Gutachten Mai 2012

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Ergänzungsgutachten Angela R
Dr. Margot Glatz
Fachärztin für Anästhesiologie und Intensivmedizin
Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie
Allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige
Diplom der ÖAK-Spezielle Schmerztherapie
3100 St.Pölten Ärztezentrum, J.R
Promenade 7
Tel. 02742 26958
St. Pölten, am 7. Mai 2012
SCHMERZMEDIZINISCHES ERGÄNZUNGSGUTACHTEN
Auftraggeber:
Frau Marion K
2232 Deutsch Wagram
Anton Bruckner Gasse 1
Betreff: R
Angela, geb. am 29.6.1915, verst. am 1.06.2007
Wegen: Todesursache/Behandlungsfehler
Das vorliegende Gutachten wird über schriftlichen Auftrag von Frau Marion K
Enkelin
der Verstorbenen vom 16.02.2012 erstattet. Es schließt an die eigenen Gutachten von
21.09.2008, 02.02.2009 und 10.04.2009 an und ergänzt diese.
Folgende neu eingetroffene Unterlagen sind vorhanden:
-
Brief der Auftraggeberin
-
Ärztliches
Sachverständigengutachten
verfasst
von
Dr.
J.
Haberl,
Sachverständigen für Gerichtsmedizin vom 20.10.2009
-
Pflegebericht für den Zeitraum 01.05. – 01.06.2007
Aus dem Brief der Auftraggeberin
1
Ergänzungsgutachten Angela R
Die Beantwortung mehrerer Fragen des anästhesiologischen SV-Gutachtens vom
10.4.2009 legt ausführlich dar, dass eine lege artis Behandlung mit Opioiden des
älteren und zusätzlich noch geschwächten Patienten eine besonders sorgfältige
Überwachung in der Einstellungsphase erfordert. Opioide können beim alten Patienten
länger und stärker wirken. Es gehe aus den Aufzeichnungen der Pflegedokumentation,
die der Gutachterin zur Verfügung standen nicht hervor, dass die Atmung und der
Bewusstseinszustand von Angela R
sorgfältig und auch genauer, als vor der
Anbringung des Fentanylpflasters überwacht wurden. Es fanden sich in der
Pflegedokumentation vom 31.5.2007 bis 1.6.2007 weder Aufzeichnungen über eine
Überwachung noch über die Art einer Überwachung von Angela R
.
Frage 1:
Welche Überwachungsmaßnahmen (betreffend Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung,
Puls, Blutdruck, Bewusstsein, Verengung der Pupillen, usw.) werden bei einer lege
artis Behandlung und Überwachung durch das Pflegepersonals und/oder die
betreuenden Ärzte nach erstmaligem Anbringen von Fentanyl-Pflasters regelmäßig
oder in definierten Intervallen durchgeführt und dokumentiert ?
Frage 2:
Wurden an Angela R
nach Anbringen des Fentanyl-Pflasters der Stärke 50μg/h
Überwachungsmaßnahmen, wie dies lege artis ist, dokumentiert und durchgeführt bzw.
welche Überwachungsmaßnahmen wurden nicht dokumentiert und durchgeführt?
Frage 3:
Wie erfolgt lege artis eine Überprüfung des untersuchenden und behandelnden Arztes
bei einer Erstbehandlung mit Fentanyl -Pflaster 50μg/h, wenn bei der Patientin
Bewusstlosigkeit und Atembeschwerden (unter anderem rasselnde Atmung als neu
aufgetretenes Symptom) auftreten, um festzustellen, ob die bei der Patientin
auftretenden Symptome auf die Nebenwirkungen von Fentanyl in zu hoher Dosis also
auf eine Fentanylintoxikation zurückzuführen sind oder eine andere Ursache haben ?
Welche
Untersuchungen
und
Behandlungen
muss
der
behandelnde Arzt
zur
Differentialdiagnose durchführen und welche Symptome weisen normalerweise bei
einer Untersuchung durch den Arzt auf eine Fentanylvergiftung hin?
Die Auftraggeberin führt in Erläuterung dieser Frage aus;
„Im ärztlichen Gutachten von Dr. Haberl wird auf Seite 19 zur Frage 22 des
anästhesiologischen SV-Gutachten vom 10.4.2009, ob es für Dr. B
war, dass bei Angela R
erkennbar
eine Überdosis Fentanyl verordnet wurde, angeführt, dass
2
Ergänzungsgutachten Angela R
„eine Überdosierung mit entsprechender quantitativer Auswirkung mangels einer
Blutspiegelbestimmung
nicht
eindeutig
verifizierbar
ist.“
Dem
informierten
medizinischen Laien erscheint es unlogisch, dass der Fentanylspiegel im Blut eine
Aussagekraft bezüglich einer Fentanyl-Vergiftung bzw. dem Ausmaß einer solchen
Fentanylvergiftung haben soll, hängt doch das Ansprechen und auch die allgemeine
Reaktion auf Fentanyl hauptsächlich von der Gewöhnung an Opioide ab aber auch von
individuellen Faktoren. Bei lege artis Anwendung von Durogesic- Pflaster (wie dies
sowohl im Beipackzettel von Durogesic-Pflaster, als auch von den WHO wegen der
hohen Toxizität und der Gefahr von tödlichen Nebenwirkungen dringend empfohlen
wird), also einer langsamen und schrittweisen Auftitration und daher Gewöhnung an
diese Suchtsubstanz, verträgt der lege artis auf Opioide eingestellte Patient sehr viel
höhere Dosen als der nicht an Opioide gewöhnte Patient. Als Laie erscheint es logisch,
dass eher die Gewöhnung des Patienten an Opioide und auch individuellen
Einflussgrößen, wie z.B. das Alter des Patienten wesentliche und zu beachtende
Größen sind, die bei der Einschätzung und Diagnose von Fentanyl-Intoxikation
brauchbar sind.“
Frage 4:
Ist es lege artis bei gegebenem Verdacht auf eine Fentanylintoxikation unverzüglich an
Hand
des
Zustandes
der
Patientin
zu
diagnostizieren
und
gegebenenfalls
Notfallmaßnahmen einzuleiten? Oder ist es lege artis beim gegebenen Verdacht auf
eine fortgeschrittene Fentanylintoxikation bzw. Fentanylüberdosierung, das Ergebnis
einer Blutspiegelbestimmung hinsichtlich Fentanyl abzuwarten und damit die Diagnose
und eine eventuelle Behandlung um zumindest etliche Stunden zu verzögern, auch
wenn schon Symptome einer Atemdepression und Bewusstlosigkeit bestehen?
