Modernisierung des deutschen Rechts gegen den unlauteren

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BMJ – Gutachten UWG
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Modernisierung des deutschen Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb auf der Grundlage einer Europäisierung des Wettbewerbsrechts
_____________________________________________________________
Arbeitsunterlage für die Arbeitsgruppe des Bundesministeriums der Justiz
zur Modernisierung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb
und zur Erarbeitung von Vorschlägen für eine Harmonisierung des Rechts
gegen den unlauteren Wettbewerb auf europäischer Ebene (AG-UWG)
erstellt im Auftrag der Bundesministerin der Justiz
von
Professor Dr. Karl-Heinz Fezer
Konstanz, den 15. Juni 2001
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Inhaltsübersicht
Seite
Vorbemerkung .....................................................................................................
6
A. Genesis eines Europäischen Lauterkeitsrechts ............................................
7
I.
Modernisierung des Lauterkeitsrechts der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Europäisierung kompatibler Schutzstandards ......
7
Gemeinschaftsrechtliche Rechtsharmonisierung im Lauterkeitsrecht
und im Verbraucherschutzrecht ...............................................................
8
III.
Europäisches Verbraucherleitbild .............................................................
9
IV.
Europäischer Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.........................................
10
V.
Europäisches Unionsrecht des Wettbewerbs und mitgliedstaatlicher
Beurteilungsspielraum ............................................................................
12
B. Generalklausel und Spezialtatbestände im Lauterkeitsrecht.........................
14
II.
I.
Die Generalklausel als Delegationsnorm jurisdiktiver Rechtsetzung ......
14
II.
Das Vordringen von Spezialtatbeständen zur Regelung von Kernbereichen des Lauterkeitsrechts .............................................................
15
1. Beredte Generalklausel mit einem Beispielskatalog wettbewerbswidrigen Verhaltens ..........................................................................
15
2. Spezialtatbestände zur Normierung der Kernbereiche wettbewerblichen Unrechts...............................................................................
16
Generalklausel, Normzweckklausel und Anwendungsbereich des
Lauterkeitsrechts.....................................................................................
18
1. Standortbestimmung des UWG........................................................
18
2. Zur Dogmatik des Unrechts im Wettbewerbsrecht ...........................
19
3. Normzweckklausel............................................................................
23
III.
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C. Anwendungsbereich der Generalklausel des § 1 UWG ................................
I.
24
Beeinträchtigung eines lauteren und unverfälschten Wettbewerbs
sowie der Belange der Verbraucher .......................................................
24
Handeln im geschäftlichen Verkehr, Wettbewerbshandlung und
Wettbewerbsverhältnis............................................................................
27
Spürbarkeitsgrenze und Bagatellklausel.................................................
29
1. Stellungnahme der Arbeitsgruppe „Überprüfung des Wettbewerbsrechts“ (1996)..........................................................................
29
2. Restriktionen des Anwendungsbereichs der Generalklausel des
§ 1 UWG in der höchstrichterlichen Rechtsprechung.......................
30
3. Wesentliche Beeinträchtigung des Leistungswettbewerbs...............
31
D. Aufhebung wettbewerblichen Ordnungsrechts..............................................
31
II.
III.
I.
II.
Aufhebung des Rechts der Verkaufsveranstaltungen nach den §§ 7
und 8 UWG .............................................................................................
32
1. Euroinkompatibilität und Inakzeptanz des Verkaufsveranstaltungsrechts nach § 7 UWG ..............................................................
32
2. Räumungsverkäufe nach § 8 UWG..................................................
34
3. Aufhebung des Verkaufsveranstaltungsrechts in Folge der Aufhebung des Rabattrechts und des Zugaberechts.................................
35
Aufhebung der Verbote besonderer Werbe- und Vertriebsmethoden ....
36
1. Aufhebung der Verbote der Hersteller- und Großhändlerwerbung
nach § 6a UWG und des Verbots des Kaufscheinhandels nach
§ 6b UWG als abstrakter Gefährdungstatbestände .........................
37
a) Gesetzgebungsgeschichte ...............................................................
37
b) Abstrakte Gefährdungstatbestände als unverhältnismäßige
Werbe- und Vertriebsverbote im Lauterkeitsrecht......................
38
2. Aufhebung des Verbots des Kaufscheinhandels in Folge der Aufhebung des Rabattrechts und des Zugaberechts.............................
39
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E. Normierung neuer Spezialtatbestände im Lauterkeitsrecht...........................
I.
II.
40
Leistungsschutz ......................................................................................
40
1. Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel oder
spezialgesetzliche Regelung des Leistungsschutzes im UWG ........
40
2. Neuorientierung im wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz ..........
42
3. Regelungsbereiche des lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutzes...
44
a) Die sklavische Nachahmung und die unmittelbare Leistungsübernahme (sklavische und reproduktive Leistungsaneignung)..........................................................................................
44
b) Modeschutzrecht........................................................................
45
c) Wettbewerbrechtlicher Neuheitenschutz kurzlebiger und langlebiger Produkte (Designschutz) ..............................................
46
4. Spezialtatbestand des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes .
46
5. Vorschlag einer Formulierung eines Spezialtatbestandes des
wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes......................................
47
Verbundene Angebote im Leistungswettbewerb.....................................
47
1. Zur gesellschaftlichen Komplexität des modernen Leistungswettbewerb .......................................................................................
47
2. Das Zugabewesen als Erscheinungsform der Wertreklame ............
48
3. Die Verbindung mehrerer Angebote zu Koplungsgeschäften...........
49
a) Die zugaberechtliche Problematik des Scheinentgelts ..............
49
b) Offene und verdeckte Kopplungsangebote sowie Vorspannangebote ....................................................................................
50
c) Leistungsgerechte Angebotsverbindung ....................................
52
d) Kurskorrektur der höchstrichterlichen Rechtsprechung .............
52
4. Preisintransparente, wettbewerbsbehindernde und marktstörende
Kopplungsangebote..........................................................................
56
5.
Gesetzliche Regelung der verbundenen Angebote .........................
58
a) Zugaberechtliche Ersatzregelung...............................................
58
b) Vorschlag einer gesetzlichen Regelung der verbundenen
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Angebote....................................................................................
58
c) Zugabeorientierte Gesetzesvorschläge......................................
59
Kundenbindungssysteme........................................................................
59
1. Kundenbindungsprogramme als systematische Preiswerbung und
Wertwerbung ....................................................................................
60
2. Grundsatz der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit von preisbezogenen und produktbezogenen Kundenbindungsprogrammen
nach Aufhebung des RabattG und der ZugabeVO...........................
60
3. Systemtransparenz und Diskriminierungsfreiheit von Kundenbindungsprogrammen.......................................................................
62
4. Gesetzliche Regelung von Kundenbindungsprogrammen ...............
64
a) Rabatt- und zugaberechtliche Ersatzregelung ...........................
64
b) Vorschlag einer gesetzlichen Regelung von Kundenbindungsprogrammen ................................................................
64
c) Informationspflichten nach europäischem Richtlinienrecht ........
65
d) Kartellrechtliche Regelung .........................................................
66
Diskriminierende Werbung......................................................................
68
1. Diskriminierende Werbung als eigenständige Fallgruppe ................
68
2. Die Revision der Fallgruppe der gefühlsbetonten Werbung in der
Benetton-Entscheidung des BVerfG.................................................
69
3. Arten der diskriminierenden Werbung ..............................................
71
Projektion lauterkeitsrechtlicher Fallkonstellationen ...............................
73
F. Einheitliches Wettbewerbsrecht online und offline ........................................
73
Zusammenfassung ..............................................................................................
76
III.
IV.
V.
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Vorbemerkung
Die vorliegende Stellungnahme „Modernisierung des deutschen Rechts gegen den
unlauteren Wettbewerb auf der Grundlage einer Europäisierung des Wettbewerbsrechts“ wird als Arbeitsunterlage für die Arbeitsgruppe des Bundesministeriums
der Justiz zur Modernisierung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb und zur
Erarbeitung von Vorschlägen für eine Harmonisierung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb auf europäischer Ebene (AG-UWG) im Auftrag der Bundesministerin der Justiz erstellt.
Gegenstand der Arbeitsunterlage ist das materielle Lauterkeitsrecht, nicht das Sanktionenrecht und das Wettbewerbsverfahrensrecht. Es ist einleitend zu betonen, dass
nach der Intention des Verfassers, die Regelung der Rechtsfolgen und Rechtsbehelfe im Lauterkeitsrecht gleichermaßen einer Modernisierung bedürfen. Das gilt
namentlich dann, wenn man einer Verstärkung der Verbraucherrechte im Wettbewerbsrecht und einem originären Verbraucherschutz durch Lauterkeitsrecht das
Wort redet. Folge ist eine Anerkennung des Wettbewerbsrechts als Schutzzweckgesetz der Verbraucher im Sinne des Schadensersatzrechts.
Die Stellungnahme, die keine Gesamtrevision des Lauterkeitsrechts beabsichtigt,
beschränkt sich auf bestimmte Regelungsbereiche des UWG. Die Stellungnahme
orientiert sich gleichwohl an der Idee einer einheitlichen Konzeption des Lauterkeitsrechts als Grundlage einer europäischen Rechtsharmonisierung. Bestimmte Regelungsbereiche sollten im Vorgriff auf eine Europäisierung des Lauterkeitsrechts
geändert werden, andere Regelungsbreiche sollten im Zusammenhang mit einer
EG-Harmonisierungsrichtlinie in das europäische Richtlinienverfahren eingebracht
werden.
Die Vorgabe des umfänglichen und zeitlichen Rahmens zur Fertigung der Stellungnahme verbietet es, eine Detailanalyse der zu behandelnden Problembereiche unter
einer darstellenden Auswertung der Rechtsprechung und des Schrifttums zum
Wettbewerbsrecht vorzulegen. Die Schwerpunktbildung der Stellungnahme orientiert
sich an dem Versuch einer einheitlichen Konzeption der Modernisierung des Lauterkeitsrechts. Dem Diskussionsstand der AG-UWG entsprechend, können umfas-
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sende Rechtsprechungsberichte und rechtswissenschaftliche Detailanalysen im
Verlauf der Beratungen der AG-UWG vorgelegt werden.
A. Genesis eines Europäischen Lauterkeitsrechts
I. Modernisierung des Lauterkeitsrechts der Mitgliedstaaten der Europäischen
Union als Europäisierung kompatibler Schutzstandards
Die Modernisierung des Lauterkeitsrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen
Union ist Teil einer europäischen Harmonisierung des Wettbewerbsrechts. Die
wirtschaftliche Einheit des europäischen Binnenmarktes bedarf der rechtlichen Einheit der Wettbewerbsregeln. Der europäische Binnenmarkt als Wirtschaftsraum erfordert ein einheitliches Wettbewerbsrechtsterritorium als Rechtsraum. Die europäischen Wettbewerbsregeln sind zudem dem Liberalisierungszustand der WTO-Regeln
kompatibel zu gestalten. Die Faktizität des europäischen Binnenmarktes ist in den
weltwirtschaftlichen Prozess der Globalisierung eingebunden. Die Ausrichtung eines
europäischen Wettbewerbsrechts an den Erfordernissen eines globalisierten
Welthandelssystems betont das internationale Interesse an einer aktiven Entwicklung, Förderung und Erhaltung effektiver Strukturen im Weltwettbewerb. Elektronischer Welthandel im Internet, und zwar business to consumer sowie business to
business, grenzüberschreitende Werbung eines Euro- und auch Globalmarketings
und allgemein das Internetrecht verlangen eine Anpassung des europäischen
Wettbewerbsrechts an die Bedürfnisse des Waren- und Dienstleistungsverkehrs auf
globalen Märkten.
Die gemeinschaftsrechtliche Normierung des Herkunftslandprinzips im europäischen
Richtlinienrecht wie namentlich in der e-commerce-Richtlinie1 nährt die Befürchtung
einer Zweispurigkeit oder gar einer Spaltung des Werberechts im Binnenmarkt in
1. Siehe dazu Staudinger/Fezer, Internationales Wirtschaftsrecht, 2000, Rn 325 ff.
(zum Wettbewerbsrecht); zur Stellung des Herkunftslandprinzips im Kollisionsrecht
siehe Fezer/Koos, Das gemeinschaftsrechtliche Herkunftslandprinzip und die ecommerce-Richtlinie - Zur dringenden Notwendigkeit einer Harmonisierung des
Wettbewerbsrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union als einer gemeinschaftsrechtlichen Aufgabe, IPRax 2000, 349.
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einen traditionellen Handel einerseits und einen elektronischen Handel andererseits.
Eine Vereinheitlichung der europäischen Lauterkeitsregeln leistet auch einen Beitrag, ein Auseinanderdriften des Wettbewerbsrechts online und offline zu verhindern.
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II. Gemeinschaftsrechtliche Rechtsharmonisierung im Lauterkeitsrecht und im
Verbraucherschutzrecht
Gemeinschaftsrechtliche Grundlage einer Modernisierung des Lauterkeitsrechts in
den Mitgliedstaaten ist die Rechtsharmonisierung durch Richtlinienrecht in der Europäischen Union namentlich auf den Gebieten des Werberechts und des Verbraucherschutzrechts. Gegenstände der Rechtsharmonisierung im Lauterkeitsrecht
sind die Richtlinien zur irreführenden Werbung,2 zur vergleichenden Werbung3 und
zum elektronischen Handel.4 Gegenstände der Rechtsharmonisierung im Verbraucherschutzrecht sind namentlich die Richtlinien zur Produkthaftung,5 zur Produktsicherheit,6 zu den Haustürgeschäften,7 zum Missbrauch von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen in Verbraucherverträgen,8 zu Pauschalreisen,9 zu Vertrag-
2 Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl. L vom 19. September 1984, 250/17.
3 Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober
1997 zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks
Einbeziehung der vergleichenden Werbung, ABl. L vom 23.Oktober 1997, 290/18.
4 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni
2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft,
insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt (Richtlinie
über den elektronischen Geschäftsverkehr), ABl. L vom 17. Juli 2000, 178/1.
5 Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte
Produkte, ABl. L vom 25. Juli 1985, 210/29.
6 Richtlinie 92/59/EWG des Rates vom 29. Juni 1992 über die allgemeine Produktsicherheit, ABl. L vom 11. August 1992, 228/24.
7 Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen
Verträgen, ABl. L vom 31. Dezember 1985, 372/31.
8 Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln
in Verbraucherverträgen, ABl. L vom 21. April 1993, 95/29.
9 Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen, ABl. L
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sabschlüssen im Fernabsatz,10 zum Verbraucherkredit,11 zum Teilzeiteigentum12,
zu elektronischen Signaturen13 und zum elektronischen Zahlungsverkehr.14
Die Unterscheidbarkeit der Tätigkeitsbereiche des europäischen Richtliniengebers in
Werberecht und Verbraucherschutzrecht befördert den ersten Anschein, Verbraucherschutz sei außerhalb des Lauterkeitsrechts zu lokalisieren. Die Entwicklung des
Lauterkeitsrechts zwischen Beginn und Ende des 20. Jahrhunderts, die Rechtsprechung des EuGH zur Verwirklichung des Binnenmarktzieles als eines Rechtsprinzips
und zum Schutz der Freiheit des Waren- und Dienstleistungsverkehrs, der rechtsund wirtschaftswissenschaftliche Diskurs zur Integration des Verbraucherrechts in
das Recht der Wirtschaftsordnung, die Rechtserheblichkeit der Konsumentensouveränität in einer marktwirtschaftlichen Wettbewerbsordnung und die Stellung der
Verbraucher als gleichgewichtiger Marktpartner sind schlaglichtartig formulierte
Daten eines Paradigmenwechsels zum Schutz der Verbraucherinteressen im
Wettbewerbsrecht. Verbraucherschutz ist ein eigenständiger Topos einer europäischen Rechtsharmonisierung im Wettbewerbsrecht.
vom 23. Juni 1990, 158/59.
10 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai
1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. L
vom 4. Juni 1997, 144/19.
11 Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, ABl. L vom 12. Februar 1987, 42/48.
12 Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilnutzungsrechten an Immobilien, ABl. L vom 29.
Oktober 1994, 280/83.
13 Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.
Dezember 1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische
Signaturen, ABl. L vom 19. Januar 2000, 13/2.
14 Richtlinie 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar
1997 über grenzüberschreitende Überweisungen, ABl. vom 14. Februar 1997,
43,/25.
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Die ursprünglich individualrechtlich vollzogene Funktionsbestimmung des Rechts
gegen den unlauteren Wettbewerb diente dem Individualschutz der Mitbewerber. Die
Maßgeblichkeit der Interessen der Mitbewerber beruhte auf dem als Verwirklichung
der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit verstandenen und somit auf der Inanspruchnahme
von
Individualrechten
beruhenden
Wettbewerbskonzept
als
einem
selbstregulativen, autonom und herrschaftsfrei gedachten System, das als private
Veranstaltung der Konkurrenten seine Funktionsbedingungen aus sich heraus reproduziert und dadurch das soziale Optimum garantiert. Dieser Interessenmonismus
im Wettbewerbsrecht wurde schon bald durch den Einbezug der Interessen der Allgemeinheit modifiziert.15 Der sozialrechtliche Aspekt ebnete zum einen den Weg für
eine am Schutz des Wettbewerbsbestands orientierte und damit institutionelle Erfassung der Wettbewerbswidrigkeit,16 wie sie auch durch den Einfluss der Wertungen
des GWB auf das UWG im Sinne einer Wettbewerbsordnung als einer einheitlichen
rechtlichen Gesamtordnung befördert wurde.17 Das ordnungspolitische Moment
sollte den Schutz des Wettbewerbs vor Marktstörungen auch innerhalb des Lauterkeitsschutzes rechtfertigen. Zum anderen wird der Schutz der Verbraucherinteressen von den Allgemeininteressen unterschieden und zu einem eigenständigen und
unmittelbaren Schutzzweck verselbständigt. Dadurch sollte der Erkenntnis Rechnung
getragen werden, dass eine Wettbewerbshandlung sich nicht allein gegen die Mitbewerber richtet, sondern in gleichem Maße die Interessen der Abnehmer berührt,
aus deren Kreis die privaten Verbraucher auf Grund ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit eine eigenständige Interessengruppe bilden.18
Die Trias der schutzwürdigen Interessen der Wettbewerber, der Verbraucher und der
Allgemeinheit bleiben innerhalb des deutschen Lauterkeitsrechts einem am
wettbewerblichen Unrecht orientierten Theorieansatz verantwortet. Das originäre
Verbraucherinteresse im Sinne eines Verbraucherschutzes durch Lauterkeitsrecht
15 E. Ulmer, Sinnzusammenhänge im modernen Wettbewerbsrecht, 1932, S. 9 ff.
16 L. Raiser, Marktbezogene Unlauterkeit, GRUR Int. 1973, 433.
17 Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz, 1958, S. 40 ff., 103 ff.
18 Schricker, GRUR Int. 1970, 32, 38 f.; derselbe, RabelsZ, 1972, S. 315, 316.
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wurde ansatzweise in das Wettbewerbsrecht integriert. Europäische Rechtsharmonisierung im Lauterkeitsrecht bietet die Chance einer Integration der originären Verbraucherinteressen in das Wettbewerbsrecht zur Stärkung des Verbraucherschutzes.
III. Europäisches Verbraucherleitbild
Grundlage der Rechtsprechung des EuGH19 zum Irreführungsschutz im Lauterkeitsrecht – und das gilt zwischenzeitlich auch im gesamten Kennzeichenrecht20 – ist das
Modell des verständigen Verbrauchers.21 Das europäische Verbraucherleitbild orientiert sich an der Rolle des Verbrauchers in einer offenen Marktwirtschaft mit wirksamem Wettbewerb. Der normative Modelladressat eines Europäischen Lauterkeitsrechts ist der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher. Mit dem Modell des verständigen Marktbürgers als Normadressat eines Europäischen Lauterkeitsrechts harmoniert die auf einem Informa-
19 Siehe nur EuGH WRP 1994, 380 - Clinique; GRUR Int. 1995, 804 - Mars; WRP
2000, 289 - Lifting-Creme.
20 Siehe dazu Fezer, Markenrecht, 2. Aufl., 1999, § 14 MarkenG, Rn 123 ff.; Fezer,
Erste Grundsätze des EuGH zur markenrechtlichen Verwechslungsgefahr - oder:
„Wie weit springt die Raubkatze?“, NJW 1998, 713; Teplitzky, Verwechslungsgefahr und Warenähnlichkeit im neuen Markenrecht, GRUR 1996, 1, 5; Scherer,
Normative Bestimmung von Verwechslungs- und Irreführungsgefahr im Markenrecht, GRUR 2000, 273; a. A. Kur, Die Verwechslungsgefahr im europäischen
Markenrecht - Versuch einer Bestandsaufnahme, MarkenR 1999, 2, 5.
21 Siehe erstmals zu einem normativen Verbrauchermodell Fezer, Das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot als ein normatives Modell des verständigen Verbrauchers im Europäischen Unionsrecht, WRP 1995, 671; siehe dazu etwa Doepner, Verbraucherleitbilder zur Auslegung des wettbewerbsrechtlichen Irreführungsverbots, WRP 1997, 999; Beater, Zum Verhältnis von europäischem und nationalem Wettbewerbsrecht - Überlegungen am Beispiel des Schutzes vor irreführender
Werbung und des Verbraucherbegriffs, GRUR Int. 2000, 963; aus der Sicht des
Wettbewerbsverfahrensrechts Bornkamm, Die Feststellung der Verkehrsauffassung im Wettbewerbsprozess, WRP 2000, 830; auf erheblichen Missverständnissen beruhend und ablehnend Schweizer, Die „normative Verkehrsauffassung“ - ein doppeltes Missverständnis - Konsequenzen für das Leitbild des
„durchschnittlich informierten, verständigen und aufmerksamen Durchschnittverbrauchers“, GRUR 2000, 923.
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tionsmodell basierende Theorie der Konsumentensouveränität. Die Steuerungsfunktion
der
Verbraucherentscheidung
bleibt
für
den
auf
einem
dezentralen
Entscheidungssystem basierenden Marktausleseprozess das unabdingbare Ordnungselement einer am Marktwettbewerb orientierten Wirtschaftsordnung. Das
macht
zur
Voraussetzung,
der
Verbraucherentscheidung
des
mündigen
Marktbürgers den Stellenwert als eines eigenständigen Steuerungsfaktors neben
Markt und Wettbewerb zuzuerkennen. Funktional beruht die Verbraucherentscheidung auf einer Vetoposition gegenüber dem Anbieterverhalten auf dem Markt
und legitimiert so Marktwettbewerb gesellschaftlich über Teilhabe der Marktgegenseite.
