Ergänzungsgutachten Angela R Dr. Margot Glatz Fachärztin für Anästhesiologie und Intensivmedizin Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige Diplom der ÖAK-Spezielle Schmerztherapie 3100 St.Pölten Ärztezentrum, J.R Promenade 7 Tel. 02742 26958 St. Pölten, am 7. Mai 2012 SCHMERZMEDIZINISCHES ERGÄNZUNGSGUTACHTEN Auftraggeber: Frau Marion K 2232 Deutsch Wagram Anton Bruckner Gasse 1 Betreff: R Angela, geb. am 29.6.1915, verst. am 1.06.2007 Wegen: Todesursache/Behandlungsfehler Das vorliegende Gutachten wird über schriftlichen Auftrag von Frau Marion K Enkelin der Verstorbenen vom 16.02.2012 erstattet. Es schließt an die eigenen Gutachten von 21.09.2008, 02.02.2009 und 10.04.2009 an und ergänzt diese. Folgende neu eingetroffene Unterlagen sind vorhanden: - Brief der Auftraggeberin - Ärztliches Sachverständigengutachten verfasst von Dr. J. Haberl, Sachverständigen für Gerichtsmedizin vom 20.10.2009 - Pflegebericht für den Zeitraum 01.05. – 01.06.2007 Aus dem Brief der Auftraggeberin 1 Ergänzungsgutachten Angela R Die Beantwortung mehrerer Fragen des anästhesiologischen SV-Gutachtens vom 10.4.2009 legt ausführlich dar, dass eine lege artis Behandlung mit Opioiden des älteren und zusätzlich noch geschwächten Patienten eine besonders sorgfältige Überwachung in der Einstellungsphase erfordert. Opioide können beim alten Patienten länger und stärker wirken. Es gehe aus den Aufzeichnungen der Pflegedokumentation, die der Gutachterin zur Verfügung standen nicht hervor, dass die Atmung und der Bewusstseinszustand von Angela R sorgfältig und auch genauer, als vor der Anbringung des Fentanylpflasters überwacht wurden. Es fanden sich in der Pflegedokumentation vom 31.5.2007 bis 1.6.2007 weder Aufzeichnungen über eine Überwachung noch über die Art einer Überwachung von Angela R . Frage 1: Welche Überwachungsmaßnahmen (betreffend Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung, Puls, Blutdruck, Bewusstsein, Verengung der Pupillen, usw.) werden bei einer lege artis Behandlung und Überwachung durch das Pflegepersonals und/oder die betreuenden Ärzte nach erstmaligem Anbringen von Fentanyl-Pflasters regelmäßig oder in definierten Intervallen durchgeführt und dokumentiert ? Frage 2: Wurden an Angela R nach Anbringen des Fentanyl-Pflasters der Stärke 50μg/h Überwachungsmaßnahmen, wie dies lege artis ist, dokumentiert und durchgeführt bzw. welche Überwachungsmaßnahmen wurden nicht dokumentiert und durchgeführt? Frage 3: Wie erfolgt lege artis eine Überprüfung des untersuchenden und behandelnden Arztes bei einer Erstbehandlung mit Fentanyl -Pflaster 50μg/h, wenn bei der Patientin Bewusstlosigkeit und Atembeschwerden (unter anderem rasselnde Atmung als neu aufgetretenes Symptom) auftreten, um festzustellen, ob die bei der Patientin auftretenden Symptome auf die Nebenwirkungen von Fentanyl in zu hoher Dosis also auf eine Fentanylintoxikation zurückzuführen sind oder eine andere Ursache haben ? Welche Untersuchungen und Behandlungen muss der behandelnde Arzt zur Differentialdiagnose durchführen und welche Symptome weisen normalerweise bei einer Untersuchung durch den Arzt auf eine Fentanylvergiftung hin? Die Auftraggeberin führt in Erläuterung dieser Frage aus; „Im ärztlichen Gutachten von Dr. Haberl wird auf Seite 19 zur Frage 22 des anästhesiologischen SV-Gutachten vom 10.4.2009, ob es für Dr. B war, dass bei Angela R erkennbar eine Überdosis Fentanyl verordnet wurde, angeführt, dass 2 Ergänzungsgutachten Angela R „eine Überdosierung mit entsprechender quantitativer Auswirkung mangels einer Blutspiegelbestimmung nicht eindeutig verifizierbar ist.“ Dem informierten medizinischen Laien erscheint es unlogisch, dass der Fentanylspiegel im Blut eine Aussagekraft bezüglich einer Fentanyl-Vergiftung bzw. dem Ausmaß einer solchen Fentanylvergiftung haben soll, hängt doch das Ansprechen und auch die allgemeine Reaktion auf Fentanyl hauptsächlich von der Gewöhnung an Opioide ab aber auch von individuellen Faktoren. Bei lege artis Anwendung von Durogesic- Pflaster (wie dies sowohl im Beipackzettel von Durogesic-Pflaster, als auch von den WHO wegen der hohen Toxizität und der Gefahr von tödlichen Nebenwirkungen dringend empfohlen wird), also einer langsamen und schrittweisen Auftitration und daher Gewöhnung an diese Suchtsubstanz, verträgt der lege artis auf Opioide eingestellte Patient sehr viel höhere Dosen als der nicht an Opioide gewöhnte Patient. Als Laie erscheint es logisch, dass eher die Gewöhnung des Patienten an Opioide und auch individuellen Einflussgrößen, wie z.B. das Alter des Patienten wesentliche und zu beachtende Größen sind, die bei der Einschätzung und Diagnose von Fentanyl-Intoxikation brauchbar sind.