„Petit-fours“ für Violine und Klavier von Boris Kosak In den 25 einminütigen „Dessert-Stücken für Violine und Klavier werden auf unterhaltsame Weise kulinarische und musikalische Themen miteinander „verrührt“, denn man isst auch mit den Ohren! Stilistisch bewegen sich die Stücke zwischen klassisch und modern und sind sehr „bekömmlich“. 01 Couverture dorée mini (C-dur) Die kleine Ouvertüre der „Petit-fours“ spielt mit den französischen Begriffen „couvert “ für Besteck und „dorée“ für vergoldet. Im Akkord dazu erklingt die Musik mit stilistischen Anspielungen an das goldene Zeitalter der Wiener Klassik reichlich geschmückt. „Do-re-mi“ sind die üblichen französischen Bezeichnungen der ersten Töne der C-dur-Tonleiter. 02 Tarte blanche (a-moll) In der „weißen Torte“ werden nur „weiße“ Töne gespielt. Die Musik ist zart wie fast vom leichten Westwind Zephyr „gehaucht“, der auch der gleichnamigen Süßigkeit den Namen lieh. 03 Viennoiserie symphonique (F-dur) Hier wird statt Wiener Symphonik das „symphonische Wiener Gebäck“ zum Klang gebracht. Die beiden Wiener Schulen (Haydn, Mozart, Beethoven versus Schönberg, Berg, Webern) fallen einander ins Wort und bleiben am Ende stolz und unversöhnt neben einander stehen. 04 Nougat toccata (d-moll) Toccata kommt ursprünglich vom italienischen „toccare“ – berühren oder antasten - und diente wie auch Präludie dem improvisierten Anprobieren des zu spielenden Instruments. Heute nennen wir es „sound check“. Auch wenn diese Toccata etwas „klebrig“ klingt, lädt sie zum Betasten und Vernaschen ein. 05 Pizza-cato mignon (B-dur) Nicht so üblich, aber gar nicht übel schmeckt sie, die kleine süße Pizza, die ihre Bezeichnung dem Neapolitanischen „pizzà“ für Zupfen entnommen hat. Kein Wunder, dass hier gerne gezupft wird. 06 Contrepoint de vanille (g-moll) Fügen Sie dem strengen polyphonen Satz im Palestrinastil eine Prise Vanille hinzu und Sie werden sich wundern, wie erfrischend das Altbewährte plötzlich duften kann. Ein Hinweis: nehmen Sie bitte nicht mehr als nur eine Prise oder „point“ davon. 07 Dragées délicieux (Es-dur) Die mit einem Überzug versehenen süßlichen Dragées wirken überzogen kapriziös und launisch, doch sie verschwinden mindestens ebenso schnell wie sie erscheinen. 08 Halva arabesque (c-moll) Auch als Türkischer Honig bekannt, ist Halva eine ursprünglich aus dem Iran stammende Spezialität, deren Bezeichnung auf Arabisch einfach „süß“ bedeutet. Die ornamentvollen Motive werden zu einer typischerweise an keine Formen gebundene Arabesque verflochten, die in die Märchen-umwobene Welt entführt. 09 Burlesque à beurre (As-dur) Die heitere Burlesque bekommt durch eine ordentliche Portion Butter oder „beurre“ etwas mehr sanfte Geschmeidigkeit, was ihren ursprünglich satirischen und extravaganten Charakter mildert. 10 Le sacre du sucre (f-moll) In seinem „Frühlingsopfer“ zeigte uns Stravinsky, was sein Rezeptgeheimnis war: möglichst viel Zucker, möglichst raffiniert. 11 Baiser à la Bizet (Des-dur) Baiser, französisch für „Kuss“, ist ein Schaumgebäck aus gezuckertem Eischnee, das auch „Spanischer Wind“ genannt wird. Wie eben der leidenschaftliche und doch so süße Kuss von Carmen. 12 Rubato rhum'antique (b-moll) Rubato, von italienischem „rubare“ für rauben, stehlen, bezeichnet ein wankendes Tempo, mit ständigen Beschleunigungen und Verlangsamungen. Schon Mozart verwendete es gern in seinen Adagios, doch besonders typisch ist Rubato für die romantische Musik von Chopin. Ob dabei auch viel Rhum geflossen ist, verschweigt die Geschichte. 