Diese
Steuerungsfunktion
der
Verbraucherentscheidung
im
Wettbe-
werbsprozess verlangt Maßnahmen zu einer Fundierung rationaler Verbraucherentscheidung durch Information.
Eine Orientierung der lauterkeitsrechtlichen Schutzstandards an den berechtigten
Erwartungen eines verständigen Verbrauchers verändert den Schutzinhalt des Lauterkeitsrechts
gegenüber
der
im
deutschen
Lauterkeitsrecht
angewandten
Auslegungsdirektive des flüchtigen Verbrauchers, verbunden mit den empirischen
Daten eines nicht unerheblichen Teils der relevanten Verbraucherkreise. Folge einer
Anhebung des an Verkehrsquoten gemessenen empirischen Schutzniveaus ist zwar
zum einen ein Funktionsverlust der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 1
UWG,
und
zwar
nicht
nur
quantitativ
hinsichtlich
der
prozentualen
Irre-
führungsschwelle, sondern auch qualitativ hinsichtlich solcher Fallgruppen wie der
gefühlsbetonten Werbung oder des übertriebenen Anlockens. Folge ist zum anderen
aber auch ein Regelungsbedarf an verbraucherrelevanten Fallkonstellationen im Interesse eines rechtssicheren Lauterkeitsrechts.
IV. Europäischer Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Eurokompatible Vorgaben einer gemeinschaftsrechtlichen Rechtsharmonisierung
des Lauterkeitsrechts bilden die Maßstäbe, die der EuGH in seiner Rechtsprechung
zum Waren- und Dienstleistungsverkehrsrecht des EGV entwickelt hat. In seiner
Rechtsprechung zum Verbot der Maßnahmen gleicher Wirkung im Interesse des
Schutzes der Freiheit des Waren- und Dienstleistungsverkehrs benennt der EuGH
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lauterkeitsrechtsrechtliche Beurteilungskriterien zur Rechtfertigung von Handelsschranken im europäischen Binnenmarkt.
Nach der Cassis-Doktrin22 ist das Verhältnis zwischen der Rechtfertigung einer
Maßnahme gleicher Wirkung wegen zwingender Erfordernisse der Mitgliedstaaten
nach Art. 28 EGV zu den Rechtfertigungsgründen des Art. 30 S. 1 EGV nicht
eindeutig geklärt.23 Der EuGH entschied, dass Belange des Verbraucherschutzes
und die Lauterkeit des Handelsverkehrs keine Rechtfertigungsgründe im Sinne des
Art. 30 S. 1 EGV darstellten, diese aber als zwingende Erfordernisse innerhalb des
Grundtatbestandes der Verbotsnorm nach Art. 28 EGV zu berücksichtigen seien.
Das systematische Verhältnis der Art. 28 und 30 EGV sei hier dahingestellt.
Entscheidend kommt es darauf an, dass der EuGH Maßstäbe zu den nationalen
Lauterkeitsrechten – und zwar auf der Grundlage eines europäischen Verbraucherleitbildes – formuliert. Nicht anders als die Rechtsprechung des EuGH zum spezifischen Gegenstand der Immaterialgüterrechte auch nach der Rechtsvereinheitlichung
des Markenschutzes den eurokompatiblen Schutzinhalt des Markenrechts bestimmt,
kommt auch der Rechtsprechung des EuGH zum Lauterkeitsrecht und zum Verbraucherschutz als zwingenden Erfordernissen eine Maßgeblichkeit für eurokompatible Schutzstandards zu.
Die Einschränkung der Dassonville-Formel24 durch die Keck-Restriktion25 des
EuGH und die Unterscheidung zwischen Warenmodalitäten einerseits und Verkaufsmodalitäten
andererseits
benennt
als
Lauterkeitsmaßstab
die
22 EuGH GRUR Int. 1979, 468 - Cassis de Dijon.
23 Die Rechtsprechung geht bekanntlich davon aus, dass es sich bei der Vorschrift
des Art. 30 S. 1 EGV um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handele und
deshalb der Katalog der geschützten Rechtsgüter nach Art. 30 S. 1 EGV abschließend normiert und nicht ergänzungsfähig sei; siehe dazu schon Fezer, Zur
gemeinschaftsrechtlichen Integration nationaler Markenrechte, Festschrift, 25
Jahre Bundspatentgericht, 1986, 405, 414 ff.
24 EuGH GRUR Int. 1974, 467 - Dassonville.
25 EuGH GRUR Int. 1994, 56 - Keck und Mithouard.
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Diskriminierungsfreiheit von Verkaufsmodalitäten. Die Rechtsprechung des EuGH, in
deren Kontext die Entscheidungen Yves Rocher,26 Hünermund27 und GB-INNOBM28 gehören, ist hier nicht näher darzustellen. Als rechtserheblich festzuhalten ist
der Prüfungsmaßstab, den der EuGH an das Vorliegen eines zwingenden Erfordernisses im Sinne des Art. 28 EGV anlegt. Lauterkeitsrecht und Verbraucherschutz
werden an der Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der nationalen
Maßnahme gemessen, ergänzt durch die Prüfung, ob die Maßnahme das mildeste
Mittel zur Erreichung der nationalen Zielsetzung (Übermaßverbot) darstellt. Vergleichbare Erwägungen stellte der EuGH an, als er in seiner umfänglichen Rechtsprechung den Rechtfertigungsgrund des gewerblichen und kommerziellen Eigentums nach Art. 30 S. 1 EGV konkretisierte.29 Die Rechtsprechung des EuGH bedeutet insgesamt nichts anderes als eine Spezifizierung der Rechtsgrundsätze der
Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit sowie des Übermaßverbots.
Die weitere Frage zum Anwendungsbereich des Waren- und Dienstleistungsverkehrsrechts des EGV geht dahin, ob es nicht sachgerecht ist, das Verbot der
Maßnahmen gleicher Wirkung auf solche Formen der Werbung und Methoden der
Absatzförderung nicht anzuwenden, die sich auf den innergemeinschaftlichen
Warenverkehr nur geringfügig auswirken.30 Der Sache nach handelt es sich bei der
vom EuGH in der Entscheidung Keck und Mithouard-Entscheidung des EuGH
erstmals vorgenommenen Abgrenzung zwischen reinen Regeln über Verkaufsmodalitäten und produktbezogenen Bestimmungen über Formen der Werbung und
26 EuGH GRUR 1993, 747 mit Anm. Bornkamm.
27 EuGH GRUR Int. 1994, 170 - Hünermund.
28 EuGH GRUR Int. 1990, 955 - GB-INNO-BM.
29 Siehe dazu schon Hefermehl/Fezer, Der Schutz der Marke im Gemeinsamen
Markt in: Hefermehl/Ipsen/Schluep/Sieben, Nationaler Markenschutz und freier
Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, 1979, S. 1 ff.
30 Siehe dazu auch die Überlegungen von Reich, ZIP 1993, 1815; Jestaedt/Kästle,
Kehrtwende oder Rückbesinnung der Anwendung von Art. 30 EGV: Das KeckUrteil, EWS 1994, 26, 28.
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Methoden der Absatzförderung um nichts anderes als die Einführung eines Spürbarkeitstests im Anwendungsbereich des Verbots der Maßnahmen gleicher Wirkung
nach Art. 28 EGV.31 Diskriminierungsfreie Verkaufsmodalitäten wie etwa die Vorschriften über den Ladenschluss beschränken per se den innergemeinschaftlichen
Warenverkehr nicht spürbar. In diesem Sinne verbirgt sich hinter der Abgrenzung
zwischen Verkaufs- und Produktmodalitäten eine der Sache nach angemessene Restriktion des Anwendungsbereichs des Verbots der Maßnahmen gleicher Wirkung
durch die Keck und Mithouard-Entscheidung. Ein solches Verständnis der Rechtsentwicklung in der Rechtsprechung des EuGH entspricht auch eine Parallelwertung
zwischen Warenverkehrsrecht und Wettbewerbsrecht32 zum Schutz eines unverfälschten und unbehinderten Leistungswettbewerbs in der EG.
V. Europäisches Unionsrecht des Wettbewerbs und mitgliedstaatlicher Beurteilungsspielraum
Rechtstheoretische Grundlage der Konzeption eines Europäischen Lauterkeitsrechts
bildet das Binnenmarktziel als Rechtsprinzip und der Binnenmarkt als Rechtsbegriff.33 Gemeinschaftsrechtliche Folge der Einheit der Wettbewerbsordnung des
Binnenmarktes ist eine diskriminierungsfreie Geltung der gemeinschaftsrechtlichen
Rechtssätze im Binnenmarkt. Gleichheitssatz und Diskriminierungsverbot sind der
Binnenmarktrechtsordnung immanent. Die Genesis eines Europäischen Lauterkeitsrechts beruht auf konsensfähigen Prinzipien eines Rechtsrahmens für Wettbewerb
und Werbung. Die Entwicklung darf nicht dahin gehen, das Wettbewerbsrecht auf
einem Mindeststandard zu lokalisieren und den kleinsten gemeinsamen Nenner der
nationalen Wettbewerbsordnungen in den Mitgliedstaaten zum Maßstab zu machen.
Notwendig ist vielmehr, dass in der Europäischen Union gleichsam ein integrativer
31 Siehe dazu ausführlich Fezer, Europäisierung des Wettbewerbsrechts, JZ 1994,
317.
32 Siehe dazu erstmals VerLoren van Themaat, Zum Verhältnis zwischen Artikel 30
und Artikel 85 EWG-Vertrag, Festschrift für Günther, 1976, 373, 384 ff.
33 Siehe dazu nur Reich, Binnenmarkt als Rechtsbegriff, EuZW 1991, 203, 204 f.;
Müller-Graff, Binnenmarktziel und Rechtsordnung, 1989, S. 36 f.
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Diskurs über die nationalen Zielsetzungen in den Mitgliedstaaten stattfindet. Gleichsam im Wege der praktischen Konkordanz sind die Prinzipien eines freien Binnenmarktes mit den Prinzipien der Freiheit und Lauterkeit des Wettbewerbs sowie eines
effektiven Verbraucherschutzes in Einklang zu bringen.34 Die die Rechtsprechung
des EuGH regelnden Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit sowie
des Übermaßverbots sind sachangemessene Leitlinien einer solchen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgestaltung.
Die Vereinheitlichung der Wettbewerbsregeln innerhalb der Europäischen Union wird
mit dem Instrument des gemeinschaftsrechtlichen Richtlinienrechts erfolgen. Eine
europäische Harmonisierungsrichtlinie zum Lauterkeitsrecht wird den nationalen Gesetzgebern in den Mitgliedstaaten einen eigenen nationalen Beurteilungsspielraum
einräumen. Die Lauterkeitsmaßstäbe sind auch als Ausdruck landesweiter kultureller
und sozialer Besonderheiten zu begreifen.35 Ein mitgliedstaatlicher Beurteilungsspielraum als Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips bedarf aber der Begrenzung
durch das Binnenmarktziel als Rechtsprinzip. Europäisches Lauterkeitsrecht darf
nicht zum Nischenrecht nationaler Liebhaberei im Wettbewerb werden. Die Freiheit
und Fairness im Handel und Wettbewerb sind allgemein gültige Prinzipien, auf deren
konkrete Inhalte sich eine Binnenmarktordnung für freie Wirtschaftssubjekte einigen
kann. In der Rechtsprechung des EuGH zur Freiheit des Waren- und Dienstleistungsverkehrs sind Verbraucherinformation und Markttransparenz die wettbewerbsrelevanten Topoi. Der verständige Verbraucher als mündiger Bürger ist als
Referenzmodell einer freien und fairen Wettbewerbsordnung angemessener als ein
durch Lauterkeitsrechtssätze bevormundeter, um nicht zu sagen ein, weil als flüchtiger verstanden, weithin entmündigter Durchschnittsverbraucher. Ein Europäisches
Lauterkeitsrecht als Teilmenge eines Europäischen Wettbewerbsrechts basiert auf
binnenmarktrechtlichen Prinzipien einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung in
der Europäischen Union.
34 Siehe dazu Joerges, Die Europäisierung des Privatrechts
nalisierungsprozess und als Streit der Disziplinen, ZEuP 1995, 181.
als
Ratio-
35 Siehe dazu Steindorff, Unlauterer Wettbewerb im System des EG-Rechts, WRP
1993, 139, 150 f.
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B. Generalklausel und Spezialtatbestände im Lauterkeitsrecht
I. Die Generalklausel als Delegationsnorm jurisdiktiver Rechtsetzung
Sowohl in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten als auch im Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union bilden Generalklauseln36 ein rechtstechnisches Instrument einer generalisierenden Normierung komplexer Lebensbereiche.
Das gilt namentlich im Lauterkeitsrecht, das in Deutschland von der im Jahre 1909
eingeführten Generalklausel des § 1 UWG als der Fundamentalnorm des Wettbewerbsrechts nachhaltig geprägt wird. Generalklauseln kommt eine Brückenfunktion
zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechung zu, deren Verhältnis von dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Gewaltenteilung bestimmt wird. Generalklauseln sind zu
flexiblen und zeitnahen Problemlösungen von Rechtskonflikten befähigt.
Ihrer rechtlichen Struktur nach sind Generalklauseln als Delegationsnormen37 zu
verstehen, die die Jurisdiktive als Institution zur Bildung von Rechtsätzen anhand
einer einen einzelnen Rechtsfall entscheidenden Rechtsprechung ermächtigen. Die
Konkretisierung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel bedeutet eine richterrechtliche Rationalisierung von Verhaltensstandards im Wettbewerbsrecht. Auch
wenn die Rechtssicherheit im Sinne einer Vorhersehbarkeit richterlichen Urteilens
zum einen und die Rechtsbeständigkeit im Sinne einer Abhängigkeit der richterrechtlichen Reaktion vom zu entscheidenden Sachverhalt zum anderen Kritik an der
Methode der Rechtsfindung durch Generalklauseln formulieren, so besteht doch im
Wettbewerbsrecht weithin Konsens über die Methode der richterlichen Rechtsgestaltung des Wettbewerbs38 als eines Erfolgsmodells.
36 Roth, Generalklauseln im Europäischen Privatrecht - Zur Rollenverteilung zwischen Gerichtshof und Mitgliedstaaten bei ihrer Konkretisierung, Festschrift für
Drobnig, 1998, S. 135.
37 Grundlegend Teubner, Standards und Direktiven in Generalklauseln, 1971.
38 Siehe dazu nur Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., 2001, Einl
UWG, Rn 71 f.
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Im europäischen Privatrecht, in dem Generalklauseln weite Verbreitung gefunden
haben und weithin auch als Ermächtigungsnormen an die europäische Gerichtsbarkeit verstanden werden, kommt der Konkretisierung gemeinschaftsrechtlicher
Generalklauseln zudem die Aufgabe zu, anhand konsensfähiger und eurokompatibler Prinzipien schrittweise ein europäisches Privatrecht im Interesse einer Rechtsharmonisierung auszubilden (creeping harmonisation).39 Diesen Prozess der europäischen Rechtsharmonisierung durch die richterrechtliche Konkretisierung gemeinschaftsrechtlicher Generalklauseln entspricht in den Mitgliedstaaten die richtlinienkonforme und gemeinschaftsrechtkonforme Auslegung des nationalen Rechts.
Die Generalklausel als ein rechtstechnisches Instrument der Rechtsgestaltung im
Wettbewerbsrecht hat sich nicht nur als eine zentrale Vorschrift des deutschen Lauterkeitsrechts bewährt, sondern wird auch in einem europäischen Wettbewerbsrecht
als Teil einer Rechtsharmonisierung konsensfähig sein.
II. Das Vordringen von Spezialtatbeständen zur Regelung von Kernbereichen
des Lauterkeitsrechts
1. Beredte Generalklausel mit einem Beispielskatalog wettbewerbswidrigen
Verhaltens
Sowohl im Interesse der Rechtssicherheit im Sinne der Vorhersehbarkeit richterlicher
Rechtsfindung im Lauterkeitsrecht als auch im Interesse einer Garantie der parlamentarischen Prärogative im Sinne einer Konstituierung wettbewerbsrechtlicher
Prinzipien und Wertungen wird immer wieder der Versuch unternommen, die Generalklausel anhand eines Beispielskatalogs von Fallkonstellationen wettbewerblichen
Unrechts den tatsächlichen Entwicklungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Medien
anzupassen.40 Ein Vorteil einer beredten Generalklausel ist es, dem Richter
39 Siehe dazu Ehricke, Die richtlinienkonforme und die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, RabelsZ 59 (1995), S. 598.
40 Siehe zur Ergänzung der Generalklausel durch Regelbeispiele den Bericht der Arbeitsgruppe „Überprüfung des Wettbewerbsrechts“ vom 17. Dezember 1996, S.10.
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wettbewerbsrechtliche Wertmaßstäbe und Beurteilungskriterien als Auslegungsdirektiven bei der Konkretisierung der Generalklausel an die Hand zu geben. Ein
Nachteil eines Beispielskatalogs ist es, dass die Normierung von exemplarischen
Fallkonstellationen zeitbedingt ist und die Flexibilität der Generalklausel als Instrument der Rechtsfindung beschränkt wird. Es ist zudem ein bekanntes Phänomen
des Richterrechts, dass es an einem dem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren vergleichbar legitimierten und transparenten Verfahren einer Anpassung oder
gar Aufhebung richterrechtlicher Rechtsätze im Wege der Jurisdikative ermangelt.
Innerhalb einer europäischen Rechtsharmonisierung des Lauterkeitsrechts wird deshalb kaum konsensfähig und innerhalb einer Modernisierung des deutschen Lauterkeitsrechts kaum zu empfehlen sein, eine beredte Generalklausel mit einem
Beispielskatalog wettbewerbswidrigen Verhaltens einzuführen.
2. Spezialtatbestände zur Normierung der Kernbereiche wettbewerblichen Unrechts
Im deutschen Lauterkeitsrecht wie auch in anderen europäischen Staaten hat sich
als Gesetzgebungstechnik ein duales System von Generalklausel und Spezialtatbeständen zur Erfassung der Vielfalt wettbewerbswidrigen Marktverhaltens weithin
durchgesetzt. Die funktionale Ergänzung einer Allgemeinnorm durch Sondernormen
gewährleistet vor allem dann Rechtssicherheit im Richterrecht im Lichte des Prinzips
der Gewaltenteilung zum einen und eine zeitnahe und sachgerechte Anpassung des
Wettbewerbsrechts an den Wandel der Angebots- und Nachfragestrukturen auf dem
Markt zum anderen, wenn die Spezialtatbestände der Regelung von Kernbereichen
des Wettbewerbsunrechts dienen. Im deutschen Lauterkeitsrecht ergänzen die
wettbewerbsrechtliche Generalklausel die Spezialtatbestände der vergleichenden
Werbung nach § 2 UWG und der irreführenden Werbung nach § 3 UWG. Einen eigenen Regelungsbereich bildet die Normengruppe der Anschwärzung nach § 14
UWG, der geschäftlichen Verleumdung nach § 15 UWG, des Geheimnisverrats nach
§ 17 UWG und der Vorlagenfreibeuterei nach § 18 UWG.
Neben der Normierung solcher Kernbereiche wettbewerblichen Unrechts stehen Regelungsbereiche an den Randzonen einer Ordnung der Wettbewerbsverhältnisse.
Anlass für deren gesetzliche Regelung war zumeist ein zeitgebundener Hand-
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lungsbedarf des Gesetzgebers. Dazu rechnen zum einen die Gefährdungstatbestände der Hersteller- und Großhändlerwerbung nach § 6a UWG und des Kaufscheinhandels nach § 6b UWG. Die Werbeverbote der mengenmäßigen Abgabebeschränkung und des Abgabeausschlusses an Wiederverkäufer nach § 6d UWG
und der Werbung mit Preisgegenüberstellungen nach § 6e UWG wurden aufgehoben. Dazu rechnet zum anderen ein als wettbewerbliches Ordnungsrecht zu verstehender Regelungsbereich. Das sind einmal die wettbewerbsrechtlichen Nebengesetze des Rabattrechts und des Zugaberechts, deren Aufhebung im Laufe des
Jahres 2001 vorgesehen ist. Das ist weiter das Recht der Verkaufsveranstaltungen,
das die Sonderveranstaltungen, Jubiläumsverkäufe und Schlussverkäufe nach § 7
UWG und die Räumungsverkäufe nach § 8 UWG regelt. Symptomatisch belegt die
Reglementierungsdichte solcher Ordnungsvorschriften der Umstand, dass es zur
Regelung der Räumungsverkäufe in § 8 UWG mehr Wörter bedarf als zur Regelung
des Kernbestands des Wettbewerbsrechts in den §§ 1 bis 3 UWG.
Es ist einer Modernisierung des Lauterkeitsrechts angemessen, die wettbewerbsrechtliche Generalklausel durch solche Spezialtatbestände zu ergänzen, die
die Kernbereiche des wettbewerblichen Unrechts entsprechend der Gegenwart der
Marktverhältnisse auf einem eurokompatiblen Schutzniveau beschreiben. Der
Normierung von Spezialtatbeständen als einer Aufgabe des Gesetzgebers kommen
gegenwärtig über den eigentlichen Rechtsetzungsakt hinsichtlich des wettbewerblichen Kernunrechts hinaus weitere Funktionen zu, die nicht immer hinreichend
beachtet werden und namentlich im Zusammenhang mit der Aufhebung des Rabattrechts und des Zugaberechts von Bedeutung sind. Solcherart Regelungstechnik ist
an der Einführung der Regelung der vergleichenden Werbung in das deutsche Lauterkeitsrecht in Umsetzung der europäischen Richtlinie über die vergleichende Werbung41 zu beobachten. Zum einen kann der Normierung eines Spezialtatbestandes,
auch wenn er eine Verbotsnorm darstellt, eine die wirtschaftliche Handlungsfreiheit
der Unternehmen erweiternde und sichernde Funktion zukommen. Die Regelung der
vergleichenden Werbung erweiterte den unternehmerischen Handlungsspielraum im
Wettbewerb gegenüber dem aus der Generalklausel abgeleiteten Verbot der ver-
41 Siehe Fn. 3.
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gleichenden Werbung. Der Spezialtatbestand schneidet gleichsam einen Verbotsbereich aus der Generalklausel heraus und steckt zugleich die erweiterten Handlungsgrenzen ab. Der Gesetzgeber wird diese rechtssichernde Funktion der
Normierung eines Spezialtatbestandes zu berücksichtigen haben, wenn es die Frage
zu beantworten gilt, ob nach Aufhebung des Rabattrechts und des Zugaberechts ein
Handlungsbedarf des Gesetzgebers zur Normierung bestimmter Fallkonstellationen
besteht. Es wird zu beachten sein, dass es bei der Normierung von Spezialtatbeständen nicht darum geht, das der Aufhebung verfallene Recht im Wege von Ersatzregelungen aufzufangen, sondern darum, die Anwendung der Generalklausel
und auch des geltenden Rechts im übrigen zu entlasten und rechtssicher zu gestalten, um auch die Gefahr zu bannen, den aufgehobenen Verboten entsprechende
Rechtssätze aus dem geltenden Wettbewerbsrecht abzuleiten.
