Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb I. Das Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern Die Richtlinie stellt in ihrer Grundstruktur eine Vollharmonisierung dar. Dies bedeutet, dass im Gegensatz zu früheren Rechtsinstrumenten der Gemeinschaft nicht nur eine Mindestharmonisierung, sondern eine vollständige Rechtsangleichung im Binnenmarkt angestrebt wird. Die Mitgliedstaaten dürfen daher weder über die Richtlinie hinausgehen noch dahinter zurückbleiben. Im Rahmen der Reform des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) im Jahre 2004 hat der Bundesgesetzgeber im Vorgriff auf den Erlass, der jetzt umzusetzenden Richtlinie bereits einen Teil der Richtlinienvorschriften vorweggenommen. Insbesondere da die Richtlinie erst nach dem Erlass des UWG verabschiedet worden ist, ergibt sich dennoch Umsetzungsbedarf. II. Folgende Regelungen des Gesetzes sind hervorzuheben: 1. An die Stelle des Begriffs „Wettbewerbshandlung“ als zentraler Begriff des UWG tritt der Begriff „geschäftliche Handlung“. Anders als nach dem bisherigen Recht soll sich das Gesetz damit nicht nur auf geschäftliche Handlungen vor und bei Vertragsschluss beziehen, sondern auch auf das Verhalten der Unternehmen bei Durchführung des Vertrages und nach Vertragsschluss. Die Einbeziehung des dem Vertragsschluss nachgelagerten Verhaltens kann beispielsweise bedeuten, dass auch die Verletzung vertraglicher Pflichten oder die Rückabwicklung eines Vertrages der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung unterfallen können. Dies bedeutet z.B., dass auch die unberechtigte Abwehr von Kundenreklamationen wettbewerbswidrig sein kann. 2 2. Die Generalklausel des § 3 UWG (Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen) wird neu gefasst. Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. § 3 Abs. 2 UWG sieht darüber hinaus eine eigenständige Konkretisierung für geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern vor. Hiernach sind geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern jedenfalls dann unzulässig, wenn sie nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich aufgrund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Der für das deutsche Lauterkeitsrecht neuartige Begriff der „fachlichen Sorgfalt“ wird in Anlehnung an die Definition in der Europäischen Richtlinie als „der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt“ umschrieben „von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Marktgepflogenheiten einhält“. Mit den Sätzen 2 und 3 des § 3 Abs. 2 UWG soll klarstellend auf das vom EuGH entwickelte und vom BGH übernommene Verbraucherleitbild des informierten, verständigen und angemessen aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers sowie auf den Maßstab bei bestimmten Verbrauchergruppen abgestellt werden. 3. Die Regelung zur Irreführung durch Unterlassen wird in Umsetzung der Richtlinie ausführlicher gestaltet. Der neue § 5 a Abs. 1 UWG tritt an die Stelle des bisherigen § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG, dessen Wortlaut übernommen wird. Nach § 5 a Abs. 2 UWG ist es im Kern unlauter, dem Verbraucher wesentliche Informationen vorzuenthalten. Wichtig ist, dass die Informationsanforderungen stets auch von den Möglichkeiten und Begrenzungen des eingesetzten Kommunikationsmittels abhängen. § 5 a Abs. 3 UWG enthält eine nicht abschließende Liste von Umständen, die als wesentlich im Sinne des § 5 a Abs. 2 UWG gelten. Immer dann, wenn Waren oder Dienstleistungen in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so angeboten werden, dass ein Durchschnittsverbraucher in der Lage ist, einen Geschäftsabschluss zu tätigen, stellt ein Verschweigen der in Absatz 3 aufgeführten Informationen in der Regel eine Irreführung dar. Diese scheidet aus, wenn sich die betreffenden Tatsachen bereits unmittelbar aus den Umständen ergeben. Die Liste der wesentlichen Informationen ist nicht abschließend, die Rechtsprechung kann weitere Kriterien herausarbeiten. Nicht erfasst von § 5 a Abs. 3 UWG ist die so genannte reine Aufmerksamkeitswerbung. 