technik Copyright Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages Bilder: Archplan bautafel Die Wohnsiedlung Osthuesheide in Münster besteht aus mehreren Wohnblocks mit jeweils zwei und vier Geschossen. Die Fassadensanierung konnte durchgeführt werden, ohne die Wohnungen räumen zu müssen. Objekt Wohnanlage Osthuesheide, Münster Planung und Bauleitung Planungsbüro Archplan GmbH, Münster www.archplan.de Holzbau und Ausführungsplanung Zimmerei Sievecke GmbH, Lohne www.sieveke.de Brüggemann Holzbau GmbH & Co. KG, Neuenkirchen www.brueggemann-holzbau.de Kreative Instandsetzung mit TES-Fassade Fassadensanierung ❙ Die Wohnsiedlung Osthuesheide in Münster ist ein typischer Wohnungsbau aus den 1960er Jahren. Bei der Sanierung der Fassaden entwickelten die Planer vorgefertigte Holzbauelemente, mit denen die Außenfassade schnell und ohne Räumung der Wohnungen energetisch ertüchtigt werden konnte. Die bestehende asbesthaltige Außenfassade wurde dabei, ohne sie zu bearbeiten, dauerhaft in die neue Gesamtkonstruktion eingebunden. 20 Bernd Leuters und Wolfgang Schäfer bauen mit holz · 7-8.2013 Copyright Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages D ie Wohnsiedlung Osthuesheide wurde Anfang der 60er Jahre errichtet und besteht aus mehreren zwei- und viergeschossigen Gebäuden. Zwischen Mauerwerkschotten aus Betonhohlblocksteinen mit dazwischen liegenden vorgefertigten Stahlbetondecken befinden sich 126 Wohneinheiten. Die Fassadengefache zwischen den vertikalen Schotten und den Stahlbetondecken sind im Bestand mit beidseitig beplankten Asbestzementplatten-Styropor-Holzlatten-Verbundkonstruktionen, d = 6 cm, geschlossen – eine statisch wenig tragfähige und empfindliche Konstruktion. Im Urzustand war die Verbundkonstruktion um einige Zentimeter von der Deckenaußenkante zurückversetzt. Die Versätze hatte man damals mit einem Tropfblech vor Feuchteeintrag geschützt. Später wurde dann zusätzlich ein Wärmedämmverbundsystem auf EPS-Basis in die Gefache geklebt und hier und da ein neues Fenster eingebaut. Dennoch: Mit moderner Bauqualität hatte diese Konstruktion wenig gemein. Ebenso hatten die Maßnahmen weder die unzureichende Schlagregensicherheit noch die Winddichtigkeit vebessert. Hinzu kamen Wärmeverluste aufgrund der Wärmebrückenwirkung der außen bündig abschließenden ungedämmten Betondecken. Des Weiteren war es über die Jahre aufgrund der unzureichenden Betonüberdeckungen an zahlreichen Stellen zu Betonabplatzungen und Bewehrungskorrosion gekommen. Eine Betonsanierung hatte EnEV 2009 – § 9 140-Prozent-Regel Gemäß der Energieeinsparverordnung 2009 sind Änderungen an Außenbauteilen von beheizten Räumen in Wohngebäuden so auszuführen, dass die in Anlage 3 der EnEV 2009 festgelegten Wärmedurchgangskoeffizienten nicht überschritten werden. Dies gilt als erfüllt, wenn geänderte Gebäude den Primärenergiebedarf des entsprechenden Referenzgebäudes und den festgelegten Höchstwert des spezifischen, auf die wärmeübertragende Umfassungsfläche bezogenen Transmissionswärmeverlusts um nicht mehr als 40 Prozent überschreiten. 7-8.2013 · www.bauenmitholz.de Dass die Wohnanlage sanierungsbedürftig war, stand außer Frage. Wichtig war es, eine tragbare Lösung für alle Beteiligten zu finden. man über Jahrzehnte nicht angegangen und die nichttragenden Fassadengefache waren nach fünf Jahrzehnten in einem denkbar schlechten Zustand. Im Mittel lag der Energiebedarf der Wohngebäude bei 210 KWh/(m²a). Aus rein bautechnischer Sicht wären der Ausbau und Ersatz der Leichtbaukonstruktionen als Instandsetzungsmaßnahme die beste Wahl gewesen. Der Austausch der Fassadenelemente hätte jedoch eine kostenintensive Asbestsanierung mit all den dazu gehörenden Sicherungsmaßnahmen ausgelöst. Den Bewohnern hätte außerdem für den Zeitraum der Sanierung eine Ersatzwohnung angeboten werden