Zum anderen kann der Normierung eines Spezialtatbestandes eine die Wettbewerbswidrigkeit konkretisierende Funktion zukommen, wenn auf Grund der Regelungstechnik des Spezialtatbestands eine Integration der als wettbewerbswidrig
normierten Fallkonstellation in das wettbewerbliche Unrecht der Generalklausel
stattfindet. Der Spezialtatbestand der vergleichenden Werbung nach § 2 UWG
beschreibt nicht nur die einzelnen Tatbestandsmerkmale der vergleichenden Werbung, sondern integriert die Grenzen der vergleichenden Werbung als einen Verstoß
gegen die guten Sitten in die Generalklausel des § 1 UWG. Als Teilmenge der Generalklausel konkretisiert der Spezialtatbestand das Wettbewerbsunrecht. Der Handlungsbedarf des Gesetzgebers zur Normierung von Spezialtatbeständen sollte deshalb nicht allein hinsichtlich einer Modernisierung des Lauterkeitsrechts in Bezug
auf die Realität der Marktverhältnisse und einer europäischen Rechtsharmonisierung, sondern auch hinsichtlich einer rechtssicheren Konkretisierung der Kernbereiche des wettbewerblichen Unrechts beurteilt werden.
III. Generalklausel, Normzweckklausel und Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts
1. Standortbestimmung des UWG
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Der Normzweck des Lauterkeitsrechts wird im wesentlichen der Generalklausel des
§ 1 UWG entnommen. Die nahezu einhundertjährige Geschichte der Generalklausel
des deutschen Lauterkeitsrechts ist ein Lehrstück für die rechtstheoretische Innovationskraft der Rechtstechnik einer als Generalklausel formulierten Grundsatznorm
eines Gesetzes auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts. Der Paradigmenwechsel, den
das Lauterkeitsrecht als einen Funktionswandel vollzog, ist vielfach beschrieben
worden. Das Vorhaben einer Modernisierung des Lauterkeitsrechts bedarf einer
Standortbestimmung des UWG, deren sich auch eine europäische Rechtsharmonisierung zu vergewissern hat. Ohne sich in einer Grundsatzdebatte zu verlieren,
kommt man nicht umhin, den Normzweck und Anwendungsbereich des UWG zu
bestimmen und damit die rechtlichen Wertungen des Lauterkeitsrechts als Maßstäbe
sowohl für das Handeln des Gesetzgebers als auch für die richterrechtliche Konkretisierung der Generalklausel offenzulegen. Der geschichtliche Rekurs der folgenden
Ausführungen dient einer zukunftsgerichteten Legitimierung eines modernen Lauterkeitsrechts.
2. Zur Dogmatik des Unrechts im Wettbewerbsrecht
Seiner ursprünglichen Anlage nach war das Wettbewerbsrecht individualrechtlich
konzipiert. Das Gesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896,
das der Vorläufer des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb vom 7. Juli 1909 war,
verfolgte nach der Begründung zum Ersten Entwurf das begrenzte Ziel, gegen „gewisse Mittel, welche moralisch verwerflich, wenngleich vom Gesetz bisher nicht verboten sind“, Abhilfe zu schaffen, wenn die Mittel „zu dem Zwecke angewendet werden, um unberechtigte Vorteile gegenüber den Konkurrenten zu gewinnen“.42 In den
Worten des RG bezweckte das Gesetz, „die besonders ausgeprägt zu Tage tretenden Auswüchse des missbräuchlichen Wettbewerbs abzuschneiden“.43 Das UWG
1896 normierte im wesentlichen das Verbot unwahrer Reklame und einiger anderer
42 Begründung zum ersten Entwurf des UWG vom 27. Mai 1986, Stenographische
Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Legislaturperiode, IV. Session,
1895/97, Band 151, Berlin, 1896, Anlage Nr. 35, 1. Anlageband, S. 99 ff., 101.
43 RGZ 48, 114, 119.
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Erscheinungsformen des unlauteren Wettbewerbs. Es diente allein dem Individualschutz der einzelnen Mitbewerber. Das spricht deutlich eine vielzitierte Wendung aus
der Begründung aus.44 „Der Schutz des konsumierenden Publikums gegen Übervorteilung ist nicht der unmittelbare Zweck eines gegen den unlauteren Wettbewerb
gerichteten Gesetzes, wenngleich Maßregeln, die in den gegenseitigen Beziehungen
der Gewerbetreibenden Treu und Glauben zu befestigen bestimmt sind, mittelbar
auch dem Interesse ihrer Abnehmer entgegenkommen werden.“
Die Bestimmungen des UWG von 1896 hinterließen zahlreiche Lücken im
Schutzsystem gegen Schädigungen durch unlauteren Wettbewerb. Nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs sah sich das RG veranlasst, neben dem
deliktsrechtlichen Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach § 823 Abs. 1 BGB auf dem Gebiet der Wettbewerbshandlungen ergänzend § 826 BGB anzuwenden. Nach Ansicht des RG diente § 826 BGB dazu, „eine
Schutzwehr gegen illoyale Handlungen in umfassender Weise zu gewähren“.45
Schließlich ersetzte das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb von 1909 die
kleine Generalklausel des § 1 Abs. 1 S. 1 UWG 1896 durch die große Generalklausel des § 1 UWG. Das UWG 1909 behielt aber die Schutzrichtung eines ausschließlichen Konkurrentenschutzes bei.46
Das individualrechtliche Verständnis des Wirtschaftsdeliktsrechts erklärt sich aus der
allgemeinen Zentralstellung, die zur Zeit der Wende zum 20. Jahrhundert das subjektive Recht als eine Rechtsinstitution des Privatrechts in der Zivilrechtslehre einnimmt. Ziviles Unrecht wurde notwendig als die Verletzung eines subjektiven Rechts
gedacht. Der rechtstheoretische Ausgangspunkt machte der Lehre zur Aufgabe, das
Schutzobjekt im Wettbewerbsrecht aufzufinden. Denn erst der Eingriff eines Wettbewerbers in das rechtlich geschützte Rechtsgut eines Mitbewerbers konstituierte
44 Siehe Fn 42.
45 RGZ 48, 114, 119.
46 Repräsentativ Baumbach, Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 1. Aufl. Berlin,
1929, S. 128: „Es ist ein grundlegender Irrtum, dass das deutsche Wettbewerbsrecht auch das Publikum schütze“.
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das wettbewerbsrechtliche Unrecht. So waren Wettbewerbsrechtstheorien notwendigerweise Individualrechtstheorien. Es nimmt nicht wunder, dass der Meinungsstreit um das im Wettbewerbsrecht geschützte Rechtsgut die Kontroverse um das
Wesen des subjektiven Privatrechts im ausgehenden 19. Jahrhundert widerspiegelt.47 Die Vielfalt der frühen wettbewerbsrechtlichen Theorien war in zwei Lager gespalten: in eine persönlichkeitsrechtliche und in eine unternehmensrechtliche
Richtung.48 Die einen verstanden das Wettbewerbsrecht als Persönlichkeitsschutz,
das den Schutz der Person im Bereich ihrer wirtschaftlichen Betätigung bezweckte,
die anderen als Unternehmensschutz, das dem Schutz der in einem Unternehmen
verkörperten, wirtschaftlichen Werte diente. In beiden Theorien ist Grundlage des
wettbewerblichen Unrechts die Verletzung eines subjektiven Rechts. Ansatz der
Vertreter einer persönlichkeitsrechtlichen Theorie, zu denen etwa Otto von Gierke,
Josef Kohler, Adolf Lobe und Alfred Rosenthal rechneten, war die Anerkennung
eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines subjektiven Privatrechts. Anders
entwickelte sich später die unternehmensrechtliche Theorie, zu deren Vertretern
etwa Adolf Baumbach, Rudolf Callmann, Rudolf Isay und Hans Oppikofer zählten, in
Fortbildung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Anerkennung eines subjektiven Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach § 823 Abs. 1
BGB.
Indem beide wettbewerbstheoretischen Richtungen das Wettbewerbsrecht auf subjektivrechtlicher Grundlage aufbauten - sei es, dass der das wettbewerbliche Unrecht
begründende Erfolg der Wettbewerbshandlung in der Verletzung eine subjektiven
Rechts an der eigenen Person, sei es am Unternehmen erblickt wird -, entsprachen
sie den privatrechtstheoretischen Grundströmungen ihrer Zeit. Allein Ursprung und
Verankerung im Naturrecht unterscheidet das subjektivrechtliche Rechtsdenken der
persönlichkeitsrechtlichen von der unternehmensrechtlichen Lehre. Richtig bemerkt
Wolfgang Hefermehl, es lasse sich, ausgehend von beiden Theorieansätzen, ein
47 Siehe dazu Fezer, Teilhabe und Verantwortung - Die personale Funktionsweise
des subjektiven Privatrechts, München 1986, S. 205 ff., 215 ff.
48 Siehe die Darstellung des Meinungsstands bei BaumbachHefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., 2001, Einl UWG, Rn . 44 ff.
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Wettbewerbsrecht konzipieren, zumal in der Zwischenzeit ein von jedermann zu
achtendes, subjektives Privatrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zum Schutz
des gesamten Ausstrahlungs- und Wirkungskreises der Person anerkannt sei, zumal
aber auch dem Unternehmensschutz in einer marktwirtschaftlichen Ordnung Verfassungsrang zukomme.
Anfang der 30er Jahre verhalf vornehmlich Eugen Ulmer dem Gedanken zum
Durchbruch, dass das Wettbewerbsrecht nicht allein dem Schutz der einzelnen Mitbewerber oder der Gesamtheit der Mitbewerber dient, sondern dass die Bekämpfung
unlauteren Wettbewerbs auch im Interesse der Allgemeinheit liegt.49 Es ist das Verdienst von Wolfgang Hefermehl, die rechtstheoretischen Folgerungen aus dem
Wandel der Schutzrichtung des Wettbewerbsrechts gezogen zu haben.50 Er beobachtete an der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass bei der Anwendung des
§ 1 UWG in der Regel ein Eingriff in ein Individualrecht des Mitbewerbers nicht mehr
festgestellt werde. Seine Lehre vom Interessenschutz im Wettbewerbsrecht geht
dahin, das Kennzeichen des unlauteren Wettbewerbs liege nicht in der Verletzung
eines subjektiven Rechts oder Rechtsguts, sondern in dem Verstoß gegen objektive
Verhaltensnormen. Die Institution des Wettbewerbs als einer selbständigen Ordnungseinheit des sozialen Lebens sei das übergeordnete Schutzgut des gesamten
Wettbewerbsrechts. Es widerspreche dem Wesen des Wettbewerbs, einem
Wettbewerber ausschließliche Herrschaftspositionen zuzuweisen. So sei es bei der
Verhinderung unlauteren Wettbewerbsverhaltens gleichgültig, ob die Persönlichkeit
eines Mitbewerbers in seiner wirtschaftlichen Betätigung, das Unternehmen oder die
Wettbewerbsstellung eines Mitbewerbers verletzt werden.
Der Funktionwandel im Wettbewerbsrecht dehnte den Bereich des wettbewerblichen
Unrechts aber nicht allein hinsichtlich eines an objektivrechtlichen Verhaltensnormen
ausgerichteten Interessenschutzes aus. Er macht auch zur Aufgabe, solche neuen
49 E. Ulmer, Wandlungen und Aufgaben im Wettbewerbsrecht, GRUR 1937, 769,
772.
50 Dazu und zum folgenden Hefermehl, Der Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts, in: Festschrift für Hans Carl Nipperdey zum 60. Geburtstag, München, Berlin 1955, S. 283 ff.
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Erscheinungsformen unlauteren Wettbewerbs zu beschreiben, die subjektivrechtliche Rechtslagen berühren und auf einer Ausdehnung der Schutzsubjekte des
Wettbewerbs wie namentlich der Verbraucher beruhen. Das wettbewerbliche Unrecht im Kontext der Rolle der Verbraucher als Marktpartner im Wettbewerbsprozess
zu bestimmen, ist ein Versuch, die Entwicklung von einer individualrechtlichen zu
einer sozialrechtlichen und institutionellen Funktionsausrichtung der wettbewerbsrechtlichen Normen zu einer pluralistischen Wettbewerbstheorie51 fortzuschreiben, die den Wettbewerb und damit das Marktverhalten anhand der Kategorien des
Gegengewichts und der gesellschaftlichen Teilhabe nicht allein sittlichrechtlich und
objektivrechtlich, sondern auch subjektivrechtlich legitimiert.52
Der Wandel in den Funktionen und Strukturen des Wettbewerbsrechts von einem
rein individualrechtlichen zu einem sozialrechtlichen Wettbewerbsrecht führte zu der
heute nahezu allgemein anerkannten Erkenntnis, dass das Wettbewerbsrecht die
individuellen und sozialen Interessen der Mitbewerber, der Verbraucher und der
übrigen Marktbeteiligten sowie der Allgemeinheit schützt. Das Lauterkeitsrecht basiert gleichermaßen auf individualrechtlichen wie sozialrechtlichen Funktionselementen. Der Vorrang der Wertungskriterien wird anhand einer marktbezogenen
Güter- und Interessenabwägung bestimmt. Folge der Einbeziehung der Interessen
der Verbraucher und der Allgemeinheit ist eine Entwicklung des Wettbewerbsrechts
von einem deliktischen Verhaltensrecht der Mitbewerber zu einem Marktverhaltensrecht aller Marktbeteiligten. Der sozialrechtliche Aspekt ebnete zum einen den Weg
für eine am Schutz des Wettbewerbsbestands orientierte und damit institutionelle
Erfassung der Wettbewerbswidrigkeit.53 Nach Inkrafttreten des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen wurde eine solche Tendenz durch den Einfluss der
51 Siehe dazu Fezer, Die Pluralität des Rechts, Prolegomena zu einer pluralistischen
Privatrechtstheorie, JZ 1985, 762; Fezer, Verantwortete Marktwirtschaft, JZ 1990,
657.
52 Siehe zu diesem wettbewerbstheoretischen Ansatz Fezer, Teilhabe und Verantwortung - Die personale Funktionsweise des subjektiven Privatrechts, 1986, S. 524
ff., 539 ff.
53 Raiser, Marktbezogene Unlauterkeit, GRUR Int. 1973, 433 ; K. Simitis, Gute Sitten und ordre public, 1960, S. 51 ff.
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Wertungen des GWB auf das UWG im Sinne einer Wettbewerbsordnung als einer
einheitlichen rechtlichen Gesamtordnung befördert. Das ordnungspolitische Moment
rechtfertigte den Schutz des Wettbewerbs vor schweren Marktstörungen nunmehr
auch innerhalb des Lauterkeitsschutzes. Zum anderen wird der Schutz der Verbraucherinteressen von den Allgemeininteressen unterschieden und zu einem eigenständigen und unmittelbaren Schutzzweck verselbständigt. Topoi eines modernen Wettbewerbsrechts sind neben dem Mitbewerberschutz der Schutz des
Leistungswettbewerbs, der Schutz der Verbraucherinteressen und der Schutz des
Wettbewerbs in seinem Bestand.
Den Anwendungsbereich eines modernen Lauterkeitsrechts bestimmt das Verhältnis
zwischen wettbewerbsrechtlichem Verbraucherschutz und Schutz des Leistungswettbewerbs. Ausgehend von der sozialen Rolle des Verbrauchers in einer
marktwirtschaftlichen Ordnung, ist der Begriff des Leistungswettbewerbs nicht primär
an den wirtschaftlichen Interessen der Anbieter auszurichten, sondern ist gleichrangig aus der Perspektive der Marktgegenseite zu bestimmen. Im Schutz des
Leistungswettbewerbs liegt der Schutz der Leistungskontrolle der Marktgegenseite.
Leistungswettbewerb ist Ausdruck der besseren Leistungsfähigkeit des Anbietenden
auf dem Markt der zum Vergleich stehenden Leistungen. Leistungswettbewerb kann
nur dann bestehen, wenn die Entscheidung der Marktgegenseite über die im
Wettbewerb stehenden Angebote der Mitbewerber als ein Urteil der Verbraucher
über die unternehmerische Leistung fallen kann. Denn der Nutzen für den Verbraucher legitimiert den Wettbewerb, der die beste Leistung auf dem Markt zur Geltung bringen soll. Verbraucherschutz und Schutz des Leistungswettbewerbs erscheinen so als zwei Seiten ein und derselben Medaille, wenn man den kollektiven
Entscheidungsprozess der Marktgegenseite als Teilhabe und äquivalente Mitgestaltung am Sozialprozess Wettbewerb begreift.
3. Normzweckklausel
Die Wettbewerbsgesetze der Mitgliedstaaten kennen keine den Anwendungsbereich
des Gesetzes selbständig bestimmende Normzweckklausel. Im europäischen Gemeinschaftsrecht dient das Instrument der Präambel und im Recht der Mitgliedstaaten namentlich die Gesetzesbegründung der Vergewisserung über den Normzweck
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des Lauterkeitsrechts, der im Wege der Auslegung der Spezialtatbestände und der
Konkretisierung der Generalklausel bestimmt wird. Der im schweizerischen Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb aus dem Jahre 1986 dem UWG
vorangestellte Zweckartikel, der wie ein Paukenschlag empfunden wurde und im internationalen Vergleich eine Singularität darstellt, wird gesetzgebungstechnisch für
die europäische Rechtsharmonisierung kein Vorbild sein.54 Ein Europäisches Lauterkeitsrecht bedarf gleichwohl einer Präzisierung des Normzwecks und sollte die
rechtlichen Topoi des Lauterkeitsrechts benennen. Eine Normzweckklausel ist
gleichsam in eine erläuternde Generalklausel zu integrieren.
54 Art. 1 schweiz. UWG lautet: „Dieses Gesetz bezweckt, den lauteren und unverfälschten Wettbewerb im Interesse aller Beteiligten zu gewährleisten.“
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C. Anwendungsbereich der Generalklausel des § 1 UWG
I. Beeinträchtigung eines lauteren und unverfälschten Wettbewerbs sowie der
Belange der Verbraucher
Das deutsche Lauterkeitsrecht umschreibt das wettbewerbliche Unrecht als einen
Verstoß gegen die guten Sitten.55 Die guten Sitten als Maßstab der Wettbewerbswidrigkeit sind vielfacher Kritik unterzogen worden. Die Kritik gipfelt in dem Vorhalt, es
handele sich um eine Leerformel. Den berechtigten Kern der Kritik veranschaulicht
die Umschreibung der guten Sitten im Wettbewerb als das Anstandsgefühl aller billig
und gerecht denkenden Wettbewerber.56 Der Kritik ist zuzugeben, dass der in der
Guten-Sitten-Norm enthaltene Verweis auf die Sozialmoral unzureichend ist. Eine
solche Ausrichtung des Lauterkeitsrechts wird weder der Pluralität der Wertvorstellungen in einer offenen Gesellschaft noch den Funktionsbedingungen einer
Wettbewerbsordnung gerecht.
Teil einer Modernisierung des Lauterkeitsrechts sollte es sein, das Referenzmodell
der Wettbewerbswidrigkeit transparent zu machen. Ein normatives Leitbild des Lauterkeitsrechts sollte Auslegungsdirektiven zur Konkretisierung der Generalklausel
vorgeben. Es mangelt nicht an Versuchen, den Begriff der guten Sitten durch andere
Umschreibungen wie den Begriff des ordre public, die Formel von Treu und Glauben
(good faith) oder ein Abstellen auf die anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und
Handel zu ersetzen. Jede Art einer solchen Umformulierung der sprachlichen Umschreibung des wettbewerblichen Unrechts vermag aber dann nicht zu überzeugen,
wenn kein funktionales Referenzsystem angegeben wird, das anhand von
Auslegungsdirektiven den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts präzisiert.
Wenn dieses Vorhaben als Teil einer Modernisierung des Lauterkeitsrechts verstanden wird, dann ist an den Funktionswandel des Lauterkeitsrechts anzuknüpfen. Die
55 Siehe dazu im einzelnen Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl.,
2001, Einl UWG, Rn 66 ff.
56 So schon RGZ 48, 114, 124; 80, 219, 221; auch BGHZ 10, 228, 232; 17, 327,
332.
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Konkretisierung der Generalklausel zentriert gegenwärtig um die Trias der Interessenkreise der Wettbewerber, der Verbraucher und der Allgemeinheit. Der Wettbewerbsbezug der Güter- und Interessenabwägung fundiert den sittlichrechtlichen Gehalt der Wettbewerbswidrigkeit. Folge dieser Methode der Rechtsfindung ist die
Bildung plausibler Fallgruppen des wettbewerblichen Unrechts. Verbreitet ist die
wettbewerbsrechtliche Beurteilung des Marktverhaltens anhand der gleichsam prototypisch verstandenen Fallkonstellationen des wettbewerblichen Unrechts des Kundenfangs, der Behinderung,
der Ausbeutung,
des
Rechtsbruchs
und
der
Marktstörung. Das Hefermehl’sche System der fünf Fallgruppen bildet als eine Typik
der Phänomene wettbewerblichen Unrechts auch das Fundament eines national
modernisierten und europäisch rechtsvereinheitlichten Lauterkeitsrechts. Eine solch
rechtssichere Basis bilden allerdings nicht die Vielfalt der verzweigten Untergruppen
und Fallvarianten, in die sich die Systematik ausdifferenziert hat. Das erscheint als
der wesentliche Grund, den im Wettbewerbsrecht anhand der Konkretisierung der
Generalklausel vollzogenen Funktionswandel gesetzgeberisch aufzugreifen, das
Referenzsystem des Lauterkeitsrechts zu formulieren und die normativen Leitlinien
als Auslegungsdirektiven zu benennen.
