8.2.Quellen Kosmischer Strahlung.

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Ausbildungsseminar
Teilchen-Astrophysik
Quellen kosmischer Strahlung
Daniel Ostermeier
8. Dezember 2008
Keplers SNR
Quelle:www.hubblesite.org
Quellen kosmischer Strahlung
Seite 2
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Frühe Deutungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Grundlegende Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Einteilung der kosmischen Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
3
3
4
2 Solare kosmische Strahlung
2.1 Sonnenwind . . . . . . . . . . . . . .
2.1.1 Entdeckung des Sonnenwinds
2.1.2 Zusammensetzung . . . . . .
2.1.3 Entstehung . . . . . . . . . .
2.2 Sonneneruptionen, Rekonnexion . . .
2.3 Anomale kosmische Strahlung . . . .
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4
4
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6
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3 Galaktische kosmische Strahlung
3.1 Fermi-Mechanismus 2.Ordnung . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Galaktische Quellen und ihre Beschleunigungsmechanismen
3.2.1 Supernova-Überreste (SNR) . . . . . . . . . . . . .
3.2.2 Pulsare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.3 Doppelsternsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4 Extragalaktische kosmische Strahlung
17
4.1 Jets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
4.2 Aktive Galaktische Kerne (AGN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
4.3 Gamma-Ray Bursts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
5 Die Suche nach den Quellen
5.1 Propagation der KS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.1 Die Rolle galaktischer Magnetfelder . . . . . . .
5.1.2 Wechselwirkung mit dem Interstellaren Medium
5.1.3 Kosmische Uhren . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Gammastrahlenastronomie . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Neutrinoastronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.4 Jüngste Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.4.1 Der Himmel über HESS . . . . . . . . . . . . .
5.4.2 AUGER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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23
24
6 Zusammenfassung und Ausblick
24
7 Literatur
25
Quellen kosmischer Strahlung
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1 Einleitung
1.1 Frühe Deutungsversuche
Um die Wende zum 20. Jahrhundert waren viele Wissenschaftler nicht bereit die
Umwälzungen in der Physik zu akzeptieren (vor allem Folgerungen aus Relativitätstheorie, Thermodynamik, Quantentheorie und Kosmologie). Die Vorstellung eines
in Raum und Zeit unveränderlichen Universums war weit verbreitet (Vollständiges
kosmologisches Prinzip), weswegen viele sowohl die Relativitätstheorie und die damit verbundene Galaxienflucht, als auch den Wärmetod des Universums ablehnten.
Die Entdeckung der Höhenstrahlung unbekannten Ursprungs ließ sich gut als "Beweis"für eigene Theorien einsetzen:
• W. Nernst: Radioaktiver Zerfall von Urmaterie (superschwere Elemente) endet
im Äther. Zur Erhaltung des Gleichgewichts entstehen Atome wieder aus dem
Äther. Die Höhenstrahlung empfand Nernst als Bestätigung seiner Hypothesen.
• MacMillan und Millikan: Höhenstrahlung wird als Photonen diskreter Energie emittiert, wenn Nukleosyntheseprozesse im interstellaren Raum ablaufen
("Geburtsschrei der Materie")
1.2 Grundlegende Fragen
Die Eigenschaften der kosmischen Strahlung (Elementzusammensetzung, Energiespektrum, Energiedichte) lassen sich auf der Erde gut untersuchen. Klar ist, dass
es aufgrund der hohen Energiespanne der kosmischen Strahlung (bis ≈ 1020 eV,
LHC:1012 eV) nicht nur einen Beschleunigungsmechanismus geben kann, sondern
mehrere Quellen und Beschleunigungsmechanismen existieren müssen, welche nicht
thermischer Natur sein können (maximal erreichbar: 103 eV). Es muss vielmehr kollektive Prozesse geben, die es erlauben, die Energieemission einer Quelle effizient auf
eine relativ geringe Anzahl von Teilchen zu übertragen.
Trotz beinahe 100 Jahren Forschung sind einige grundlegende Fragen noch nicht
vollständig beantwortet:
• Was sind die kosmischen Quellen geladener Teilchen?
• Wie werden die Teilchen auf so hohe Energien beschleunigt?
• Wie groß ist die maximale Energie der kosmischen Strahlung?
• Wie breitet sie sich durch das Interstellare Medium (ISM) bis zur Erde aus?
• Wie sieht die Wechselwirkung mit dem ISM und Photonen aus?
• Werden ihre Eigenschaften dabei verändert?
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1.3 Einteilung der kosmischen Strahlung
Die kosmische Strahlung wird nach ihrem wahrscheinlichsten Ursprung eingeteilt:
• solare kosmische Strahlung: Ursprung ist unsere Sonne (bis 109 eV)
• galaktische kosmische Strahlung: Quellen liegen in der Milchstraße (1010 −
1016 eV)
• extragalaktische kosmische Strahlung: Quellen liegen in anderen Galaxien (bis
1020 eV)
2 Solare kosmische Strahlung
2.1 Sonnenwind
2.1.1 Entdeckung des Sonnenwinds
Schon 1859 beobachtete Richard Carrington einen Zusammenhang zwischen Sonnenflares und (dazu zeitlich versetzten) Magnetfeldstürmen auf der Erde, was zu
dieser Zeit jedoch unerklärlich schien. Am Anfang des 20. Jahrhunderts versuchte
der Norweger Kristian Birkeland, die Polarlichter mit einem Teilchenstrom von der
Sonne zu erklären. Diese Theorie wurde jedoch von anderen Physikern genauso abgelehnt wie die Idee der solaren Teilchenstrahlung, die der Deutsche Ludwig Biermann
annahm, um die Ausrichtung der Kometenschweife (immer von der Sonne weg) zu
erklären.