“ Frage 4: Ist es lege artis bei gegebenem Verdacht auf eine Fentanylintoxikation unverzüglich an Hand des Zustandes der Patientin zu diagnostizieren und gegebenenfalls Notfallmaßnahmen einzuleiten? Oder ist es lege artis beim gegebenen Verdacht auf eine fortgeschrittene Fentanylintoxikation bzw. Fentanylüberdosierung, das Ergebnis einer Blutspiegelbestimmung hinsichtlich Fentanyl abzuwarten und damit die Diagnose und eine eventuelle Behandlung um zumindest etliche Stunden zu verzögern, auch wenn schon Symptome einer Atemdepression und Bewusstlosigkeit bestehen? Ferner legt die Auftraggeberin dar: „Symptome, die bei einer Fentanylintoxikation auftreten können, entwickelten sich bei Angela R , nachvollziehbar an Hand der Pflegedokumentation und der Beobachtungen der Angehörigen von Angela R , in zeitlichem Zusammenhang mit dem Kleben des Fentanyl-Pflasters 50μg/h (ohne dass die von der WHO oder gemäß dem Beipackzettel dringend empfohlene Dosisanpassung mit kurzfristig wirksamen Opioiden durchgeführt worden wäre) erstmals und nur einige Stunden vor dem Todeseintritt am 1.6.2007. Mit diesen Symptomen muss bei vielfach zu hoch gewählter Anfangsdosierung Fentanyl in diesem Zeitabstand zum Kleben des Pflasters gerechnet werden. Es sollte in den ersten Tagen der Anfangsphase einer lege artis Behandlung mit Fentanyl-Pflaster eine fachgerechte Überwachung der Patientin 3 Ergänzungsgutachten Angela R erfolgen. Angela R war als alte Patientin geschwächt gewesen durch tagelange Einschränkung de Nahrungszufuhr wegen einer äußerst schmerzhaften Stomatitis. Eine Reduktion und nicht eine Vervielfachung der normalen Einstiegsdosis der hochtoxischen Substanz Fentanyl wäre angesichts des Alters und der Schwächung der Patientin angebracht gewesen. Wie schon im anästhesiologischen Gutachten vom 21.9.2008 geklärt, entwickelt sich ein solcher Umstand von Pneumonie sehr leicht als Folge einer insuffizienten Atmung bei einer durch Fentanylüberdosierung verursachten Atemdepression. Der Schleim kann bei einer durch Fentanylüberdosierung verursachten Atemdepression nicht abgehustet werden. Die durch Abflachung der Atmung entstehenden kollabierten Lungenabschnitte führen zur Verminderung der Gasaustauschfläche, Sauerstoffminderversorgung und Bildung von Pneumonie. Die insuffiziente Atmung ist die gefürchtete Folge von Opiatüberdosierung. Diesbezügliche Eintragungen in der Pflegedokumentation von Angela R waren: 1.6.2007 5:54 Atmung etwas erschwert (ca. 14 Stunden nach Applikation des zu hochdosierten Fentanylpflasters) 1.6.2007 14:57 Bewohnerin hat ein brodelndes Lungengeräusch - Dr.Br hat sieabgehorcht. Keine Infusionen mehr geben. (ca. 23 Stunden nach Applikation des zu hoch dosierten Fentanylpflasters) Symptome einer Pneumonie, wie sie für eine Atemdepression typisch sind, bestanden bei Angela R , wie in der Pflegedokumentation vermerkt, nur einige Stunden vor ihrem Tod. Im Totenbeschauschein von Angela R wurde von der Gemeindeärztin Dr. M ::::: in der Rubrik „Allfällige Folgekrankheiten, welche den Tod unmittelbar herbeigeführt haben“ „terminale Pneumonie“ (oder Pulmonie – nicht eindeutig lesbar) und in der Rubrik: „Annähernde Zeitdauer zwischen Beginn der Erkrankung und Tod“: „Tage“ eingetragen. Bis zum Nachmittag des 31.5.2007, als Dr. M Pflaster 50μg/h an Angela R anbrachte, wurde Angela R ein Fentanylvorwiegend von Dr. B........... als Hausarzt medizinisch betreut. Er selber untersuchte Angela R vor dem 31.5.2007 zuletzt am 29.5.2007. In der Pflegedokumentation ist am 29.5.2007 um 20:39 diesbezüglich vermerkt: „keine Temperatur, Lunge oB, Blutdruck 120/70 mm Hg (Messart: Oberarm liegend)“. Am Dienstag, den 29.5.2007 um 20:39 war Angela R 4 Ergänzungsgutachten Angela R also noch von ihrem Hausarzt untersucht und es war explizit festgehalten worden, dass bezüglich der Lunge keine Bedenken und auch kein Fieber bestehen. Im Telefonat, das Dr.…...::::::::::::::::::::::: am Vormittag des Todestages, also des 1.06.2007 mit dem HA Dr. B .......... führte, um sich nach dem gesundheitlichen Zustand von Angela R Angela R zu erkundigen, sprach Dr. B ........... nur davon, dass die Nieren von schwächer werden, erwähnte aber nichts von einer Lungenproblematik oder gar Lungenentzündung. Ebenfalls wurde in den weiteren Tagen bis ihrem Todestag niemals die Diagnose Lungenentzündung gestellt oder deren Behandlung in der Pflegedokumentation vermerkt, weder von Dr. B.......... noch von Dr. M M selbst! Erstmalig bei der Totenbeschau vermerkt die Gemeindeärztin Dr. M … . im Totenbeschauschein am 1.06.2007, dass eine terminale Pneumonie über Tage bestanden hätte. Diese von der Gemeindeärztin ausschließlich in Nachhinein vermerkte Eintragung „terminale Pneumonie “ über „Tage“ steht im Widerspruch zu dem vor dem 1.06.2007 dokumentierten und beobachteten Gesundheitszustand von Angela R Totenbeschauschein an, Angela R von anderen Personen . Dr. M M gibt im wäre an einer Lungenentzündung im Sinne einer zumindest seit dem 31.05.2007 bestehenden Erkrankung über einen Zeitraum von mehreren „Tagen“ erkrankt. Dass Angela R an dieser Erkrankung gelitten habe, ist sonst niemandem aufgefallen, weder den Verwandten, noch dem HA Dr. B ............. Erstaunlicherweise hat die Gemeindeärztin selber eine Pneumonie vor der Totenbeschau der Angela R nicht festgestellt! Die Gemeindeärztin hat selber seit dem Nachmittag des 31.5.2007 die Verantwortung für die medizinische Betreuung von Angela R M übernommen. Die Gemeindeärztin :::: hatte am 31.5.2007 selbst nicht eine Lungenentzündung diagnostiziert, noch hätte sie die Diagnose und Behandlung einer Lungenentzündung oder Pneumonie in der Pflegedokumentation vermerken lassen! Es findet sich diese Diagnose Lungenentzündung weder in der Pflegedokumentation noch wurde so eine Diagnose oder überhaupt eine Lungenproblematik in der Tagen vor dem 1.6.2007 jemals an Angela R oder an die Verwandten oder das Pflegepersonal kommuniziert. Auch hatte Angela R am 31.05.2007 