Es sind namentlich drei materiellrechtliche Entwicklungen des Lauterkeitsrechts, die
als Auslegungsdirektiven die Normativität des wettbewerblichen Unrechts bestimmen. Zum ersten vermag die Theorie des Leistungswettbewerbs in ihrer normativteleologischen Gestalt57 im Sinne der Zielsetzung des Wettbewerbsprozesses den
Begriff des Wettbewerbs im Lauterkeitsrecht inhaltlich auszufüllen. Das gilt unabhängig von den wirtschaftswissenschaftlichen Wettbewerbstheorien sowie der Lehre
von den Marktformen und zwar unbeschadet namentlich aus der Sicht neoklassischer und ordoliberaler Wettbewerbstheorien vorgetragener Kritik am theoretischen
Modell des Leistungswettbewerbs.58 Unter Leistungswettbewerb ist der Wettbewerb
57 Siehe dazu grundlegend P. Ulmer, Der Begriff „Leistungswettbewerb“ und seine
Bedeutung für die Anwendung von GWB und UWG-Tatbeständen, GRUR 1977,
565.
58 Siehe dazu Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Kommentar, 3. Aufl., 2001, § 19 GWB, Rn 102 ff.; Markert,
in: Immenga/Mestmäcker, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Kom-
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mit dem Preis und der Qualität der Ware oder Dienstleistung einschließlich der Nebenleistungen zu verstehen. Leistungswettbewerb dient dem Leistungsvergleich am
Markt. Der Wettbewerber soll das Angebot der Waren oder Dienstleistungen am
Markt unbehindert und unverfälscht zur Geltung bringen können. Der Verbraucher
soll zwischen den verschiedenen Angeboten am Markt vergleichend entscheiden
können. Nach Aufhebung des Rabattrechts und des Zugaberechts kommt etwa bei
der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Kopplungsgeschäften und Kundenbindungssystemen sowie der Wertreklame dem Leitbild des Leistungswettbewerbs
als Auslegungsdirektive Rechtserheblichkeit zu.
Zum zweiten sollte der Verbraucherschutz als eine originäre Aufgabe des Lauterkeitsrechts verstanden werden. Die Verstärkung des Verbraucherschutzes im
Wettbewerbsrecht vollendet die Entwicklung von einem individualrechtlichen zu
einem sozialrechtlichen Verständnis des wettbewerblichen Unrechts und harmoniert
zudem mit einer allgemeinen Entwicklung im europäischen Privatrecht. Eine Verstärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbsrecht sollte sich in der Formulierung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel niederschlagen. Mit einer solchen
Verankerung des Verbraucherschutzes als eine der normativen Leitlinien des Lauterkeitsrechts im materiellen Wettbewerbsrecht sollte eine Verstärkung des Verbraucherschutzes im wettbewerblichen Sanktionenrecht einhergehen. Es ist ein Versäumnis des Verbraucherschutzrechts, dass sowohl ein individueller Schadensersatzanspruch der Verbraucher als auch ein kollektiver Schadensersatzanspruch in Gestalt der class action selbst nach intensiver Diskussion im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts keinen Eingang in das UWG gefunden hat. Die Anerkennung
eines originären Verbraucherschutzes durch Lauterkeitsrecht transformiert das
Wettbewerbsrecht zu einem Schutzzweckgesetz im Sinne des Schadensersatzrechts.
Zum dritten sollte der ordnungsrechtliche Gehalt des Lauterkeitsrechts, wie er in der
Anerkennung der Fallgruppe der Marktstörung anschaulich wird, im Wortlaut der
wettbewerbsrechtlichen Generalklausel zum Ausdruck kommen. Eine solche Einheit
mentar, 3. Aufl., 2001, § 20 GWB, Rn 138 ff.; Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 5. Aufl., 1998, S. 44 f.
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von UWG und GWB, die beide den Schutz eines wirksamen Wettbewerbs bezwecken, überwindet die künstliche Antinomie zwischen Freiheit und Lauterkeit des
Wettbewerbs, die sich als wettbewerbsrechtliche Prinzipien gegenseitig bedingen.
Der Vorschlag geht dahin, das Lauterkeitsrecht als eine integrative Einheit von Mitbewerberrecht, Verbraucherrecht und Marktordnungsrecht zu verstehen.
Die Art und Weise der sprachlichen Umsetzung dieses Vorschlags innerhalb der
Generalklausel kann auf verschiedenem Wege erfolgen. Auszugehen ist von einem
Verzicht auf den Begriff der guten Sitten oder einer vergleichbaren, nicht wettbewerbsbezogenen Begriffsbildung. In dem Begriff der Lauterkeit des Wettbewerbs
(concurrence déloyale, unfair competition) kommt der tradierte Kerngehalt des
wettbewerblichen Unrechts und zwar rechtsvergleichend einheitlich in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum Ausdruck. In dem Begriff des Leistungswettbewerbs wird die Zielsetzung des Wettbewerbsprozesses, im Interesse aller
Marktbeteiligten den Leistungsvergleich am Markt zur Geltung zu bringen, ausgedrückt. In dem Begriff eines unverfälschten Wettbewerbs wird der Ordnungsgehalt
des Lauterkeitsrechts ausgedrückt, den Wettbewerb als Institution in seinem Bestand zu schützen und bei der Konkretisierung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel von einer Parallelwertung zwischen Freiheitsschutz nach dem GWB und Lauterkeitsschutz nach dem UWG auszugehen. Eine Implementierung des Verbraucherschutzes als eines eigenständigen Schutzzwecks der wettbewerbsrechtlichen
Generalklausel kommt als Auslegungsdirektive bei der wettbewerbsrechtlichen
Beurteilung neuer Marktstrategien eine besondere Bedeutung zu.
Mein Vorschlag geht dahin, in der Generalklausel des § 1 UWG nicht auf einen Verstoß gegen die guten Sitten, sondern auf eine Beeinträchtigung des lauteren und
unverfälschten Leistungswettbewerbs sowie der Belange der Verbraucher abzustellen.
II. Handeln im geschäftlichen Verkehr, Wettbewerbshandlung und Wettbewerbsverhältnis
Eine Anwendungsschranke der Generalklausel des § 1 UWG stellt die Tatbestandsvoraussetzung eines Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs dar. Das Vor-
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liegen einer Wettbewerbshandlung ist Anwendungsvoraussetzung auch in den Vorschriften der §§ 3, 6b, 14, 17, 18 und 20 UWG. Unter einer Wettbewerbshandlung
wird ein Verhalten verstanden, durch das ein Wettbewerber auf den aktuellen oder
potentiellen Kundenkreis Einfluss zu nehmen sucht.59 Der Förderung eigenen
Wettbewerbs wird die Förderung des Wettbewerbs eines Dritten gleichgestellt. Ein
Handeln im geschäftlichen Verkehr als solches stellt noch keine Wettbewerbshandlung dar. In ständiger Rechtsprechung seit Inkrafttreten der Generalklausel wird das
Tatbestandsmerkmal eines Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs nicht nur im
Sinne einer Wettbewerbshandlung verstanden, sondern das Vorliegen eines
Wettbewerbsverhältnisses, das zwischen dem wettbewerbswidrig handelnden Unternehmen und dem von der wettbewerbswidrigen Handlung betroffenen Unternehmen vorliegt, verlangt. Die Anwendungsschranke des Handelns zu Zwecken
des Wettbewerbs im Sinne eines Wettbewerbsverhältnisses führt zu einer unangemessenen Begrenzung des Anwendungsbereichs des Lauterkeitsrechts. Auch wenn
sich diese Restriktionen in der Praxis der Rechtsprechung kaum auswirkten, da der
Begriff des Wettbewerbsverhältnisses extensiv verstanden und faktisch gleichsam
bedeutungslos wurde, wurde das Erfordernis eines Wettbewerbsverhältnisses im
Schrifttum nachhaltig kritisiert und dessen Aufhebung verlangt.60 Es wurde zudem
erkannt, dass ein konkretes oder spezielles Wettbewerbsverhältnis zwischen dem
verletzenden Unternehmen und dem verletzten Unternehmen nur für die Zuerkennung der Aktivlegitimation und nicht auch für die materielle Qualifikation wettbewerblichen Unrechts rechtserheblich sein kann.61 Die Regelung der Aktivlegitimation
und zwar auch die Aktivlegitimation des unmittelbar verletzten Unternehmens sollte
nicht mit der Regelung des materiellen Wettbewerbsunrechts verbunden und einheitlich mit der Zuerkennung der Klagebefugnis im Wettbewerbsrecht in Zusammenhang mit dem Sanktionenrecht geregelt werden.
59 Siehe dazu nur Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., 2001, Einl
UWG, Rn 214 ff.
60 Siehe dazu den Bericht der Arbeitsgruppe „Überprüfung des Wettbewerbsrechts“
vom 17. Dezember 1996, S. 9.
61 Wegbereitend Hefermehl, Das Prokrustesbett „Wettbewerbsverhältnis“, in: Festschrift für Kummer, 1980, S. 345 ff.
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Das den Anwendungsbereich des materiellen Wettbewerbsrechts begrenzende Erfordernis eines Wettbewerbsverhältnisses unter Konkurrenten ist mit dem Funktionswandel des Lauterkeitsrechts von einem Recht des Konkurrentenschutzes zu
einem Recht, das nicht nur die Interessen der konkurrierenden Unternehmen, sondern auch die Interessen der Verbraucher sowie der Allgemeinheit schützt, nicht vereinbar. Dem mit der Erweiterung der Schutzfunktion des Lauterkeitsrechts verbundenen Verbraucherbezug und Marktbezug einer Wettbewerbshandlung widerspricht
es, das Wettbewerbsunrecht anhand eines Konkurrentenbezugs materiellrechtlich zu
bestimmen. Die Unangemessenheit des Erfordernisses eines Wettbewerbsverhältnisses wird umso deutlicher, wenn man den Verbraucherschutz als eine dem
Konkurrentenschutz gleichwertige Aufgabe des Wettbewerbsrechts versteht.
Auch wenn man erkennt, dass sich die Bedeutung eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses auf die Begründung der Aktivlegitimation des unmittelbar verletzten Mitbewerbers beschränkt und das materielle Wettbewerbsunrecht nicht nur anhand der innerhalb eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses berührten Interessen
zu bestimmen ist, dann ist es gleichwohl sachgerecht, als Anwendungsvoraussetzung des Lauterkeitsrechts das Vorliegen einer Wettbewerbshandlung zu verlangen. Gegenstand des UWG als eines Wettbewerbsgesetzes ist nicht allgemein das
Handeln eines Unternehmens im geschäftlichen Verkehr. Der Maßstab des Lauterkeitsrechts ist nur an marktbezogenes Verhalten eines Unternehmens anzulegen.
Der Marktbezug des Handelns eines Unternehmens im geschäftlichen Verkehr wird
mit dem Begriff der Wettbewerbshandlung umschrieben. Eine Wettbewerbshandlung
liegt vor, wenn das Verhalten des Unternehmens objektiv geeignet ist, die
Marktverhältnisse zu beeinflussen. Die Marktverhältnisse werden von den Interessen
der Konkurrenten, der Verbraucher und der Allgemeinheit bestimmt. An dem Erfordernis einer Wettbewerbshandlung als Anwendungsvoraussetzung des Lauterkeitsrechts ist deshalb festzuhalten, da es sich nur dann im materiellrechtlichen Sinne um
ein Wettbewerbsgesetz handelt, das eine Parallelwertung zwischen UWG und GWB
rechtfertigt und eine Abgrenzung zu den besonderen Verbraucherschutzgesetzen
ermöglicht.
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Auch wenn das Tatbestandsmerkmal des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs
im geltenden UWG als eine Wettbewerbshandlung im engeren Sinne verstanden
werden kann, sollte innerhalb einer Modernisierung des Lauterkeitsrechts auf das
Tatbestandsmerkmal des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs verzichtet werden. Das Erfordernis einer Wettbewerbshandlung wird schon dadurch zum Ausdruck
gebracht, dass auf eine Beeinträchtigung des Leistungswettbewerbs abgestellt wird.
Der Wettbewerbsbezug des Marktverhaltens eines Unternehmens kann auch
dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass auf eine Beeinflussung der Wettbewerber und der Verbraucher abgestellt wird.
III. Spürbarkeitsgrenze und Bagatellklausel
1. Stellungnahme der Arbeitsgruppe „Überprüfung des Wettbewerbsrechts“
(1996)
In der Arbeitsgruppe „Überprüfung des Wettbewerbsrechts“62 wurde der allgemeine
Vorschlag, eine Spürbarkeitsgrenze bei Anwendung der Generalklausel des § 1
UWG einzuführen, kontrovers diskutiert. Gegen den Vorschlag, Wettbewerbsverstöße nur dann zu berücksichtigen, wenn sie den Wettbewerb wesentlich beeinträchtigten, wurde eingewandt, die Rechtsprechung nehme stets eine Gesamtwürdigung des Sachverhalts vor; es wurde befürchtet, eine Änderung des Wortlauts der
Generalklausel werde Rechtsunsicherheit und Einbußen an Verbraucherschutz mitsichbringen. Die Diskussion in der Arbeitsgruppe zeichnete sich besonders dadurch
aus, dass die Problematik der Einführung einer Spürbarkeitsgrenze in Zusammenhang mit der Rechtsprechung zu der Fallgruppe des Rechtsbruchs diskutiert wurde.
Es bestand insoweit Einigkeit, dass nicht jeder Verstoß eines Wettbewerbers gegen
eine Rechtsnorm als ein Wettbewerbsverstoß im Sinne des § 1 UWG beurteilt werden dürfe. Es wurde erwogen, bei Gesetzesverstößen gegen eine den Wettbewerb
regelnde Norm auf die Spürbarkeit abzustellen. Dazu wurde die Frage aufgeworfen,
für wen der Wettbewerbsverstoß spürbar sein müsse.
62 Siehe den Bericht der Arbeitsgruppe „Überprüfung des Wettbewerbsrechts“ vom
17. Dezember 1996, S. 8 f.
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2. Restriktionen des Anwendungsbereichs der Generalklausel des § 1 UWG in
der höchstrichterlichen Rechtsprechung
Die Diskussion, den Anwendungsbereich des § 1 UWG dahin einzuschränken, dass
auf eine spürbare Auswirkung der Wettbewerbshandlung auf dem Markt abzustellen
ist, hat aus zwei Gründen an Aktualität verloren. Der BGH schränkte zum einen
seine Rechtsprechung zur Annahme der Wettbewerbswidrigkeit eines Gesetzesverstoßes namentlich dahin ein, es seien die Auswirkungen des Gesetzesverstoßes auf
den Wettbewerb zu berücksichtigen. Der Grundsatz, ein Verstoß gegen wettbewerbsbezogene Vorschriften sei per se unlauter, gilt nach diesem Wandel der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mehr uneingeschränkt.63 Der BGH berücksichtigt das Vorliegen einer allenfalls geringen Gefahr einer Beeinträchtigung der
durch § 1 UWG geschützten Interessen auf Grund des Normverstoßes einerseits
und ein Handeln in Wahrnehmung berechtigter Interessen andererseits. Bei solchen
Fallkonstellationen eines Bagatellverstoßes sei eine Prüfung des Gesamtverhaltens
des Wettbewerbers nach seinem konkreten Anlaß, Zweck und Mittel, seinen Begleitumständen und Auswirkungen geboten.
Folge des europäischen Verbraucherleitbildes64 eines verständigen Verbrauchers ist
es zum anderen, dass - namentlich bei Anwendung des Irreführungsverbots nach
§ 3 UWG - ein Abstellen auf die Erheblichkeit einer Irreführungsgefahr eine normative Korrektur hinsichtlich der Wesentlichkeit des Wettbewerbsverstoßes bedeutet.
Das europäische Verbraucherleitbild kann als eine Ausprägung des europäischen
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes65 in einem eurokompatiblen66 Lauterkeitsrecht
verstanden werden.67
63 Siehe dazu die Grundsatzentscheidung BGH WRP 1999, 643 - Hormonpräparate; siehe ferner BGH GRUR 2000, 237 - Giftnotruf-Box.
64 Siehe zum europäischen Verbraucherleitbild oben A III.
65 Siehe zum europäischen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oben A IV.
66 In der Lifting-Creme-Entscheidung führt der EuGH den Verbraucherbegriff aus-
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3. Wesentliche Beeinträchtigung des Leistungswettbewerbs
Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgenommene Restriktion der Fallgruppe des Rechtsbruchs als Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG sowie die Anwendung des europäischen Verbraucherleitbilds und des europäischen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind Daten, die eine Änderung des Lauterkeitsrechts dahin,
als Anwendungsvoraussetzung eine spürbare Auswirkung der Wettbewerbshandlung
auf dem Markt einzuführen, zwar nach wie vor als sachgerecht, nicht aber in gleicher
Weise mehr als aktuell erscheinen lassen. Ob innerhalb einer europäischen Rechtsharmonisierung des Lauterkeitsrechts eine ausdrückliche Regelung im Sinne einer
Bagatellklausel erforderlich wird, oder ob auf die ausdrückliche Normierung einer
Spürbarkeitsgrenze deshalb verzichtet werden kann, weil Konsens über die Geltung
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in einem Europäischen Lauterkeitsrecht
besteht, sei dahin gestellt.
Gesetzestechnisch kann eine Spürbarkeitsgrenze dadurch zum Ausdruck gebracht
werden, dass auf eine wesentliche (erhebliche oder unverhältnismäßige) Beeinträchtigung des Leistungswettbewerbs innerhalb der Generalklausel des § 1 UWG abgestellt wird. Eine solche Spürbarkeitsgrenze könnte auch als eine allgemeine Vorschrift für das gesamte Lauterkeitsrecht normiert werden.
D. Aufhebung wettbewerblichen Ordnungsrechts
Das Recht der Verkaufsveranstaltungen nach den §§ 7 und 8 UWG sowie die Gefährdungstatbestände der Hersteller- und Großhändlerwerbung nach § 6a UWG und
drücklich auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zurück (EuGH WRP 2000, 289 Lifting-Creme).
67 Auch Hefermehl versteht die europäische Dimension des Verbraucherleitbildes
dahin, es setze keine höhere Irreführungsquote voraus, die eine quantitative Einschränkung des Verbraucherschutzes bewirken würde, sondern verlange eine
Prüfung der Notwendigkeit des Verbraucherschutzes unter dem Gesichtspunkt der
Verhältnismäßigkeit; siehe dazu Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22.
Aufl., 2001, Einl UWG, Rn 649.
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des Kaufscheinhandels nach § 6b UWG rechnen nicht zum Kern des Wettbewerbsunrechts im Lauterkeitsrecht. Sie werden deshalb als wettbewerbliches Ordnungsrecht bezeichnet.
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I. Aufhebung des Rechts der Verkaufsveranstaltungen nach den §§ 7 und 8
UWG
1. Euroinkompatibilität und Inakzeptanz des Verkaufsveranstaltungsrechts
nach § 7 UWG
Das
Recht
der Verkaufsveranstaltungen
(Sonderveranstaltungen,
Jubiläums-
verkäufe, Schlussverkäufe und Räumungsverkäufe) geht auf die Verordnung zum
Schutz der Wirtschaft vom 9. März 193268 und das Gesetz vom 26. Februar 193569
zurück. Durch das Gesetz zur Änderung wirtschafts-, verbraucher-, arbeits- und
sozialrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 198670 wurde das Recht der Verkaufsveranstaltungen des Handels in den Vorschriften der §§ 7 und 8 UWG zusammengefasst. Das Ordnungswidrigkeitenrecht wurde aufgehoben und die Regelung auf die
Verbotstatbestände mit den zivilrechtlichen Sanktionen des Anspruchs auf Unterlassung und Schadensersatz beschränkt.
Sonderveranstaltungen nach § 7 UWG sind Verkaufsveranstaltungen im Sinne des
§ 7 Abs. 1 UWG, Winter- und Sommerschlussverkäufe im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 1
UWG und Jubiläumsverkäufe im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die Ankündigung
und Durchführung von Sonderveranstaltungen ist nach § 7 Abs. 1 UWG dann verboten, wenn es sich um Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel handelt, die
außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs stattfinden, der Beschleunigung des
Warenabsatzes dienen und den Eindruck der Gewährung besonderer Kaufvorteile
hervorrufen. Von den unzulässigen Sonderveranstaltungen sind die zulässigen Sonderangebote abzugrenzen, die den Begriff der Sonderveranstaltung einschränken.
Das grundsätzliche Verbot der Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel als unzulässige Sonderveranstaltungen stellt eine unangemessene Reglementierung der
68 RGBl. I, S. 121.
69 RGBl. I, S. 311; siehe dazu die Amtliche Begründung, DJ 1935, 424.
70 BGBl. I, S. 1169.
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Verkaufsaktionen und Werbestrategien im Handel dar.71 Das Verbot der Sonderveranstaltungen, dessen Ursprung im Konkurrentenschutz liegt, ist im Interesse der
Verbraucher nicht geboten, deren angemessenen Schutz die wettbewerbsrechtliche
Generalklausel und die Spezialtatbestände des Lauterkeitsrechts gewährleisten. Die
Begriffsmerkmale einer Verkaufsveranstaltung im Einzelhandel behindern die
Entwicklung von den Wettbewerb fördernden Marketingstrategien. Sowohl das
Stattfinden außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs als auch der Zweck
einer Beschleunigung des Warenabsatzes bergen die Gefahr, innovative Angebotsstrategien zu behindern, wenn die Einführung neuartiger Wettbewerbsmethoden
daran zu messen ist, ob sie eine vernünftige und billigenswerte Fortentwicklung des
bisher branchenüblichen Geschäftsverkehrs darstellen.72 Bei der Auslegung des
geltenden Rechts wurde zudem schon zwischen den verschiedenen Betriebsformen
und Vertriebsarten wie stehendes Gewerbe, Ladengeschäfte oder Versandhandel
unterschieden. Das Verbot der Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel wird zukünftig nach Aufhebung des RabattG und der ZugabeVO geradezu anachronistisch
wirken. Es wird zudem eine wesentliche Folge des Verbots der Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel sein, dass der elektronische Handel gegenüber dem
herkömmlichen Handel in der Gestaltung seines Verkaufsmarketings privilegiert wird
und das Wettbewerbsrecht online und offline auf dem Gebiet der Sonderveranstaltungen auseinander driftet. Unabhängig von e-commerce und innovativem Marketing
ist das Recht der Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel auch deshalb als nicht
mehr zeitgemäß zu beurteilen, weil sich die Abgrenzung zwischen unzulässiger Sonderveranstaltung und zulässigem Sonderangebot im Sinne des § 7 Abs. 2 UWG als
rechtlich kaum praktikabel und wirtschaftlich kaum sinnvoll darstellen lässt. Das Verbot der Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel in Abgrenzung zu den alltäglichen
Sonderangeboten wird in der Werbe- und Verkaufspraxis im Handel weithin nicht
71 In der Arbeitsgruppe „Überprüfung des Wettbewerbsrechts“ wurde die Berechtigung eines grundsätzlichen Verbots der Sonderveranstaltungen nach den §§ 7
und 8 UWG eingehend diskutiert, Änderungen der nicht mehr zeitgemäßen Regelungen vorgeschlagen, aber an dem grundsätzlichen Verbot von Sonderveranstaltungen festgehalten (Bericht S. 17 ff.).