Den experimentellen Beweis der Existenz des Sonnenwinds lieferten erst die sowjetische Raumsonde "Lunik 1"(1959) und die amerikanische Sonde "Mariner 2"(1962)
2.1.2 Zusammensetzung
Der Sonnenwind ist ein Hauptbestandteil der kosmischen Strahlung. Er stellt einen
permanenten Strom geladener Teilchen (Plasma) von der Sonne dar und besteht
hauptsächlich aus Protonen, Elektronen und α-Teilchen (es sind jedoch auch Spuren von schwereren Atomkernen und neutralen Atomen vorhanden).
Die Zusammensetzung des Sonnenwinds liefert Informationen über die Bestandteile
des Urnebels, aus dem sich das Sonnensystem gebildet hat:
Der Sonnenwind stammt aus den äußeren Bezirken der Sonne. Im Inneren verändern
Kernfusionsprozesse ständig die Elementzusammensetzung. Da sich das Innere der
Sonne jedoch nicht mit dem Äußeren mischt, entspricht die Isotopenhäufigkeit dort
immer noch der des Urnebels.
2.1.3 Entstehung
Es herrscht ein starker Temperaturgradient zwischen Photosphäre (≈5800K) und
Korona (1.000.000K- 5.000.000K); die Korona ist thermisch instabil.
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Abbildung 1: Aufbau der Sonne
Quelle: www1.physik.uni-greifswald.de/lehre/plasmaphysik/2007-ssseminar/Sonnenwind-Polarlicht.pdf
Plasmateilchen werden stark erhitzt und auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt
(größer als Fluchtgeschwindigkeit). Die Folge ist ein stetiger, die Sonne verlassender
). Man unterscheidet dabei zwischen dem langsamen
Strom von Materie (ca. 109 kg
s
)
und
dem
schnellen
(≈ 800 − 900 km
) Sonnenwind, der im Bereich von
(≈ 400 km
s
s
koronalen Löchern austritt.
Koronale Löcher sind Bereiche in der Korona der Sonne, die eine niedrigere Temperatur und Dichte als die Umgebung aufweisen (Dichte ca. um Faktor 100 niedriger).
Im Normalfall sind die magnetischen Feldlinien der Sonne im Äquatorbereich geschlossen und hindern das Plasma am Austreten. Wegen des ausgeprägt lokalen
Charakters der Magnetfeldstrukturen kann es jedoch vorkommen, dass Bereiche mit
gleicher magnetischer Polarität nebeneinander liegen, weswegen die magnetischen
Feldlinien nicht mehr in einem kurzen Bogen zurück zur Sonne führen, sondern weit
in den interplanetaren Raum hinausragen. Dort wird das Plasma also nicht mehr
vom Magnetfeld auf der Sonne gehalten und kann entlang dieser Feldlinien mit hoher
Geschwindigkeit entweichen:
Quellen kosmischer Strahlung
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Abbildung 2: Magnetfeldlinien auf Sonnenoberfläche
Quelle: Wikipedia
2.2 Sonneneruptionen, Rekonnexion
Im Plasma liegen Elektronen und Ionen getrennt vor, wobei die Elektronen wegen
ihrer viel kleineren Masse (≈Faktor 104 ) eine größere mittlere Geschwindigkeit aufweisen. Es fließt also ein elektrischer Strom, der ein Magnetfeld induziert. Das Plasma strömt nun entlang dieser Magnetfeldlinien (genauer gesagt auf Spiralbahnen um
diese) , die, wie in Abbildung 2 zu sehen ist, einen Bogen auf der Sonnenoberfläche
beschreiben.
Da die Sonne jedoch nicht wie ein starrer Körper rotiert, sondern verschiedene Zonen unterschiedliche Winkelgeschwindigkeiten haben, erfährt das Magnetfeld eine
Scherung und damit verbunden eine Erhöhung der Feldenergie. Durch Verkürzung
sich berührender Feldlinien kann das Magnetfeld wieder in einen Zustand niedrigerer Energie übergehen (Rekonnexion), wobei elektromagnetische Energie frei wird,
die zur Beschleunigung von geladenen Teilchen führt (Geschwindigkeiten bis zu
3000km/s sind möglich; dies entpricht ≈ 5 · 104 eV für ein Proton). Es wurden gewaltige Eruptionen von heißem Plasma in zeitlichem Zusammenhang mit Rekonnexion
beobachtet.
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Abbildung 3: Sonneneruption
Quelle: www.physik.unikl.de/urbassek/teaching/lectures/WeltraumWissenschaftsSeminar/Vortraege/vortragsonne.pdf
Treffen antiparallele Feldlinien aufeinander, so kann es passieren, dass sich oberhalb
der Rekonnexionsregion Bereiche mit geschlossenen Feldlinien ablösen. Das darin
enthaltene Plasma kann sich so von der Sonne ablösen und entweichen:
Abbildung 4: Magnetische Rekonnexion
Quelle: www.physik.unikl.de/urbassek/teaching/lectures/WeltraumWissenschaftsSeminar/Vortraege/vortragsonne.pdf
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2.3 Anomale kosmische Strahlung
Als anomale (oder ungewöhnliche) kosmische Strahlung bezeichnet man die Komponente der kosmischen Strahlung, die nicht durch Sonnenwind und -eruptionen erklärbar und deren Energie kleiner ist als die der galaktischen kosmischen Strahlung.
Zur Erklärung ihrer Herkunft:
Unser Sonnensystem befindet sich in einer riesigen Blase aus Gas (geschätzter Radius: 100-150 AE), der sogenannten Heliosphäre, in der das interstellare Medium
durch den Sonnenwind verdrängt wurde:
Abbildung 5: Heliosphäre unseres Sonnensystems
Quelle: Wikipedia, erstellt von NASA
Zu den weiteren Bezeichnungen:
• Termination Shock: Dies bezeichnet die Grenze, an welcher der Sonnenwind
vom ISM abrupt abgebremst und aufgeheizt wird.