keinen Husten, keine für den Laien wahrnehmbaren Atembeschwerden wie Verschleimung oder ungewöhnliche Atemgeräusche und auch kein Fieber, als von Dr. M ............. die Behandlung von Angela R übernommen und das zu hoch dosierte Fentanylpflaster verordnet wurde. Dies können unter anderen Personen auch Marion K und I.... bezeugen, die am 5 Ergänzungsgutachten Angela R 31.5.2007 einige Stunden bei Angela R zu Besuch waren. Hätte Dr. M M diese Diagnose Lungenentzündung schon vor dem 1.6.2007 gestellt, so hätte sie jedenfalls die Diagnose dieser Diplomkrankenschwestern und Erkrankung der Angela R Pflegekräfte des nicht an die Alten-und Pflegeheims Windischgarsten kommuniziert. Es ist keine Diagnose Pneumonie von den Schwestern oder Pflegekräften in die Pflegedokumentation aufgenommen worden. Auch wurden von Dr. M ….... keine Anweisungen an das Pflegepersonal gegeben, die sich auf die Behandlung einer bestehenden Lungenentzündung bezogen hätten. Diesbezügliche Anweisungen bzw. Verordnungen von dementsprechenen Medikamenten scheinen in der Pflegedokumentation nicht auf. Es existiert also kein einziger realer und nachvollziehbarer Hinweis oder Beleg dafür, dass Angela R tatsächlich an einer „Lungenentzündung über mehrere Tage“ erkrankt gewesen wäre. Dr. Haberl meint in seinem ärztlichem Gutachten „…dass eine dramatische Verschlimmerung des gesundheitlichen Verfall nach Gabe des Fentanylpflasters in den vorhandenen Unterlagen nicht dokumentiert ist“. Rasseln beim Abhören, das erstmalig im zeitlichen Konnex zur Anwendung eines überdosierten Opioids auftritt, muss wohl als dramatische Verschlimmerung des gesundheitlichen Zustands gewertet werden, wenn zuvor keine Beschwerden mit der Atmung bestanden und dieser unbehandelte Zustand einer Pneumonie wenige Stunden später zum Tod der Angela R führt. Nicht berücksichtigt in der Einschätzung der Todesursache von Angela R hat Dr. Haberl, dass Angela R sich ab den Mittagstunden des 1.6.2007 in einer tiefen Bewusstlosigkeit Die befand. Pflegedokumentation wurde in diesem Punkt außerordentlich unkorrekt geführte und gibt über diese dramatische Verschlechterung des Gesundheitszustandes von Angela R Angela R R durch Bewusstlosigkeit keine Auskunft. hatte am Nachmittag ihres Todestages Besuch von Mag. R und beide haben erlebt, dass Angela R R und S über mehrere Stunden in einem Zustand von Bewusstlosigkeit war. Mag. …....... und S......... können genaue Angaben über die Art der Atmung und den sonstigen Zustand der Angela R machen. Dr. Haber schreibt in dem ärztlichen Gutachten vom 20.10.2009, dass „schon mangels Kompetenz das fachärztliche Gutachten von Dr. Glatz nicht von ihm selbst kommentiert werden kann“ und auch, dass „die gewählte Medikation, insbesondere bezüglich der Schmerzmedikamente hinsichtlich der korrekten Vorgangsweise von ihm mangels Kompetenz nicht näher beurteilt werden kann.“ Er meint: „ Wenn auch die Obduktion zur klaren Feststellung unterblieben ist, so kann grundsätzlich der Ansicht 6 Ergänzungsgutachten Angela R der die Totenbeschau vornehmenden Ärztin, Dr. M M....... gefolgt werden, dass der Tod unter den Anzeichen eines sich über längere Zeit entwickelten Marasmus senilis (Altersschwäche) mit Exsiccose eingetreten ist, wobei es terminal zu einer Lungenentzündung gekommen war.“ Und „ Es ergeben sich … im Gesambild betrachtet… keine klaren Anhaltspunkte dafür, dass der Fentanylgabe eine wesntliche Bedeutung beigemessen werden kann….“ und „ Es kann kein Beweis dafür angeboten werden, dass diese Nebenwirkungen einen wesentlichen oder gar entscheidenden Beitrag zum Todeseintritt geleistet hätten.“ Mehrmalig merkt Dr. Haberl an, dass ihm die Fachkenntnis fehle, den Sachverhalt zu kommentieren und wie es den Anschein hat, hat er auch keine weitere Informationen (Beipackzettel des Medikamentes oder Richtlinien der WHO oder der Krankenkasse) herangezogen, zittert oder beschafft (z.B. ergänzendes Gutachten) um den Sachverhalt tatsächlich so klären zu können, dass er in seinem Gutachten zu einem verlässlichen Ergebnis kommt. Dass Angela R sich laut S ….... und Mag. R …... über 7-8 Stunden vor dem Todeseintritt im Zustand einer tiefen Bewusstlosigkeit befand, wurde von Dr. Haberl nicht berücksichtigt. Der gerichtsmedizinische SV Dr. Haberl hat keine Obduktion durchgeführt. Die bruchstückhafte Aufarbeitung in diesem Gutachten rechtfertigt wohl schwerlich den vom Gutachter gebrauchten Ausdruck „Gesamtbild“, von dem er glaubt, es sich gemacht zu haben. Dr. Haberl übernimmt im ärztlichen Gutachten vom 20.10.2009 die mit keinerlei Fakten oder Beweisen untermauerte Eintragungen der Totenbeschau durch durchführenden und das zu hoch dosierte Fentanylpflaster verordnenden Gemeindeärztin Dr. M …... , dass Angela R an einer Pneumonie erkrankt gewesen wäre. Wie lange diese Pneumonie gedauert habe, bleibt im Gutachten unerwähnt, obwohl genau diese Zeitdauer von großer Aussagekraft bezüglich der wahren Todesursache ist: Szenario 1: Angela R wäre an einer Pneumonie über „Tage“ erkrankt gewesen. Dieses Szenario muss ausschließlich deswegen angedacht werden, weil die Gemeindeärztin im Totenbeschauschein erstaunlicherweise zum ersten Mal bemerkt, dass Angela R an einer „terminalen Pneumonie“ über „Tage“ erkrankt gewesen wäre. Dass Angela R tatsächlich an einer „terminalen Pneumonie“ über „Tage“ (im Sinne einer entzündlichen Erkrankung) erkrankt wäre, darauf gibt es, wie schon ausgeführt, keinerlei Hinweise. 