72 Siehe dazu die Rechtsprechungsbeispiele bei Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., 2001, § 7 UWG, Rn 9.
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anerkannt. In der forensischen Praxis sind die Abgrenzungen den Parteien kaum
mehr vermittelbar. Die wirtschaftlichen Nachteile treffen weithin die Kleingewerbetreibenden, die sich zumeist den juristischen Rat im Abmahnwesen nicht zu leisten
vermögen. Dem Verbraucher ist die Reglementierung von Sonderverkäufen und
Sonderangeboten kaum plausibel zu machen.
Die allgemeinen Gründe, die zur Unangemessenheit eines Verbots der Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel in Abgrenzung zu Sonderangeboten vorgetragen wurden, gelten nicht anders für die Reglementierung des Sommer- und Winterschlussverkaufs als Schlussverkäufe nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Schon der Warenkatalog
der schlussverkaufsfähigen Waren (Textilien, Bekleidungsgegenstände, Schuhwaren, Lederwaren und Sportartikel) wird weder den Angebotsinteressen des Handels noch den Nachfrageinteressen der Verbraucher gerecht. In einem modernen
Lauterkeitsrecht mutet seltsam an, einen Borsalino, nicht aber einen Motorradhelm
als schlussverkaufsfähige Ware anzuerkennen. Die Lebenswirklichkeit, die jeder sehenden Auges beobachten kann, veranschaulicht die vielfältigen Formen einer Umgehung der reglementierten Schlussverkäufe in Form vorgezogener Aktionen.
Nichts anderes gilt für die Jubiläumsverkäufe nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
Die Lebenswirklichkeit im Handel, die das Verbot der Sonderveranstaltungen Lügen
straft und die Innovationen des elektronischen Handels sind zureichende Gründe,
das Recht der Sonderveranstaltungen nach § 7 UWG aufzuheben. Innerhalb einer
Rechtsharmonisierung ist das Recht der Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel
nicht eurokompatibel.
2. Räumungsverkäufe nach § 8 UWG
Die Generalklausel des § 1 UWG sowie das Irreführungsverbot nach § 3 UWG sind
geeignet, einen Missbrauch bei der Veranstaltung von Räumungsverkäufen zu verhindern. Die Gründe, die hinsichtlich einer Euroinkompatibilität und einer Inakzeptanz des Verkaufsveranstaltungsrechts vorgetragen wurden, gelten nicht minder für
die Reglementierung der Räumungsverkäufe.
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In der Arbeitsgruppe „Überprüfung des Wettbewerbsrechts“73 wurde zwar an einer
Normierung des Räumungsverkaufsrechts festgehalten, allerdings für eine Verbesserung der Überwachungsmöglichkeiten der Industrie- und Handelskammern
votiert. Wenn eine Aufhebung des Räumungsverkaufsrechts nicht beschlossen wird,
dann ist zumindest eine grundlegende Reform und Liberalisierung des Räumungsverkaufsrechts erforderlich.
3. Aufhebung des Verkaufsveranstaltungsrechts in Folge der Aufhebung des
Rabattrechts und des Zugaberechts
Die Aufhebung der Reglementierung des Rabatt- und Zugabewesens bezweckt zum
einen die Wirksamkeit des Wettbewerbs mit innovativen Verkaufsmethoden und
Marketingstrategien zu beleben, zum anderen die Stellung der Verbraucher als
Marktpartner zu stärken und schließlich ein unterschiedliches Schutzniveau des
Lauterkeitsrechts online und offline zu verhindern. Nach der ersatzlosen Aufhebung
des Rabattrechts und des Zugaberechts werden die tatsächlichen Entwicklungen in
Angebot und Werbung aufzeigen, welche Kernbereiche des Lauterkeitsrechts einer
eigenständigen Regelung zum Schutze des Leistungswettbewerbs bedürfen. Unabhängig von der Euroinkompatibilität und Inakzeptanz des Verkaufsveranstaltungsrechts konterkariert der Fortbestand des Verkaufsveranstaltungsrechts die Intention einer ersatzlosen Aufhebung des Rabattrechts und Zugaberechts, indem die
Entwicklung innovativer Verkaufsmethoden und Werbestrategien den ohnehin einer
Modernisierung des Lauterkeitsrechts inadäquaten Schranken des Verkaufsveranstaltungsrechts unterworfen werden. Die Entwicklung innovativer Verkaufsmethoden und Werbestrategien – und zwar gerade im Sinne einer Wettbewerbskonformität
im Interesse des Leistungswettbewerbs und des Verbraucherschutzes – wird nachhaltig behindert und in eine Richtung nach den Vorgaben des tradierten Verkaufsveranstaltungsrechts kanalisiert.
73 Siehe den Bericht der Arbeitsgruppe „Überprüfung des Wettbewerbsrechts“ vom
17. Dezember 1996, S. 20.
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Nach der Aufhebung des Rabatt- und Zugabeverbots unterliegt die Ankündigung und
Gewährung von Rabatten und Zugaben den wettbewerbsrechtlichen Grenzen einer
Ankündigung oder Durchführung von Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel.74
Da sich das Sonderveranstaltungsverbot nur auf den Verkauf von Waren, nicht auch
auf die Erbringung von Dienstleistungen bezieht, werden sonderveranstaltungsrechtlich begründete Unterschiede im lauterkeitsrechtlichen Schutzniveau des Marketings
von
Rabatt-
und
Zugabesystemen
zwischen
Warenhandel
und
Dienst-
leistungsverkehr bestehen. In einer modernen Dienstleistungsgesellschaft ist die Abgrenzung zwischen Verkaufsveranstaltungen, Dienstleistungsveranstaltungen und
Werbeveranstaltungen sachwidrig, zudem die Zuordnung von Mischveranstaltungen
als kaum plausibel zu erklärendes Abgrenzungsproblem des Verkaufsveranstaltungsrechts in das moderne Lauterkeitsrecht übertragen wird.75 Es kommt hinzu,
dass das Verkaufsveranstaltungsverbot grundsätzlich nur für den Einzelhandel, nicht
auch für die Wirtschaftsstufen des Großhandels und der Herstellung gilt. Das Verkaufsveranstaltungsverbot wird aber dann auch auf die vorgelagerten Wirtschaftsstufen angewandt, wenn sich die Aktion des Herstellers oder Einzelhändlers nicht nur
mittelbar, sondern unmittelbar an den Verbraucher richtet und daher den Wettbewerb auf der Einzelhandelsstufe beeinflusst. Diese Verbotsabgrenzung auf den liberalisierten Rechtszustand zu übertragen, widerspricht der Organisation eines einheitlichen Marktauftritts von Markenartikeln sowie der Kooperation zwischen den
Wirtschaftsstufen namentlich im Bereich von Vertriebssystemen. Als Beispiel seien
nur Umtauschaktionen,76 die vom Hersteller organisiert und vom Einzelhandel
durchgeführt werden, und Garantiesysteme,77 die den Gewährleistungsschutz des
74 Siehe dazu auch Berneke, Zum Lauterkeitsrecht nach einer Aufhebung von Zugabeverordnung und Rabattgesetz, WRP 2001, 615, 619 f.
75 So wurde die Werbeanzeige Die große Schau der Pelze als Ankündigung einer
Verkaufsveranstaltung, nicht nur einer reinen Werbeveranstaltung beurteilt (BGH
GRUR 1981, 284 – Pelzfestival; siehe zum Abgrenzungsproblem der gemischten
Veranstaltungen Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., 2001, § 7
UWG, Rn 5b.
76 Siehe dazu nur BGH GRUR 1973, 416 – Porzellan-Umtausch.
77 Siehe zu einer zeitlich unbegrenzten Rückgabegarantie OLG Saarbrücken WRP
1999, 224 – Lands’ End. Die Werbung mit einem auf 14 Tage befristeten Rückga-
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Verbrauchers erweitern, erwähnt, deren wettbewerbsrechtliche Beurteilung nicht
durch Anwendung des Sonderveranstaltungsrechts verfälscht werden sollte.
Die Tatbestandsmerkmale einer unzulässigen Verkaufsveranstaltung im Einzelhandel, die außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs stattfindet und der Beschleunigung des Warenabsatzes dienen muss, in Abgrenzung zu den zulässigen Sonderangeboten sind auf die Branchenübung und die Berücksichtigung einer
wirtschaftlich vernünftigen Fortentwicklung des Einzelhandels bezogen. Schon darin
liegt eine hemmende Wirkung für die Entwicklung neuer Angebotsformen. Das systematische Anbieten und Gewähren von Rabatten und Zugaben ist sonderverkaufsveranstaltungsrechtlich bedenklich, da zwar eine auffallend günstige Preisbildung nicht die Annahme einer Sonderveranstaltung rechtfertigt,78 eine besondere
Häufung von Sonderangeboten aber die Annahme einer Sonderveranstaltung zu
rechtfertigen vermag.79 Auch die Zeitdimension einer Rabatt- oder Zugabeaktion
kann deren Charakter als einer unzulässigen Sonderveranstaltung begründen. Zeitbezogene und saisonbezogene sowie auch warenbezogene Angebotsdifferenzierungen der Rabatte und Zugaben können als Veranstaltungen außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs als unzulässige Sonderveranstaltungen zu beurteilen
sein.80
II. Aufhebung der Verbote besonderer Werbe- und Vertriebsmethoden
berecht beim Kauf von Fotoartikeln, Geräten der Unterhaltungselektronik und
elektrischen Haushaltsgeräten stellt grundsätzlich kein Anbieten einer verbotenen
Zugabe dar, BGH GRUR 2001, 358 - Rückgaberecht.
78 Siehe dazu BGH GRUR 1979, 55 – Tierbuch.
79 Siehe dazu BGH GRUR 1984, 590 – Sonderangebote auf 3000 qm.
80 Siehe zu Vorsaisonpreisen für Farbfilme BGH GRUR 1975, 144 - Vorsaison-Preis
und zu Vorzugspreisen an Dienstagen BGH GRUR 1975 , 491 – Schräger Dienstag (unzulässig); siehe zu Sommerpreisen für Pelze BGH GRUR 1981, 284 –
Pelz-Festival, auch BGH GRUR 1982, 56 – Sommerpreis und zu Winterpreisen für
Motorräder BGH GRUR 1984, 664 – Winterpreis (zulässig); siehe dazu im einzelnen Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., 2001, § 7 UWG, Rn 24 ff.
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Das Verbot der irreführenden Werbung nach § 3 UWG wird von den vier Spezialtatbeständen der §§ 6, 6a, 6b und 6c UWG ergänzt, nach denen bestimmte Werbeund Vertriebsmethoden verboten sind. Es handelt sich um das Verbot der öffentlichen Ankündigung des Verkaufs von Waren, die aus einer Insolvenzmasse stammen nach § 6 UWG, das Verbot der Werbung im geschäftlichen Verkehr mit dem
letzten Verbraucher mit dem Hinweis auf die Hersteller- oder Großhändlereigenschaft in Zusammenhang mit dem Verkauf von Waren nach § 6a UWG, das Verbot
des Kaufscheinhandels im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit
dem letzten Verbraucher nach § 6b UWG und das Verbot der progressiven Kundenwerbung im geschäftlichen Verkehr nach § 6c UWG.
Bei den Verboten handelt es sich um eine Vorverlagerung des Irreführungsschutzes
der Verbraucher. Eingreifschwelle der Verbote ist die Annahme einer typischen Eignung der Werbe- und Vertriebsmethoden zu einer Irreführung der Verbraucher.
Gegenstand des vorliegenden Arbeitspapiers ist nicht der Insolvenzwarenverkauf
nach § 6 UWG, der in Absatz 2 den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit enthält,
und nicht der Straftatbestand der progressiven Kundenwerbung nach § 6c UWG.
1. Aufhebung der Verbote der Hersteller- und Großhändlerwerbung nach § 6a
UWG und des Verbots des Kaufscheinhandels nach § 6b UWG als abstrakter
Gefährdungstatbestände
a) Gesetzgebungsgeschichte
Die Novellierung des UWG durch das am 1. Juli 1969 in Kraft getretene Gesetz zur
Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb81 sollte zum einen den
Schutz der Verbraucher gegen Täuschungen im geschäftlichen Verkehr verbessern
und zum anderen den Gefahren begegnen, die sich aus neuartigen Werbemethoden
für den Verbraucher ergeben. Zentrale Bedeutung kam der Novellierung des § 3
UWG zu, der zu einem allgemeinen Verbot der Irreführung im geschäftlichen
81 BGBl. I, S. 633.
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Verkehr, dem die bloße Gefahr einer Irreführung genügte, ausgestaltet wurde. Die
UWG Novelle 1969 ergänzte das allgemeine Irreführungsverbot des § 3 UWG durch
die beiden Sondertatbestände der §§ 6a und 6b UWG, die neu in das Gesetz
eingefügt wurden. Die Vorschriften untersagen bestimmte Werbe- und Vertriebsmethoden, die nach dem Ergebnis der Gesetzesberatungen typischerweise in
der Praxis des Wirtschaftslebens zur Täuschung des Verkehrs führen sollen.
Rechtsdogmatisch handelt es sich bei beiden Vorschriften um abstrakte Gefährdungstatbestände. Bei Anwendung der Vorschriften macht die typisierte Irreführungsgefahr den Nachweis einer Eignung zur Irreführung im konkreten Fall entbehrlich. In § 6a UWG ist die Herstellerwerbung (Abs. 1) und die Großhändlerwerbung (Abs. 2) gegenüber dem letzten Verbraucher geregelt; § 6b UWG enthält ein
grundsätzliches Verbot des Kaufscheinhandels.
b) Abstrakte Gefährdungstatbestände als unverhältnismäßige Werbe- und Vertriebsverbote im Lauterkeitsrecht
Die Normierung abstrakter Gefährdungstatbestände als lauterkeitsrechtsrechtliche
Verbote besonderer Werbe- und Vertriebsmethoden ist seit der UWG-Novelle des
Jahres 1969 umstritten.82 Von Anfang an konnte zudem die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit abstrakter Gefährdungstatbestände im Wettbewerbsrecht mit guten
Gründen bezweifelt werden.83 Abstrakte Gefährdungstatbestände als Werbeverbote
bilden allgemein im Lauterkeitsrecht einen Fremdkörper. Eine solche Vorverlagerung
des Irreführungsschutzes der Verbraucher ist mit dem europäischen Verbraucherleitbild eines mündigen Marktbürgers kaum vereinbar. Der eine europäische Recht-
82 Kritisch und teilweise ablehnend Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22.
Aufl., 2001, § 6 UWG, Rn 1, Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs,
5. Aufl., 1998, S. 92; Fezer, Der Kaufscheinbegriff, 1989, S. 24 ff.; Gröner/Köhler,
Der Selbstbedienungsgroßhandel zwischen Rechtszwang und Wettbewerb, 1986,
S. 69 ff.; Kilian, Schutz der Verbraucher oder der Handelsstrukturen?, 1987, S. 11
ff.; Schricker/Lehmann, Der Selbstbedienungsgroßhandel, 1976, S. 94 ff.; Kirchner, Fehlentwicklungen im Recht des unlauteren Wettbewerbs, AG 1986, 205.
83 Siehe dazu nur Leisner, Der mündige Verbraucher in der Rechtsprechung des
EuGH - Zur europarechtlichen Zulässigkeit abstrakter Gefährdungstatbestände
(§§ 6a, 6b UWG), EuZW 1991, 498.
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sharmonisierung des Lauterkeitsrechts bestimmende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
widerstreitet einer solchen Reglementierung der Werbung und des Vertriebs im
scheinbaren Verbraucherinteresse. Das gilt gleichermaßen für das Verbot der Hersteller- und Großhändlerwerbung nach § 6a UWG als auch für das Verbot des Kaufscheinhandels nach § 6b UWG.
Das Verbot irreführender Werbung nach § 3 UWG gewährleistet einen effektiven
Verbraucherschutz im Bereich der Hersteller- und Großhändlerwerbung. Die Hersteller- und Großhändlerwerbung als Verbraucherwerbung ist nicht nur dann irreführend, wenn dem Werbenden nicht die Funktion eines Herstellers oder
Großhändlers zukommt, sondern auch dann, wenn die Werbung mit einem Hersteller- oder Großhandelspreis den Verbraucher über die Preisbemessung irreführt.
Die Werbung mit dem Funktionshinweis als Hersteller oder Großhändler als abstrakt
irreführend zu verbieten, entzieht dem Verbraucher zutreffende Informationen über
die Vertriebswege in den Handelsstufen. Verbraucherschutz wird gleichsam vorgeschoben, um Strukturen in den Wirtschaftsstufen zu verfestigen und die Bildung
neuer Angebotsformen und Vertriebsmethoden zu erschweren. Hinzu kommt, dass
selbst eine objektiv wahre Werbeangabe nach § 3 UWG unzulässig ist, wenn sie zu
einer Irreführung der Verbraucher geeignet ist. Eine Hersteller- und Großhändlerwerbung, die nicht zur Irreführung geeignet ist, mit der Behauptung zu verbieten, auch mit dem wahren Hinweis auf die Hersteller- oder Großhändlereigenschaft sei die Gefahr einer Irreführung des Verbrauchers typischerweise verbunden,
bevormundet den Verbraucher im Interesse einer Stabilisierung tradierter Handelsstrukturen. Es sei nur erwähnt, dass die Benetton-Entscheidung des BVerfG,84 die
zwar nicht allgemein die Werbung, sondern eine Fallkonstellation des meinungsbildenden Äußerungsrechts betrifft, dem Wettbewerbsrecht ein Deutungsmonopol mehrdeutiger Äußerungen abspricht.85 Sowohl die Rechtsprechung des BVerfG
als auch der in der Rechtsprechung des EuGH zunehmend betonte Informationsanspruch des Verbrauchers sind Daten, die eine Überprüfung der Anwendung des
84 BVerfG GRUR 2001, 170 - Schockwerbung.
85 Siehe dazu Fezer, Imagewerbung mit gesellschaftskritischen Themen im
Schutzbereich der Meinungs- und Pressefreiheit, NJW 2001, 580, 582.
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Verbots irreführender Angaben nach § 3 UWG bei der Werbung mit wahren Tatsachen rechtfertigen, ohne dass dies im vorliegenden Zusammenhang einer näheren
Darstellung bedarf.
Die vorgetragenen Gründe, die gegen die Aufrechterhaltung eines abstrakten Verbots der Hersteller- und Großhändlerwerbung gegenüber dem Verbraucher sprechen, gelten gleichermaßen für das Verbot des Kaufscheinhandels nach § 6b UWG.
Die nachhaltige Veränderung der gegenwärtigen Absatzmethoden und Vertriebssysteme haben zu ökonomischen Strukturen des Distributionsprozesses geführt,
die das Verbot des Kaufscheinhandels als eine isolierte Reglementierung innerhalb
veränderter Marktverhältnisse erscheinen lassen. Hinzu kommt, dass eine
Verkehrsgewöhnung der Verbraucher an Kundenkarten und Legitimationskarten
eingetreten ist, die einen abstrakten Gefährdungstatbestand hinsichtlich der Ausgabe von Berechtigungsscheinen, Ausweisen oder sonstigen Bescheinigungen an
Verbraucher nicht mehr rechtfertigen.
2. Aufhebung des Verbots des Kaufscheinhandels in Folge der Aufhebung des
Rabattrechts und des Zugaberechts
Vergleichbar dem Verbot der Sonderveranstaltungen im Einzelhandel,86 ist das
Verbot des Kaufscheinhandels nach § 6b UWG geeignet, die Einführung und Durchführung wettbewerbskonformer Rabatt- und Zugabemethoden dann zu behindern,
wenn die Teilnahme an dem Marketingsystem mit einer Karte im Sinne eines Berechtigungsscheins, eines Ausweises oder einer sonstigen Bescheinigung im Sinne
des § 6b UWG verbunden wird.87 Eine restriktive Auslegung des Verbots des Kaufscheinhandels beschränkt zwar den Anwendungsbereich des § 6b UWG88, der nur
in wenigen Fallkonstellationen von mit einem Ausweis verbundenen Zugabe- und
86 Siehe dazu oben D I 2.
87 Siehe dazu Berneke, Zum Lauterkeitsrecht nach einer Aufhebung von Zugabeverordnung und Rabattgesetz, WRP 2001, 615, 620.
88 Siehe dazu BGH GRUR 1985, 292 – Code-Karte.
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Rabattsystemen eingreifen wird. Die Anwendung eines funktionalen Kaufscheinbegriffs erlaubt zudem, zwischen verbotenen Kaufscheinen und erlaubten Legitimationskarten zu unterscheiden, die beim Bezug von Waren Verwendung finden.