Ferner legt die Auftraggeberin dar:
„Symptome, die bei einer Fentanylintoxikation auftreten können, entwickelten sich
bei Angela R
, nachvollziehbar an Hand der Pflegedokumentation und der
Beobachtungen der Angehörigen von Angela R
, in zeitlichem Zusammenhang mit
dem Kleben des Fentanyl-Pflasters 50μg/h (ohne dass die von der WHO oder gemäß
dem Beipackzettel dringend empfohlene Dosisanpassung mit kurzfristig wirksamen
Opioiden durchgeführt worden wäre) erstmals und nur einige Stunden vor dem
Todeseintritt am 1.6.2007. Mit diesen Symptomen muss bei vielfach zu hoch
gewählter Anfangsdosierung Fentanyl in diesem Zeitabstand zum Kleben des Pflasters
gerechnet werden. Es sollte in den ersten Tagen der Anfangsphase einer lege artis
Behandlung mit Fentanyl-Pflaster eine fachgerechte Überwachung der Patientin
3
Ergänzungsgutachten Angela R
erfolgen.
Angela R
war als alte Patientin geschwächt gewesen durch tagelange Einschränkung
de Nahrungszufuhr wegen einer äußerst schmerzhaften Stomatitis. Eine Reduktion und
nicht eine Vervielfachung der normalen Einstiegsdosis der hochtoxischen Substanz
Fentanyl wäre angesichts des Alters und der Schwächung der Patientin angebracht
gewesen.
Wie schon im anästhesiologischen Gutachten vom 21.9.2008 geklärt, entwickelt sich
ein solcher Umstand von Pneumonie sehr leicht als Folge einer insuffizienten Atmung
bei einer durch Fentanylüberdosierung verursachten Atemdepression. Der Schleim
kann bei einer durch Fentanylüberdosierung verursachten Atemdepression nicht
abgehustet werden. Die durch Abflachung der Atmung entstehenden kollabierten
Lungenabschnitte
führen
zur
Verminderung
der
Gasaustauschfläche,
Sauerstoffminderversorgung und Bildung von Pneumonie. Die insuffiziente Atmung ist
die gefürchtete Folge von Opiatüberdosierung.
Diesbezügliche Eintragungen in der Pflegedokumentation von Angela R
waren:
1.6.2007 5:54 Atmung etwas erschwert (ca. 14 Stunden nach Applikation des zu
hochdosierten Fentanylpflasters)
1.6.2007 14:57 Bewohnerin hat ein brodelndes Lungengeräusch - Dr.Br hat
sieabgehorcht. Keine Infusionen mehr geben. (ca. 23 Stunden nach Applikation des zu
hoch dosierten Fentanylpflasters)
Symptome einer Pneumonie, wie sie für eine Atemdepression typisch sind, bestanden
bei Angela R
, wie in der Pflegedokumentation vermerkt, nur einige Stunden vor
ihrem Tod.
Im Totenbeschauschein von Angela R
wurde von der Gemeindeärztin Dr. M
:::::
in der Rubrik „Allfällige Folgekrankheiten, welche den Tod unmittelbar herbeigeführt
haben“ „terminale Pneumonie“ (oder Pulmonie – nicht eindeutig lesbar) und in der
Rubrik: „Annähernde Zeitdauer zwischen Beginn der Erkrankung und Tod“: „Tage“
eingetragen. Bis zum Nachmittag des 31.5.2007, als Dr. M
Pflaster 50μg/h an Angela R
anbrachte, wurde Angela R
ein Fentanylvorwiegend von Dr.
B........... als Hausarzt medizinisch betreut. Er selber untersuchte Angela R
vor dem
31.5.2007 zuletzt am 29.5.2007. In der Pflegedokumentation ist am 29.5.2007 um
20:39 diesbezüglich vermerkt: „keine Temperatur, Lunge oB, Blutdruck 120/70 mm Hg
(Messart: Oberarm liegend)“. Am Dienstag, den 29.5.2007 um 20:39 war Angela R
4
Ergänzungsgutachten Angela R
also noch von ihrem Hausarzt untersucht und es war explizit festgehalten worden,
dass bezüglich der Lunge keine Bedenken und auch kein Fieber bestehen. Im
Telefonat, das Dr.…...::::::::::::::::::::::: am Vormittag des Todestages, also des
1.06.2007 mit dem HA Dr. B .......... führte, um sich nach dem gesundheitlichen Zustand
von Angela R
Angela R
zu erkundigen, sprach Dr. B ........... nur davon, dass die Nieren von
schwächer werden, erwähnte aber nichts von einer Lungenproblematik
oder gar Lungenentzündung. Ebenfalls wurde in den weiteren Tagen bis ihrem
Todestag niemals die Diagnose Lungenentzündung gestellt oder deren Behandlung in
der Pflegedokumentation vermerkt, weder von Dr. B.......... noch von Dr. M
M
selbst!
Erstmalig bei der Totenbeschau vermerkt die Gemeindeärztin Dr. M
… . im
Totenbeschauschein am 1.06.2007, dass eine terminale Pneumonie über Tage
bestanden hätte. Diese von der Gemeindeärztin ausschließlich in Nachhinein
vermerkte Eintragung „terminale Pneumonie “ über „Tage“ steht im Widerspruch
zu
dem
vor
dem
1.06.2007
dokumentierten
und
beobachteten Gesundheitszustand von Angela R
Totenbeschauschein an, Angela R
von
anderen
Personen
. Dr. M
M
gibt im
wäre an einer Lungenentzündung im Sinne einer
zumindest seit dem 31.05.2007 bestehenden Erkrankung über einen Zeitraum von
mehreren „Tagen“ erkrankt. Dass Angela R
an dieser Erkrankung gelitten habe, ist
sonst niemandem aufgefallen, weder den Verwandten, noch dem HA Dr. B .............
Erstaunlicherweise hat die Gemeindeärztin selber eine Pneumonie vor der
Totenbeschau der Angela R
nicht festgestellt!
Die Gemeindeärztin hat selber seit dem Nachmittag des 31.5.2007 die Verantwortung
für die medizinische Betreuung von Angela R
M
übernommen. Die Gemeindeärztin
:::: hatte am 31.5.2007 selbst nicht eine Lungenentzündung diagnostiziert,
noch hätte sie die Diagnose und Behandlung einer Lungenentzündung oder
Pneumonie in der Pflegedokumentation vermerken lassen! Es findet sich diese
Diagnose Lungenentzündung weder in der Pflegedokumentation noch wurde so
eine Diagnose oder überhaupt eine Lungenproblematik in der Tagen vor dem
1.6.2007 jemals an Angela R
oder an die Verwandten oder das Pflegepersonal
kommuniziert. Auch hatte Angela R
am 31.05.2007 keinen Husten, keine für den
Laien wahrnehmbaren Atembeschwerden wie Verschleimung oder ungewöhnliche
Atemgeräusche und auch kein Fieber, als von Dr. M ............. die Behandlung von
Angela R
übernommen und das zu hoch dosierte Fentanylpflaster verordnet wurde.
