072 Re l 1 5 0,072 1 c l 5 Da dem o.g. cW-Wert das „Blasiussche 1/7-tel Gesetz“ der turbulenten Geschwindigkeitsverteilung zugrunde liegt, das aber nur in einem relativ engen Re-Bereich gültig ist, hat Schlichting ein allgemeingültigeres Gesetz zur Ermittlung von cW bei turbulenter Grenzschicht entwickelt. Widerstandsbeiwert: cW 0,455 log Re 2 , 58 l 0,455 c l log 2 , 58 l = Plattenlänge mit nur turb. Grenzschicht wobei: Re l = c l 3 10 5 5 10 5 . 3. Turbulente Grenzschicht, vollkommen raue Oberfläche Voraussetzungen: Von Beginn an turbulent; vollkommen raue Oberfläche. cW Widerstandsbeiwert: k 1,89 1,62 log s l 2 , 5 für k 10 6 s 10 2 l 4. Turbulente Grenzschicht mit laminarer Anlaufstrecke Nach Prandtl: c W c Wvollturbulent A Re l wobei ReKr. 3 * 105 5 * 105 1 * 106 3 * 106 A 1050 1700 3300 8700 Die Gesetzmäßigkeiten der Plattenwiderstandsbeiwerte in Abhängigkeit von der Re-Zahl und der bezogenen Rauhigkeit k/l sind in Abb. 3 zu erkennen. Abb. 3 Widerstandsbeiwert längs angeströmter Platten