müssen. Und schließlich handelt es sich bei der Wohnsiedlung um Gemeinschaftseigentum. Stark differierende Interessen der einzelnen Eigentümer ließen lediglich eine Instandsetzung des Gebäudes zu. Daher konnte für das Energiekonzept nur die Energieeinsparverordnung, EnEV 2009, Altbau (140-Prozent-Regel, s. Kasten) zugrunde gelegt werden. Außerdem musste die Gebäudeansicht nach der Sanierung möglichst genau dem vorherigen Zustand entsprechen, denn ein Bauantragsverfahren sollte vermieden werden. Es galt daher, baurechtlich lediglich eine reine Fassadeninstandsetzung umzusetzen. Variantenvergleich ergibt Holzbaulösung Mit diesen Eingangsparametern machten sich die Architekten, Tragwerksplaner und Bauphysiker des Planungsbüros Archplan aus Münster an die Sanierungsplanung. Sie verglichen verschiedene Varianten unter den Aspekten Umzugsvermeidung, Bauantragsvermeidung, Kosten und Zeiten und entschieden sich schließlich für eine TES-Fassade. Die Betonqualität wurde mittels Dübelauszugsversuchen geprüft und als Grundlage für die Bemessung der Auflagerwinkel herangezogen. Vom Planungsbüro wurde eine exakte Detail- und Bauablaufplanung erstellt, die Grundlage für die Angebotserstellung und die Werkplanung der Holzbaufirmen war. Die neuen Holztafelelemente bestehen im Kern aus 10 cm dicken Holzrahmen mit beidseitig aufgeklammerten Gipsfaserplatten. Dazwischen befindet sich eine Dämmung aus Mineralwolle. Zur Bestandswand wurden die Elemente mit einer 25 mm dicken Schicht aus Mineralwolle beklebt. Sie gleicht Unebenheiten der bestehenden Fassade aus. Auf die Außenseiten der Holzbauelemente klebten die Holzbauer bereits im Werk ein Wärmedämm-Verbundsystem auf EPS-Basis 21 technik Copyright Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages Bauabwicklung in der Übersicht Vorbereiten, montieren, endfertigen Das Ziel war es, die Außenwände der Wohnanlage Osthuesheide mit all Ihren Problemzonen auf einen modernen Wärmedämmstandard zu bringen, ohne die asbesthaltige Bestandswand bearbeiten zu müssen. Eine detaillierte Planung, gute Vorbereitung und passgenau vorgefertigte Holzrahmenelemente waren schließlich die optimale Lösung für das Bauvorhaben. In der Phase 0 wurden vorhandene Kunststoffleisten und Aluminiumfensterbänke ausgebaut und die bestehenden Wände behutsam vorbereitet. PHASE 0: Bestandsaufnahme Überstand der vorh. Fensterbänke entfernen vorh. Fassadenelement: Asbestzementplatte NICHT BEARBEITEN ! ! PHASE 0: Bestandsaufnahme vorh. Fassadenelemente: Asbestzementplatte NICHT BEARBEITEN ! ! Es ist eine Belchkante als Abschluss vorh. Überstand der vorh. Abdeckung entfernen Kunstoffleisten entfernen Kunstoffleisten entfernen In der Phase 1 wurden die vorgefertigten Fassadenelemente auf vorab eingebaute Stahlwinkel aufgesetzt und befestigt. PHASE 1: Vorhangfassadenmontage 10 mm Putzfläche 40 mm WDVS EPS 035 Alu Fensterbank Oberfläche: Alu blank Kantholz 8 x 9 cm mit Lüftungsschlitzen 2 x 20 mm e = 0.20 m PHASE 1: Vorhangfassadenmontage vorh. Fassadenelemente: Asbestzementplatte NICHT BEARBEITEN ! ! KVH 60/140 Winkel 200 x 150 x 12 l=200/250 mm KVH 60/140 KVH 40/90 0.065 SIMP Stron SON g-Tie SIMP Stron SON g-Tie g-Tie SON Stron SIMP Innenverkleidung Fremdleistungen Kantholz 4 x 9 cm mit Lüftungsschlitzen 2 x 20 mm e = 0.20 m PHASE 2: Endverkleidungen Kantholz 4 x 9 cm mit Lüftungsschlitzen 2 x 20 mm e = 0.20 m In der Phase 2 schlossen die Handwerker die Montagebereiche zwischen den einzelnen PHASE 2: Endverkleidungen Fassadenelementen und gaben der Fassade so ihr endgültiges Aussehen. vorh. Fassadenelemente: Asbestzementplatte NICHT BEARBEITEN ! ! g-Tie SON Stron SIMP Trespa Fassadenplatte 6 mm to ss au 5 03 Innenverkleidung Fremdleistungen Fassadenschraube 5.5 x 55 mm Alu-Lüftungswinkel schwarz / weiß SIMP Stron SON g-Tie m it M F F M SON g-Tie SIMP Stron Alu-Lüftungswinkel schwarz / weiß pfe n pfe 03 5 au ss to Fassadenplatte 6 mm 12.5 mm GF-Platte 50 mm MF Dämmplatte 035 auf GF-Platte geklebt m it Luftdichte Abklebung mit feuchteadeptiv n 12.5 mm GF-Platte 50mm MF Dämmplatte 035 auf GF-Platte geklebt Innenverkleidung Fremdleistungen Erst nachdem die Fassaden geschlossen waren, wurden die alten Fenster ausgebaut und die Laibungen an die neuen Bauteile angepasst. 