• Sonnenscheide (Heliosheath): 1 In diesem Bereich beginnt der Sonnenwind
sich mit dem ISM zu vermischen. Dort befindet sich zur Zeit die Raumsonde
Voyager1.
• Heliopause: Die Heliopause bildet den äußersten Rand der Heliosphäre (=
Grenze unseres Sonnensystems), also das Gebiet, in dem der Sonnenwind endgültig nicht mehr in der Lage ist, das ISM zu verdrängen.
Die Heliosphäre kann man sich wie einen Wasserstrahl vorstellen, der in ein Waschbecken fällt:
1
Die Sonnenscheide trägt viel zum Schutz vor der kosmischen Strahlung bei, da die magnetischen
Turbulenzen in der Sonnenscheide viel kosmische Strahlung ableiten, bevor sie überhaupt das
innere Sonnensystem erreicht.
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Vom Auftreffpunkt im Becken (Sonne) fließt das Wasser in einer perfekt runden
Form nach außen (Sonnenwind), wird im Verlauf der Ausdehnung immer dünner
und wird zu einem trägen, turbulenten Ring (Sonnenscheide).
Es wird vermutet, dass die anomale Komponente der kosmischen Strahlung durch
Wechselwirkung des Sonnenwinds mit der interstellaren Materie im Bereich des Termination Shocks entsteht: Schockwellen übertragen Energie auf Teilchen und beschleunigen diese.
3 Galaktische kosmische Strahlung
Als galaktische kosmische Strahlung bezeichnet man die Komponente der kosmischen
Strahlung mit Energien von 1010 − 1016 eV. Bei diesen Energien haben die Teilchen
einen Zyklotronradius, der kleiner ist als der Durchmesser der Milchstraße, weswegen
sie höchstwahrscheinlich aus unserer Galaxie stammen (siehe unten: Propagation der
kosmischen Strahlung).
3.1 Fermi-Mechanismus 2.Ordnung
Der Fermi-Mechanismus zweiter Ordnung stellt einen sogenannten Nachbeschleunigungsmechanismus dar: Teilchen mit ultrarelativistischen Energien (E ≈ pc) streuen
an zufällig verteilten magnetisierten Plasmawolken im interstellaren Raum, die sich
mit Geschwindigkeiten u~i bewegen. Für die nachfolgende Rechnung wird angenommmen, dass die Beträge der Geschwindigkeiten der Plasmawolken gleich sind.
Abbildung 6: Streuung eines Teilchens an einer magnetischen Plasmawolke
Quelle: www-zeuthen.desy.de/ kolanosk/astro0506/skript.html
Ein Teilchen der Geschwindigkeit v~1 , v1 ≈ c streut an einer Wolke der Geschwindigkeit ~u, dann gilt:
~u · v~1 = uv cos Θ1
Quellen kosmischer Strahlung
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Wie bereits erwähnt sei die Energie des Teilchens ultrarelativistisch, also E1 ≈ p1 c.
Nach der Streuung tritt das Teilchen mit Energie E2 unter dem Winkel Θ2 aus.
Im Schwerpunktsystem der Wolke ist die Streuung isotrop und es gilt (mit β = uc ;
q
1
γ = 1−β
2 ):
E10 = γE1 (1 − β cos Θ1 )
Außerdem sei noch angenommen, dass die Streuung im Wolkensystem vollkommen
elastisch ist, also : E10 = E20
Eine Rücktransformation ins Laborsystem liefert dann:
E2 = γE20 (1 + β cos Θ02 )
= γ 2 E1 (1 + β cos Θ02 )(1 − β cos Θ1 )
(1)
Um die mittlere Energieänderung zu berechnen, muss man nun noch über alle möglichen Relativgeschwindigkeiten und Streuprozesse mitteln (also über alle Winkel
Θ1 und Θ02 ). Wegen der Isotropie der Streuung im Wolkensystem gilt nun:
< cos Θ02 >= 0
Für die Mittelung über die Relativgeschwindigkeiten ist es aber wichtig, dass die
Stoßwahrscheinlichkeit von diesen abhängig ist (ein Stoß mit einer auf das Teilchen
zukommenden Wolke ist wahrscheinlicher als ein Stoß mit einer Wolke, die vom
Teilchen weg fliegt):
dN
∝ vrel = v − u cos Θ1
dtd cos Θ1
R1
d cos Θ1 (v − u cos Θ1 ) cos Θ1
u
β
→< cos Θ1 >= −1R 1
=− ≈−
3v
3
d cos Θ1 (v − u cos Θ1 )
−1
Hierbei wurde v≈c verwendet.
In (1) eingesetzt ergibt dies:
< E2 >= E1
1 + 31 β 2
4 2
=≈
E
(1
+
β + O(β 4 ))
1
2
1−β
3
Der Energiezuwachs ist also von 2.Ordnung in der Geschwindigkeit der Plasmawolke
(deshalb der Name "Fermi-Mechanismus 2.Ordnung").
Nun noch ein paar Abschätzungen:
• Energiezuwachs: Der Energiezuwachs durch diesen Mechanismus ist sehr
klein, da β ≤ 10−4 ist. Der Energieverlust (z.B. Stoßprozesse mit ISM) ist
ähnlich groß.
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• Zahl der Kollisionen: Die mittlere freie Weglänge der Teilchen beträgt einige
pc, es kommt nur zu ungefähr einer Kollision pro Jahr
Dies bedeutet, dass diese Art der Beschleunigung nicht für die beobachteten sehr
großen Energien verantwortlich sein kann. Es muss also Mechanismen geben, deren
Energiezuwachs linear in β und bei denen die mittlere freie Weglänge viel kleiner
ist.
3.2 Galaktische Quellen und ihre
Beschleunigungsmechanismen
3.2.1 Supernova-Überreste (SNR)
Abbildung 7: Supernova
Quelle: www.hubblesite.org
Genau solche Prozesse findet man in den äußeren Schalen von SNR. Die Schockwellen, die durch die Supernovaexplosion entstehen, haben eine Vorzugsrichtung,
weswegen hier die Mittelung über cos Θ02 ungleich null ist.