Beispiele solcher Legitimationskarten sind etwa Mitglieds- und Clubkarten,89 Tankkarten,90 Bank- und Geldautomatenkarten, Kreditkarten sowie Kunden- und Kontrollkarten.91 Trotz dieser Restriktion des Kaufscheinverbots nach § 6b UWG ist
nicht von vornherein ausgeschlossen, die Verwendung von Kundenkarten zur Organisation eines Rabatt- und Zugabesystems unter den Begriff des verbotenen
Kaufscheins zu subsumieren, wenn auf Grund einer abstrakten Beurteilung eine mit
der Ausgabe von Kaufscheinen typischerweise verbundene Irreführungsgefahr anzunehmen ist. Das Kaufscheinverbot des § 6b UWG könnte so zu einer sachlich
nicht gerechtfertigten Behinderung der Einführung der verschiedenen Arten von Bonus- und Prämiensystemen als Kundenbindungssysteme führen.
E. Normierung neuer Spezialtatbestände im Lauterkeitsrecht
I. Leistungsschutz
1. Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel oder spezialgesetzliche Regelung des Leistungsschutzes im UWG
Über die Notwendigkeit eines wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes in Ergänzung des besonderen Immaterialgüterrechtsschutzes scheint international weithin,
wenn auch nicht allgemein Konsens zu bestehen. Die Wege, die eingeschlagen
werden, um den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz zu normieren, sind unterschiedlich.92
89 Siehe dazu BGH GRUR, 1982, 613 – Buchgemeinschafts-Mitgliedsausweis.
90 Siehe dazu BGH GRUR 1985, 292 – Code-Karte.
91 Siehe dazu ausführlich Fezer, Der Kaufscheinbegriff, 1989, S. 86 ff., 91.
92 Siehe zu dieser Kontroverse Fezer, Markenschutz durch Wettbewerbsrecht - Anmerkungen zum Schutzumfang des subjektiven Markenrechts, GRUR 1986, 485
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In historischer Betrachtung entwickelte sich der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz als eine eigene Fallgruppe unter dem Dach der wettbewerbsrechtlichen
Generalklausel des UWG. In neueren Wettbewerbsgesetzen, wie etwa in der
Schweiz,93 in Italien94 und in Schweden95 erfährt der wettbewerbsrechtliche
Leistungsschutz eine eigenständige gesetzliche Regelung. In Deutschland hatte es
Anfang der neunziger Jahre bei den Beratungen zum Produktpirateriegesetz Bestrebungen gegeben, den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz in einer eigenen Vorschrift des UWG zu verankern.96 Aus rechtsdogmatischen und rechtspolitischen
Gründen lehnte es der Gesetzgeber damals ab, in das UWG einen Tatbestand der
unerlaubten Verwertung fremder Leistung oder der sklavischen Nachahmung als
gesetzliche Regelbeispiele wettbewerbswidrigen Verhaltens im Sinne der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel aufzunehmen. Die wettbewerbsrechtliche Generalk-
ff.; englische Fassung: Trademark Protection under Unfair Competition Law, IIC
1988, S. 192 ff.; Fezer, Der wettbewerbsrechtliche Schutz der unternehmerischen
Leistung, in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland, Festschrift, Bd. II, 1991, S. 939, 952 ff.; Fezer, Leistungsschutz im Wettbewerbsrecht,
WRP 1993, 138 ff.
93 Nach Art. 5 schweiz. UWG, der die Verwertung fremder Leistung regelt, handelt
insbesondere unlauter, wer das marktreife Arbeitsergebnis eines anderen ohne
angemessenen eigenen Aufwand durch technische Reproduktionsverfahren als
solches übernimmt oder verwertet.
94 Nach Art. 2598 Codice Civile, der die Handlung unlauteren Wettbewerbs regelt,
handelt unlauter im Wettbewerb, wer die Erzeugnisse eines Konkurrenten
sklavisch nachahmt oder durch irgend ein anderes Mittel Handlungen vornimmt,
die geeignet sind, eine Verwechslung mit den Erzeugnissen und der Tätigkeit
eines Konkurrenten herbeizuführen.
95 Nach § 8 schwed. Marktgesetz darf ein Gewerbetreibender beim Vertrieb keine
Nachahmungen verwenden, die dadurch, dass sie leicht mit den bekannten und
eigenartigen Produkten eines anderen Gewerbetreibenden verwechselt werden
können, irreführend sind. Dies gilt jedoch nicht für Nachahmungen, deren Gestaltungen im wesentlichen dazu dienen, das Produkt funktionell zu machen.
96 Die Diskussion drehte sich um die Normierung eines Tatbestands der unerlaubten Verwertung fremder Leistung oder der sklavischen Nachahmung als eines gesetzlichen Regelbeispiels wettbewerbswidrigen Verhaltens im Sinne des § 1 UWG
(s. dazu die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Produktpiraterie, BT-Drucks. 11/4792 vom 15. Juni 1989, VI 6 S. 1, 19 f.
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lausel habe sich bewährt und biete einen wirksamen Schutz gegen Produktpiraterie.
Die Aufnahme von Regelbeispielen in die wettbewerbsrechtliche Generalklausel behindere die Entwicklung der Rechtsprechung im Hinblick auf neue Erscheinungsformen der Leistungsübernahme.
In jüngerer Zeit plädierte auch Köhler für eine gesetzliche Regelung des ergänzenden Leistungsschutzes in Deutschland.97 Nach der von ihm vorgeschlagenen Regelung soll auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer zu Zwecken des
Wettbewerbs oder aus Eigennutz das von einem anderen geschaffene Leistungsergebnis verwertet und dadurch dessen berechtigte Interessen verletzt, soweit sich aus
den Gesetzen zum Schutze des geistigen Eigentums nichts anderes ergibt. Die beiden wesentlichen Tatbestandsmerkmale des Gesetzesvorschlages sind zum einen
die Verwertung eines von einem anderen geschaffenen Leistungsergebnisses und
zum anderen die Verletzung eines berechtigten Interesses. Es handelt sich bei dem
Gesetzesvorschlag nicht um eine Konkretisierung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel dahin, dass ein Regelbeispiel sittenwidrigen Wettbewerbs geschaffen
wird. Es wird vielmehr ein eigenständiger Tatbestand der unberechtigten Leistungsübernahme normiert.
Der Vorschlag von Köhler entspricht der vorgeschlagenen Normstruktur nach den
von mir als rechtliche Voraussetzungen analysierten Tatbestandsmerkmalen des
wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes, auch wenn Köhler nicht auf diese
rechtsdogmatische Analyse des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes rekuriert.
Nach meiner Analyse der Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung soll
es auf zwei Tatbestandsmerkmale ankommen: auf die Schutzwürdigkeit der Leistung
(Schutztatbestand) und auf die Rechtfertigung der Leistungsaneignung (Rechtfertigungstatbestand).98
97 Köhler, Der ergänzende Leistungsschutz: Plädoyer für eine gesetzliche Regelung,
WRP 1999, 1075 ff.
98 Siehe dazu Fezer, Der wettbewerbsrechtliche Schutz der unternehmerischen
Leistung, in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland, Festschrift, Bd. II, 1991, S. 939, 964; Fezer, Leistungsschutz im Wettbewerbsrecht,
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Die neue Regelung im schweizerischen UWG geht einen anderen Weg.99 Nach Art.
5 UWG, der die Verwertung fremder Leistung behandelt, handelt insbesondere unlauter, wer ein ihm anvertrautes Arbeitsergebnis wie Offerten, Berechnungen oder
Pläne unbefugt verwertet (lit.a), ein Arbeitsergebnis eines Dritten wie Offerten, Berechnungen oder Pläne verwertet, obwohl er wissen muss, dass es ihm unbefugterweise überlassen oder zugänglich gemacht worden ist (lit. b) oder das marktreife
Arbeitsergebnis eines anderen ohne angemessenen eigenen Aufwand durch technische Reproduktionsverfahren als solches übernimmt und verwertet. Die Regelung
des schweizerischen UWG unterscheidet sich im dogmatischen Ansatz von dem
Gesetzesvorschlag von Köhler, da der materiellrechtliche Tatbestand der Verwertung
fremder Leistung in das Unlauterkeitsurteil eingebunden wird. Die gemeinsamen
Tatbestandsmerkmale der Anwendungsfälle des Art. 5 schweiz. UWG sind das Vorliegen eines Arbeitsergebnisses, die unlautere Übernahme und nachfolgende
gewerbliche Verwertung und der Wettbewerbsvorteil für den Verletzer.
Ich selbst plädiere für eine originäre Regelung des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes, die das Leistungsschutzrecht unabhängig von dem Vorliegen weiterer,
den
Vorwurf
sittenwidrigen
Wettbewerbsverhaltens
begründender
Umstände
normiert.
2. Neuorientierung im wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz
Im wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzrecht ist ein Paradigmenwechsel zu beobachten. Rechtstatsächliches Phänomen ist eine unverkennbare Ausdehnung des
wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes. Weltweit geht es um den wettbewerbsrechtlichen Schutz der Innovation vor Imitation. Die Notwendigkeit eines
WRP 1993, 138 ff.; Fezer, Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz, in: Baudenbacher/Simon, Neueste Entwicklungen im europäischen und internationalen Immaterialgüterrecht, 2000, S. 167 ff.
99 Siehe dazu Guyet, in: von Büren/David, Schweizerisches Immaterialgüter- und
Wettbewerbsrecht, 5. Band, 1. Teilband, Lauterkeitsrecht, 2. Aufl., 1998, S. 209 ff.;
Baudenbacher, Lauterkeitsrecht, Kommentar zum Gesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb (UWG), 2001, S. 714 ff.
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Schutzes vor Imitatoren, Schmarotzern oder Trittbrettfahrern, wie die Nachahmungswettbewerber apostrophiert werden, steht außer Streit. Kontrovers diskutiert wird
der einzuschlagende Weg zur Verbesserung des Rechtsschutzes kreativer und innovativer Unternehmer am Markt. Die Frage geht dahin, ob das Wettbewerbsrecht das
geeignete Instrument darstellt, oder ob nicht der Weg in die Sonderrechtsgesetze
des gewerblichen Rechtsschutzes zu beschreiten ist.
Fundament der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Ausbeutung ist der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit. Es wird von dem Rechtssatz ausgegangen, der
nachahmende Wettbewerb sei grundsätzlich erlaubt, wenn nicht besondere
Ausschlussrechte verletzt seien. Aus der gesetzlichen Anerkennung besonderer
Ausschließlichkeitsrechte für technische und geistige Schöpfungen wird weithin gefolgert, dass die wirtschaftliche Betätigung des Einzelnen außerhalb der geschützten
Sonderrechtsbereiche frei sei. Die sondergesetzlichen Immaterialgüterrechte präjudizierten die Anwendung des Wettbewerbsrechts. Notwendigerweise erfasse das
Wettbewerbsrecht die Ausnutzung einer fremden Arbeitsleistung unter einem anderen Aspekt als das Sonderschutzrecht. Die besonderen Immaterialgüterrechte
schützten die in einem Arbeitsergebnis zum Ausdruck kommende schöpferische
Leistung als solche; insoweit regelten die gewerblichen Schutzrechte den Leistungsschutz abschließend. Das Wettbewerbsrecht habe mit dem Schutz der schöpferischen Leistung als solcher nichts zu tun. Der Leistungsschutz sei allenfalls ein Reflex
des Wettbewerbsschutzes, wenn dieser einem Arbeitsergebnis zu Gute komme.
Das Wettbewerbsrecht ergänzt den Leistungsschutz mit anderer Schutzrichtung.
Daraus wird abgeleitet, die unternehmerische Leistung als solche sei nicht Gegenstand der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung. Der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz knüpfe vielmehr an die Art und Weise der Ausnutzungshandlung an. Die Wettbewerbswidrigkeit folge aus dem Einsatz verwerflicher Mittel. Im
Wettbewerbsrecht gehe es nicht um den Schutz fremder Leistungen, sondern um die
Abgrenzung zwischen lauteren und unlauteren Ausnutzungshandlungen. Folge dieses Theorieansatzes ist es, das bloße Nachahmen eines nicht unter Sonderrechtsschutz stehenden Arbeitsergebnisses könne nicht unlauter sein.
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Die Regelungsbereiche, in denen die höchstrichterliche Rechtsprechung einen ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz anerkennt, zeigen aber, dass es
sich der Sache nach längst um den Schutz der unternehmerischen Leistung als solcher im Wettbewerbsrecht handelt. Meine These geht dahin, der Schutz der unternehmerischen Leistung im Wettbewerbsrecht sei originär zu begründen und es
handele sich um eine eigenständige Aufgabe des Lauterkeitsrechts. Der Anwendungsbereich der Sonderrechtsgesetze bestimmt sich nach deren jeweiligem
immaterialgüterrechtlichen Normzweck und damit nach dem Schutzbereich der einzelnen gewerblichen Schutzrechte. Der wettbewerbsrechtliche Schutz der unternehmerischen Leistung dient einem anderen Schutzzweck. Schon insoweit
normieren die Sonderrechtsgesetze den unternehmerischen Leistungsschutz nicht
abschließend. Das Wettbewerbsrecht dient der Abwehr von Behinderungswettbewerb zum Schutz des Leistungswettbewerbs. Damit rückt die Schutzwürdigkeit einer
unternehmerischen Leistung an sich in den Mittelpunkt der wettbewerbsrechtlichen
Bewertung zur Abwehr von Behinderungen im Leistungswettbewerb.
3. Regelungsbereiche des lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutzes
a) Die sklavische Nachahmung und die unmittelbare Leistungsübernahme
(sklavische und reproduktive Leistungsaneignung)
Im Zentrum des wettbewerbsrechtlichen Sachverhalts der Ausbeutung einer fremden
Leistung stehen die beiden Fallgruppen der Nachahmung einer fremden Leistung,
prägnant sklavische Nachahmung genannt, und der unmittelbaren Übernahme einer
fremden Leistung. Wer technische Erzeugnisse sklavisch nachbaut oder nichttechnische Erzeugnisse sklavisch nachahmt, bildet die wesentlichen Teile eines Erzeugnisses maßstabsgetreu ab. Wer unmittelbar eine fremde Leistung übernimmt, eignet
sich ein fremdes Leistungsergebnis durch ein technisches Reproduktionsverfahren
unmittelbar an. Ich nenne diese beiden bedeutsamen Fallgruppen der Ausbeutung
einer fremden Leistung die sklavische Leistungsaneignung zum einen, die reproduktive Leistungsaneignung zum anderen.
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Nach allgemeiner Auffassung ist der sklavische Nachbau technischer Erzeugnisse
sowie die sklavische Nachahmung nichttechnischer Erzeugnisse nur dann wettbewerbswidrig, wenn besondere wettbewerbsrechtlich erhebliche Umstände vorliegen,
die
die
Sittenwidrigkeit
der
Wettbewerbshandlung
begründen.
Als
Unlau-
terkeitskriterien sind vor allem anerkannt die Begründung der Gefahr einer vermeidbaren, betrieblichen Herkunftstäuschung,100 aber auch bei Waren von wettbewerblicher Eigenart das Erschleichen der fremden Leistung sowie der Vertrauensbruch.
Auch das systematische Nachahmen als eine Strategie des Behinderungswettbewerbs oder Täuschungshandlungen zur Erlangung etwa von Betriebsgeheimnissen können die Wettbewerbswidrigkeit der sklavischen Leistungsaneignung begründen.
b) Modeschutzrecht
Das innerhalb der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel in der höchstrichterlichen
Rechtsprechung entwickelte Modeschutzrecht veranschaulicht exemplarisch den
Schutz der unternehmerischen Leistung vor Behinderungswettbewerb innerhalb des
Lauterkeitsrechts. Der BGH gewährt der Mode wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gegen eine identische oder eine nahezu identische Nachahmung. Als
Voraussetzung des wettbewerbsrechtlichen Modeschutzes genügt es, wenn das
Modeerzeugnis eine ästhetische Eigenart aufweist. Nach diesem Ausgangspunkt der
100 Siehe zur Beurteilung der Herkunftstäuschung im Sinne einer Annahme des
Verkehrs, es handele sich bei dem nachgeahmten Produkt oder der nachgeahmten Kennzeichnung um eine Zweitmarke des Originalherstellers, oder im
Sinne der Annahme, es bestünden geschäftliche oder organisatorische Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen (BGH GRUR 2001, 251 - Nachahmung
einer Messerserie). Bei Produkten des täglichen Bedarfs, die sich in der äußeren
Erscheinungsform und insbesondere in der Gestaltung ihrer Verpackung von einer
Fülle ähnlicher Produkte nur wenig unterscheiden, geht der BGH im Rahmen des
ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes bei der Beurteilung einer
vermeidbaren Herkunftstäuschung im allgemeinen davon aus, der Verkehr orientiere sich in erster Linie an der Produktbezeichnung und der Herstellerangabe und
unterscheide die verschiedenen Erzeugnisse nicht ausschließlich nach der
äußeren Gestaltung der Ware oder der Verpackung; nur im Falle einer identischen
Übernahme aller wesentlichen Gestaltungsmerkmale könne eine Herkunftstäuschung trotz unterschiedlicher Produkt- oder Herstellerbezeichnungen
nahe liegen; siehe zu einer Eiscreme in Haushaltspackungen BGH GRUR 2001,
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höchstrichterlichen Rechtsprechung wird der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz
der Mode unabhängig vom Vorliegen einer objektiven Neuheit eines Modeerzeugnisses im Sinne des Geschmacksmusterrechts gewährt. Es ist allein das Vorliegen
einer ästhetischen Eigenart der Modeschöpfung an sich, die den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz der Mode rechtfertigt.
Es ist zu betonen, dass es wettbewerbsrechtlich unerheblich ist, ob weitere besondere Umstände vorliegen, die die Art und Weise der Nachahmung prägen und erst
die Unlauterkeit der Wettbewerbshandlung zu begründen vermögen. Der Wettbewerbsschutz der Unternehmensleistung Mode besteht originär. Rechtserheblich ist
allein die Schutzwürdigkeit der unternehmerischen Leistung des Wettbewerbers
sowie das Fehlen einer Rechtfertigung der Leistungsübernahme durch den Mitbewerber.
Im Kern begründet der BGH den wettbewerbsrechtlichen Schutz von Modeschöpfungen mit der folgenden Überlegung: Der wettbewerbliche Vorsprung, der grundsätzlich dem gebühre, auf dessen Initiative die Modeneuheit zurückgehe, werde diesem abgeschnitten. Er werde um die Früchte seiner Arbeit gebracht, wenn Mitbewerber ihm in der gleichen Saison mit identischen oder nahezu identischen Nachahmungen unter Einsparung der Entwurfskosten Konkurrenz machten. Mit dieser Begründung wird der wettbewerbsrechtliche Schutz von Modeschöpfungen als ein Tatbestand der Behinderung des Wettbewerbers bei der Vermarktung seiner unternehmerischen Leistung verstanden. In seiner Darstellung der Schutzvoraussetzungen eines Moderechts stellt der BGH im übrigen klar, dass die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung einer Modeneuheit nicht aus der Herbeiführung einer
vermeidbaren Herkunftstäuschung folge.101
443 - Viennetta.
101 Siehe die Grundsatzentscheidungen BGHZ 60, 168 - Modeneuheit; BGH GRUR
1984, 453 - Hemdblusenkleid; siehe die instanzgerichtliche Rechtsprechung zum
Modeschutzrecht HansOLG Hamburg GRUR 1986, 83 - Übergangsbluse; LG
Düsseldorf GRUR 1989, 122 - Sweat-Shirt; siehe dazu auch Weber, Mode- und
Designschutzrecht, Dissertation Konstanz, 1992.
BMJ – Gutachten UWG
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c) Wettbewerbrechtlicher Neuheitenschutz kurzlebiger und langlebiger Produkte (Designschutz)
Der wettbewerbsrechtliche Neuheitenschutz sollte im Grundsatz nicht auf das Gebiet
der Textilien beschränkt werden. Die Rechtssätze zum Saisonschutz der Mode sind
auf den Neuheitenschutz anderer kurzlebiger Produkte zu übertragen.102
Sowohl in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wie im wettbewerbsrechtlichen
Schrifttum ist noch weithin ungeklärt, inwieweit sich der wettbewerbliche Neuheitenschutz nicht nur auf kurzlebige, sondern auch auf langlebige Produkte übertragen
lässt. Zu denken ist etwa Möbel, Porzellan und allgemein an Design.103 Ein zeitlich
begrenzter Neuheitenschutz ist in keiner Branche prinzipiell ausgeschlossen.104
4. Spezialtatbestand des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes
Bei der Normierung des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes als einer eigenen
Aufgabe des Wettbewerbsrechts in einem eigenen Spezialtatbestand kommt es auf
die Unterscheidung zwischen der Schutzwürdigkeit der Leistung (Schutztatbestand)
und der Rechtfertigung der Leistungsaneignung (Rechtfertigungstatbestand) an. Die
102 Die instanzgerichtliche Rechtsprechung verhält sich gegenüber einem allgemeinen Neuheitenschutz nach Wettbewerbsrecht noch zögerlich und uneinheitlich;
siehe dazu OLG Frankfurt GRUR 1982, 175 ff. – Rubik’s Cube; siehe ferner die
Entscheidungen ÖOGH GRUR Int. 1982, 64 ff. – Zauberwürfel; schweiz BG GRUR
Int. 1983, 754 f. – Rubik-Würfel; OLG Frankfurt GRUR 1983, 757 f. – Donkey King
Junior I; GRUR 1984, 509 – Donkey King Junior II.; GRUR 1983, 753 ff. – Pengo.
103 Die instanzgerichtliche Rechtsprechung zögert noch, einen wettbewerbsrechtlichen Designschutz langlebiger Produkte anzuerkennen; siehe dazu etwa
OLG Düsseldorf WRP 1978, 378 - Polstermöbel.
104 Zu verweisen ist auf den Wettbewerbsschutz von Verkaufs- und Werbeideen
sowie auf den Leistungsschutz von Modeschmuck; siehe zur Ideenfreiheit als
Schranke des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes Fezer, Der wettbewerbsrechtliche Schutz der unternehmerischen Leistung, in: Gewerblicher
Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland, Festschrift, Bd. II, 1991, S. 939,
950 f. Zu erwähnen ist auch die Entscheidung des BGH zum Rechtsschutz von
Notenstichbildern, BGH GRUR 1986, 985 - Notenstichbilder.