7 Ergänzungsgutachten Angela R Dass die Gemeindeärztin Dr. M ….......... eine über Tage dauernde Lungenentzündung zwar diagnostiziert hätte, dann diese Diagnose aber niemandem mitgeteilt hätte und dann auch nicht für eine entsprechende Behandlung derselben Anweisung gegeben hätte, erscheint absurd. Auch die Verwandten von Angela R haben nichts von einer Lungenentzündung, die über Tage bestanden haben sollte, bemerkt. Maron K am 31.5.2007 mit Dr. M und Dr. M hat ein Gespräch geführt (und auf Tonband dokumentiert) ….... hat selbst in diesem Gespräch kurz vor dem Anbringen des Fentanylpflasters, in dem es ausdrücklich und ausschließlich um die Behandlung der Stomatitis und den Gesundheitszustand von Angela R ging, absolut nichts von einer Lungenproblematik oder einer Behandlung derselben erwähnt. Die Gemeindeärztin hat Angela R im Anschluss an dieses Gespräch mit einer viel zu hohen Dosis Fentanyl behandelt aber keinerlei Medikamente verordnet, die bei der Behandlung einer Lungenentzündung geboten wären. Es wurde nicht einmal Fiebermessen zur Überprüfung und Dokumentation der Temperaturentwicklung durchgeführt!! Es wäre für eine Patientin mit der Diagnose Lungenentzündung, also einer Erkrankung, die typischerweise mit eingeschränkter Lungenfunktion und Fieber einhergeht noch lebensbedrohlicher (bei nicht stattfindender Überwachung), erstmalig eine Schmerztherapie mit einem Opioidanalgetikum in Pflasterform noch dazu in viel zu hoher Dosis zu beginnen (in diesem Fall noch dazu ohne Auftitration mit kurzfristig wirkenden Opioiden). Bei erhöhter Körpertemperatur ist mit einer unkontrollierbar schnelleren Fentanylresorption und daher einer unkontrollierbar massiveren Wirkung von Fentanyl zu rechnen. Eine erstmalige Opiattherapie in Pflasterform bei Bestehen einer Lungenentzündung, besonders mit einer vielfach zu hohen Einstiegsdosis, erscheint dem Laien absolut nicht verantwortbar zu sein. Szenario 2: Angela R litt für einige Stunden kurz vor ihrem Tod an einer Pneumonie. Eine Pneumonie von nur wenigen Stunden im Zusammenhang mit einem viel zu hoch dosierten Fentanylpflaster, wie dies schon im SV-Gutachten 2008 festgestellt wurde, kann als sehr ernst zunehmendes Symptom einer Fentanylintoxikation eingeordnet werden und muss weiter überprüft und behandelt werden. Eine Pneumonie kann im Zuge der Behandlung mit zu hoch dosiertem Fentanyl und dadurch ausgelöster Atemdepression auftreten, wenn diese zu hoch dosierte Fentanyl-Behandlung nicht fachgerecht überwacht wird. Bei fachgerechter Überwachung muss bei den ersten Anzeichen von Atemdepression, wie dies auch im anästhesiologischen SV-Gutachten ausführlich beschrieben ist, gehandelt werden, um eine Verschlechterung des Zustandes der Patientin, gesundheitlichen Schaden oder gar den Tod der Patientin durch eine Fentanylintoxikation zu verhindern. 8 Ergänzungsgutachten Angela R Man darf wohl annehmen, dass es auch dem gerichtsmedizinischen Gutachter bekannt sein musste, dass eine in Folge einer zu hohen Dosierung von Fentanyl ausschließlich Stunden vor dem Tod aufgetretenen Pneumonie hochwahrscheinlich kausal durch die Wirkung des vielfach zu hochdosierten Fentanyl-Pflasters ausgelöst wurde, hatte er doch mehrfach auf das anästhesiologische Gutachten von Dr. Margot Glatz hingewiesen. Dass ein zeitlicher Konnex zwischen Anwendung des Pflasters und dem Todeseintritt besteht (ärztliches Gutachten, S16) und die Dosierung sehr hoch gewählt war, wurde von Dr. Haberl im ärztlichen Gutachten bestätigt. “ Frage 5: Können aus ärztlicher Sicht die Nebenwirkungen des vielfach zu hoch dosierten Durogesic-Pflasters mit dem Wirkstoff Fentanyl 50μg/h ohne Auftitration einen wesentlichen oder gar entscheidenden Beitrag zum Todeseintritt von Angela R ... gehabt haben? 9 Ergänzungsgutachten Angela R Die an das vorliegende Gutachten gerichteten Fragen sind wie folgt zu beantworten: Frage 1: Welche Überwachungsmaßnahmen (betreffend Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung, Puls, Blutdruck, Bewusstsein, Verengung der Pupillen, usw.) werden bei einer lege artis Behandlung und Überwachung durch das Pflegepersonals und/oder die betreuenden Ärzte nach erstmaligem Anbringen von Fentanyl-Pflasters regelmäßig oder in definierten Intervallen durchgeführt und dokumentiert? Vorerst ist festzuhalten, dass eine primäre Einstellung eines Patienten mit einem Fentanylpflaster möglich ist. Ein derartiges Vorgehen ist allerdings nicht ganz unproblematisch und für den Opioidnaiven Patienten potentiell gefährlich , da der individuelle Opioidbedarf nur schwer abzuschätzen ist. Gravierende, lebensbedrohliche Nebenwirkungen sind besonders in der ersten Therapiephase nicht auszuschließen. Um ihnen entgegen zu wirken soll in der Einstellungsphase zuerst die kleinste Pflastergröße geklebt und danach im Titrationsverfahren Schmerzintensität und die individuell richtige der Opioidempfindlichkeit des Dosierung, der Patienten entsprechend, ermittelt werden. Beachtet werden muss, dass das transdermale Fentanylpflaster ein träges, schwer steuerbares therapeutisches System darstellt und bei einem Notfall, auch nach Entfernen des Pflasters, aus dem gebildeten Hautdepot über einen Zeitraum von 16 – 20 Stunden