Schockbeschleunigung in SNR:
Zunächst einmal zum Begriff der Schockwelle:
Eine Schockwelle ist eine Störung, die sich mit einer Geschwindigkeit ausbreitet, die
größer ist als die Schallgeschwindigkeit des Mediums in dem sie sich bewegt (bzw.
größer als die Alfvén-Geschwindigkeit 2 ). Wellen (z.B. Druckwellen) bewegen sich
im Medium langsamer als die Schockfront, haben also auf deren Ausbreitung bzw.
auf die Materie vor der Schockfront keinen Einfluss. Vielmehr erfährt die Materie
bei Auftreffen der Schockfront eine beinahe instantane Änderung von Temperatur,
2
Die Alfvén-Geschwindigkeit ist ein Begriff aus der Plasmaphysik. Das Plasma wird als
schwingungs- und störungsfähig angesehen, so dass ionisierte Gasteilchen um ihre Ausgangsposition schwingen können. Die Alfvén-Geschwindigleit ergibt sich dann
q aus dem Ansatz, dass
B2
kinetische und magnetische Energiedichte gleich groß sind zu vA = ρµ
0
Quellen kosmischer Strahlung
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Druck und Dichte.
Im Falle der Schockfronten , die bei SN-Explosionen entstehen, treffen die Schockwellen auf das interstellare Gas und beschleunigen dieses.
Abbildung 8: Links Ruhesystem des interstellaren Gases; rechts: Ruhesystem der
Schockfront:
Quelle: www-zeuthen.desy.de/ kolanosk/astro0506/skript.html
Dabei charakterisiert man das Gas vor (i=1) und hinter (i=2) der Schockfront durch
Druck (Pi ), Dichte (ρi ) und Temperatur , (Ti ), die durch die drei Schockbedingungen
verknüpft sind:
• Massenerhaltung: j = ρ1 v1 = ρ2 v2
• Energieerhaltung: P1 + 12 ρ1 (v12 + c21 ) = P2 + 12 ρ2 (v22 + c22 )
dies entspricht der Bernoulli-Gleichung für strömende Flüssigkeiten; die ci sind
die Schallgeschwindigkeiten vor bzw. nach der Schockfront
• Impulserhaltung: P1 + ρ1 v12 = P2 + ρ2 v22
Anmerkung: Das Gas hinter der Schockfront hat eine kleinere Geschwindigkeit als
die Schockfront selbst, weil die Schockfront interstellares Gas aufsammelt und sich
dadurch relativ zum nachfolgenden Gas nach vorne bewegt.
Quellen kosmischer Strahlung
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Nun zur Beschleunigung:
Abbildung 9: Beschleunigung an Schockfront
Quelle: www-zeuthen.desy.de/ kolanosk/astro0506/skript.html
Auch hier gilt wieder:
E2 = γ 2 E1 (1 + β cos Θ02 )(1 − β cos Θ1 )
Nun ist wieder über die Winkel zu mitteln, wobei nun nur über die jeweilige Hemisphäre gemittelt wird (also diejenige, in der das Teilchen im Beschleunigungsprozess
verbleibt):
R0
d cos Θ1 cos Θ1
1
< cos Θ1 >= −1R 0
=−
2
d cos Θ1
−1
R1
d cos Θ02 cos Θ02
1
0
< cos Θ2 >= 0 R 1
=
2
d cos Θ02
0
Damit ergibt sich für die gemittelte Teilchenenergie nach der Streuung:
< E2 >= E1
(1 + 12 β)2
≈ E1 (1 + β + O(β 2 ))
1 − β2
Der Energiezuwachs ist hier also von 1.Ordnung in β (Fermi-Mechanismus 1.Ordnung).
Daraus kann man das resultierende Energiespektrum berechnen: Allgemein gilt: (mit
η = 1 + β)
Ek
=η
Ek−1
und somit:
Ek = E0 η k
Quellen kosmischer Strahlung
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Die Wahrscheinlichkeit P, dass ein Teilchen nach einem Stoß im System verbleibt,
sei konstant. Dann gilt:
Nk := N (E = Ek ) = N0 P k
und damit:
k
ln N
N0
k
ln E
E0
=
ln P
ln η
bzw.
Nk
=
N0
Ek
E0
lnln Pη
Hieraus ergibt sich dann das Energiespektrum: (mit N(E0 )=N0 )
dN
dN
=
(E0 ) ·
dE
dE
E
E0
lnln Pη −1
Da P und η Konstanten sind, ergibt sich also für das Energiespektrum ein Potenzgesetz, was auch beobachtet wird. Macht man einige weitere Annahmen, erhält man
ln P
− 1 ≈ −2, 1. Dies ist kein Widerspruch zu der Beobachtung, dass das gemessene
ln η
Spektrum steiler verläuft, weil die kosmische Strahlung durch Wechselwirkung mit
dem ISM Energie verliert.
Es gibt einige Argumente, die für SNR als Quellen der galaktischen kosmischen
Strahlung sprechen:
• Effizienz: Bei einer erwarteten Rate von einer SN-Explosion in 30 Jahren in
unserer Galaxie müsste nur in etwa 10% der Energie der Stoßwelle auf die
Teilchen übertragen werden, um die Energiedichte der kosmischen Strahlung
in der Milchstraße zu erreichen. Theoretische Berechnungen haben gezeigt,
dass dies durchaus möglich ist.
• Energiespektrum: Die Beschleunigung in SNR erklärt auf eine einfache Art
und Weise das Energiespektrum ( unabhängig von Besonderheiten der SN):
Die Teilchen haben je nach Verweildauer in den Schalen der SNR unterschiedliche Energien. Die maximal erreichbare Energie ist im Wesentlichen durch die
Lebensdauer der Schockwellen gegeben (=maximale Beschleunigungszeit, im
Mittel 10.000 a) und beträgt ≈ 1016 eV .