22 bauen mit holz · 7-8.2013 Copyright Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages Mit der Sanierung der Wohnanlage Osthuesheide in Münster hatte sich die ausführende Firma Brüggemann Holzbau aus Neuenkirchen zum BAUEN MIT HOLZ Sanierungspreis 2013 beworben. Lesen Sie dazu auch auf Seite 62. (40 mm, WLG 035) mit einem Silikonharzputz. Außerdem wurden alle Fenster werkseitig eingebaut, so dass die Fassadenelemente flächenfertig auf Winkelkonsolen aus Stahl aufgesetzt werden konnten. Die Winkelkonsolen wurden entsprechend den Daten aus dem Gebäudescan vorab positioniert. Die waagerechten und senkrechten Montagebereiche zwischen den einzelnen Elementen, die Stirnseiten des Mauerwerks und der Stahlbetondecken wurden vor Ort gedämmt und mit Fassadenplattenstreifen (Holzkomposit) geschlossen. Damit entfielen die Wärmebrücken und die ursprüngliche Fassadenoptik konnte beibehalten werden. Komplett ausgestattet mit Fenstern, Putz und Dämmung wurden die Fassadenelemente auf der Baustelle angeliefert. Eine Woche pro Gebäude Im Vorfeld der Arbeiten wurden die Gebäude zunächst einzeln eingerüstet. Danach wurden die Stahlkonsolen montiert. Die Montagearbeiten der Fassadenelemente erfolgten vom untersten Geschoss nach oben. Dafür wurden die Elemente zwischen Bestandswand und Gerüst eingehoben. Je Gebäude benötigten die Holzbauer (Firma Sieveke 1. Bauabschnitt, Firma Brüggemann 2. Bauabschnitt) nur eine Woche, um die großformatigen Fassadenelemente zu montieren. Erst nach der Montage der neuen Fassaden wurden die bestehenden Fenster ausgebaut und die neuen Laibungen angearbeitet. Für diese Arbeiten, die als einzige innerhalb der Wohnungen ausgeführt werden mussten, war pro Wohnung lediglich ein Arbeitstag notwendig. Wesentlich für die Vorfertigung und den Ablauf der Montage war ein genaues Aufmaß. Dazu setzten die Verantwortlichen ein 3D-Lasergerät ein, mit dem jede Öffnung und jede Gebäudekante aufgemessen wurde. So konnte die Detailplanung von Archplan in eine äußerst präzise Werkplanung der Holzbauer umgesetzt werden. Fazit: Eine Alternative für viele Wohnanlagen Nach der Fassadensanierung und weiteren Dämmmaßnahmen, wie beispielsweise der 7-8.2013 · www.bauenmitholz.de Eine Lage Mineralwolle auf der Innenseite gleicht Unebenheiten der Bestandwand aus. Pro Gebäude benötigten die Zimmerleute etwa eine Woche, um die Fassade zu montieren. Dachbodendämmung, berechnet sich der Heizwärmebedarf der Wohnanlage zu 101 kWh/(m²a) und erfüllt damit die Forderungen der EnEV 2009; eine Halbierung des Heizwärmebedarfs. Erste positive Rückmeldungen der Mieter bestätigen das Konzept. Die asbesthaltigen Bauteile wurden während der Baumaßnahme nicht bearbeitet. Das krebserregende Material gilt weiterhin als fest eingebunden und damit als gefahrlos. Für die kommenden Jahrzehnte ist das Gebäude gerüstet. Außerdem steht die Baumaßnahme in Münster beispielhaft für das Marktpotenzial, das sich in den nächsten Jahren dem Holz- bau bietet. Denn Wohnanlagen wie die Osthuesheide gibt es in Deutschland noch einige. Und die Bauabwicklung wie im vorliegenden Beispiel stellt eine unkonventionelle und wirkungsvolle Asbestsanierung dar. Sie zeigt insbesondere das Potential der TES ❙ Energy Facade. Autor Dipl.-Ing. Bernd Leuters ist Beratender Ingenieur (IK-Bau NRW), Sachverständiger für Schall- und Wärmeschutz und einer der Geschäftsführer des Planungsbüros Archplan aus Münster. 23