13 Fantaisie glacée (Ges-dur) Die „Eisfantasie“ evoziert wunderliche Bilder voller kristalliner Zerbrechlichkeit, die trotz ihrer kalten Symmetrie durchaus appetitlich auf der Zunge zergehen. 14 Mordants en caramel (es-moll) Die aus der barocken Musik bekannte Verzierung Mordent (französisch „mordant“ – „beißend“) ist ein einmaliger, kurzer Wechsel mit der nächst liegenden oberen oder unteren Note. In Karamell eingelegt und dadurch versüßt, lädt er zum sofortigen Zubeißen ein. 15 Repas de deux (H-dur) Eine Malzeit für zwei tut jeder Ballettmusik gut, auch wenn dieses Dinner nicht formal abläuft. Wer weiß, ob hier nicht die Zuckerfee aus dem Nussknacker ihre Finger im Spiel hatte. 16 Violettes de Toulouse (gis-moll) Die kleinen süßen Veilchen aus Toulouse sind in vielen Süßigkeiten zu finden; besonders in Toulouse werden sie gerne kandiert. Weniger bekannt ist, dass ihr lateinischer Name „Viola“ von der mythischen Viola oder Iole stammt, der Ehefrau des ältesten Sohn von Herkules - Hyllos. Mit dem lateinischen „vitulare“ für singen, erfreuen, und der gleichnamigen Fröhlichkeitsgöttin Vitula, die auch der Violine den Namen gaben, haben die lieblichen Blümchen nur den Wortklang gemeinsam. 17 Pastille pastorale (E-dur) Schon Vergil hat in seiner „Bucolica“ die paradiesische Hirtenwelt besungen, doch erst seit der Renaissance und ganz besonders in der Barockzeit wurde die Schäferromantik zum einen der ersten Massenphänomene. Jeder wollte mal mitmachen und in die damalige dolce vita eintauchen, die schnelle Lösung der seelischen Sorgen versprach. Wie eben auch die Pastille, die aus einer fest gewordenen und in Form gebrachten Lösung besteht. 18 Sérénade aromatisé (cis-moll) Diese Serenade ist so übertrieben süß, dass es doch wieder schade ist, dass sie so schnell zu Ende ist. 19 Surprise de reprise (A-dur) „Reprise“ steht für Wiederholung, und es überrascht nicht, wenn sich die Hand immer wieder zum Zauberkasten bewegt, um eine neue Portion zu holen. 20 Courante au miel (fis-moll) Der Name des altfranzösischen Tanzes Courante kommt von „corant“ für laufend, lebendig. Beim süßen Honig passiert es sehr schnell, und schon wird aus dem edlen Tanz „laufender Honig“. 21 Crême Boulez (D-dur) Ob der bekannteste französische Komponist der Gegenwart Pierre Boulez dieses Stück auch geschrieben haben könnte, dafür legen wir die Hand nicht ins Feuer, wohl aber den Löffel in die „gebrannte Creme“, weil sie so lecker ist. 22 Reggaeton à gélatino (h-moll) Zu der barocken Tanzsuite gehörte der moderne aus Puerto Rico stammende Modetanz Reggaetón noch nicht, die Gelatine dagegen wurde schon seit Jahrtausenden für verschiedene Zwecke verwendet. Unter anderem war sie bei der Süßigkeitsherstellung in Indien, China, Babylon und Rom sehr beliebt. Das frische Latino-Flair verleiht dem wackeligen Gesülze eine gewisse Härte. Gelatine wird auch beim Geigenbau verwendet: dort wird sie nach Erhitzung im Wasserbad als Grundierung direkt auf das Holz gegeben, um beim späteren Beizen eine gleichmäßige Tönung des Holzes zu gewährleisten. 23 Tutti frutti (G-dur) Eine bunte Mischung aus Früchten aus aller Welt ist eine willkommene, angenehme Abwechselung für zwischendurch. 24 Soufflé virtuoso à la Paganini (e-moll) Der Atem, oder zumindest ein Hauch von dem genialen Violinisten Paganini ist hier deutlich zu spüren. Leicht wie ein Soufflé, reihen sich die virtuosen Tonläufe zu einem süßen, zarten Auflauf zusammen. 25 Rondeau à macarons (C-dur) Das runde Baisergebäck aus Mandelmehl in der üblichen Doppelscheibenform lädt zum Rondeau ein, und noch ein Rondeau, und noch eins, und noch ein, bis es alle ist.