weiterhin Fentanyl freigesetzt wird. Eine besondere Rolle bei dieser Art der primären Einstellung eines Opioid- naiven Patienten wird Nebenwirkungen der einer sorgfältigen Überwachung Opioidüberdosierung, zugedacht. wobei die Zu gefürchteten individuelle, nicht vorhersehbare Empfindlichkeit des Patienten berücksichtigt werden muss, gehören Vigilanzminderung (Bewusstseinstrübung) und Atemdepression, welche bis hin zu Sauerstoffminderversorgung der Organe und Tod führen kann. 10 Ergänzungsgutachten Angela R Bei einem Patienten mit Fentanylüberdosierung werden atemregulatorische Zentren im zentralen Nervensystem gehemmt. Dieses Phänomen ist eine Funktion der Anflutungsgeschwindigkeit ins Zentralnervensystem. Es muss mit einer Verflachung der Atmung nicht nur nach einer raschen z.B. intravenöser Gabe sondern auch wenn Opioide bei Opioid-naiven Patienten gleich zu Beginn in hohen Dosen gegeben werden, anstatt wie empfohlen, den Schmerz durch schrittweise Dosiserhöhung zu behandeln, gerechnet werden. Die physiologische, automatische, bewusstseinsunabhängige Steuerung der Sauerstoffaufnahme versagt dabei. Die nicht ausreichende, verflachte oder zu langsame Atmung hat massive Minderversorgung lebenswichtiger Organe zur Folge und führt in kürzester Zeit zum Tode. Der Restschmerz stellt bei durch zentralnervöse Einwirkung eines Opioids aufgehobener Empfindlichkeit des Atemzentrums auf Kohlestoffdioxidanreicherung im Blut, eine Art Atemstimulus dar, sodass durch Titration ein Gleichgewicht zwischen Restschmerz und atemhemmender Opioidwirkung gefunden werden muss. Auch wenn die Atemstörung das gefährlichste Symptom einer Opioidüberdosierung ist, führt doch eine Gehirnminderversorgung mit Sauerstoff, die länger als 3-5 Minuten anhält zur irreversiblen Hirnschaden, kann die Überwachung des Patienten in der Einstellungsphase nicht nur auf einen Parameter (Überwachung der Atmung) reduziert werden, da dies zu Fehlern in der Diagnose und daraus folgender Therapie führt. Beobachtet werden muss lückenlos der Patient, um allfällige gravierende Veränderungen seiner klinischen Verfassung mit möglicher Entwicklung lebensbedrohlicher Zustände zu erfassen und zu verifizieren sowie sofort die Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Zu den Standards der klinischen Überwachung eines opioidnaiven Patienten in der Einstellungsphase mit einem Opioid, im gegenständlichen Fall mit Fentanlpflaster, gehören Überprüfung: 1. der Bewusstseinslage durch Ansprache mit Augenöffnen, gezielter verbaler Reaktion oder gezielter Abwehrbewegung und falls diese getrübt ist, 2. der Atmung auf ihre Tiefe und Frequenz- kontinuierliche Überwachung 3. des Hautkolorits auf mögliche Zeichen einer Mindersauerstoffversorgung mit livider, bläulicher oder blasser Verfärbung 11 Ergänzungsgutachten Angela R 4. des Kreislaufs auf Abfall der Herzfrequenz und des Blutdrucks – engmaschige Überwachung 5. der Reflexe auf ihren Ausfall, v.a. Ausfall des Hustenreflexes mit möglicher Aspiration 6. der Pupillenreaktion mit typischer Einengung: maximalenge, stecknadelkopfgroße Pupillen. Dieses Zeichen ist nicht lebensgefährlich, jedoch typisch für Opioidwirkung Bei fortgeschrittener Opioidüberdosierung kommt es im weiteren Verlauf zum Lungenödem mit brodelndem Lungengeräusch und Koma. Selbstverständlich besteht in Österreich in allen medizinischen Einrichtungen eine Dokumentationspflicht der Patientenüberwachung. Spezifische Dokumentationsrichtlinien in den Pflegeheimen entziehen sich der Kompetenz der Unterfertigten. Auch wenn Frau Angela R ... im 92-sten Lebensjahr stand und die durchschnittliche Lebenserwartung deutlich überschritten hat, galten für sie, nach der eingeleiteten Therapie, die gleichen Überwachungsstandards, wie für jeden anderen Patienten in Österreich. Diese Standards der Überwachung, deren Dokumentation und daraus abgeleiteter Therapie der aufgetretenen gravierenden Nebenwirkungen bei Opioidüberdosierung wurden nicht eingehalten, bzw. nicht durchgeführt. Frage 2: Wurden an Angela R nach Anbringen des Fentanyl-Pflasters der Stärke 50μg/h Überwachungsmaßnahmen, wie dies lege artis ist, dokumentiert und durchgeführt bzw. welche Überwachungsmaßnahmen wurden nicht dokumentiert und durchgeführt? Die Frage kann ausschließlich durch Bewertung der vorliegenden Eintragungen in den Pflegeberichten beantwortet worden. Eine ärztliche Dokumentation liegt der Sachverständigen nicht vor. Am 31.05.2007 hat Frau R um 16 Uhr ein Fentanyl Dep. Pflaster erhalten. Der Weg der Verabreichung wurde nicht vermerkt, jedoch ist eine transdermale Gabe anzunehmen. Gleichzeitig erhielt die Verstorbene ebenfalls zur Schmerztherapie ein Mexalen Zäpfchen. 