ERSTE PROJEKTE Weltkarte Massive Verluste an Bevölkerung und Arbeitsplätzen erschüttern weltweit Stadtteile, Städte und Regionen. Schrumpfung ist ein allgemeines Phänomen städtischer Entwicklung und nicht lediglich ein Ausnahmefall in Sondersituationen. Neben der Untersuchung der vier internationalen Fallbeispiele untersucht das Projekt daher städtische Schrumpfung im globalen Zusammenhang. Welche Bedeutung und Relevanz hat Schrumpfung bei der globalen Stadtentwicklung? Welche Städte schrumpfen? Welche globalen Faktoren beeinflussen die Schrumpfung? Um diesen Fragen anschaulich nachzugehen, wird eine Weltkarte erstellt. Auf Basis statistischer Informationen wird die Gesamtheit der Städte der Welt in den letzten 50 Jahren untersucht. Erste Ergebnisse zeigen, dass nicht nur die zunehmend alternden Industrienationen von urbaner Schrumpfung betroffen sind, sondern ebenfalls Entwicklungs- und Schwellenländer wie Argentinien, Südafirka, Kasachstan, Vietnam, China oder Afghanistan. Trotz eines nach wie vor rapiden Bevölkerungswachstums und einer Zunahme der Verstädterung in den Schwellen- und Entwicklungsländern gewinnen städtische Schrumpfungen aufgrund nachlassender Bevölkerungsdynamik und zunehmenden räumlichen Polarisierungen an Relevanz. Weitere Ergebnisse zeigen, dass in den letzten Jahrzehnten über 134 Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern in 28 Ländern nachhaltig geschrumpft sind. Ein Viertel aller untersuchten Städte haben zeitweilig signifikante Schrumpfungsentwicklungen durchlaufen. Mit Daten erfasst werden konnten ca. 50 % der globalen urbanen Bevölkerung (ca. 1,5 Mrd. Menschen) aus 170 Ländern auf allen Kontinenten. Kleinere Städte unter 50.000 Einwohnern mussten wegen fehlender Daten meist unberücksichtigt bleiben. Ergänzt soll die Weltkarte werden mit Kurzbiographien von etwa 50 Städten in Text und Bild, die eine Typologie der unterschiedlichen städtischen Schrumpfungen aufzeigen. ______________________________________________________________________ Kulturen Schrumpfende Städte sind vielfach Ausgangspunkt für kulturelle Innovationen. Ob in Musik, Kunst oder Architektur, Literatur, Fotografie oder Film – eine Vielzahl von Neuentwicklung in Populärund Hochkultur gehen aus diesen städtischen Krisenstandorten h ervor. Diese sind oft Teil andersartiger Alltagskulturen, die gleichermaßen auf den Potentialen wie den Schwierigkeiten dieser Standorte beruhen. Oft leisten sie dabei einen wesentlichen Beitrag zur Neudefinition von Identitäten und mentaler Milieus und bieten somit wichtige Ansätze für die Konzeption von Handlungsmodellen. Im Rahmen des Projektes Schrumpfende Städte werden wir einige Genren wie Musik, Film, Architektur und Kunst in der ersten Projektphase exemplarisch untersuchen udn dokumentieren. Dies formuliert eine wichtige Grundlage für die Entwicklung der Vor-Ort-Projekte der zweiten Phase. ---------------------------------------------------------------------------------------------------------& Film Projekt Michael Baute, Antje Ehrmann und Harun Farocki Changierend zwischen konkreter Nachbildung und erdachter Konstruktion erfindet der Film kontinuierlich Stadtbilder, die von der Wahrnehmung realer Städte geprägt sind und diese wiederum beeinflussen. Auch das Schrumpfen von Städten kommt im Film und im Fernsehen zur Darstellung und gerinnt zu wiedererkennbaren Topoi. So zum Beispiel der Topos „Leere“. In verblüffender wie aussagekräftiger Vielfalt begegnet er uns: angefangen von den Übertreibungen im Science-Fiction und Horrorfilm, über die verlassenen Dorfruinen und ausgebrannten Ranches im Westen, über die Magie neorealistischer Codierung von „Leere“ und sozialrealistischen Stadtdarstellungen, bis hin zum Gangsterfilm mit seinen Verstecken und Nicht-Orten, Fluchtwegen und Transaktionen im Niemandsland. Der Filmjournalist Michael Baute, die Filmwissenschaftlerin Antje Ehrmann und der Filmemacher Harun Farocki recherchieren für das Projekt schrumpfende Städte diese Topoi in der Filmgeschichte und entwickeln hieraus für die Ausstellung eine Videoinstallation, in welcher Ausschnitte aus verschiedenen Filmen nach Themen gruppiert montiert werden. Ergänzend erstellen Sie eine Videothek mit den wichtigsten Filmen zu diesem Thema und kuratieren eine Filmreihe, die begleitend zur Ausstellung in einem B erliner Programmkino gezeigt wird. ______________________________________________________________________ & Film Projekt Clemens von Wedemeyer Clemens von Wedemeyer (*1974, Künstler, lebt in Leipzig) realisert einen Kurzfilm, der sich an der Schlusssequenz von Antonionis ‚Liebe 62’ orientiert, aber in Halle-Silberhöhe aufgenommen wird, einem Stadtteil zwischen Bewohnung, Leerstand und Abriß. Die Vorlage von Antiononi spielt in einer Vorstadt vom Rom im Aufbau. Die Arbeit von C. v. Wedemeyer thematisert unter anderem den Schwebezustand des Zwischens, bei dem sich die Bilder des Aufbauens und Abreißens zum Verwechseln ähneln. ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ Projekt Sarah Cohen & Musik In Detroit und Manchester, aber auch in schrumpfenden Stadtregionen von Russland und Ostdeutschland haben die urbanen Krisen bedeutende Musikkulturen hervorgebracht, die sich auf dem globalen Markt der Popmusik durchsetzen konnten. Musikstile wie Detroit-Techno oder PostPunk, New Wave und Hip-Hop in Manchester thematisieren den Sound, Atmosphäre, Songtexte sowie in den Bildern der Musikvideos die städtischen Räume, aus denen sie hervorgehen. Darüber hinaus führt die Verfügbarkeit von leerstehenden Gebäuden und Arealen zu neuen Formen der Produktion und Rezeption, wie etwa Raves, Ware-house-parties oder temporäre Clubs. Der ökonomische Vorteil billiger Räume für die Produktion wird ergänzt durch die technologische Innovationen der letzten Dekaden, die es möglich macht, selbstorganisiert und unabhängig von den Konzernen der Musikindustrie Musik professionell zu produzieren und zu distributieren. Derartige Entwicklungen können sich – wie das Beispiel Manchester zeigt – positiv auf die Stadtentwicklung zurückwirken. Die Entstehung einer eigenständigen lokalen Musikindustrie seit den Zeiten des Post-Punk der 70er Jahre hat hier zu einer Neudefinition der Stadtidentität geführt und den Wandel von einer Industriestadt zu einer Servicestadt eingeleitet. Musik ist ein besonders anschauliches Beispiel dafür, wie schrumpfende Städte eigenständige Stadtkulturen hervorbringen und hieraus kulturelle Innovationen entstehen. Für das Projekt schrumpfende Städte untersucht Sarah Conen vom Institute of Popular Music der University of Liverpool diese Thematik. Die Ergebnisse werden in der Ausstellung vom April 2004 präsentiert und im Katalog publiziert. ______________________________________________________________________