Dies können unter anderen Personen auch Marion K
und I.... bezeugen, die am
5
Ergänzungsgutachten Angela R
31.5.2007 einige Stunden bei Angela R
zu Besuch waren. Hätte Dr. M
M
diese Diagnose Lungenentzündung schon vor dem 1.6.2007 gestellt, so hätte sie
jedenfalls die Diagnose dieser
Diplomkrankenschwestern
und
Erkrankung der Angela R
Pflegekräfte
des
nicht an die
Alten-und
Pflegeheims
Windischgarsten kommuniziert. Es ist keine Diagnose Pneumonie von den
Schwestern oder Pflegekräften in die Pflegedokumentation aufgenommen worden.
Auch wurden von Dr. M
….... keine Anweisungen an das Pflegepersonal
gegeben, die sich auf die Behandlung einer bestehenden Lungenentzündung
bezogen
hätten.
Diesbezügliche
Anweisungen
bzw.
Verordnungen
von
dementsprechenen Medikamenten scheinen in der Pflegedokumentation nicht auf.
Es existiert also kein einziger realer und nachvollziehbarer Hinweis oder Beleg
dafür, dass Angela R
tatsächlich an einer „Lungenentzündung über mehrere
Tage“ erkrankt gewesen wäre.
Dr. Haberl meint in seinem ärztlichem Gutachten „…dass eine dramatische
Verschlimmerung des gesundheitlichen Verfall nach Gabe des Fentanylpflasters in den
vorhandenen Unterlagen nicht dokumentiert ist“. Rasseln beim Abhören, das erstmalig
im zeitlichen Konnex zur Anwendung eines überdosierten Opioids auftritt, muss wohl
als dramatische Verschlimmerung des gesundheitlichen Zustands gewertet werden,
wenn zuvor keine Beschwerden mit der Atmung bestanden und dieser unbehandelte
Zustand einer Pneumonie wenige Stunden später zum Tod der Angela R
führt.
Nicht berücksichtigt in der Einschätzung der Todesursache von Angela R
hat Dr.
Haberl, dass Angela R
sich ab den Mittagstunden des 1.6.2007 in einer tiefen
Bewusstlosigkeit
Die
befand.
Pflegedokumentation
wurde
in
diesem
Punkt
außerordentlich unkorrekt geführte und gibt über diese dramatische Verschlechterung
des Gesundheitszustandes von Angela R
Angela R
R
durch Bewusstlosigkeit keine Auskunft.
hatte am Nachmittag ihres Todestages Besuch von Mag. R
und beide haben erlebt, dass Angela R
R
und S
über mehrere Stunden in einem Zustand
von Bewusstlosigkeit war. Mag. …....... und S......... können genaue Angaben über die
Art der Atmung und den sonstigen Zustand der Angela R
machen.
Dr. Haber schreibt in dem ärztlichen Gutachten vom 20.10.2009, dass „schon mangels
Kompetenz das fachärztliche Gutachten von Dr. Glatz nicht von ihm selbst
kommentiert werden kann“ und auch, dass „die gewählte Medikation, insbesondere
bezüglich der Schmerzmedikamente hinsichtlich der korrekten Vorgangsweise von ihm
mangels Kompetenz nicht näher beurteilt werden kann.“ Er meint: „ Wenn auch die
Obduktion zur klaren Feststellung unterblieben ist, so kann grundsätzlich der Ansicht
6
Ergänzungsgutachten Angela R
der die Totenbeschau vornehmenden Ärztin, Dr. M
M....... gefolgt werden, dass
der Tod unter den Anzeichen eines sich über längere Zeit entwickelten Marasmus
senilis (Altersschwäche) mit Exsiccose eingetreten ist, wobei es terminal zu einer
Lungenentzündung gekommen war.“ Und „ Es ergeben sich … im Gesambild
betrachtet… keine klaren Anhaltspunkte dafür, dass der Fentanylgabe eine wesntliche
Bedeutung beigemessen werden kann….“ und „ Es kann kein Beweis dafür angeboten
werden,
dass diese Nebenwirkungen einen wesentlichen oder gar entscheidenden
Beitrag zum Todeseintritt geleistet hätten.“
Mehrmalig merkt Dr. Haberl an, dass ihm die Fachkenntnis fehle, den Sachverhalt zu
kommentieren und wie es den Anschein hat, hat er auch keine weitere Informationen
(Beipackzettel des Medikamentes oder Richtlinien der WHO oder der Krankenkasse)
herangezogen,
zittert
oder
beschafft
(z.B.
ergänzendes
Gutachten)
um
den
Sachverhalt tatsächlich so klären zu können, dass er in seinem Gutachten zu einem
verlässlichen Ergebnis kommt. Dass Angela R
sich laut S ….... und Mag. R
…...
über 7-8 Stunden vor dem Todeseintritt im Zustand einer tiefen Bewusstlosigkeit
befand, wurde von Dr. Haberl nicht berücksichtigt. Der gerichtsmedizinische SV Dr.
Haberl hat keine Obduktion durchgeführt. Die bruchstückhafte Aufarbeitung in diesem
Gutachten rechtfertigt wohl schwerlich den vom Gutachter gebrauchten Ausdruck
„Gesamtbild“, von dem er glaubt, es sich gemacht zu haben.
Dr. Haberl übernimmt im ärztlichen Gutachten vom 20.10.2009 die mit keinerlei Fakten
oder Beweisen untermauerte Eintragungen der Totenbeschau durch durchführenden
und das zu hoch dosierte Fentanylpflaster verordnenden Gemeindeärztin
Dr. M
…... , dass Angela R
an einer Pneumonie erkrankt gewesen wäre. Wie lange
diese Pneumonie gedauert habe, bleibt im Gutachten unerwähnt, obwohl genau diese
Zeitdauer von großer Aussagekraft bezüglich der wahren Todesursache ist:
Szenario 1: Angela R
wäre an einer Pneumonie über „Tage“ erkrankt gewesen.
Dieses Szenario muss ausschließlich deswegen angedacht werden, weil die
Gemeindeärztin im Totenbeschauschein erstaunlicherweise zum ersten Mal bemerkt,
dass Angela R
an einer „terminalen Pneumonie“ über „Tage“ erkrankt gewesen
wäre.