• Zusammensetzung: Die Elementzusammensetzung der kosmischen Strahlung
ist der Zusammensetzung der Materie in unserem Sonnensystem sehr ähnlich,
was auf einen gemeinsamen Ursprung hindeutet. Die Entstehung unseres Sonnensystems wurde höchstwahrscheinlich auch durch eine SN-Explosion ausgelöst.
Diese plausiblen Argumente sind der Grund dafür, dass man heutzutage davon ausgeht, dass die SN-Explosionen die Quellen des Großteils der galaktischen kosmischen
Strahlung sind.
Quellen kosmischer Strahlung
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3.2.2 Pulsare
Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne, bei denen die Symmetrieachse des
Magnetfelds von der Rotationsachse abweicht, weswegen sie Synchrotronstrahlung
entlang der Dipolachse aussenden.
Abbildung 10: Überlagerung der Aufnahmen eines Pulsars im Krebsnebel mit
sichtbarem Licht (rot) und mit Röntgenlicht (blau)
Quelle: Wikipedia
Nach Maxwell induziert ein veränderliches Magnetfeld ein elektrisches Feld, in dem
dann geladene Teilchen beschleunigt werden können. Da die Phänomene in der Magnetosphäre sehr komplex sind, kann man vereinfachend annehmen, dass Drehachse
und Magnetfeldachse parallel sind (Goldreich-Julian-Modell). Weitere Annahmen
dieses Modells sind:
• Das Magnetfeld ist statisch und das eines punktförmigen Dipols.
• Die Sternmaterie ist ein idealer Leiter
Die Berechnungen in diesem Modell ergeben dann folgende Magnetosphäre:
Abbildung11: Schematische Darstellung der Magnetosphäre eines Pulsars
Quelle: www-zeuthen.desy.de/ kolanosk/astro0506/skript.html ; Kapitel 5
Quellen kosmischer Strahlung
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Oberhalb einer kritischen Feldlinie fließen negativ und unterhalb davon positiv geladene Teilchen nach außen. Die Komponente des elektrischen Felds, die parallel zu
den Magnetfeldlinien ist, beschleunigt die Teilchen. Die elektrische Feldstärke auf
V
), weswegen die resultierende elekder Sternoberfläche ist von der Ordnung O(1012 m
trische Kraft viel größer ist als die Gravitationskraft, und die Teilchen können auf
hohe Energien beschleunigt werden.
3.2.3 Doppelsternsysteme
Doppelsternsysteme bestehen aus zwei einander umkreisenden Sternen. Liegen sie
sehr nahe beieinander (Abstand unterhalb der Roche-Grenze) und besteht das System aus einem massereichen, kompakten Stern (z.B. Neutronenstern) und einem
großen Begleitstern (z.B. roter Riese), so akkretiert das Massereiche Objekt Materie
vom Begleitstern.
Abbildung 12: Doppelsternsystem mit Akkretion
Quelle: Wikipedia
Dabei bildet sich eine Scheibe aus Materie um das massereiche Objekt und Jets (siehe
Kapitel "Jets") schießen senkrecht dazu weit in den interstellaren Raum hinaus.
Innerhalb der Jets bilden sich Stoßwellen aus, in denen Teilchen auf Energien bis
1016 eV beschleunigt werden können.
Quellen kosmischer Strahlung
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4 Extragalaktische kosmische Strahlung
Oberhalb von 1016 eV reichen die bisher besprochenen Mechanismen nicht aus, um
diese extremen Energien zu erreichen. Zur Erklärung dieser Energien gibt es zwei
verschiedene Möglichkeiten:
• Top-Down-Mechanismen: Es gibt Urknallrelikte (X-Teilchen) mit Masse
mX ≈ 1025 eV , die in hochenergetische Folgeprodukte zerfallen.
• Bottom-Up-Mechanismen: Die Teilchen werden durch einen Mechanismus
auf ultrahohe Energien beschleunigt. Die Bedingungen in diesen Quellen müssen extrem sein, um diese Energien zu erreichen.
Da über die Existenz (oder Nichtexistenz) der Top-Down-Mechanismen nicht viel
bekannt ist, soll im Folgenden nur auf die Bottom-Up-Mechanismen eingegangen
werden.
4.1 Jets
Jets treten bei allen Prozessen mit Akkretion auf, von der Bildung von Sternen aus
Gaswolken bis hin zu den superschweren schwarzen Löchern im Zentrum vieler Galaxien. Im Folgenden wird die Akkretion durch ein massereiches, kompaktes Objekt
betrachtet.
Da Teilchen i.A. nicht direkt (d.h. ohne Drehimpuls) auf den Akkretor (= massereiches, kompaktes Objekt) stürzen, erwartet man, dass sich eine Scheibe um das
1
massereiche Objekt bildet, die lokal mit der Keplergeschwindigkeit (∝ r− 2 ) rotiert.
Durch Reibung heizt sich die Scheibe sehr stark auf und die Materie in ihr ist teilweise oder vollständig ionisiert, was wegen der differentiellen Rotation zu elektrischen
Strömen und damit zu Magnetfeldern führt. Reibung bedeutet jedoch auch eine
Drehimpulsabgabe, weswegen die Teilchen langsam Richtung Zentrum wandern.
Die sehr komplexen Rechnungen zur Physik der Akkretionsscheiben basieren auf den
Gleichungen der Magnetohydrodynamik, wobei für den innersten Teil der Scheibe
zusätzlich die Feldgleichungen der ART wichtig sind. Die Prozesse, die dann zur
Ausbildung der Jets führen, sind momentan Gegenstand intensiver Forschung. Mit
großer Wahrscheinlichkeit spielen Magnetfelder eine zentrale Rolle, die durch die differentielle Rotation der Scheibe aufgewickelt und dadurch verstärkt werden können.