3 Wesentliche Informationspflichten im Sinne des § 5 a Abs. 3 UWG sind: • Wesentliche Warenmerkmale (Nr. 1) • Identität und Anschrift des Unternehmers (Nr. 2) • Preise und Kosten (Nr. 3) • Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen (Nr. 4) • Recht zum Rücktritt oder Widerruf (Nr. 5) Die wesentlichen Informationspflichten im Sinne von § 5 a Abs. 3 UWG sind bereits heute für den Handel größtenteils verbindliche Rechtsvorgaben. Zu erwähnen sind beispielsweise die BGB-Informationspflichten-Verordnung, die Preisangabenverordnung, die Widerrufsregelungen sowie die Regelung Allgemeiner Geschäftsbedingungen im BGB. Die Aufnahme dieser Informationspflichten auch im UWG ist aus Sicht des Gesetzgebers europarechtlich geboten, um die Bedeutung für das Lauterkeitsrecht hervorzuheben. Hinzukommend ist mit § 5 a Abs. 4 UWG eine Öffnungsklausel in das Gesetz eingefügt worden, die alle Informationen als wesentlich einstuft, die das Gemeinschaftsrecht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing vorsieht. Das Gesetz will es hier der Rechtsprechung überlassen, künftig derartige europäische Informationspflichten näher zu bestimmen. 4. Das UWG wird um einen Anhang mit 30 irreführenden und aggressiven geschäftlichen Handlungen ergänzt, die gegenüber Verbrauchern unter allen Umständen unlauter und stets unzulässig sind (so genannte Schwarze Liste). Bei der Schwarzen Liste handelt es sich um eine Ausnahme von dem sonst geltenden Grundsatz der einheitlichen Anwendung des UWG auf Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer. Die Ausnahme ist gerechtfertigt, weil die europäische Vorgabe der Schwarzen Liste aus Gründen des Verbraucherschutzes besonders streng ausgefallen ist. Es wäre nicht gerechtfertigt, den kaufmännischen Verkehr mit derart starren Regeln zu belasten. Die 30 unzulässigen geschäftlichen Handlungen der Schwarzen Liste entsprechen allerdings ganz überwiegend Fallgruppen, die schon nach bisherigem UWG in Deutschland unzulässig sind. Im Rahmen der Schwarzen Liste ist auf Nummer 5 hinzuweisen, die Lockangebote betrifft. Die bisherige Vorschrift in § 5 Abs. 5 UWG wurde wegen der Vorgabe in der Schwarzen Liste gestrichen. Nach Nummer 5 sind Lockangebote unzulässig, bei denen Waren oder Dienstleistungen zu einem bestimmten Preis angeboten werden, ohne dass der Unternehmer darüber aufklärt, hinreichende Gründe für die Annahme zu haben, dass er nicht in der Lage sein werde, diese oder vergleichbare Waren oder Dienstleistungen zum genannten Preis für einen angemessenen Zeitraum in angemessener Menge vorhalten zu können. Wie in der bisherigen deutschen Regelung obliegt es dem 4 Unternehmer, die Angemessenheit des Zeitraums der Bevorratung darzulegen und zu beweisen, wenn der von ihm angenommene Bevorratungszeitraum zwei Tage unterschreitet. Die Neuregelung ist wegen der europäischen Vorgabe etwas liberaler, da statt der beworbenen Ware auch eine „gleichartige Ware“ angeboten werden kann. Die Gleichartigkeit der Ware ist allerdings eng auszulegen, maßgeblich ist die Austauschbarkeit aus subjektiver Sicht des Verbrauchers. Hinzuweisen ist auch auf Nummer 28 des Anhangs „Kaufappelle an Kinder“. Nach Nummer 28 sind Werbeangebote unzulässig, mit denen Kinder unmittelbar zum Erwerb von Waren oder zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen aufgefordert werden. Gleiches gilt für die Aufforderung, Kinder mögen ihre Eltern oder andere Erwachsene dazu veranlassen, die Leistungen für die Kinder zu beziehen. Zum einen ergibt sich hier das Problem, dass der Begriff „Kind“ noch gemeinschaftsrechtlich durch den EuGH definiert werden muss. Darüber hinaus dürfte für die Werbepraxis bedeutend sein, wann ein Kaufappell an Kinder „unmittelbar“ ist. Die Frage ist jetzt schon höchst umstritten und bedarf der Klärung durch die Rechtsprechung. Von einer „unmittelbaren“ Aufforderung lässt sich allerdings sprechen, wenn sich Werbung gezielt und persönlich an Kinder richtet mit Bezug zu einem konkreten Produkt, wie etwa „holt sie Euch“ oder „jetzt gleich bestellen“. Berlin, Januar 2009