Dass Angela R
tatsächlich an einer „terminalen Pneumonie“ über „Tage“ (im
Sinne einer entzündlichen Erkrankung) erkrankt wäre, darauf gibt es, wie schon
ausgeführt, keinerlei Hinweise.
7
Ergänzungsgutachten Angela R
Dass die Gemeindeärztin Dr. M ….......... eine über Tage dauernde Lungenentzündung
zwar diagnostiziert hätte, dann diese Diagnose aber niemandem mitgeteilt hätte und
dann auch nicht für eine entsprechende Behandlung derselben Anweisung gegeben
hätte, erscheint absurd. Auch die Verwandten von Angela R
haben nichts von einer
Lungenentzündung, die über Tage bestanden haben sollte, bemerkt. Maron K
am 31.5.2007 mit Dr. M
und Dr. M
hat
ein Gespräch geführt (und auf Tonband dokumentiert)
….... hat selbst in diesem Gespräch kurz vor dem Anbringen des
Fentanylpflasters, in dem es ausdrücklich und ausschließlich um die Behandlung der
Stomatitis und den Gesundheitszustand von Angela R
ging, absolut nichts von einer
Lungenproblematik oder einer Behandlung derselben erwähnt. Die Gemeindeärztin hat
Angela R
im Anschluss an dieses Gespräch mit einer viel zu hohen Dosis Fentanyl
behandelt aber keinerlei Medikamente verordnet, die bei der Behandlung einer
Lungenentzündung geboten
wären. Es wurde nicht einmal Fiebermessen zur
Überprüfung und Dokumentation der Temperaturentwicklung durchgeführt!!
Es wäre für eine Patientin mit der Diagnose Lungenentzündung, also einer
Erkrankung, die typischerweise mit eingeschränkter Lungenfunktion und Fieber
einhergeht noch lebensbedrohlicher (bei nicht stattfindender Überwachung), erstmalig
eine Schmerztherapie mit einem Opioidanalgetikum in Pflasterform noch dazu in viel
zu hoher Dosis zu beginnen (in diesem Fall noch dazu ohne Auftitration mit kurzfristig
wirkenden Opioiden). Bei erhöhter Körpertemperatur ist mit einer unkontrollierbar
schnelleren Fentanylresorption und daher einer unkontrollierbar massiveren Wirkung
von Fentanyl zu rechnen. Eine erstmalige Opiattherapie in Pflasterform bei Bestehen
einer Lungenentzündung, besonders mit einer vielfach zu hohen Einstiegsdosis,
erscheint dem Laien absolut nicht verantwortbar zu sein.
Szenario 2: Angela R
litt für einige Stunden kurz vor ihrem Tod an einer
Pneumonie. Eine Pneumonie von nur wenigen Stunden im Zusammenhang mit
einem viel zu hoch dosierten Fentanylpflaster, wie dies schon im SV-Gutachten
2008 festgestellt wurde, kann als sehr ernst zunehmendes Symptom einer
Fentanylintoxikation
eingeordnet
werden
und
muss
weiter
überprüft
und
behandelt werden. Eine Pneumonie kann im Zuge der Behandlung mit zu hoch
dosiertem Fentanyl und dadurch ausgelöster Atemdepression auftreten, wenn diese zu
hoch
dosierte
Fentanyl-Behandlung
nicht
fachgerecht
überwacht
wird.
Bei
fachgerechter Überwachung muss bei den ersten Anzeichen von Atemdepression, wie
dies auch im anästhesiologischen SV-Gutachten ausführlich beschrieben ist, gehandelt
werden, um eine Verschlechterung des Zustandes der Patientin, gesundheitlichen
Schaden oder gar den Tod der Patientin durch eine Fentanylintoxikation zu verhindern.
8
Ergänzungsgutachten Angela R
Man darf wohl annehmen, dass es auch dem gerichtsmedizinischen Gutachter bekannt
sein musste, dass eine in Folge einer zu hohen Dosierung von Fentanyl
ausschließlich
Stunden
vor
dem
Tod
aufgetretenen
Pneumonie
hochwahrscheinlich kausal durch die Wirkung des vielfach zu hochdosierten
Fentanyl-Pflasters
ausgelöst
wurde,
hatte
er
doch
mehrfach
auf
das
anästhesiologische Gutachten von Dr. Margot Glatz hingewiesen. Dass ein zeitlicher
Konnex zwischen Anwendung des Pflasters und dem Todeseintritt besteht
(ärztliches Gutachten, S16) und die Dosierung sehr hoch gewählt war, wurde von
Dr. Haberl im ärztlichen Gutachten bestätigt. “
Frage 5:
Können aus ärztlicher Sicht die Nebenwirkungen des vielfach zu hoch dosierten
Durogesic-Pflasters mit dem Wirkstoff Fentanyl 50μg/h ohne Auftitration einen
wesentlichen oder gar entscheidenden Beitrag zum Todeseintritt von Angela R ...
gehabt haben?
9
Ergänzungsgutachten Angela R
Die an das vorliegende Gutachten gerichteten Fragen sind wie folgt zu beantworten:
Frage
1:
Welche
Überwachungsmaßnahmen
(betreffend
Atemfrequenz,
Sauerstoffsättigung, Puls, Blutdruck, Bewusstsein, Verengung der Pupillen, usw.)
werden bei einer lege artis Behandlung und Überwachung durch das Pflegepersonals
und/oder die betreuenden Ärzte nach erstmaligem Anbringen von Fentanyl-Pflasters
regelmäßig oder in definierten Intervallen durchgeführt und dokumentiert?
Vorerst ist festzuhalten, dass eine primäre Einstellung eines Patienten mit einem
Fentanylpflaster möglich ist.
Ein derartiges Vorgehen ist allerdings nicht ganz unproblematisch und für den Opioidnaiven Patienten potentiell gefährlich , da
der individuelle Opioidbedarf nur
schwer abzuschätzen ist. Gravierende, lebensbedrohliche Nebenwirkungen sind
besonders in der ersten Therapiephase nicht auszuschließen. Um ihnen entgegen
zu wirken soll in der Einstellungsphase zuerst die kleinste Pflastergröße geklebt und
danach
im
Titrationsverfahren
Schmerzintensität und
die
individuell
richtige
der Opioidempfindlichkeit des
Dosierung,
der
Patienten entsprechend,
ermittelt werden.