12 Ergänzungsgutachten Angela R Bei der Dosierungsangabe - Fentanyl Dep. Pfl. 50 mg- handelt sich offensichtlich um ein Dokumentationsfehler, da die Fentanylpflaster - Stärken in mcg/h (Mikrogramm in der Stunde) angegeben werden. Es ist davon auszugehen, dass Fentanyl Dep. Pfl. Stärke 50 mcg/g/h Frau R transdermal geklebt wurde. Im Pflegebericht finden sich am 31.05.2007 nach Fentanyl Pfl. Verabreichung 9 Eintragungen, davon eine „zur Nacht“ den allgemeinen Zustand der Verstorbenen betreffend „kann kaum mehr schlucken und schläft ohnehin“ offenbar als Rechtfertigung der nicht durchgeführten Dominalverabreichung. Am 01.06.2007 finden sich bis zum Tode der Bewohnerin um 19:10 insgesamt 18 Eintragungen. Um 00:49 und 1:52 wird ruhiger Schlaf dokumentiert. Um 05:54 wurde erstmalig „Atmung etwas erschwert“ vermerkt. In der Pflegedokumentation finden sich keine Eintragung darüber, welche Auswirkungen die dokumentierte erschwerte Atmung auf den Allgemeinzustand der Bewohnerin hatte, ob sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine Sauerstoffmangelversorgung manifestierte, welche pflegerische Maßnahmen aufgrund dieser, falls eingetreten, erfolgten und ob eine ärztliche Hilfe geholt worden wurde. Handelte sich doch bei diesem Zustand des beginnenden Atemversagens um eine kalkulierbare gravierende Nebenwirkung der Therapie mit Fentanyl in einer viel zu hohen Dosierung! In den Berichten für den 01.06.2007 morgens (insgesamt 6 Eintragungen) wurde angeführt, dass Frau R Medikamenteneinnahme verweigerte. Daraus ist zu schließen, dass die Kontaktaufnahme und Willensäußerung möglich waren. Das Gehen mit Unterstützung wurde der Bewohnerin angeboten. Offensichtlich hat die körperliche Verfassung von Frau R , in Einschätzung der Pflegekräfte, diese Mobilität – Aufstehen und Gehen mit Unterstützung zugelassen. Um 8:30 werden Schmerzen bei geringstem Lagewechsel geäußert und zusätzlich mit Mexalen Zäpfchen 1000 mg behandelt. Vormittags hat die Bewohnerin die Nahrungsaufnahme verweigert. Aus den dokumentierten Schmerz-und Willensäußerungen von Frau R , auch wenn nicht ausdrücklich vermerkt, ist zu schließen, dass sie bis 11:45 bei Bewusstsein war, bzw. weckbar und imstande ihren Willen durchzusetzen. 13 Ergänzungsgutachten Angela R Eine eindeutige Veränderung der körperlichen und psychischen Verfassung wurde um 14:57 – brodelndes Lungengeräusch, ohne auf die Bewusstseinslage der Bewohnerin einzugehen, dokumentiert. Spätestens ab diesen Zeitpunkt besteht der Verdacht einer Opioidüberdosierung. Eine klinische Überprüfung der vitalen Funktionen, wie der Bewusstseinslage, ausreichender Atmung mit ausreichender Sauerstoffaufnahme, Herzfrequenz und des Blutdruck hätte vorgenommen und lückenlos durchgeführt werden müssen. Die Bewertung der Pupillenenge hätte einen eindeutigen Hinweis auf Opioidüberdosierung liefern müssen. Die Patientin wurde in diesem Zustand von Dr. B ran........ untersucht. Die Eintragung im Pflegebericht „Dr. B rand....... über die ärzt. Maßnahmen von Dr. Marb........... informiert.“ ist nicht eindeutig zuordenbar. War damit die Behandlung mit hochdosiertem, hochpotentem Opioid gemeint? Wurde Herr Dr. B ran........ auf die neu eingeleitete Medikation und die sehr hohe Dosis von den Pflegekräften aufmerksam gemacht? Herr Dr. Bra......... hätte in Anbetracht der vorangegangen Medikation, nach oben in Beantwortung der Frage 1, angeführten Richtlinien entsprechende zwingende weitere Untersuchungen (Fr. R wurde nur abgehorcht) und daraus resultierende Therapie unternehmen müssen. Um 15:38 ist eine Korrektur zu Maßnahmen vermerkt – „Mittagsmed. wurden nicht eingenommen“. Ob die Verstorbene die Medikamente, wie am gleichen Tag morgens verweigert hat, ist nicht dokumentiert. Vielmehr bekommt man den Eindruck, dass es ihr wegen der Vigilanzminderung nicht mehr möglich war. Eine Dokumentation der Bewusstseinslage und der Atmung findet sich auch bei dieser Anmerkung nicht. Um 16:30 wurde die Bewohnerin Oberkörper hochgelagert. Es kann als Hinweis für die nicht ausreichende Atmung gedeutet werden. Diese Maßnahme hätte demnach Besserung der Atmung bewirken sollen. Um 19:50 ist ab ca. 18:45 deutlich schlechterer Allgemeinzustand, ohne es näher zu bewerten, eingetragen. Einige Minuten später ist Frau R verstorben. 14 Ergänzungsgutachten Angela R Zusammenfassend zeichnet sich trotz mangelhafter Überwachung und Dokumentation der Vitalparameter der Bewohnerin: des Bewusstseinszustandes, der Atmung und des Kreislaufs der Verstorbenen, ein gravierender gesundheitlicher Verfall ihres Allgemeinzustandes mit Versagen der wichtigen Lebensfunktionen: des Bewusstseins und der Atmung ab. Diese Veränderung des Allgemeinzustands von Angela R lässt sich ab 14:57, mit Hinweis für sich ankündigende Verschlechterung ab 5:54, verfolgen und steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wirkung des potenten, zu hochdosiertem Opioids Fentanyl. Die Dokumentation ist aus der Sicht der Sachverständigen mangelhaft und inkonsistent. Wenngleich am 1.06.2007 bis zum Tod von Angela R um 19:10, 19 pflegerische Eintragungen dokumentiert sind, beziehen sie sich auf Nachweise der unternommenen oder nicht durchgeführten pflegerischen Leistungen und nicht auf die Risikoeinschätzung. Desweiterem lässt sich keine Fokussierung auf das akut aufgetretene Problem des rapiden Verfalls der lebenswichtigen Körperfunktionen wie Atmung und Bewusstsein ausmachen. Die Überwachung und Dokumentation der Vitalparameter nach dem Anbringen des Fentanylpflasters in einer vielfach zu hohen Dosierung waren nicht den oben angeführten, geltenden Standards entsprechend sorgfältig und lückenlos durchgeführt und damit nicht lege artis. Frage 3: Wie erfolgt lege artis eine Überprüfung des untersuchenden und behandelnden Arztes bei einer Erstbehandlung mit Fentanyl -Pflaster 50μg/h, wenn bei der Patientin Bewusstlosigkeit und Atembeschwerden (unter anderem rasselnde Atmung als neu aufgetretenes Symptom) auftreten, um