Untersuchungsgang Rind

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Untersuchungsgang Rind
Ziele und Systematik der klinischen Untersuchung
Ziel der Klinischen Untersuchung ist es, eine klinische Diagnose zu formulieren und
festzulegen, welche weiterführenden Untersuchungen notwendig sind, um eine
ätiologische Diagnose zu stellen. Mittels differentialdiagnostischer Überlegungen wird
dann erklärt, warum bei dem untersuchten Patienten (!) eine bestimmte Krankheit
wahrscheinlicher ist als andere Erkrankungen mit ähnlichem klinischen Verlauf.
Die hierzu notwendigen Informationen werden im Vorbericht erfragt und mittels klinischer
Untersuchung erhoben. Vorbericht und allgemeine klinische Untersuchung dienen zur
Eingrenzung der am Krankheitsgeschehen beteiligten Organsysteme und zur Festlegung
von Schweregrad (Allgemeinbefinden ungestört bzw. leicht, mittel, oder hochgradig gestört)
und zeitlichem Verlauf (perakut, akut, subakut, chronisch) der Erkrankung.
Im Rahmen der speziellen klinischen Untersuchung werden alle verdächtigen Organsysteme
genau und oft auch mit Hilfe weiterführender Untersuchungen (Labor, bildgebende
Verfahren, usw.) untersucht.
Die Klinische Untersuchung wird mit einem individuell auf den untersuchten Patienten
zugeschnittenen Therapiekonzept und mit Angaben zur individuellen Prognose des
untersuchten Patienten sowie zu möglichen Prophylaxemaßnahmen abgeschlossen.
1) Vorbericht dient der Beschaffung von Informationen, die nicht durch Untersuchung des
Patienten erhoben werden können:
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Bestandsgröße, Verwendungszweck
Fütterung
Anzahl der betroffenen Tiere (bestimmte Gruppe?, Inzidenz)
Trächtigkeit, Abkalbetermin
Dauer der Erkrankung
Krankheitserscheinungen (Symptome)
bisheriger Krankheitsverlauf
Vorbehandlung (durch wen?, wie oft?)
Zukauf (wann?, woher?)
frühere Erkrankungen des Tieres oder des Bestandes (evtl. gleichartig)
Kontakt zu Tieren aus anderen Betrieben (Ausstellungen, Märkte, Transport)
andere Tierarten im Betrieb (v.a. Schafe, Ziegen, Schweine)
Todesfälle, Mortalität, ggf. Sektionsbefunde
Zeitraum der Beobachtungen
Ausbreitungsgeschwindigkeit
Impfstatus (IBR, BVD, Mutterschutzimpfung)
weitere Beobachtungen
2) Signalement
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Rasse
Altersbestimmung
Farbzeichnung, Abzeichen
Gewichtschätzung
3) Allgemeine klinische Untersuchung
Ziel der allgemeinen klinischen Untersuchung ist es, einzugrenzen, welche Organsysteme
(vermutlich) erkrankt sind und wie schwer das Allgemeinbefinden des Patienten gestört ist.
Hierzu werden die Informationen des Vorberichtes ausgewertet, und es werden grundlegende
Untersuchungen am Tier durchgeführt. Um das Tier nicht durch die Untersuchung zu
beunruhigen, werden zunächst die aus der Distanz zu erhebenden Befunde berücksichtigt:
Adspektorisch (aus der Distanz) zu erhebende Befunde
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Körperhaltung
o z.B. Hinweis auf Erkrankung des Bewegungsapparates
o typische Schmerzvermeidungshaltungen
Verhalten
o Hinweis auf Erkrankung des ZNS,
o auch Hinweis auf das Temperament des Patienten (Vorsicht bei
„Kampfkühen“)
Ernährungszustand (BCS, Body conditioning score)
o Gibt Hinweis auf Dauer der Erkrankung
Pflegezustand
o Klauenzustand
o Technopathien
o Massive Verschmutzungen
o Erkennbarer Befall mit Ektoparasiten
Entwicklungszustand
Atemfrequenz, Atemtyp
Am Patienten zu erhebende Befunde
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Körperinnentemperatur
Körperoberflächentemperatur
Herzfrequenz (kurze Auskultation des Herzens)
Pansentätigkeit
Zusammenfassung und Bewertung der in der allgemeinen klinischen
Untersuchung erhobenen Befunde – Zwischenergebnis
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Der vermutliche Sitz der Erkrankung liegt im Organsystem xyz:
diese/s Organsystem/e wird dann bei der speziellen Untersuchung besonders
genau (Adspektion, Palpation, Auskultation, Perkussion) gegebenenfalls
auch mit weiterführenden Untersuchungsmethoden
(Klauenuntersuchungsstand, Labor, bildgebende Verfahren) untersucht.