Sie können dann wie eine Feder wirken, die das Plasma entlang der Rotationsachse (also senkrecht zur Scheibe) wegbeschleunigt, und zwar in zwei entgegengesetzt
gerichteten, relativ engen Kegeln.
Quellen kosmischer Strahlung
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4.2 Aktive Galaktische Kerne (AGN)
Die AGN’s gelten als die wahrscheinlichsten Quellen von Teilchen mit Energien von
bis zu mehreren 1020 eV . Ein sehr massereiches schwarzes Loch (typisch: 109 M ) im
Zentrum einer Galaxie akkretiert Materie aus dieser (dies ist sozusagen die energiereichere Version eines Doppelsternsystems). Senkrecht dazu schießen relativistische
Jets enorm weit in den Weltraum hinaus (einige 105 Lichtjahre sind möglich).
Abbildung 13: Jet aus schwarzem Loch im Zentrum der Galaxie M87
Quelle: www.hubblesite.org
Die Stoßwellen in den Jets beschleunigen die Teilchen dann auf höchste Energien.
Jedoch gibt es bei diesen hohen Energien ein Problem: Wir empfangen zwar Licht
von AGN, die ≈ 109 Lichtjahre entfernt sind, diese kommen wegen des GZK-cutoff
jedoch nicht als Quellen der hochenergetischen Teilchen infrage. Dieser schränkt
die maximale Entfernung der Quellen zur Erde auf ≈ 150 · 106 Lichtjahre ein, die
hochenergetischen Teilchen können also bestenfalls aus Nachbargalaxien kommen
(zum Beispiel ist unsere nächste Nachbargalaxie, die Andromeda-Galaxie, in etwa
2, 5 · 106 Lichtjahre entfernt).
4.3 Gamma-Ray Bursts
Als Gamma-Ray Bursts bezeichnet man gewaltige Energieausbrüche, mit denen
große Mengen an γ-Strahlung einhergehen. Diese Ausbrüche dauern in der Regel
zwischen einigen Sekunden und mehreren Minuten, wobei sie dabei so viel Energie
freisetzen wie die Sonne in mehreren Milliarden Jahren.
Quellen kosmischer Strahlung
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Abbildung 14: Gamma Ray Burst GRB 970228; Quelle ist scheinbar außerhalb der
Milchstraße
Quelle: www.hubblesite.org
Die beobachteten Energien lassen sich nur dann erklären, wenn die Gammablitze
nur in einer Vorzugsrichtung ausgesandt werden, z.B. in zwei engen, entgegengesetzt
gerichteten Kegeln.
Als Quellen für diese extremen Ausbrüche kommen verschmelzende Neutronensterne
und spezielle Supernova-Explosionen, sogenannte Hypernovae infrage. Hypernovae
sind extrem massereiche Sterne (M > 20M ), deren Kernbereich zu einem extrem
schnell rotierenden schwarzen Loch kollabiert. Es bildet sich eine Akkretionsscheibe
und senkrecht dazu entstehen Jets, in denen die starke γ-Strahlung erzeugt wird.
Quellen kosmischer Strahlung
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5 Die Suche nach den Quellen
5.1 Propagation der KS
Um die Quellen der kosmischen Strahlung zu identifizieren muss man die experimentellen Daten (Zusammensetzung der Strahlung, Energie, Richtung der Detektion)
richtig deuten. Es gilt aus diesen Messungen und der Untersuchung des galaktischen
Magnetfelds Propagationsmodelle abzuleiten, um den Weg der Strahlung zurückzuverfolgen und damit die Quellen zu identifizieren.
Abbildung 15: Schema der Prozesse bei der Ausbreitung kosmischer Strahlung
Quelle: http://particle.astro.kun.nl/hs0607/A-Helfrich.pdf
5.1.1 Die Rolle galaktischer Magnetfelder
Die kosmische Strahlung besteht zum Großteil aus geladenen Teilchen, auf die im
Magnetfeld (typische Feldstärke der galaktischen Magnetfelder O(µG)) eine Kraft
~ wirkt, was einem Bahnradius r = p
F~L = m · ~v × B
entspricht, der Bahnradius
qB sin Θ
wächst also mit dem Impuls.
Dies hat folgende Konsequenzen:
• Es gibt einen Grenzimpuls pgal , ab dem Teilchen, für deren Impuls p > pgal
gilt, mit großer Wahrscheinlichkeit extragalaktischen Ursprungs sind, während
Teilchen mit p < pgal mit großer Wahrscheinlichkeit galaktischen Ursprungs
sind, da ihr Bahnradius kleiner ist als der Radius der Milchstraße. Zum Beispiel ergibt sich für ein Proton der Energie 1014 eV ein Bahnradius von der
Größenordnung O(1017 m), was in etwa 10.000 mal kleiner ist als der Durchmesser der Milchstraße. Bisher sind jedoch weder theoretische Modelle noch
Quellen kosmischer Strahlung
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experimentelle Daten (vor allem über die Struktur der galaktischen Magnetfelder) hinreichend, um den Grenzimpuls genau zu bestimmen. Jedoch gilt es
als sicher, dass Teilchen mit E < 1017 eV galaktischen Ursprungs sind.
• Die Teilchen der kosmischen Strahlung werden nach ihrer Entstehung vielfach
von magnetischen Feldern abgelenkt, deren Verteilung und Stärke nicht im
Detail bekannt ist. Die Messung der Richtung, aus der diese Teilchen kommen,
beinhaltet also keine Information über die Herkunft. Im Experiment sieht man
dies daran, dass die kosmische Strahlung isotrop auf die Erde trifft.
• Ausnahmen sind jedoch Teilchen mit sehr großen Impulsen, denn sie werden
durch galaktische Magnetfelder kaum abgelenkt. Eine Messung der Herkunftsrichtung liefert also direkt Informationen über den Entstehungsort.
