Markenethik und ethische Marken Soziale Verantwortung, Corporate Social Responsibility (CSR) oder Corporate Citizenship, diese Schlagworte oder Konzepte sind derzeit ein Schwerpunktthema in kommunikationspolitischen Veröffentlichungen. Die Anzahl entsprechender Unternehmensverlautbarungen steigt rapide und kaum ein Unternehmen möchte zurückstehen und sich nicht auch als „guter Bürger“ oder fairer, zuverlässiger Partner des Kunden präsentieren. So aktiv sich die PR-Abteilungen dieses Themas angenommen haben, so wenig scheinen bislang in Deutschland dieselben ethischen Inhalte rund um ökologische und soziale Verantwortung Berücksichtigung bei der Markenführung zu finden. Dies verwundert, da nicht nur der Legitimations- und Informationsdruck seitens interessierter Endverbraucher zugenommen hat, sondern Unternehmen im globalen Markt zunehmend homogener Produkte mit Identitäts- und Positionierungsproblemen ihrer Marken konfrontiert sind. Darüber hinaus hat sich auch bei Analysten und Investoren ein deutlicher Paradigmenwechsel vollzogen. Soziale und ökologische Aspekte werden als immaterielle Wertschöpfungstreiber und Zeichen eines visions- und zukunftsfähigen Managements bereits jetzt zunehmend bei der Unternehmensbewertung einbezogen. Mit Einführung der International Financial Reporting Standards sowie der verschärften Bonitätsprüfungen auf Grundlage von „Basel II werden spätestens ab 2005 immaterielle Vermögenswerte gerade auch im Sinne starker ethischer Marken noch bedeutender. Trotz der eindeutigen Faktenlage werden Marken bei den meisten Unternehmen noch kaum mit „echten“ ethischen Werten gefüllt. Während einige Markenstrategen versuchen, als Reaktion auf diese aktuellen Herausforderungen des Wettbewerbs diffuse Gefühlswelten aufzubauen oder sich auf Preiskämpfe mit Handelsmarken einzulassen, wird eine zentrale Erfolgsstrategie vernachlässigt, nämlich der langfristige Aufbau eines guten Rufes, der Reputation als eine verantwortungs- und Sinn-volle Marke. Die Bedeutung der Reputation, verstanden als positive Außenwahrnehmung, hat in den letzten Jahren in allen Branchen kontinuierlich zugenommen. Sie ist eng mit dem Aufbau von Vertrauen verknüpft, das seinerseits die Kaufentscheidung der Kunden für ein Markenprodukt beeinflusst und eine zentrale Voraussetzung für anhaltende Kundentreue ist. Bei den zentralen Einflussgrößen, die den Aufbau eines guten Rufes ausmachen, kam es nach Erkenntnissen der neueren Forschung in den letzten Jahren zu deutlichen Präferenzverschiebungen, die in der Markenführung offenbar noch zu wenig Beachtung finden. Betrachtet man die einzelnen Komponenten, die zu einem messbaren Reputationsquotienten (Fombrun 2001, S. 23) zusammenfließen, wird deutlich, dass ethische Belange drei der sechs Kerndimensionen dominieren und in den anderen mindestens implizit vorhanden sind. Die Säulen „emotionale Anziehung“, „Arbeitsplatz“ und „soziale Verantwortung“ werden primär durch die Beurteilung hinsichtlich eines fairen und verantwortungsvollen 2. Hohe Qualität, Innovationspotenzial, gutes Preis -Leis tungs verhältnis 3. Nutzen von Marktchancen, exzellente Führung, klare Vis ionen für die Zukunft 4. Gute Pers onalführung, guter Arbeitgeber, Förderung von Arbeitnehm ern 5. Gute finanzielle Perform ance, profitable, ris ikoarm e Wachs tums pers pektive 6. Unters tützt die „gute Sache“, Um weltverantverantwortung, fairer Partner, behandelt Mens chen gut Emotional e Anziehung Produkt- und Servic equalität Vision und Führung Arbeitsplatz Finanzi elle Perform ance Soziale Verantwortung RQ 1. Gutes Gefühl und Res pekt, Vertrauen Re p u t a t i o n s q u o t i e n t Umgangs mit Mensch und Umwelt geprägt. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Fombrun (2001), S. 24. Abbildung 1: Reputationsquotient Darüber hinaus spielt die soziale und ökologische Verantwortung auch in den Bereich der Preis- und Servicequalität hinein. Gerät eine Marke durch Ausnutzung niedriger Sozial- und Umweltstandards bei der Produktion in Ländern der Dritten Welt in die Schlagzeilen, kann sie, wie das Sweatshop-Beispiel Nike zeigte, erhebliche Reputationsverluste erleiden. Auch mangelnde Produktqualität, wie zum Beispiel der Nachweis gesundheitsschädlicher Weichmacher und weiterer Chemikalien in teuren Marken-Flipflops (Öko-Test, 7/2004, S. 59), kann das Vertrauen des Konsumenten erheblich verunsichern, vor allem dann, wenn Billigprodukte sogar besser abschneiden als „seine“ hochpreisige Marke. Die Dimensionen „Vision und Führung“ sowie „finanzielle Performance“ hängen ebenfalls mit einem erfolgreichen Management sämtlicher Risiken im Sinne einer nachhaltigen Unternehmenspolitik zusammen. Nachhaltigkeit (Sustainability) wird hier als „Triple Bottom Line“ verstanden, also als langfristig orientierte, faire Berücksichtigung der sozialen, ökologischen und ökonomischen Interessenssphären verschiedenster Stakeholder des Unternehmens. Diese Facetten des Reputationsquotienten verdeutlichen parallel zu dem gestiegenen Interesse an sogenannten CSR-Themen (rund um die Verantwortung des Unternehmens gegenüber Mitarbeitern, Lieferanten, Gesellschaft und Umwelt), dass traditionelle betriebswirtschaftliche Werttreiber, wie Preis, Produkt- und Servicequalität, teilweise überschätzt werden, während die Generierung ethischer Markenwerte unterschätzt wird. (Lewis, 2002, S. 2). Nicht nur Analysten haben ein Interesse an langfristig wirksamen Ethikfaktoren der Marke, sondern auch Verbraucher sind bereit, für ein Markenprodukt tiefer in die Tasche zu greifen, wenn ihnen ein sinnvoller Zusatznutzen deutlich ist. Dies zeigt sich unter anderem am Erfolg der Naturkostbranche und seiner hochpreisigeren Bio-Marken, die für das Frühjahr 2004 eine Umsatzsteigerung von 5,4 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum melden konnte (Pressemeldung Bundesverband Naturkost Naturwaren, 13.8.2004). Wenn der Zusatznutzen für den Verbraucher transparent und eindeutig ist, lässt sich auch ein höherer Preis generieren (Maignan/Ferrell, 2001, S. 462). Die konsequente Übernahme und transparente Dokumentation sozialer und ökologischer Verantwortung sind in diesem Zusammenhang eindeutige Positionierungsargumente moderner Marken und eine wesentliche Basis des Kundenvertrauens. Für den Kauf eines Markenartikels ist nicht der günstige Preis des Produktes ausschlaggebend, sondern das Vertrauen in das vom Kunden erfahrene Verantwortungspotenzial der Marke. Dieser ethische Aspekt der Markenführung ist ein noch kaum genutzter Erfolgsfaktor. Er generiert einen Wertekonsens zwischen Markenhersteller und Verbraucher, wirkt Sinn-stiftend und befriedigt damit spezifisch menschliche Bedürfnisse. Diese Fakten und Überlegungen zum Reputationsmanagement lassen sich durch psychologische Betrachtungen der klassischen Bedürfnispyramide nach Maslow verdeutlichen. Ein Großteil der Kunden (und auch vieler Mitarbeiter) befindet sich in den westlichen Industrienationen heute auf einem Niveau, bei dem die meisten Primärinteressen befriedigt sind. Folglich spielt der Wunsch nach sozialer Integration, Anerkennung und Selbstverwirklichung eine zunehmend größere Rolle. Hier kann soziales und ökologisches Engagement unterstützend dazu beitragen, den Aufbau einer positiv konnotierten Marke zu realisieren, die neben der Befriedigung des Konsumbedürfnisses auch weiteren Entfaltungswünschen der Kunden (und Mitarbeiter) gerecht wird. Es entsteht eine dauerhafte Wertepartnerschaft, die für Kunden und Mitarbeiter gleichermaßen sinnstiftend wirkt und zu einer langfristig