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Das Allgemeinbefinden des Patienten ist: ungestört; leicht; mittel; oder hochgradig
gestört.
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Der Habitus des Patienten entspricht dem eines frisch (perakut; akut) oder länger
(subakut; chronisch) erkrankten Tieres
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Bei Bestandsproblemen wird hier auch noch der Gesamteindruck der Herde erwähnt
4) Spezielle klinische Untersuchung der einzelnen Organsysteme
Art und Umfang der Untersuchung variiert normalerweise abhängig vom Ergebnis der
allgemeinen klinischen Untersuchung. Fortgeschrittene Kliniker untersuchen
„topographisch“: der Patient wird dabei einmal umrundet, dabei werden alle in den
untersuchten Regionen liegenden Organsysteme gleichzeitig begutachtet.
Die propädeutische Ausbildung erfolgt aus didaktischen Gründen „Organsystem – orientiert“.
Die Organsysteme werden der Reihe nach abgehandelt, dabei muss der Patient mehrmals
„umrundet“ werden.
Haare Haut, sichtbare Schleimhäute
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Haut- und Haarveränderungen
Umfangsvermehrungen in der Unterhaut
Farbveränderung von Schleimhäuten
Lymphapparat
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Größe, Konsistenz, Symmetrie der tastbaren Körperlymphknoten unter
Berücksichtigung ihrer Versorgungsgebiete
Kreislaufapparat
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Auskultation und Perkussion des Herzens
Intra- und extracardiale Nebengeräusche, „Puncta maxima“
Pulsqualität
Beurteilung der Endstrombahn (Episkleralgefäße, kapilläre Rückfüllungszeit)
Venenstauprobe
Atmungsapparat
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Atmungstyp
Stenosengeräusche der oberen Luftwege (Stridores)
Auskultation der Lunge
Physiologische (Atemgeräusche) und pathologische
(Atemnebengeräusche) Auskultationsbefunde
Perkussion der Lunge
Lungengrenzen
Schallqualität
Verdauungsapparat
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Futter- und Tränkeaufnahme
Symmetrie und Formveränderungen des Abdomens
Lage der Verdauungsorgane in der Bauchhöhle (Anatomie; Bauchhöhlensitus)
Auskultation und Palpation des Pansens
Proben zum Nachweis von Flüssigkeits- und Gasansammlungen im Bauchraum
(Schwingauskultation, Perkussionsauskultation)
Prüfung der Bauchdeckenspannung
Fremdkörperschmerzproben
Leberperkussion
Rektale Untersuchung
Kotabsatz, Kotbeschaffenheit
Harnapparat
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Harnentnahme
Adspektorische und labordiagnostische Harnbeurteilung
Rektale Palpation von linker Niere und Harnblase
Bewegungsapparat
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Schonhaltungen
Lahmheitsuntersuchung im Stand und in der Bewegung
Palpation von Gelenken und Sehnenscheiden
Zentralnervensystem / Sinnesorgane
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Wesensänderungen
Prüfung von Seh- und Hörvermögen
Prüfung von Reflexen
Versorgungsgebiete von peripheren Nerven
Weiterführende Untersuchungen (BSE-Proben, Liquorentnahme, Spezielle
Augenuntersuchung)
Auswertung der klinischen Befunde führt zur
5) Diagnose (gr. Entscheidung)
Zuordnung der im Untersuchungsgang erhobenen klinischen Befunde zu einem bekannten
Krankheitsbegriff. Nach der ersten klinischen Untersuchung kann oftmals nur eine auf
klinischer Erfahrung beruhende „Verdachtsdiagnose“ gestellt werden, die dann durch
weiterführende Untersuchungen abgeklärt wird.