Beachtet werden muss, dass das transdermale Fentanylpflaster ein träges, schwer
steuerbares therapeutisches System darstellt und bei einem Notfall, auch nach
Entfernen des Pflasters, aus dem gebildeten Hautdepot über einen Zeitraum von 16 –
20 Stunden weiterhin Fentanyl freigesetzt wird.
Eine besondere Rolle bei dieser Art der primären Einstellung eines Opioid- naiven
Patienten
wird
Nebenwirkungen
der
einer
sorgfältigen
Überwachung
Opioidüberdosierung,
zugedacht.
wobei
die
Zu
gefürchteten
individuelle,
nicht
vorhersehbare Empfindlichkeit des Patienten berücksichtigt werden muss, gehören
Vigilanzminderung (Bewusstseinstrübung) und Atemdepression, welche bis hin zu
Sauerstoffminderversorgung der Organe und Tod führen kann.
10
Ergänzungsgutachten Angela R
Bei einem Patienten mit Fentanylüberdosierung werden atemregulatorische Zentren
im zentralen Nervensystem gehemmt. Dieses Phänomen ist eine Funktion der
Anflutungsgeschwindigkeit ins Zentralnervensystem. Es muss mit einer Verflachung
der Atmung nicht nur nach einer raschen z.B. intravenöser Gabe sondern auch wenn
Opioide bei Opioid-naiven Patienten gleich zu Beginn in hohen Dosen gegeben
werden, anstatt wie empfohlen, den Schmerz durch schrittweise Dosiserhöhung
zu
behandeln,
gerechnet
werden.
Die
physiologische,
automatische,
bewusstseinsunabhängige Steuerung der Sauerstoffaufnahme versagt dabei. Die nicht
ausreichende, verflachte oder zu langsame Atmung hat massive Minderversorgung
lebenswichtiger Organe zur Folge und führt in kürzester Zeit zum Tode.
Der
Restschmerz
stellt
bei
durch
zentralnervöse
Einwirkung
eines
Opioids
aufgehobener Empfindlichkeit des Atemzentrums auf Kohlestoffdioxidanreicherung im
Blut, eine Art Atemstimulus dar, sodass durch Titration ein Gleichgewicht zwischen
Restschmerz und atemhemmender Opioidwirkung gefunden werden muss.
Auch wenn die Atemstörung das gefährlichste Symptom einer Opioidüberdosierung
ist, führt doch eine Gehirnminderversorgung mit Sauerstoff, die länger als 3-5 Minuten
anhält zur irreversiblen Hirnschaden, kann die Überwachung des Patienten
in der
Einstellungsphase nicht nur auf einen Parameter (Überwachung der Atmung) reduziert
werden, da dies zu Fehlern in der Diagnose und daraus folgender Therapie führt.
Beobachtet werden muss lückenlos der Patient, um allfällige gravierende
Veränderungen
seiner
klinischen
Verfassung
mit
möglicher
Entwicklung
lebensbedrohlicher Zustände zu erfassen und zu verifizieren sowie sofort die
Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Zu den Standards der klinischen Überwachung eines opioidnaiven Patienten in der
Einstellungsphase
mit einem Opioid, im gegenständlichen Fall mit Fentanlpflaster,
gehören Überprüfung:
1.
der
Bewusstseinslage durch Ansprache mit Augenöffnen, gezielter verbaler
Reaktion oder gezielter Abwehrbewegung und falls diese getrübt ist,
2.
der Atmung auf ihre Tiefe und Frequenz- kontinuierliche Überwachung
3.
des Hautkolorits auf mögliche Zeichen einer Mindersauerstoffversorgung mit
livider, bläulicher oder blasser Verfärbung
11
Ergänzungsgutachten Angela R
4.
des Kreislaufs auf Abfall der Herzfrequenz und des Blutdrucks – engmaschige
Überwachung
5.
der Reflexe auf ihren Ausfall, v.a. Ausfall des Hustenreflexes
mit möglicher
Aspiration
6.
der
Pupillenreaktion
mit
typischer
Einengung:
maximalenge,
stecknadelkopfgroße Pupillen. Dieses Zeichen ist nicht lebensgefährlich, jedoch
typisch für Opioidwirkung
Bei fortgeschrittener Opioidüberdosierung kommt es im weiteren Verlauf zum
Lungenödem mit brodelndem Lungengeräusch und Koma.
Selbstverständlich besteht in Österreich in allen medizinischen Einrichtungen eine
Dokumentationspflicht
der
Patientenüberwachung.
Spezifische
Dokumentationsrichtlinien in den Pflegeheimen entziehen sich der Kompetenz der
Unterfertigten.
Auch
wenn
Frau
Angela
R ...
im
92-sten
Lebensjahr
stand
und
die
durchschnittliche Lebenserwartung deutlich überschritten hat, galten für sie,
nach der eingeleiteten Therapie, die gleichen Überwachungsstandards, wie für
jeden anderen Patienten in Österreich. Diese Standards der Überwachung, deren
Dokumentation und daraus abgeleiteter Therapie der aufgetretenen gravierenden
Nebenwirkungen bei Opioidüberdosierung wurden nicht eingehalten, bzw. nicht
durchgeführt.
Frage 2: Wurden an Angela R
nach Anbringen des Fentanyl-Pflasters der Stärke
50μg/h Überwachungsmaßnahmen, wie dies lege artis ist, dokumentiert und
durchgeführt bzw. welche Überwachungsmaßnahmen wurden nicht dokumentiert und
durchgeführt?
Die Frage kann ausschließlich durch Bewertung der vorliegenden
Eintragungen in
den Pflegeberichten beantwortet worden. Eine ärztliche Dokumentation liegt der
Sachverständigen nicht vor.
Am 31.05.2007 hat Frau R
um 16 Uhr ein Fentanyl Dep. Pflaster erhalten. Der Weg
der Verabreichung wurde nicht vermerkt, jedoch ist eine transdermale Gabe
anzunehmen. Gleichzeitig erhielt die Verstorbene ebenfalls zur Schmerztherapie ein
Mexalen Zäpfchen.
12
Ergänzungsgutachten Angela R
Bei der Dosierungsangabe - Fentanyl Dep. Pfl.
50 mg- handelt sich
offensichtlich um ein Dokumentationsfehler, da die Fentanylpflaster - Stärken in
mcg/h (Mikrogramm in der Stunde) angegeben werden. Es ist davon auszugehen,
dass Fentanyl Dep. Pfl. Stärke 50 mcg/g/h Frau R
transdermal geklebt wurde.
Im Pflegebericht finden sich am 31.05.2007 nach Fentanyl Pfl. Verabreichung 9
Eintragungen, davon eine „zur Nacht“ den allgemeinen Zustand der Verstorbenen
betreffend
„kann
kaum
mehr
schlucken
und
schläft
ohnehin“
offenbar
als
Rechtfertigung der nicht durchgeführten Dominalverabreichung.