wirksamen Identifikation mit dem Wertekanon der Marke führt. Kunden Kunden Sinnvoller Markenkauf „gutes Tun“ Unternehmen als Corporate Citizen Relationship-Management, fairer Partner Produktsicherheit Günstiger Preis Sinnstiftende „ethische“ Marke Selbstverwirklichung Anerkennung Prestige Soziale Integration Sicherheitsbedürfnisse Physiologische Bedürfnisse Mitarbeiter Mitarbeiter Sinnvolle Arbeit „gutes Tun“ Unternehmen als Corporate Citizen Unternehmenskultur, fairer Arbeitgeber Sicherer Job Faires Gehalt Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Maslow Abbildung 2: Bedürfnispyramide Die erfolgreiche und glaubwürdige Positionierung als sinnstiftende, ethische Marke lässt sich allerdings nur im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes verwirklichen. Es birgt ein hohes Risiko, wenn versucht wird, eine Marke als „ethisches Flaggschiff“ zu etablieren, ohne die notwendigen Voraussetzungen geschaffen zu haben. Hierin mag einer der Gründe liegen, warum die offensichtlichen Vorteile (noch) nicht in größerem Maße genutzt werden. Die Gefahr, sich den Vorwurf des „window dressing“ gefallen lassen zu müssen, ist in dem Maße gegeben, in dem die entsprechenden Rahmenbedingungen nicht implementiert sind. Dies bedeutet, dass es nicht ausreicht, zu versuchen einzelne Marken nur kommunikativ „ethisch anzureichern“, sondern dass es eines eindeutigen Commitments der Unternehmensführung und eines Anpassungsprozesses der gesamten Unternehmens- und Kommunikationskultur unter Berücksichtigung verschiedenster interner und externer Stakeholder bedarf (Fabisch, 2004, S. 293 ff.). Nur so lässt sich, vermittelt durch transparente Kommunikation, langfristig Vertrauen und ein guter Ruf aufbauen, indem das Unternehmen und seine verschiedenen Stakeholdergruppen gelebte, gemeinsame Werte teilen. Ein Markenwert ohne ethische Werte entbehrt der Glaubwürdigkeit und Legitimität, die notwendig ist, um nachhaltig in globalen Märkten überleben zu können. Erfolgreiche Markenführung bedeutet folglich Reputations- und Wertemanagement unter Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen und ethischen Semantik der relevanten Begriffe „Werte“ und „Nachhaltigkeit“. Hier liegt die Chance für eine ganzheitliche „Markenethik“, die über Themen im aktuellen Spannungsfeld zwischen globalen Märkten, Moral und Nachhaltigkeit reflektiert und konkrete Umsetzungsempfehlungen entwickeln kann. Diejenigen Unternehmen, denen es gelingt mit konsequentem Reputationsmanagement einen Wertekonsens herzustellen und glaubwürdige „Morability“-Marken (als Wortmix aus Moral und Sustainability) zu etablieren, haben die besten Chancen nachhaltige Vertrauensbeziehungen zu ihren Stakeholdern aufzubauen. Ethische Markenführung kann sich so als zielführende Strategie in einem globalen Wettbewerb erweisen und dazu beitragen, den langfristigen Erfolg des Unternehmens zu sichern. Literatur Fabisch, Nicole (2004): Soziales Engagement von Banken. Entwicklung eines adaptiven und innovativen Konzeptansatzes im Sinne des Corporate Citizenship von Banken in Deutschland, München, Mering. Fabisch, Nicole (2003): Innovatives Corporate Citizenship-Konzept. In: Zerres, Michael; Zerres Christopher (Hrsg.): Innovative Ansätze einer marktorientierten Unternehmensführung. Lösungen für eine erfolgreiche Implementierung, Stuttgart, S. 265-277. Fombrun, Charles, J (2001): Corporate Reputation - Its Measurement and Management. In: Thexis, 18. Jg., Nr. 4, S. 23-26. Lewis, Steward (2002): Who´s in Charge of the Brand? Reflections on Brand and Reputation, Mori, London. Maignan, Isabelle; Ferrell, O.C. (2001): Corporate Citizenship as a Marketing Instrument. Concepts, evidence and research directions. In: European Journal of Marketing, Bd. 35, Nr. 3/4, S. 457-484.