Diagnoseschema:
a. Klinische Diagnose – beschreibt die Krankheit -> z.B. Bronchopneumonie
Beurteilt werden:
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Schweregrad der Erkrankung (hochgradig, mittel-, geringgradig)
Zeitlicher Verlauf der Erkrankung (perakut, akut, subakut, chronisch)
Ausbreitungstendenz (sporadisch / enzootisch)
Charakter der Erkrankung (bei Entzündung z.B. katarrhalisch oder eitrig)
Sitz (z.B. Lunge, Gelenke usw.)
Art der Erkrankung (z.B. Entzündung, degenerative Erkrankung)
b. Ätiologische Diagnose – beschreibt die Krankheitsursache -> z.B. Schadgase,
Bakterien , Viren oder Parasiten als Ursache einer Pneumonie.
c. Pathologisch – anatomische Diagnose – morphologisch feststellbare
Veränderungen
d. Differentialdiagnose – nennt Krankheiten, die mit ähnlichen klinischen Symptomen
einhergehen und Wege um sie nachzuweisen bzw. auszuschließen.
Eine korrekt formulierte Diagnose umfasst folgende Kriterien:
SchwereDauer
grad
Hochgradig akut
Ausbreitung
enzootisch
Charakter
Sitz
EitrigNase und
nekrotisierend Luftröhre
Art
Ätiologie
Entzündung BHV1Virus
z. B.: Hochgradige akute enzootische eitrig-nekrotisiernde Rhinotracheitis (vermutlich)
infolge einer BHV1 – Infektion (IBR)
6) Prognose
Begründung der individuellen Heilungsaussichten und der Wirtschaftlichkeit der
Therapiemaßnahmen
7) Therapie
Schilderung und Begründung der für den untersuchten Patienten vorgeschlagenen Behandlung
8) Prophylaxe
Maßnahmen zur Verhinderung gleichartiger Erkrankungen
9) Weiterer Verlauf
Entlassungsbefund
Lehrbücher und Lehrmaterial
Propädeutik Rind
Gustav Rosenberger
Die klinische Untersuchung des
Rindes
Beiträge von Gerrit Dirksen / Hans
Gründer / Eberhard Grunert et al.
Hrsg. von Gerrit Dirksen / Hans
Gründer / Matthaeus Stöber
3., neubearbeitete und erweiterte
Auflage.
Walter Baumgartner (Hrsg.)
Klinische Propädeutik der inneren
Krankheiten und Hautkrankheiten
der Haus- und Heimtiere
5., aktualisierte Auflage.
1990. 742 Seiten mit
676 Abbildungen im
Text und auf 21
farbigen Tafeln und
76 Übersichten. 19 x
27 cm. Gebunden.
109,00 €
ISBN 3-8263-2652-0
2002. 482 Seiten mit
103 Abbildungen
und 35 Tabellen. 17
x 24 cm. Broschiert.
44,95 €
ISBN 3-8263-3427-2
Internet
Skript zur Vorlesung und Anleitung zu den praktischen Übungen
II. Medizinische Tierklinik
Lehrstuhl für Innere Medizin und Chirurgie der Wiederkäuer
(A. Friedrich, T. Grude, W. Klee, I. Lorenz, K. Matthies, M. Metzner,
G. Rademacher, H. Wendel) Ausgabe SS 2003
http://www.vetmed.uni-muenchen.de/med2/skripten/p0.html
http://www.vetmed.uni-muenchen.de/med2/skripten/propaesk.pdf
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