Am 01.06.2007 finden sich bis zum Tode der Bewohnerin um 19:10 insgesamt 18
Eintragungen. Um 00:49 und 1:52 wird ruhiger Schlaf dokumentiert. Um 05:54 wurde
erstmalig „Atmung etwas erschwert“ vermerkt. In der Pflegedokumentation finden sich
keine Eintragung darüber, welche Auswirkungen die dokumentierte erschwerte Atmung
auf den Allgemeinzustand der Bewohnerin hatte, ob sich zu diesem Zeitpunkt bereits
eine Sauerstoffmangelversorgung manifestierte, welche pflegerische Maßnahmen
aufgrund dieser, falls eingetreten, erfolgten und ob eine ärztliche Hilfe geholt worden
wurde. Handelte sich doch bei diesem Zustand des beginnenden Atemversagens um
eine kalkulierbare gravierende Nebenwirkung der Therapie mit Fentanyl in einer viel
zu hohen Dosierung!
In den Berichten für den 01.06.2007 morgens (insgesamt 6 Eintragungen) wurde
angeführt, dass Frau R
Medikamenteneinnahme verweigerte. Daraus ist zu
schließen, dass die Kontaktaufnahme und Willensäußerung möglich waren.
Das Gehen mit Unterstützung wurde der Bewohnerin angeboten. Offensichtlich hat
die körperliche Verfassung von Frau R
, in Einschätzung der Pflegekräfte, diese
Mobilität – Aufstehen und Gehen mit Unterstützung zugelassen.
Um 8:30 werden Schmerzen bei geringstem Lagewechsel geäußert und zusätzlich mit
Mexalen Zäpfchen 1000 mg behandelt.
Vormittags hat die Bewohnerin die Nahrungsaufnahme verweigert.
Aus den dokumentierten Schmerz-und Willensäußerungen von Frau R
, auch wenn
nicht ausdrücklich vermerkt, ist zu schließen, dass sie bis 11:45 bei Bewusstsein war,
bzw. weckbar und imstande ihren Willen durchzusetzen.
13
Ergänzungsgutachten Angela R
Eine eindeutige Veränderung der körperlichen und psychischen Verfassung wurde um
14:57 – brodelndes Lungengeräusch, ohne auf die Bewusstseinslage der Bewohnerin
einzugehen, dokumentiert.
Spätestens ab diesen Zeitpunkt besteht der Verdacht einer Opioidüberdosierung.
Eine klinische Überprüfung der vitalen Funktionen, wie der Bewusstseinslage,
ausreichender Atmung mit ausreichender Sauerstoffaufnahme, Herzfrequenz und
des Blutdruck hätte vorgenommen und lückenlos durchgeführt werden müssen.
Die
Bewertung
der
Pupillenenge
hätte
einen
eindeutigen
Hinweis
auf
Opioidüberdosierung liefern müssen.
Die Patientin wurde in diesem Zustand von Dr. B ran........ untersucht.
Die Eintragung im Pflegebericht „Dr. B rand....... über die ärzt. Maßnahmen von Dr.
Marb........... informiert.“ ist nicht eindeutig zuordenbar. War damit die Behandlung
mit hochdosiertem, hochpotentem Opioid gemeint? Wurde Herr Dr. B ran........ auf die
neu eingeleitete Medikation und die sehr hohe Dosis von den Pflegekräften
aufmerksam gemacht?
Herr Dr. Bra......... hätte in Anbetracht der vorangegangen Medikation, nach oben in
Beantwortung der Frage 1, angeführten Richtlinien entsprechende zwingende weitere
Untersuchungen (Fr. R
wurde nur abgehorcht) und daraus resultierende Therapie
unternehmen müssen.
Um 15:38 ist eine Korrektur zu Maßnahmen vermerkt – „Mittagsmed. wurden nicht
eingenommen“. Ob die Verstorbene die Medikamente, wie am gleichen Tag morgens
verweigert hat, ist nicht dokumentiert. Vielmehr bekommt man den Eindruck, dass es
ihr wegen der Vigilanzminderung nicht mehr möglich war. Eine Dokumentation der
Bewusstseinslage und der Atmung findet sich auch bei dieser Anmerkung nicht.
Um 16:30 wurde die Bewohnerin Oberkörper hochgelagert. Es kann als Hinweis für
die nicht ausreichende Atmung gedeutet werden. Diese Maßnahme hätte demnach
Besserung der Atmung bewirken sollen.
Um 19:50 ist ab ca. 18:45 deutlich schlechterer Allgemeinzustand, ohne es näher zu
bewerten, eingetragen. Einige Minuten später ist Frau R
verstorben.
14
Ergänzungsgutachten Angela R
Zusammenfassend
zeichnet
sich
trotz
mangelhafter
Überwachung
und
Dokumentation der Vitalparameter der Bewohnerin: des Bewusstseinszustandes,
der
Atmung
und
des
Kreislaufs
der
Verstorbenen,
ein
gravierender
gesundheitlicher Verfall ihres Allgemeinzustandes mit Versagen der wichtigen
Lebensfunktionen: des Bewusstseins und der Atmung ab.
Diese Veränderung des Allgemeinzustands von Angela R
lässt sich ab 14:57,
mit Hinweis für sich ankündigende Verschlechterung ab 5:54, verfolgen und
steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wirkung des potenten, zu
hochdosiertem Opioids Fentanyl.
Die Dokumentation ist aus der Sicht der Sachverständigen mangelhaft und
inkonsistent. Wenngleich am 1.06.2007 bis zum Tod von Angela R
um 19:10, 19
pflegerische Eintragungen dokumentiert sind, beziehen sie sich auf Nachweise
der unternommenen oder nicht durchgeführten pflegerischen Leistungen und
nicht auf die Risikoeinschätzung.
Desweiterem lässt sich keine Fokussierung auf das akut aufgetretene Problem des
rapiden Verfalls der lebenswichtigen Körperfunktionen wie Atmung und Bewusstsein
ausmachen.
Die Überwachung und Dokumentation der Vitalparameter nach dem Anbringen
des Fentanylpflasters in einer vielfach zu hohen Dosierung
waren nicht den
oben angeführten, geltenden Standards entsprechend sorgfältig und lückenlos
durchgeführt und damit nicht lege artis.