5.1.2 Wechselwirkung mit dem Interstellaren Medium
Die Propagation kosmischer Strahlung wird auch durch die Wechselwirkung mit dem
ISM beeinflusst. Durch Stöße kann die kosmische Strahlung Energie verlieren oder
sogar aus der galaktischen Scheibe gestreut werden. Desweiteren kommt es zu Spallationsprozessen: Schwerere Kerne der kosmischen Strahlung stoßen mit Protonen
des ISM und zerfallen in leichtere, teilweise radioaktive Kerne.
Diese Wechselwirkungen erklären warum das Spektrum der kosmischen Strahlung
steiler verläuft als es theoretische Berechnungen vorhersagen und die Elementzusammensetzung von der erwarteten abweicht.
5.1.3 Kosmische Uhren
Die sogenannten kosmischen Uhren stellen eine Methode zur Untersuchung des Alters der kosmischen Strahlung dar. Diese wird vor allem auf Verhältnisse zwischen
36
10
; Cl ) bzw. zwiSpallationsprodukten und dominanten primären Isotopen (z.B. 12Be
C 54 F e
26
schen radioaktiven und nicht radioaktiven Spallationsprodukten (z.B. 27 Al
) unterAl
sucht, deren (bekannte) Halbwertszeiten und Zerfallsarten Rückschlüsse auf Alter
und Zeit zwischen Erzeugung und Beschleunigung erlauben.
Man unterscheidet zwischen drei Uhren:
• Primäre Isotope: Die enthaltenen Elemente zeigen, welche Nukleosyntheseprozesse am Ort der Entstehung abgelaufen sein müssen. Damit kann man die
Zahl möglicher Quellen eingrenzen.
• Beschleunigungsuhren: Die Beschleunigungsuhren liefern Informationen darüber, wie viel Zeit zwischen Entstehung und Beschleunigung der Teilchen vergangen ist. Dazu wird der Anteil an primären Isotopen, die unter Elektroneneinfang zerfallen, untersucht. Der Anteil ihrer Folgeprodukte ist dann ein Maß
für die vergangene Zeit zwischen Entstehung und Beschleunigung.
Quellen kosmischer Strahlung
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• Propagationsuhren: Propagationsuhren sind im Wesentlichen β ± -Strahler.
Aus dem Verhältnis der Edukte und Produkte des Zerfalls kann man mit Hilfe
der bekannten Halbwertszeiten das Alter der kosmischen Strahlung bestimmen.
5.2 Gammastrahlenastronomie
γ-Strahlung eignet sich aus zwei Gründen hervorragend zur Suche nach den Quellen
hochenergetischer kosmischer Strahlung: Zum einen wird sie durch elektromagnetische Felder nicht abgelenkt und zum anderen wird sie durch Wechselwirkungen
zwischen hochenergetischen Teilchen der kosmischen Strahlung erzeugt. Ihre Flugrichtung zeigt also direkt zum Ort ihrer Entstehung zurück und ihre Quellen sind
sehr wahrscheinlich auch die von kosmischer Strahlung. Wegen dieser Vorteile suchen heutzutage weltweit viele verschiedene Experimente (sehr aktuell z.B. AUGER)
nach den Quellen dieser hochenergetischen γ-Strahlung.
Ein Nachteil dieser Methode ist, dass unsere Atmosphäre für γ-Strahlung undurchsichtig ist, weswegen eine direkte Beobachtung nur mit Satelliten funktioniert. Bis
≈ 1010 eV sind die Photonenflüsse noch groß genug, um mit auf Satelliten realisierbaren Detektorflächen noch genügend Ereignisse zu messen. Darüber sind die Photonenflüsse jedoch sehr gering, was riesige Nachweisflächen nötig macht und deswegen
nur noch bodengestützte Experimente realisierbar sind, die die γ-Strahlung indirekt
über ihre Sekundärprodukte nachweisen und lokalisieren.
Eine sehr erfolgreiche Methode ist die der abbildenden Cherenkov-Teleskope:
Trifft sehr hochenergetische γ-Strahlung auf unsere Atmosphäre, so entsteht ein
Luftschauer (Schauer aus Folgeprodukten), dessen Teilchen sich mit einer Geschwindigkeit bewegen, die größer ist als die Lichtgeschwindigkeit im Medium. Die geladenen Partikel des Luftschauers senden dabei kegelförmig (Mach-Kegel) ein bläuliches
Licht aus (Cherenkov-Licht, entspricht im wesentlichen einem Überschallknall), das
am Boden aufgezeichnet wird. Damit kann man ein Bild des Luftschauers erstellen,
mit dessen Hilfe man nun die Flugrichtung des auslösenden γ-Quants und damit
evtl. die Quelle der Entstehung bestimmen kann.
Abbildung 16: Prinzip der abbildenden Cherenkov-Teleskope
Quelle: www.wissenschaft-online.de/artikel/833074&_wis=1
Quellen kosmischer Strahlung
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5.3 Neutrinoastronomie
Um die Quellen kosmischer Strahlung zweifelsfrei nachzuweisen, benötigt man Teilchen, die zum einen nur durch Wechselwirkung von Protonen und Atomkernen entstehen und deren Messung eine Ortung der Quelle möglich macht.
Die Neutrinos erfüllen genau diese Voraussetzungen: Sie sind elektrisch neutral (keine Ablenkung durch elektromagnetische Felder) und können Materie problemlos
durchdringen, da sie nur durch Gravitation und die schwache Wechselwirkung beeinflusst werden.
Das große Durchdringungsvermögen ist aber gleichzeitig ein großer Nachteil, da der
Aufwand zur Detektion enorm ist.