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rechtlichen Voraussetzungen der wettbewerbsrechtlichen Schutzwürdigkeit einer
unternehmerischen Leistung sind in Abgrenzung zu den Normzwecken und
Schutzbereichen der verschiedenen Immaterialgüterrechte zu entwickeln. Die
Gründe einer sachlichen Rechtfertigung der Aneignung an einer fremden Leistung
sind in Abgrenzung zum Schutz der Nachahmungsfreiheit auszubilden. Für die
Entwicklung von rechtserheblichen Kriterien der wettbewerbsrechtlichen Schutzwürdigkeit von unternehmerischen Leistungen (schutzwürdige Innovationen), sowie für
die Herausbildung von Gründen der sachlichen Rechtfertigung einer Inanspruchnahme fremder Leistungen (gerechtfertigte Imitationen), können die bislang gefundenen Unlauterkeitskriterien im Recht der Ausbeutung fremder Leistung herangezogen werden.
5. Vorschlag einer Formulierung eines Spezialtatbestandes des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes
Wer eine schutzwürdige Leistung eines anderen ohne sachlich gerechtfertigten
Grund unmittelbar übernimmt oder wesentlich nachahmt, handelt unlauter im Sinne
des § 1 UWG.
II. Verbundene Angebote im Leistungswettbewerb
1. Zur gesellschaftlichen Komplexität des modernen Leistungswettbewerbs
Gegenstand des Leistungswettbewerbs ist das Produkt eines Unternehmens am
Markt. Grundlage der Verbraucherentscheidung ist der Produktvergleich. In einem
wirksamen Leistungswettbewerb entscheidet der Verbraucher nach dem Preis und
der Qualität der Ware oder Dienstleistung sowie den mit dem Produkt verbundenen
Nebenleistungen wie etwa Finanzierung, Service und Gewährleistung.
In der Gegenwart ist eine Erweiterung des Leistungsinhalts eines unternehmerischen
Produkts zu beobachten, die etwa mit den Stichworten Umweltverträglichkeit, Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit benannt werden kann.
Die Produktleistung eines Unternehmens als Gegenstand der Verbraucher-
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entscheidung gewinnt an gesellschaftlicher Komplexität. Innerhalb der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung des Leistungsangebots eines Unternehmens werden
Verbraucherinformation und Markttransparenz zunehmend rechtserheblich. Die
Variabilität der Leistungsmerkmale eines unternehmerischen Produkts beeinflussen
die Gestaltung von Produktverbindungen als Angebote differierender Leistungskataloge an den Verbraucher.
2. Das Zugabewesen als Erscheinungsform der Wertreklame
Die Zugabe wird als eine besondere Form der Wertreklame105 im Gegensatz zur
Wort- und Bildreklame verstanden. Zwar weiß ein jedes Kind, ein Kaufmann habe
nichts zu verschenken, doch erhält ein kleines Geschenk dem Kaufmann den Kunden. Die Zugabe ist die unentgeltliche Zuwendung zum Produkt. Im Rechtssinne der
ZugabeVO ist unter einer Zugabe eine Ware oder Leistung zu verstehen, die neben
einer Hauptware oder Hauptleistung ohne besonderes
Entgelt
angeboten,
angekündigt oder gewährt wird, um den Absatz der Hauptware oder der
Hauptleistung zu fördern.106 Die ZugabeVO verbietet einen Ausschnitt aus der
Wertreklame. Die Wertwerbung als solche ist wettbewerbsrechtlich zulässig. Der
Wettbewerber darf dem Verbraucher von seinem Produktangebot unabhängige
Vorteile zukommen lassen. Das sind vor allem Werbegeschenke und Gratisverlosungen, Preisausschreiben und Gewinnspiele, Freifahrten und vieles mehr. Das
herkömmliche Verständnis der Wertwerbung wird von dem zugaberechtlichen Verdikt über die akzessorische Zuwendung unentgeltlicher Leistungen bestimmt. Wertreklame wird zwar als solche nicht als wettbewerbswidrig beurteilt. An die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Wertwerbung wird aber ein strengerer Beurteilungsmaßstab angelegt als an die Wort- und Bildwerbung, da die Wertreklame nicht
dem Leitbild des Leistungswettbewerbs entspreche.107
105 Siehe dazu Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., 2001, § 1 UWG,
Rn 85 ff.
106 BGHZ 11, 274, 278 – Orbis-Reisemarken; 34, 264, 267 – Einpfennig-Süßwaren.
107 BGH GRUR 1974, 345 – Geballtes Bunt); WRP 1976, 172 – Versandhandelspreisausschreiben; siehe zum österreichischen Recht ÖOGH Öbl. 1995, 211 –
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Die Unentgeltlichkeit der akzessorischen Zuwendung ist das allgemeine Merkmal der
Zugabe und der Wertwerbung. Die Aufhebung der ZugabeVO stellt deshalb
zunächst nur eine Veränderung der Rechtslage in Bezug auf die Zulässigkeit der
unentgeltlichen Zuwendung akzessorischer Waren und Dienstleistungen dar. Da der
solcherart unentgeltlichen und akzessorischen Zuwendung ein einzelnes Angebot
einer Ware oder Dienstleistung zu Grunde liegt, wirkt sich die Aufhebung der ZugabeVO zwar nicht unmittelbar auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Verbindung von mehreren Angeboten zu sogenannten Kopplungsgeschäften aus. Es ist
aber eine andere Frage, ob die Aufhebung der ZugabeVO nicht allgemein einen
Wandel der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Wertwerbung verlangt, da nunmehr die unentgeltliche und akzessorische Zuwendung einer Ware oder Dienstleistung als grundsätzlich wettbewerbskonform zu verstehen ist. Ein solcher Beurteilungswandel harmoniert mit einem erweiterten Verständnis vom Begriff des
Leistungswettbewerbs.
3. Die Verbindung mehrerer Angebote zu Kopplungsgeschäften
a) Die zugaberechtliche Problematik des Scheinentgelts
Nach § 1 Abs. 1 S. 2 ZugabeVO liegt eine Zugabe auch dann vor, wenn die Zuwendung nur gegen ein geringfügiges, offenbar bloß zum Schein verlangtes Entgelt
gewährt wird. Der Umgehungstatbestand einer Tarnung der Zugabe durch ein
Scheinentgelt verlangt, dass trotz der Verbindung der mehreren Angebote der Zugabecharakter im Sinne eines Verhältnisses von Hauptware und Nebenware
(Hauptleistung und Nebenleistung) aufrecht erhalten bleibt. Das zugaberechtliche
Scheinentgeltverbot hindert den Kaufmann nicht, bei verbundenen Angeboten den
Preis der einen Ware oder Dienstleistung niedriger zu kalkulieren als bei einem unverbundenen Angebot. Nach der ZugabeVO sind Kopplungsgeschäfte dahin zu
beurteilen, ob bei verdeckten Kopplungsgeschäften der Gesamtpreis einer Verschleierung der Zugabe dient, und ob bei offenen Kopplungsgeschäften ohne Einzelabgabe der verbundenen Waren oder Dienstleistungen der für die als Nebenware
Falschparkzettel; 1996, 38 – Städteflugreisen.
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oder Nebenleistung zu verstehende Zugabe bestimmte Preis als Scheinentgelt zu
beurteilen ist.
Mit der Aufhebung der ZugabeVO entfällt die Beurteilung verbundener Angebote als
Verstoß gegen das Scheinentgeltverbot. Da nach der Aufhebung der ZugabeVO die
unentgeltliche und akzessorische Zuwendung einer Ware oder Dienstleistung grundsätzlich wettbewerbsrechtlich zulässig ist, gilt dies gleichermaßen für solche Kopplungsgeschäfte, bei denen für das eine der verbundenen Angebote nur ein geringfügiges Entgelt verlangt wird. Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von verbundenen Angeboten im Leistungswettbewerb nach § 1 UWG stellt sich unabhängig von
der Aufhebung der ZugabeVO.
b) Offene und verdeckte Kopplungsangebote sowie Vorspannangebote
Ein verbundenes Angebot (Kopplungsangebot, Kopplungsgeschäft) liegt vor, wenn
mehrere Waren oder Leistungen zu einem Gesamtpreis angeboten werden. Unterschieden werden verdeckte und offene Kopplungsangebote.108 Die Unterscheidung
zwischen einer offenen oder verdeckten Angebotsverbindung wird wettbewerbsrechtlich überwiegend109 danach getroffen, ob die Einzelpreise der verbundenen Angebote genannt werden oder nicht. Ein verdecktes Kopplungsangebot liegt
vor, wenn die verbundenen Waren oder Dienstleistungen nur zusammen zu einem
Gesamtpreis abgegeben werden, ohne dass Einzelpreise der verbundenen Waren
oder Dienstleistungen benannt werden. Ein offenes Kopplungsangebot liegt vor,
wenn die Einzelpreise der verbundenen Waren oder Dienstleistungen benannt werden und die Abgabe der Waren oder Dienstleistungen entweder nur zusammen oder
auch getrennt erfolgt.110
108 Siehe dazu Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., 2001, § 1 UWG,
Rn 127 ff.
109 Von einem offenen Kopplungsangebot wird teilweise nur dann ausgegangen,
wenn auch eine getrennte Abgabe der verbundenen Waren oder Dienstleistungen
zu den benannten Einzelpreisen erfolgt.
110 In der Rechtsprechung des BGH wurde die Abgrenzung zwischen verdeckter
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Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung verbundener Angebote hat von dem Grundsatz der Freiheit der Preisgestaltung, der Sortimentsgestaltung und der Angebotsgestaltung im Handel auszugehen. Auch wenn die Handelsfreiheit den Ausgangspunkt der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung bestimmte, so wurden verdeckte
Kopplungsgeschäfte gleichwohl hinsichtlich der Gesamtpreisbildung wettbewerbsrechtlich streng beurteilt. Das gilt hinsichtlich der höchstrichterlichen Rechtsprechung zumindest für die Zeit zwischen den 60er Jahren bis Mitte der 90er Jahre. Die
Wettbewerbswidrigkeit verdeckter Kopplungsangebote wurde namentlich aus einer
Erschwerung des Preisvergleichs abgeleitet.111 Als rechtserheblich wurde die
Branchenidentität, Branchennähe oder Branchenverschiedenheit der verbundenen
Waren oder Dienstleistungen angesehen.112 Die wettbewerbsrechtliche Restriktion
der Handelsfreiheit bei der Beurteilung verbundener Angebote erklärt sich zum einen
aus dem überkommenen Verbraucherleitbild des unkritischen und flüchtigen Verbrauchers, sowie zum anderen aus einer Reduktion des Leistungswettbewerbs auf
den Vergleich von Preis und Qualität der einzelnen Waren und Dienstleistungen als
solcher.
Offene Kopplungsangebote wurden eher als wettbewerbskonform zumindest dann
beurteilt, wenn die verbundenen Waren oder Dienstleistungen zumindest eine ge-
und offener Kopplung offen gelassen (BGH GRUR 1962, 415 – Glockenpackung).
111 Siehe zur Preisverschleierung bei der Verbindung des Angebots von 50 g Tee
zusammen mit einer Teetasse in einem Zellophanbeutel, da die Angabe des
Teepreises auf der Teepackung innerhalb des Beutels nicht vor dem Kauf ohne
weiteres wahrgenommen werden konnte, BGH GRUR 1962, 415 – Glockenpackung I; siehe zu einer Angebotsverbindung bei Sukzessivlieferungen im Kaffeehandel BGH GRUR 1971, 582 – Kopplung im Kaffeehandel.
112 Siehe zu einer als wettbewerbswidrig beurteilten Kopplung des Angebots von
Urlaubsreisen und Skiausrüstungen LG Köln WRP 1983, 178; siehe zur Verbindung des Angebots eines Hotelaufenthalts und der Benutzung eines Pkw als
gezielte Preisverschleierung OLG Hamm GRUR 1989, 923 – Auto und Urlaub;
siehe zu einem als aufgedrängte sachfremde Koppelung als unzulässig beurteilten
Angebot eines Kfz-Händlers zum Verkauf eines Autos und einer Malaysia-Reise zu
einem Komplettpreis OLG München WRP 2001, 319 - Auto und Reise.
BMJ – Gutachten UWG
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wisse Gebrauchsnähe aufwiesen, auch wenn sie als branchenfremd zu bezeichnen
waren, und so von einer Gebrauchseinheit ausgegangen werden konnte.
Als eine Sonderform eines offenen Kopplungsangebots wurde allerdings das Vorspannangebot
als
solches
als
wettbewerbswidrig
beurteilt.
Die
Wettbe-
werbswidrigkeit des Vorspannangebots wurde mit dessen Zugabeeffekt begründet,
obgleich es sich weder um eine unentgeltliche noch um eine scheinentgeltliche Zuwendung, sondern um ein entgeltliches Angebot handelte. Entscheidend kam es auf
das Verhältnis der Vorspannware als einer zumeist branchenfremden Nebenware zu
der Hauptware an. Aus der Zuordnung des Vorspannangebots zur Wertreklame
wurde gefolgert, es bestehe kein überzeugender Grund, die strenge Beurteilung der
Wertreklame auf solche Vorteile zu beschränken, die ohne besondere Gegenleistung zugewendet würden. Der Anreizeffekt könne bei preisgünstigen Vorspannangeboten ungleich größer sein als bei nicht besonders berechneten Zugaben. Aus
der Akzessorietät als dem rechtlichen Bedingungszusammenhang zwischen dem
Erwerb der regulären Hauptware und dem Erwerb der Vorspannware wurde der
Zugabecharakter des Vorspannangebots abgeleitet.113 Wenn die durch ein Vorspannangebot bewirkte psychologische Beeinflussung einen Grad erreicht habe, der
die für den Wettbewerb wesentliche freie Entschließung des Verbrauchers in unsachlicher Weise hindere oder praktisch ausschließe, so sei sein Kaufentschluss verfälscht. Es wurde zudem auf die Gefahr der Nachahmung und die mit ihr notwendig
verbundene Übersteigerung verwiesen, wenn der Wettbewerb um die Hauptware
aus dem Grundsortiment auf branchenfremde Vorspannwaren verlagert werde. Das
Vorspannangebot wurde als Werbemethode beurteilt, die dem Leitbild des Leistungswettbewerbs widerspreche und zu einem Wettbewerb um Vorspannprodukte
führe.114 Folge einer Aufhebung der ZugabeVO ist es, dass der Zugabecharakter im
113 Grundlegend Hefermehl, Werbung mit Vorspannangeboten, GRUR 1974, 542;
zur Vorspannwerbung siehe Fezer, Unlauterer Wettbewerb durch Werbung mit
Vorspannangeboten, BB 1975, 1500 ff.; siehe auch Hoth, Kopplungs- und Vorspannangebot, GRUR 1976, 219 ff.; kritisch Götting, Die neuere Entwicklung des
Zugaberechts in Deutschland, Belgien, Frankreich und Schweden - Zugleich eine
kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Rechtsprechung zur Vorspannwerbung, 1986, S. 117 ff.
114 Zur Rechtsprechung siehe BGHZ 65, 68 - Vorspannangebot; BGH GRUR 1976,
BMJ – Gutachten UWG
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Sinne des Verhältnisses der verbundenen Angebote als Hauptware und Nebenware
(Hauptleistung und Nebenleistung) es nicht mehr rechtfertigt, Vorspannangebote als
per se wettbewerbswidrig115 und damit strenger als offene Kopplungsangebote zu
beurteilen.
637 - Rustikale Brettchen; 1977, 110 - Kochbuch.
115 So wohl auch Berlit, Auswirkungen der Aufhebung des Rabattgesetzes und der
Zugabeverordnung auf die Auslegung von § 1 UWG und § 3 UWG, WRP 2001,
349, 351.
BMJ – Gutachten UWG
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c) Leistungsgerechte Angebotsverbindung
Das Verhältnis der zu einem Angebot verbundenen Waren oder Dienstleistungen
wird nicht nur in Deutschland, sondern auch im Lauterkeitsrecht anderer europäischer Staaten als rechtserheblich beurteilt.116 Das nimmt nicht Wunder, da die
wettbewerbsrechtliche Sanktionierung des Zugabewesens und der branchenübergreifenden Angebotsverbindung in bestimmten Mitgliedstaaten der Europäischen
Union traditionell verankert ist. Ein solcher rechtsvergleichender Befund, der das
überkommene Wettbewerbsrecht beschreibt, steht einer Modernisierung des nationalen Lauterkeitsrechts und einer europäischen Rechtsharmonisierung im Sinne einer
Liberalisierung und Deregulierung des Leistungsangebots im Handel nicht entgegen.
Ein wesentliches Wertungskriterium der Wettbewerbswidrigkeit verbundener Angebote ist weithin die Art und Weise des Verhältnisses der zu einem Gesamtangebot
gekoppelten Waren oder Dienstleistungen zueinander. Abgestellt wird auf den sachlichen Zusammenhang der Waren oder Dienstleistungen, deren Branchennähe
oder Gebrauchsnähe, die Funktionsgerechtheit der Angebotsverbindung, die Handelsüblichkeit oder Verkehrsüblichkeit des Kopplungsgeschäfts und auch die Beurteilung der Handelsentwicklung als wirtschaftlich vernünftig. Die Umschreibungen
veranschaulichen, dass es zum einen um den Inhalt des Leistungswettbewerbs und
damit darum geht, ob und in wieweit ein verbundenes Angebot Ausdruck der
besseren Leistungsfähigkeit eines Unternehmens am Markt ist, zum anderen darum,
von
welchem
Maß
an
Rationalität
der
Verbraucherentscheidung
wettbe-
werbsrechtlich auszugehen ist.
d) Kurskorrektur der höchstrichterlichen Rechtsprechung
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird die an dem Verständnis als Wertreklame und an der zugaberechtlichen Akzessorietät orientierte strenge Beurteilung
der Kopplungsangebote seit Mitte der 90er Jahre korrigiert. Die Rechtsprechung gibt
116 Siehe dazu rechtsvergleichend Bodewig/Henning-Bodewig, Rabatte und Zugaben in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, WRP 2000, 1341 ff.; auch
Meyer, Rabatt- und Zugabe-Regulierung auf dem Prüfstand, GRUR 2001, 98.
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der Handelsfreiheit der Angebotsstrukturen im Leistungswettbewerb mehr Raum und
vertraut stärker auf die Rationalität der Entscheidung des mündigen Verbrauchers.
Gegenstand der Entscheidung des BGH „Saustarke Angebote“ war die reißerische
Werbung mit dem Schlagwort „Saustarke Angebote„ des Media Marktes, der im Einzelhandel vorwiegend Unterhaltungselektronik, Elektrogeräte und Computer vertreibt.117 Angeboten war eine Tiefkühltruhe inklusive eines halben Schweines zu
dem Abholpreis von 599 DM, wobei wegen der erforderlichen fachgerechten
Lagerung die Schweinehälfte auf Wunsch auch grob zerlegt gegen Gutschein in der
Fleischerabteilung des Gigant Marktes erhalten werden konnte. Der BGH beurteilte
dieses als verdecktes Kopplungsangebot bezeichnete Angebot der verschiedenen
Waren Gefriertruhe und Schweinehälfte, die zu einem Gesamtpreis angeboten wurden, ohne den Einzelpreis der Waren erkennen zu lassen, dann als wettbewerbskonform, wenn der angesprochene Verkehr die Einzelpreise ohne weiteres in Erfahrung bringen könne. Es könne im allgemeinen nicht als ein Verstoß gegen die
Grundsätze des Leistungswettbewerbs angesehen werden, Qualität und Preiswürdigkeit des Angebots durch die Attraktivität eines Kombinationsangebots aus verschiedenen Waren hervorzuheben.
Verdeckte Kopplungsgeschäfte könnten dann als wettbewerbswidrig zu beurteilen
sein, wenn die Einzelpreise nicht bekannt seien und der Verkäufer sie auch nicht in
Erfahrung bringen könne, weil er keinerlei Anhaltspunkte für deren Berechnung habe
und er deshalb die Preisgestaltung des Angebots nicht mit Konkurrenzangeboten
vergleichen könne. Der BGH geht zwar von einem Gebrauchszusammenhang zwischen Gefriertruhe und Schweinehälfte aus, den das OLG Hamm verneint hatte, da
es sich um unterschiedliche Leistungsgegenstände handele, die nicht miteinander in
Zusammenhang stünden, und dass die Möglichkeit der Aufbewahrung des
Schweinefleischs in der Tiefkühltruhe keine Zweckverbundenheit beider Leistungen
im Sinne einer Gebrauchseinheit bedinge; der BGH hält der Rechtsauffassung des
OLG Hamm entgegen, die Truhe diene der mit dem Kauf der Schweinehälfte beabsichtigten Vorratshaltung und ermögliche dem Käufer damit sogleich eine sinnvolle
Verwendung.
117 BGH GRUR 1996, 363 - Saustarke Angebote.
BMJ – Gutachten UWG
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Es kann die Entscheidung nicht dahin verstanden werden, es komme für die Zulässigkeit eines Kopplungsgeschäfts darauf an, dass bei der Verbindung des Angebots
branchenverschiedener Waren zumindest ein Gebrauchszusammenhang bestehen
müsse. Der BGH lässt nämlich ausdrücklich dahinstehen, ob der Gesichtspunkt des
Gebrauchszusammenhangs oder der Gebrauchsnähe für die Frage der Zulässigkeit
eines Kopplungsangebots überhaupt von Bedeutung sein könne.
Entscheidend kommt es für den BGH darauf an, ob für den Verkehr die Beurteilung
der Preiswürdigkeit der zu einem Gesamtpreis angebotenen Waren Gefriertruhe und
Schweinehälfte erheblich erschwert ist. Der BGH geht davon aus, dass die an einem
Preisvergleich interessierten potentiellen oder tatsächlichen Käufer die Preise für die
Gefriertruhe und die Schweinehälfte am Ort der Werbung ohne Schwierigkeiten
hätten in Erfahrung bringen können.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Preisvergleichsmöglichkeit das rechtserhebliche Beurteilungskriterium der Kopplungsgeschäfte. Das entspricht dem Zweck
des Leistungswettbewerbs, dem Verbraucher den Leistungsvergleich am Markt zu
gewährleisten, ohne den Handel in der Freiheit der Gestaltung von Sortiment, Angebot und Preis unangemessen zu beeinträchtigen.