Frage 3: Wie erfolgt lege artis eine Überprüfung des untersuchenden und
behandelnden Arztes bei einer Erstbehandlung mit Fentanyl -Pflaster 50μg/h, wenn
bei der Patientin Bewusstlosigkeit und Atembeschwerden (unter anderem rasselnde
Atmung als neu aufgetretenes Symptom) auftreten, um festzustellen, ob die bei der
Patientin auftretenden Symptome auf die Nebenwirkungen von Fentanyl in zu hoher
Dosis also auf eine Fentanylintoxikation zurückzuführen sind oder eine andere
Ursache haben ?
Welche Untersuchungen und Behandlungen muss der behandelnde Arzt zur
Differentialdiagnose durchführen und welche Symptome weisen normalerweise bei
einer Untersuchung durch den Arzt auf eine Fentanylvergiftung hin?
15
Ergänzungsgutachten Angela R
Die opioidinduzierte Dämpfung des zentralen Nervensystems führt, je nach Dosis zu
einer
Bewusstseinstrübung von leichter Sedation bis zum tiefen Koma, zur
dosisabhängigen interindividuell ausgeprägten Verflachung der Atmung bis zum
Sistieren der Atmung
und Versagen des Kreislaufs mit Auftreten einer zentral
vermittelten Bradykardie.
Bei mild ausgeprägter Verlaufsform, im Anfangsstadium, besteht eine Hypoventilation
mit Minderbelüftung der Lunge. Typisch für diese, nur unter Opioidintoxikation
auftretende Art der Ventilation , ist die sogenannte Kommandoatmung, ein Zustand
in dem der Betroffene einer Aufforderung zum aktiven Atmen nachkommt.
Eine ständige, laut ausgesprochene Aufforderung zur Atmung, gepaart mit Verbleiben
beim Patienten und Sauerstoffaufnahme Überprüfung kann in leichten Fällen einer
Opioidüberdosierung ausreichend sein.
Extreme Pupillenverengung (Miosis) ohne Dunkeladaptation (Pupillenverengung
bleibt in der Dunkelheit bestehen) ist ebenfalls charakteristisch für Opioidwirkung und
ein wichtiges differentialdiagnostisches Symptom.
Die Diagnose einer Opioidintoxikation ist immer anhand des klinischen Zustands
des Patienten zu treffen.
Die
Empfindlichkeit
eines
Behandelten
den
Opioiden
gegenüber
ist
immer
interindividuell und schwer vorhersehbar. Es ist dennoch allgemein bekannt, dass alte
und/oder geschwächte Patienten auf Opioide mit verstärkter und verlängerter Wirkung
reagieren, das Risiko einer Bewusstseinstrübung und Atemdepression erhöht ist und
ernste Nebenwirkungen bei dieser Patientengruppe des Öfteren auftreten.
Schließlich ist ein Patient mit Bewusstlosigkeit und Atembeschwerden stets als
Notfallpatient anzusehen, da er sich in einen Gesundheitszustand befindet, in dem
unmittelbare Gefahr für seine Gesundheit oder Leben bestehet.
Eine genaue Diagnose und gleichzeitig eingeleitete Sofortmaßnahmen zur Erhaltung
der Lebensfunktionen gehören dabei zu Grundaufgaben aller Angehörigen der
Pflegeberufe
16
Ergänzungsgutachten Angela R
Eine
opiodinduzierte
Bewusstseinstrübung,
vor
allem
wenn
sie
mit
einer
Atemdepression verknüpft ist, wird mit Morphinantagonist Naloxon behandelt.
Naloxon ist Mittel der Wahl bei einer vermuteten Opioidüberdosierung. Es wirkt
spezifisch der Morphinwirkung entgegen, bindet im zentralen Nervensystem an
Rezeptoren
und
verdrängt
andere
Morphine.
Durch
das
besondere
Rezeptorbindungsvermögen hebt es Wirkungen, die durch Opioide verursacht werden,
sofort auf. Im Zusammenhang mit Atemdepression bzw. Atemstillstand angewandt,
wirkt Naloxon, intravenös gegeben, innerhalb von Sekunden.
Wenn nach Gabe von einer Ampulle Naloxon keinerlei Wirkung beobachtet wird,
sollte die Diagnose einer opioidbedingten Vergiftung in Frage gestellt werden.
Durch Gabe des Arzneimittels Naloxon kann mit absoluter Sicherheit festgestellt
werden, ob eine Bewusstseinstrübung und/oder Atemdepression durch Präparate
aus der Gruppe der Opioide bedingt sind.
Frage 4:
Ist es lege artis bei gegebenem Verdacht auf eine Fentanylintoxikation
unverzüglich an Hand des Zustandes der Patientin zu diagnostizieren und
gegebenenfalls Notfallmaßnahmen einzuleiten?
gegebenen
Verdacht
auf
Fentanylüberdosierung,
das
eine
Oder ist
fortgeschrittene
Ergebnis
einer
es lege artis
beim
Fentanylintoxikation
bzw.
Blutspiegelbestimmung
hinsichtlich
Fentanyl abzuwarten und damit die Diagnose und eine eventuelle Behandlung um
zumindest etliche Stunden zu verzögern, auch wenn schon Symptome einer
Atemdepression und Bewusstlosigkeit bestehen?
Auch wenn über eine Blutspiegelbestimmung die quantitative Aussage über
Blutkonzentration eines Medikamentes, im
gegenständlichen Fall des Opioid
Fentanyl, getroffen werden kann, so ist diese labormedizinische Methode absolut
ungeeignet eine Fentanylüberdosierung – Intoxikation im klinischem Bereich am
Patienten zu überwachen oder nachzuweisen und findet in der klinischen Praxis
nie Anwendung.
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Ergänzungsgutachten Angela R
Die
Nebenwirkung
eines
Medikamentes,
bei
Einhalten
der
vorgeschrieben
Dosierungen, ist eine neben der beabsichtigten Hauptwirkung auftretende Wirkung,
die klinisch überprüfbar ist und in der Regel mit individueller Empfindlichkeit des
Patienten zusammenhängt und im allgemeinen Sprachgebrauch die Bezeichnung unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) trägt.
Im Falle einer Therapie mit den meisten Opioiden werden keine Dosierungen
vorgeschrieben. Die individuell richtige Dosis wird individuell im Titrationsverfahren
ermittelt, wobei die therapeutische Wirkung den UAW entgegengestellt wird. Wenn
Nebenwirkungen gravierend sind oder gravierende Nebenwirkungen zu erwarten sind,
wird von einer Überdosierung gesprochen.