5.4 Jüngste Ergebnisse
5.4.1 Der Himmel über HESS
Mit HESS (im Khomas-Hochland in Namibia) gelang 2005 der Beweis, dass in den
Schalen von Supernova-Überresten (SNR) Elektronen oder Protonen auf Energien
von 1014 eV beschleunigt werden. In der folgenden Abbildung ist die Schalenstruktur
der beiden SNR schön zu erkennen.
Abbildung 17: Aufnahme von den Supernova- Überresten RX J1713.7–3946 und
RX J0852–4622 im Infrarotbereich (oben), optischen Bereich (mitte) und mit
hochenergetischer γ-Strahlung (unten)
Quelle: www.wissenschaft-online.de/artikel/833074&_wis=1
Es bleibt jedoch noch zu zeigen, dass die SNR wirklich die Quellen der Protonen
(dem Hauptbestandteil der kosmischen Strahlung) sind, und ob die Mechanismen
Quellen kosmischer Strahlung
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effizient genug sind, auch Teilchenenergien von bis zu 1015 eV hervorzubringen.
Die γ-Strahlung kann nämlich sowohl von Elektronen als auch von Protonen erzeugt werden: Bei der Wechselwirkung von Protonen mit Materie entstehen neutrale Pionen, die in Photonen zerfallen. Auch hochenergetische Elektronen können
γ-Strahlung erzeugen, nämlich durch Streuprozesse mit niederenergetischen Photonen, wobei dieser Prozess stark von den Magnetfeldern am Ort der Beschleunigung
abhängt: Bei starken Magnetfeldern verlieren die Elektronen wegen ihrer kleinen
Masse sehr schnell ihre Energie durch Synchrotronstrahlung. Starke Magnetfelder
unterdrücken also den Anteil an γ-Strahlung, der durch Streuprozesse von Elektronen mit Photonen entsteht.
Die Magnetfelder im Bereich von SNR sind nicht genügend genau bekannt, um dies
abzuschätzen. Jedoch deuten die gemachten Beobachtungen unter plausiblen Annahmen darauf hin, dass in der Schale von SNR Protonen beschleunigt werden.
5.4.2 AUGER
Das noch im Aufbau befindliche Pierre-Auger-Observatorium in der argentinischen
Pampa (auf der Norhalbkugel ist ein noch größeres Observatorium in den USA geplant) hat bereits jetzt Hinweise darauf gefunden, dass aktive galaktische Kerne die
Quelle der höchstenergetischen Teilchen der kosmischen Strahlung sind. Nach seiner Fertigstellung wird es möglich sein, im Bereich oberhalb von 1019 eV etwa 100
Ereignisse pro Jahr zu messen und damit die Datenlage in diesem Bereich erheblich zu verbessern und damit vielleicht sogar die Quellen der kosmischen Strahlung
eindeutig zu identifizieren.
6 Zusammenfassung und Ausblick
Trotz beinahe 100 Jahren Forschung gibt es immer noch viele ungeklärte Fragen.
Vor allem die Mechanismen, die zur Beschleunigung von Teilchen auf extrem hohe
Energien jenseits von 1017 eV führen, sind noch nicht im Detail verstanden. Jedoch
wurden seit der Entdeckung der kosmischen Strahlung große Fortschritte gemacht:
Die Entstehung der solaren kosmischen Strahlung ist inzwischen sehr gut verstanden.
Für die galaktischen Quellen erweisen sich Supernovae als die wahrscheinlichsten
Kandidaten und auch das Rätsel um die Quellen der hochenergetischsten Teilchen
scheint der Lösung nahe.
Dazu ein Zitat von Prof. Christian Stegmann, Professor für Astroteilchenphysik an
der Universität Erlangen-Nürnberg:
"Wir erleben eine Zeit, in der von verschiedenen Seiten versucht wird, den Ursprung
der Kosmischen Strahlung zu enträtseln. Gammastrahlungsexperimente vermessen
die möglichen Quellen mit bisher nicht erreichter Präzision. Neutrinoteleskope werden in naher Zukunft die Empfindlichkeit erreichen, die es ermöglichen sollte, erste
Quellen hochenergetischer Neutrinos zu entdecken. Und das Observatorium AUGER
wird in den nächsten Jahren einen wesentlichen Beitrag zur Frage der Kosmischen
Quellen kosmischer Strahlung
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Strahlung bei den höchsten Energien liefern. Uns stehen sehr spannende Zeiten bevor, und es ist durchaus möglich, dass das Rätsel der Beschleuniger der Kosmischen
Strahlung seinen einhundertsten Geburtstag nicht mehr erleben wird."
7 Literatur
• www-zeuthen.desy.de/ kolanosk/astro0506/skript.html ; Skript der Vorlesung
Astroteilchenphysik von Prof. Dr. Hermann Kolanoski, Kapitel 5
• www.wissenschaft-online.de/artikel/833074&_wis=1
• Schneider, Peter: Einführung in die Extragalaktische Astronomie und Kosmologie
• Collins, P. D. B., Martin, A. D. und Squires, E. J.: Particle Physics and Cosmology
• www.physik.uni-kl.de/urbassek/teaching/lectures/WeltraumWissenschaftsSeminar/Vortraege/v
sonne.pdf
• www.staff.uni-mainz.de/bpfeiffe/Vhs04f-w.pdf
• http://particle.astro.kun.nl/hs0607/A-Helfrich.pdf
• Vortrag: Gamma-Astronomie von Wolfgang Pfleger und Andreas Kodewitz
zum Seminar Kerne und Sterne 2007 (Homepage von Prof. Gebhardt)
• www.astroteilchenphysik.de
• www.auger.de
• http://particle.astro.kun.nl/hs0607/A-Helfrich.pdf
• www.dk0wcy.de/5htm
• www.wikipedia.de
• www1.physik.uni-greifswald.de/lehre/plasmaphysik/2007-ss-seminar/SonnenwindPolarlicht.pdf
• http://hubblesite.org (viele schöne Bilder in der Galerie)
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