Freges Platonismus Bastian Reichardt Innerhalb der sogenannten Grundlagenkrise der Mathematik kommt Gottlob Frege die spannende Rolle zu, einer der wesentlichen Auslöser der Krise zu sein, in ihrem Verlauf aber nicht weiter an ihr teilzuhaben. Frege greift die Fundamente der Mathematik an, indem er sich fragt, wie wir die Objektivität des mathematischen Diskurses erklären können und was der Diskurs eigentlich zum Thema hat. Indem er sich fragt, was die mathematische Sprache bedeutet, wird Frege zum Platoniker und Logizist gleichzeitig. Durch die Hinterfragung der mathematischen Grundlagen wird der Mathematiker hier zum Philosoph. Freges Anliegen ist dabei nicht nur die Anhindung der Mathematik an die Logik - also die Durchführung des logizistischen Programms -sondern untrennbar damit verbunden auch die Kritik am Psychologismus. Um die Objektivität mathematischer Sprache zu sichern und damit dem Psychologisten zu widersprechen, nimmt Frege die Realität des Gegenstandsbereichs der Mathematik an. Diese Annahme erklärt sich aus semantischen Grundannahmen, die tief in Freges Verständnis der Sprache verwurzelt sind und noch heute wichtige Brückenpfeiler moderner Sprachphilosophie bilden. Unter den verschiedenen Spielarten des Realismus, die in den diversen Debatten zwischen Realisten und Anti-Realisten diskutiert werden, bildet der mathematische Realismus in seiner platonischen Form eine der ontologisch anspruchsvollsten Spielarten: Da mathematische Entitäten abstrakt sind, können sie nicht in der konkreten, also empirischen, Welt verortet werden, sondern nehmen einen von der raumzeitlichen Welt getrennten abstrakten Bereich der Realität ein. Weiterhin behauptet Frege als Platoniker, dass dieses abstrakte Reich unabhängig von seiner Repräsentation besteht mathematische Tatsachen und Objekte sind ihrem Erkennen unsererseits also vorgängig und erklären erst das Gelingen ihrer Repräsentation. Diese beiden Merkmale, von denen insbesondere das zweite starke ontologische Konsequenzen nach sich zieht, zeichnen Frege als Realisten aus. Gerade aufgrund der anspruchsvollen Ontologie, die Freges Philosophie der Mathematik ausmacht, gilt es den mathematischen Platonismus, wie er von Frege formuliert und verteidigt wird, zu hinterfragen und mögliche Alternativen zu erwägen.