Zu den befürchteten, dosisabhängigen, unerwünschten Effekten der Opioidtherapie,
wie bereits oben ausgeführt, zählen zentralnervöse Symptome, Vigilanzminderung
und Atemdepression, welche intraindividuell von Patienten zu Patienten in ihrer
Ausprägung variieren und starke individuelle Dosisabhängigkeit aufweisen. Bei
schmerzorientierter Gabe von Opioiden tritt in der Regel keine klinisch relevante
Atemdepression und Vigilanzminderung auf.
Solange sich die Opioidgabe im Sinne einer Medikamenttitration am Ausmaß der
Schmerzreduktion orientiert und eine Überdosierung vermieden wird. Schmerz ist
bezüglich Atemdepression ein Opioidantagonist.
Bei opioidbedingter Atemstörung
ist Sauerstoffzufuhr die erste therapeutische
Sofortmaßnahme. Ein genaues Monitoring der Atmung und der Sauerstoffaufnahme
zählen dabei zu Standardüberwachung. Sollte die Atmung des Patienten sich trotz
Sauerstoffgabe und Aufforderung regelmäßig zu atmen (Kommandoatmung)
nicht
bessern, können Intubation und künstliche Beatmung mit Krankenhausaufnahme und
intensivmedizinischer Behandlung notwendig werden.
Eine weitere gravierende Dysregulation betrifft den Kreislauf. Bradykardie und
Hypotonie können Minderperfusion der Organe und damit den Zellentod verursachen.
In Therapie der Kreislaufdysfunktion sind Infusionen und andere den Kreislauf
stützende Medikamente notwendig.
18
Ergänzungsgutachten Angela R
Eine
Minderung
oder
Versagen
der
Atmung
und
Auftreten
gravierender
Kreislaufdysregulation sind, wie bereits oben ausgeführt wurde, als akut, vital
bedrohliche Störungen zu werten. Parallel zur besprochenen Notfalldiagnostik, gehört
sofortiges Handeln mit Setzen der lebensrettenden Maßnahmen zum dauerhaften
Wiederherstellen
dieser
lebenswichtigen
Körperfunktionen
zu
medizinischen
Standards.
Frage 5:
Können aus ärztlicher Sicht die Nebenwirkungen des vielfach zu hoch
dosierten Durogesic-Pflasters mit dem Wirkstoff Fentanyl 50μg/h ohne Auftitration
einen wesentlichen oder gar entscheidenden Beitrag zum Todeseintritt von Angela R
gehabt haben?
Das vielfach als Morphin potentere Opioid Fentanyl kann, wenn bei Schmerzpatienten
überdosiert, ZNS-Depression verursachen. Das akute Bild weist im Wesentlichen
ausgeprägte, wie bereits ausgeführt, Sedierung (Schlaf aus dem der Behandelte,
solange das Medikament wirkt, nicht geweckt werden kann), Störung der Atmung,
wobei die Atemdepression mit Verflachung und Entwicklung eines Lungenödems
besonders hervorzuheben ist, Verfall des Kreislaufs und für diese Substanzgruppe
pathognomonische Verengung der Pupillen - Miosis .
Das letzte Symptom, bereits für sich alleine genommen, wäre hinreichend für sichere
Diagnosestellung.
Seit vielen Jahren
werden in der medizinischen Fachliteratur Todesfälle in
Zusammenhang
fentanylhaltigen
berichtet.
Die
mit
Empfehlungen
für
transdermalen
Fachpersonen,
therapeutischen
welche
Systemen
Fentanylpflaster
zur
Schmerztherapie anwenden, wurden in den Fachartikeln und Produktbeschreibung
vielfach publiziert.
19
Ergänzungsgutachten Angela R
Es wird eindringlich darauf hingewiesen, trotz der leichten Anwendungsart das
Fentanyl-Pflaster nicht zu verharmlosen, es nur gemäß Indikation bei starken,
prolongierten Schmerzen und unzureichender Wirksamkeit anderer Analgetika
zu
applizieren.
Ferner
müssen
die
vorgeschriebene
Einstiegdosierung
und
Applikationsintervall eingehalten werden. Die anwendenden Ärzte und Pflegepersonal
müssen auf die Gefahr der tödlichen Atemdepression bei Überdosierung von
Fentanylpflaster und daraus abgeleiteten besonderen Überwachung des Patienten,
geschult werden.
Aus den Pflegeberichten, auch wenn die gesichtete Dokumentation unzureichend und
mangelhaft
ist,
kann
geschlossen
werden,
dass
die
Bewusstseinsstörung und Atemdepression, welche unbehandelt,
R
Symptome
der
schließlich bei Frau
zum Tode geführt haben, im zeitlichen Zusammenhang mit Wirkentwicklung des
starken
Opioid
Fentanyl
Depot
Pflaster
stehen
und
typische
Effekte
der
Richtlinien
einer
Fentanylüberdosierung darstellen.
Nochmals
wird
darauf
hingewiesen,
dass
entgegen
zur
Schmerzbehandlung mit starken Opioiden, eine vierfache Dosis des Medikamentes
Fentanyl ohne Titrationsverfahren bei geschwächtem, altem und opioidnaivem
Patienten, Frau Angela R
,
zur Anwendung kam,
die Überwachungsauflagen für
diese Therapie nicht erfüllt wurden und keine Schritte zur Aufhebung der
Fentanylwirkung mit dem Antidotum Naloxon unternommen wurden.
Diese Medikation mit Fentanylpflaster in einer viel zu hohen Dosierung wurde von
Frau Dr.M.............. vorgenommen, obgleich sie am 31.05.2007 um 15:40 lt.
Pflegedokumentation in einem ausführlichen Gespräch mit den Angehörigen, diese
über den schlechten gesundheitlichen Zustand von Frau Angela R ... aufgeklärt hatte.
Für die post mortem gestellte Diagnose einer Pneumonie finden sich in der
Pflegedokumentation keine Hinweise, noch wurde die entsprechende Behandlung
angedacht. Ein brodelndes Atemgeräusch und Entwicklung von Lungenödem sind
Folgesymptome
einer
fortgeschrittenen Atemdepression
und
typisch
für
eine
Opioidüberdosierung.
20
Ergänzungsgutachten Angela R
Abschließend muss noch angemerkt werden, angenommen bei Frau R
hätte
sich tatsächlich eine Lungenentzündung entwickelt, wäre eine erstmalige
Schmerztherapie mit einem Opioidanalgetikum in Pflasterform, in viel zu hoher
Initialdosis, bei nicht stattfindender Überwachung, noch lebensbedrohlicher für
Frau R
als ohne diese Erkrankung. Der schlechte Allgemeinzustand ihrer
Patientin war lt. Pflegedokumentation den behandelnden Ärzten bekannt.
Dr. Margot Glatz
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