festzustellen, ob die bei der Patientin auftretenden Symptome auf die Nebenwirkungen von Fentanyl in zu hoher Dosis also auf eine Fentanylintoxikation zurückzuführen sind oder eine andere Ursache haben ? Welche Untersuchungen und Behandlungen muss der behandelnde Arzt zur Differentialdiagnose durchführen und welche Symptome weisen normalerweise bei einer Untersuchung durch den Arzt auf eine Fentanylvergiftung hin? 15 Ergänzungsgutachten Angela R Die opioidinduzierte Dämpfung des zentralen Nervensystems führt, je nach Dosis zu einer Bewusstseinstrübung von leichter Sedation bis zum tiefen Koma, zur dosisabhängigen interindividuell ausgeprägten Verflachung der Atmung bis zum Sistieren der Atmung und Versagen des Kreislaufs mit Auftreten einer zentral vermittelten Bradykardie. Bei mild ausgeprägter Verlaufsform, im Anfangsstadium, besteht eine Hypoventilation mit Minderbelüftung der Lunge. Typisch für diese, nur unter Opioidintoxikation auftretende Art der Ventilation , ist die sogenannte Kommandoatmung, ein Zustand in dem der Betroffene einer Aufforderung zum aktiven Atmen nachkommt. Eine ständige, laut ausgesprochene Aufforderung zur Atmung, gepaart mit Verbleiben beim Patienten und Sauerstoffaufnahme Überprüfung kann in leichten Fällen einer Opioidüberdosierung ausreichend sein. Extreme Pupillenverengung (Miosis) ohne Dunkeladaptation (Pupillenverengung bleibt in der Dunkelheit bestehen) ist ebenfalls charakteristisch für Opioidwirkung und ein wichtiges differentialdiagnostisches Symptom. Die Diagnose einer Opioidintoxikation ist immer anhand des klinischen Zustands des Patienten zu treffen. Die Empfindlichkeit eines Behandelten den Opioiden gegenüber ist immer interindividuell und schwer vorhersehbar. Es ist dennoch allgemein bekannt, dass alte und/oder geschwächte Patienten auf Opioide mit verstärkter und verlängerter Wirkung reagieren, das Risiko einer Bewusstseinstrübung und Atemdepression erhöht ist und ernste Nebenwirkungen bei dieser Patientengruppe des Öfteren auftreten. Schließlich ist ein Patient mit Bewusstlosigkeit und Atembeschwerden stets als Notfallpatient anzusehen, da er sich in einen Gesundheitszustand befindet, in dem unmittelbare Gefahr für seine Gesundheit oder Leben bestehet. Eine genaue Diagnose und gleichzeitig eingeleitete Sofortmaßnahmen zur Erhaltung der Lebensfunktionen gehören dabei zu Grundaufgaben aller Angehörigen der Pflegeberufe 16 Ergänzungsgutachten Angela R Eine opiodinduzierte Bewusstseinstrübung, vor allem wenn sie mit einer Atemdepression verknüpft ist, wird mit Morphinantagonist Naloxon behandelt. Naloxon ist Mittel der Wahl bei einer vermuteten Opioidüberdosierung. Es wirkt spezifisch der Morphinwirkung entgegen, bindet im zentralen Nervensystem an Rezeptoren und verdrängt andere Morphine. Durch das besondere Rezeptorbindungsvermögen hebt es Wirkungen, die durch Opioide verursacht werden, sofort auf. Im Zusammenhang mit Atemdepression bzw. Atemstillstand angewandt, wirkt Naloxon, intravenös gegeben, innerhalb von Sekunden. Wenn nach Gabe von einer Ampulle Naloxon keinerlei Wirkung beobachtet wird, sollte die Diagnose einer opioidbedingten Vergiftung in Frage gestellt werden. Durch Gabe des Arzneimittels Naloxon kann mit absoluter Sicherheit festgestellt werden, ob eine Bewusstseinstrübung und/oder Atemdepression durch Präparate aus der Gruppe der Opioide bedingt sind. Frage 4: Ist es lege artis bei gegebenem Verdacht auf eine Fentanylintoxikation unverzüglich an Hand des Zustandes der Patientin zu diagnostizieren und gegebenenfalls Notfallmaßnahmen einzuleiten? gegebenen Verdacht auf Fentanylüberdosierung, das eine Oder ist fortgeschrittene Ergebnis einer es lege artis beim Fentanylintoxikation bzw. Blutspiegelbestimmung hinsichtlich Fentanyl abzuwarten und damit die Diagnose und eine eventuelle Behandlung um zumindest etliche Stunden zu verzögern, auch wenn schon Symptome einer Atemdepression und Bewusstlosigkeit bestehen? Auch wenn über eine Blutspiegelbestimmung die quantitative Aussage über Blutkonzentration eines Medikamentes, im gegenständlichen Fall des Opioid Fentanyl, getroffen werden kann, so ist diese labormedizinische Methode absolut ungeeignet eine Fentanylüberdosierung – Intoxikation im klinischem Bereich am Patienten zu überwachen oder nachzuweisen und findet in der klinischen Praxis nie Anwendung. 17 Ergänzungsgutachten Angela R Die Nebenwirkung eines Medikamentes, bei Einhalten der vorgeschrieben Dosierungen, ist eine neben der beabsichtigten Hauptwirkung auftretende Wirkung, die klinisch überprüfbar ist und in der Regel mit individueller Empfindlichkeit des Patienten zusammenhängt und im allgemeinen Sprachgebrauch die Bezeichnung unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) trägt. Im Falle einer Therapie mit den meisten Opioiden werden keine Dosierungen vorgeschrieben. Die individuell richtige Dosis wird individuell im Titrationsverfahren ermittelt, wobei die therapeutische Wirkung den UAW entgegengestellt wird. Wenn Nebenwirkungen gravierend sind oder gravierende Nebenwirkungen zu erwarten sind, wird von einer Überdosierung gesprochen. Zu den befürchteten, dosisabhängigen, unerwünschten Effekten der Opioidtherapie, wie bereits oben ausgeführt, zählen zentralnervöse Symptome, Vigilanzminderung und Atemdepression, welche intraindividuell von Patienten zu Patienten in ihrer Ausprägung variieren und starke individuelle Dosisabhängigkeit aufweisen. Bei schmerzorientierter Gabe von Opioiden tritt in der Regel keine klinisch relevante Atemdepression und Vigilanzminderung auf. Solange sich die Opioidgabe im Sinne einer Medikamenttitration am Ausmaß der Schmerzreduktion orientiert und eine Überdosierung vermieden wird. Schmerz ist bezüglich Atemdepression ein Opioidantagonist. Bei opioidbedingter Atemstörung ist Sauerstoffzufuhr die erste therapeutische Sofortmaßnahme. Ein genaues Monitoring der Atmung und der Sauerstoffaufnahme zählen dabei zu Standardüberwachung. Sollte die Atmung des Patienten sich trotz Sauerstoffgabe und Aufforderung regelmäßig zu atmen (Kommandoatmung) nicht bessern, können Intubation und künstliche Beatmung mit Krankenhausaufnahme und intensivmedizinischer Behandlung notwendig werden. Eine weitere gravierende Dysregulation betrifft den Kreislauf. Bradykardie und Hypotonie können Minderperfusion der Organe und damit den Zellentod verursachen. In Therapie der Kreislaufdysfunktion sind Infusionen und andere den Kreislauf stützende Medikamente notwendig. 18 Ergänzungsgutachten Angela R Eine Minderung oder Versagen der Atmung und Auftreten gravierender Kreislaufdysregulation sind, wie bereits oben ausgeführt wurde, als akut, vital bedrohliche Störungen zu werten. Parallel zur besprochenen Notfalldiagnostik, gehört sofortiges Handeln mit Setzen der lebensrettenden Maßnahmen zum dauerhaften Wiederherstellen dieser lebenswichtigen Körperfunktionen zu medizinischen Standards. Frage 5: Können aus ärztlicher Sicht die Nebenwirkungen des vielfach zu hoch dosierten Durogesic-Pflasters mit dem Wirkstoff Fentanyl 50μg/h ohne Auftitration einen wesentlichen oder gar entscheidenden Beitrag zum Todeseintritt von Angela R gehabt haben? Das vielfach als Morphin potentere Opioid Fentanyl kann, wenn bei Schmerzpatienten überdosiert, ZNS-Depression verursachen. Das akute Bild weist im Wesentlichen ausgeprägte, wie bereits ausgeführt, Sedierung (Schlaf aus dem der Behandelte, solange das Medikament wirkt, nicht geweckt werden kann), Störung der Atmung, wobei die Atemdepression mit Verflachung und Entwicklung eines Lungenödems besonders hervorzuheben ist, Verfall des Kreislaufs und für diese Substanzgruppe pathognomonische Verengung der Pupillen - Miosis . Das letzte Symptom, bereits für sich alleine genommen, wäre hinreichend für sichere Diagnosestellung. Seit vielen Jahren werden in der medizinischen Fachliteratur Todesfälle in Zusammenhang fentanylhaltigen berichtet. Die mit Empfehlungen für transdermalen Fachpersonen, therapeutischen welche Systemen Fentanylpflaster zur Schmerztherapie anwenden, wurden in den Fachartikeln und Produktbeschreibung vielfach publiziert. 19 Ergänzungsgutachten Angela R Es wird eindringlich darauf hingewiesen, trotz der leichten Anwendungsart das Fentanyl-Pflaster nicht zu verharmlosen, es nur gemäß Indikation bei starken, prolongierten Schmerzen und unzureichender Wirksamkeit anderer Analgetika zu applizieren. Ferner müssen die vorgeschriebene Einstiegdosierung und Applikationsintervall eingehalten werden. Die anwendenden Ärzte und Pflegepersonal müssen auf die Gefahr der tödlichen Atemdepression bei Überdosierung von Fentanylpflaster und daraus abgeleiteten besonderen Überwachung des Patienten, geschult werden. Aus den Pflegeberichten, auch wenn die gesichtete Dokumentation unzureichend und mangelhaft ist, kann geschlossen werden, dass die Bewusstseinsstörung und Atemdepression, welche unbehandelt, R Symptome der schließlich bei Frau zum Tode geführt haben, im zeitlichen Zusammenhang mit Wirkentwicklung des starken Opioid Fentanyl Depot Pflaster stehen und typische Effekte der Richtlinien einer Fentanylüberdosierung darstellen. Nochmals wird darauf hingewiesen, dass entgegen zur Schmerzbehandlung mit starken Opioiden, eine vierfache Dosis des Medikamentes Fentanyl ohne Titrationsverfahren bei geschwächtem, altem und opioidnaivem Patienten, Frau Angela R , zur Anwendung kam, die Überwachungsauflagen für diese Therapie nicht erfüllt wurden und keine Schritte zur Aufhebung der Fentanylwirkung mit dem Antidotum Naloxon unternommen wurden. Diese Medikation mit Fentanylpflaster in einer viel zu hohen Dosierung wurde von Frau Dr.M.............. vorgenommen, obgleich sie am 31.05.2007 um 15:40 lt. Pflegedokumentation in einem ausführlichen Gespräch mit den Angehörigen, diese über den schlechten gesundheitlichen Zustand von Frau Angela R ... aufgeklärt hatte. Für die post mortem gestellte Diagnose einer Pneumonie finden sich in der Pflegedokumentation keine Hinweise, noch wurde die entsprechende Behandlung angedacht. Ein brodelndes Atemgeräusch und Entwicklung von Lungenödem sind Folgesymptome einer fortgeschrittenen Atemdepression und typisch für eine Opioidüberdosierung. 20 Ergänzungsgutachten Angela R Abschließend muss noch angemerkt werden, angenommen bei Frau R hätte sich tatsächlich eine Lungenentzündung entwickelt, wäre eine erstmalige Schmerztherapie mit einem Opioidanalgetikum in Pflasterform, in viel zu hoher Initialdosis, bei nicht stattfindender Überwachung, noch lebensbedrohlicher für Frau R als ohne diese Erkrankung. Der schlechte Allgemeinzustand ihrer Patientin war lt. Pflegedokumentation den behandelnden Ärzten bekannt. Dr. Margot Glatz 21