In der Entscheidung „Saustarke Angebote“ war ausschließlich über den Sachverhalt
eines verdeckten Kopplungsangebots zu entscheiden, dessen Merkmale in der
Bildung eines Gesamtpreises und (dahingestellt) im Gebrauchszusammenhang oder
der Gebrauchsnähe liegen. Gegenstand der Entscheidung war nicht ein Vorspannangebot, bei dem eine Vorspannware zu einem Einzelpreis als Werbung für eine
Hauptware zu einem Einzelpreis einseitig akzessorisch verbunden wird. Zu bedenken ist aber, dass die in der Entscheidung „Saustarke Angebote“ als rechtserheblich angesehene Preisvergleichsmöglichkeit im Verkehr bei einem die Einzelpreise benennenden Vorspannangebot grundsätzlich nicht problematisch ist. Wenn
nach Aufhebung der ZugabeVO der Zugabecharakter eines Vorspannangebots dessen Wettbewerbswidrigkeit nicht zu begründen vermag, dann wird zukünftig von dem
Grundsatz der Zulässigkeit von Vorspannangeboten auszugehen sein, wenn nicht
BMJ – Gutachten UWG
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einer irgendwie gearteten Funktionseinheit der verbundenen Angebote Rechterheblichkeit zukommt.
In seiner „Handy“-Rechtsprechung geht der BGH noch einen Schritt weiter im Sinne
einer freien Gestaltung der Angebotsstruktur im Handel.118 Der BGH verneint
zunächst den Zugabecharakter des unentgeltlichen oder nahezu unentgeltlichen
Angebots eines Mobiltelefons im Hinblick auf den Abschluss eines Telefonkartenvertrages. Die Funktionseinheit von Telefon und Netzzugang spreche dagegen, das
eine als Hauptleistung und das andere als Nebenware anzugeben. Es ist von besonderer Bedeutung für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Kopplungsangeboten, dass der BGH in den „Handy“-Fallkonstellationen das Vorliegen eines übertriebenen Anlockens nach § 1 UWG verneinte. In der Ankündigung eines besonders
günstigen Preises für einen Teil der zu erbringenden Gesamtleistung, um die es sich
bei dem mit dem Abschluss eines Netzkartenvertrages gekoppelten Erwerb eines
Mobiltelefons aus der Sicht des Verkehrs handelt, könne kein unsachliches Mittel
erblickt werden, denn die Werbung mit der fast kostenlosen oder besonders günstigen Abgabe eines Mobiltelefons stelle sich als ein legitimer Hinweis auf den günstigen, durch verschiedene Bestandteile geprägten Preis der angebotenen Gesamtleistung und damit als ein Hinweis auf die eigene Leistungsfähigkeit dar. Die Anlockwirkung, die von einem attraktiven Angebot ausgehe, sei nicht wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs. Der BGH weist ausdrücklich
den Einwand zurück, mit dem Angebot eines fast kostenlosen Mobiltelefons werde
nicht die Leistungsfähigkeit des Anbietenden unter Beweis gestellt, sondern nur der
Umstand verschleiert, dass im Rahmen eines Netzkartenvertrages überhöhte Entgelte verlangt würden. Wenn die unentgeltliche oder fast unentgeltliche Abgabe von
Mobiltelefonen untersagt würde, würde mit Hilfe der Generalklausel des § 1 UWG in
einen Marktmechanismus eingegriffen, dem vernünftige wirtschaftliche Erwägungen
zu Grunde lägen.
Der Rechtssatz des BGH, die Anlockwirkung, die von einem attraktiven Angebot
ausgehe, sei grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des
118 BGH WRP 1999, 505 - Nur 1 Pfennig; 1999, 509 - Kaufpreis je nur 1,- DM;
BMJ – Gutachten UWG
Leistungswettbewerbs,
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gewinnt
in
der
jüngsten
Rechtsprechung
des
BGH
zunehmend an Rechtserheblichkeit. Der BGH geht davon aus, dass ein wettbewerbswidriger Anlockeffekt erst durch den Einsatz zusätzlicher, unsachlicher Mittel entstehen kann. Kennzeichen solcher Mittel sei es, dass sie nicht Preiswürdigkeit oder
Qualität des Angebotes steigerten, sondern Kunden von einer preis- und qualitätsbewußten Prüfung verschiedener Angebote durch werbendes Herausstellen
leistungsfremder Vergünstigungen abhielten.119
1999, 512 - Aktivierungskosten; 1999, 517 - Am Telefon nicht süss sein?
119 BGH WRP 2000, 1138 - Null-Tarif; siehe auch BGH GRUR 2001, 446 - 1Pfennig-Farbbild.
BMJ – Gutachten UWG
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4. Preisintransparente, wettbewerbsbehindernde und marktstörende Kopplungsangebote
Die Verbindung mehrerer Waren oder Dienstleistungen zu einem einheitlichen
Angebot ist Teil der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit im Handel. Verbundene
Angebote sind grundsätzlich Ausdruck der Leistungsfähigkeit eines Unternehmens.
Kopplungsangebote sind nicht als Wertwerbung strenger als andere Formen der
Werbung wie die Wort- und Bildwerbung zu beurteilen. Es besteht zudem kein
wettbewerbsrechtlicher Branchenschutz im Handel. Die Freiheit der Sortimentsgestaltung, der Angebotsstrukturen und der Preisbildung bedingt die Wirtschaftsstufen. Kopplungsangebote sind deshalb grundsätzlich wettbewerbsrechtlich zulässig,
seien die verbundenen Waren oder Dienstleistungen brancheneigen, branchennah
oder branchenfern, sei es, dass die verbundenen Waren oder Dienstleistungen eine
Gebrauchseinheit oder Funktionseinheit bilden, sei es, dass die verbunden Waren
oder Dienstleistungen mit oder ohne Nennung der Einzelpreise nur zu einem Gesamtpreis oder auch zu Einzelpreisen angeboten werden, sei es, dass eine Ware
oder Dienstleistung unentgeltlich oder zu einem geringen Entgelt mit dem Angebot
einer entgeltlichen Ware oder Dienstleistung verbunden wird (Vorspannangebote
nach Aufhebung der ZugabeVO).
Einer solchen wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der verschiedenen Formen von
Kopplungsangeboten stehen die in manchen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltenden Vorschriften, die verbundene Angebote restriktiv regeln, nicht entgegen, da diese Gesetze einem herkömmlichen Verständnis vom Zugabewesen und
der Wertreklame sowie einem engen Begriff des Leistungswettbewerbs verantwortet
sind, um dessen Diskussion und inhaltliche Modernisierung es gerade geht.
Die Generalklausel des § 1 UWG setzt der Verbindung von Waren und Dienstleistungen zu einem Gesamtangebot zureichend wettbe-werbsrechtliche Grenzen.
Ein verbundenes Angebot ist dann wettbewerbswidrig, wenn eine der drei Fallkonstellationen einer Preisintransparenz, einer individuellen Wettbewerbsbehinderung
oder einer allgemeinen Marktstörung vorliegt, oder wenn das Kopplungsangebot in
ein System unverhältnismäßiger Kundenbindung integriert ist. Diese wettbewerbsrechtlichen Schranken verbundener Angebote konkretisieren das Prinzip des
BMJ – Gutachten UWG
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Leistungswettbewerbs, verstanden als individueller Wettbewerberschutz, originärer
Verbraucherschutz und institutioneller Wettbewerbsschutz.
Nach Aufhebung des RabattG und der ZugabeVO wird dem Gebot der Preistransparenz im Interesse des Verbraucherschutzes bei der wettbewerbsrechtlichen
Beurteilung des Marktverhaltens eines Unternehmens zentrale Bedeutung zukommen. Preistransparenz im Lauterkeitsrecht bedeutet, dass einem Verstoß gegen den
Grundsatz der Preisklarheit und Preiswahrheit das Wettbewerbsunrecht konstituierende Bedeutung zukommt. Der nach der PAngV anzugebende Endpreis eines
Angebots wird für den Verbraucher als Verhandlungspreis Grundlage der Vertragsverhandlungen hinsichtlich des von dem einzelnen Verbraucher individuell zu
zahlenden Vertragspreises. Der Gesamtpreis eines verbundenen Angebots unterliegt
der wettbewerbsrechtlichen Kontrolle hinsichtlich der Preiswahrheit und Preisklarheit.
Die Bildung eines Gesamtpreises, der bei einem verständigen Verbraucher eine
Preisverschleierung bewirkt, ist wettbewerbswidrig. Der Grundsatz zumutbarer
Preisinformation über den Marktpreis gilt für alle Marktpartner. Im Leistungswettbewerb entsprechen einem informierten Verbraucher transparente Informationen der
Unternehmen. Die Abgrenzung preistransparenter Kopplungsangebote als wettbewerbskonform von preisintransparenten Kopplungsangeboten als wettbewerbswidrig
ist eine von der judikativen Konkretisierung der Generalklausel zu lösende Regelungsaufgabe, die in der jüngsten Rechtsprechung des BGH erste Ansätze gefunden
hat.120
Die Wettbewerbswidrigkeit eines verbunden Angebots kann aus einer individuellen
Wettbewerbsbehinderung folgen. Die Kopplung einer Ware oder Dienstleistung kann
eine Fallkonstellation des Behinderungswettbewerbs darstellen. Rechtserhebliche
Umstände sind die systematische Anlage des Kopplungsangebots hinsichtlich des
Anbieters der verbundenen Ware oder Dienstleistung, die Marktmacht des Angebote
verbindenden Unternehmens, die Art des verbundenen Produkts (vertriebsgebun-
120 Wer eine aus einzelnen Bestandteilen zusammengesetzte Gesamtleistung anbietet, darf, wenn sich hierfür ein Gesamtpreis bilden läßt, nicht den besonders
günstigen Preis einzelner Leistungsbestandteile herausstellen, sondern muß
nach§ 1 Abs. 1 S. 1 PAngV den Gesamtpreis angeben (BGH GRUR 2001, 446 - 1-
BMJ – Gutachten UWG
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dene Produkte), wie auch die lokalen und regionalen Marktverhältnisse. Der BGH
nimmt eine unlautere individuelle Behinderung von Mitbewerbern dann an, wenn
eine unentgeltliche Leistung gezielt dazu benutzt wird, bestimmte Mitbewerber vom
Markt zu verdrängen, und sie eine konkrete Marktbehinderung zur Folge hat.121
Folge des systematischen Einsatzes etwa eines branchenfremden Produkts kann
auch eine allgemeine Marktstörung im Sinne einer Gefährdung des Bestands des
Wettbewerbs auf dem relevanten Markt sein. Nach der Rechtsauffassung des BGH
kann eine wettbewerbswidrige allgemeine Behinderung des Marktes dann gegeben
sein, wenn die Gewährung einer kostenlosen Leistung die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerber auf einem bestimmten Markt in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.122
Die Wettbewerbswidrigkeit als solcher zulässiger Kopplungsangebote kann sich aus
deren Integration in ein unzulässiges Kundenbindungssystem ergeben.
5. Gesetzliche Regelung der verbundenen Angebote
a) Zugaberechtliche Ersatzregelung
Es ist nicht zu empfehlen, nach Aufhebung der ZugabeVO eine zugaberechtliche
Ersatzregelung im UWG zu schaffen. Es liegt sowohl im Interesse eines wirksamen
Leistungswettbewerbs als auch im Interesse der Verbraucher, die Entwicklung von
Kopplungsangeboten im Sinne innovativer Produktverbindungen am Markt zuzulassen. Die Konkretisierung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel wird der Aufgabe gerecht, preisverschleiernde, wettbewerbsbehindernde und marktstörende
Kopplungsangebote als unlauter zu verbieten.
Pfennig-Farbbild).
121 BGH GRUR 2001, 80 - Ad-hoc-Meldung; siehe schon BGH GRUR 1991, 616,
617 - Motorboot-Fachzeitschrift.
122 BGH GRUR 2001, 80 - Ad-hoc-Meldung; siehe schon BGH GRUR 1991, 616,
617 - Motorboot-Fachzeitschrift.
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b) Vorschlag einer gesetzlichen Regelung der verbundenen Angebote
Eine andere Frage ist es, ob nicht eine Regelung der verbundenen Angebote deshalb vorzuschlagen ist, um nach Aufhebung des RabattG und der ZugabeVO zu
verhindern, dass über eine Anwendung der Generalklausel des § 1 UWG dem alten
Rechtszustand vergleichbare Rechtssätze geschaffen werden. Zweck einer solchen
Regelung der Kopplungsangebote ist es, den Leistungswettbewerb mit verbundenen
Angeboten zu sichern und dessen wettbewerbsrechtliche Grenzen abzustecken. Gesetzestechnisch kann eine Regelung der verbundenen Angebote entsprechend der
Regelung der vergleichenden Werbung nach § 2 UWG normiert werden. In einem
ersten Absatz ist der Tatbestand der verbundenen Angebote und in einem zweiten
Absatz die Wettbewerbswidrigkeit preisintransparenter, wettbewerbsbehindernder
und marktstörender Kopplungsgeschäfte zu normieren.
c) Zugabeorientierte Gesetzesvorschläge
Vorschläge einer zugaberechtlichen Regelung im UWG orientieren sich an den
geltenden Regelungen des Zugabewesens in den nationalen Lauterkeitsrechten der
Mitgliedstaaten. Regelungsgegenstände sind zumeist die herkömmlichen Zugabesachverhalte, die sich an den Wertungskriterien der Geringwertigkeit, Stoffgleichheit
und Handelsüblichkeit der Zugabe sowie der Scheinentgeltlichkeit und Preisverschleierung des Gesamtpreises ausrichten.123 Solche Vorschläge stellen ge-
123 Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE), der Zentralverband des
Deutschen Handwerks (ZDH) und der Zentralverband Gewerblicher Verbundgruppen (ZGV) schlagen in ihrer Stellungnahme „Keine ersatzlose Streichung von
Rabattgesetz und Zugabeverordnung – Vorschläge zur begleitenden Änderung
des UWG und des GWB“ die folgende Neuregelung vor: „Wer im geschäftlichen
Verkehr mit dem Verbraucher neben einer Ware oder Dienstleistung
(Hauptleistung) mit einer Zugabe wirbt, kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, es sei denn, 1. sie ist von geringem Wert und dies ist deutlich
erkennbar oder 2. sie besteht aus einer Ware oder Dienstleistung, die mit der
Hauptleistung identisch ist oder mit ihr sachlich oder handelsüblich in Beziehung
steht. Eine Zugabe liegt auch dann vor, wenn die Unentgeltlichkeit durch die Forderung eines Scheinentgelts oder die Bildung eines Gesamtpreises verschleiert
wird.“
BMJ – Gutachten UWG
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genüber dem gegenwärtigen Stand der höchstrichterlichern Rechtsprechung des
BGH zum Recht der Kopplungsangebote und Vorspannangebote aus Sicht eines
wirksamen Leistungswettbewerbs mit innovativen Produktverbindungen einen Rückschritt dar.
III. Kundenbindungssysteme
1. Kundenbindungsprogramme als systematische Preiswerbung und Wertwerbung
Zweck eines Kundenbindungsprogramms eines Anbieters ist es, den Verbraucher
als Kunden umsatzbezogen und zeitbezogen an den entgeltlichen Erwerb der angebotenen Ware oder Dienstleistung zu binden. Gegenstand eines Kundenbindungsprogramms ist die Gewährung von Vorteilen an den Kunden, die sich nach Anzahl
und Umsatz des Erwerbs der Waren oder Dienstleistungen bestimmen. Die Art der
Vorteilsgewähr an den Kunden kann eher preisbezogen oder eher produktbezogen
sein und damit sowohl rabattrechtliche als auch zugaberechtliche Elemente aufweisen. Preisvorteile können sich sowohl auf das eigene Produktangebot
(Rabattsysteme) oder auch auf den preisgünstigen Erwerb von Produkten anderer
Anbieter (Rabattkooperationen, Payback-Systeme) beziehen. Produktvorteile können sich auf das eigene Angebot an Waren und Dienstleistungen beziehen,
branchenidentische, branchennahe und branchenfremde Waren oder Dienstleistungen betreffen und Waren oder Dienstleistungen anderer Anbieter einbeziehen
(Prämien- und Bonussysteme).
Siehe dazu den von Köhler, BB 2001, 265, 271 gemachten Vorschlag einer Zugaberegelung im UWG, der sich an einer Übersetzung des innerhalb der Expert
Group On Commercial Communication gemachten Vorschlags orientiert und weithin dem Vorschlag des HDE, ZDH und ZGV entspricht. Die vorgeschlagene Regelung lautet: „Wer im geschäftlichen Verkehr mit dem Verbraucher mit einer Zugabe wirbt, kann auf Unterlassung dieser Werbung in Anspruch genommen werden,
es sei denn, 1. sie ist im Vergleich zum Wert der Hautpleistung erkennbar von
geringem Wert, oder 2. sie ist mit der Hauptleistung stoffgleich oder 3. sie steht mit
der Hauptleistung sachlich oder handelsüblich in Beziehung. Eine Zugabe liegt
auch dann vor, wenn die Untgeltlichkeit durch die Forderung eines Scheinentgelts
oder die Bildung eines Gesamtpreises verschleiert wird.“
BMJ – Gutachten UWG
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Kundenbindungssysteme, die preisbezogene Vorteile gewähren, sind dem Preiswettbewerb zuzurechnen. Kundenbindungssysteme, die produktbezogen Vorteile
gewähren, sind der Wertwerbung zuzurechnen. Kundenbindungssysteme kanalisieren Kundenströme mit dem Instrument preisbezogener und produktbezogener
Vorteilsgewähr (Sogwirkung von Kundenbindungsprogrammen).
Kundenbindungsprogramme können aus einer Kombination „rabattrechtlicher“ und
„zugaberechtlicher“ Bestandteile bestehen. Ein Kundenbindungssystem kann mit
einem Kopplungsangebot verbunden werden. Kundenbindungsprogramme werden
regelmäßig mit der Ausgabe von Kundenkarten organisiert.
Kundenbindungsprogramme stellen Formen einer systematischen Preiswerbung und
Wertwerbung dar.
2. Grundsatz der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit von preisbezogenen und
produktbezogenen
Kundenbindungsprogrammen
nach
Aufhebung
des
RabattG und der ZugabeVO
Das Rabattverbot und das Zugabeverbot setzen der Organisation von Kundenbindungsprogrammen sowohl preisbezogen (Rabattmarkensysteme) als auch produktbezogen (Prämiensysteme) enge Grenzen. Das gilt namentlich für die zugaberechtliche Beurteilung von Sammelgutscheinen,124 die im Schrifttum zum Zugabewesen nahezu einhellig gebilligt wurde.125 Der BGH hat ein Bonus-Meilen-System
eines Kreditkartenunternehmens als einen Zugabeverstoß beurteilt.126 Das Bonus-
124 Siehe dazu nur BGHZ 11, 274 - Orbis-Reisemarken; BGH GRUR 1957, 378 Bilderschecks; 1963, 322, 324 - Mal- und Zeichenschule; 1972, 428 - Bilderpunkte.
125 Droste, Sammelbildzugaben und Wettbewerbsrecht, MA 1952, 247; Krieger, Zur
Gutscheinwerbung und zum Verhältnis der Zugabeverordnung zu den §§ 1 und 3
UWG, 826 BGB, GRUR 1953, 109; Hefermehl, Sammelzugaben im Wettbewerb,
WuW 1953, 266; Heydt/Hefermehl, Gutachten zur Reisegutscheinwerbung, MA
1954, 15; anders nur Knöpfle, Zur Anwendung der Zugabeverordnung auf Sammelgutscheine und Sammelzugaben, NJW 1993, 246.
126 BGH WRP 1999, 424 - Bonus-Meilen; siehe zur Zulässigkeit eines Bonus-
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Meilen-System wurde als eine besondere Nebenleistung zum Kreditkartenvertrag
angesehen, da die zusätzliche Gewährung von Bonus-Meilen mit dem Geschäftsinhalt an sich nichts zu tun habe. Das Angebot an Bonus-Meilen sei nicht Bestandteil
der Hauptleistung des Kreditkartenleistungspakets.
Nach Aufhebung des Rabatt- und Zugabeverbots sind preisbezogene und produktbezogene Kundenbindungsprogramme127 wettbewerbsrechtlich grundsätzlich
zulässig. Da produktbezogene Prämiensysteme eine Form der Wertwerbung darstellen, unterliegen sie an sich der strengeren Beurteilung nach den nach bisheriger
Rechtsprechung zur Wertreklame geltenden Grundsätzen. Nach dieser wettbewerbsrechtlichen Beurteilung lag es nahe, das „Meilensammeln“ gleichsam als eine
besonders intensive Form der Wertreklame mit Sammelprämien zu verstehen. Die
Kombination aus rechtlicher Akzessorietät, übertriebenem Anlocken sowie der Kundenbindung auf Grund der mit dem Sammeleffekt verbundenen Sogwirkung konnte
als die Wettbewerbswidrigkeit begründende Umstände eines solchen Kundenbindungssystems verstanden werden.
In der Bonus-Meilen-Entscheidung hatte der BGH innerhalb der zugaberechtlichen
Beurteilung der Zulässigkeit des Bonus-Meilen-Systems eines Kreditkartenunternehmens die Handelsüblichkeit einer solchen Nebenleistung zu beurteilen. Nach
ständiger Rechtsprechung können auch neue Erscheinungsformen dann als handelsüblich angesehen werden, wenn sie sich nach den Anschauungen der beteiligten
Meilen-Systems wegen der Besonderheit, das der von der konkreten Ausgestaltung des Angebots angesprochene Verkehr, nämlich die Leser des Handelsblattes
und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wisse, dass die Jahresgebühr, die er für
die beworbene, als Lufthansa-Miles & More Card bezeichnete VISA-Karte zahlen
müsse, wie überlicherweise für eine VISA-Kreditkarte oder auch andere Kreditkarten zu zahlende Jahresgebühr um ein Mehrfaches übersteige, OLG Köln WRP
2001, 721 - Miles & More Card.
127 Siehe dazu auch Berlit, Auswirkungen der Aufhebung des Rabattgesetzes und
der Zugabeverordnung auf die Auslegung von § 1 UWG und § 3 UWG, WRP
2001, 349; Berneke, Zum Lauterkeitsrecht nach einer Aufhebung von Zugabeverordnung und Rabattgesetz, WRP 2001, 615; Köhler, Rabattgesetz und Zugabeverordnung: ersatzlose Streichung oder Gewährleistung eines Mindestschutzes für Verbraucher und Wettbewerber?, BB 2001, 265.
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Verkehrskreise im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Gepflogenheiten halten.128
Nach der zur ZugabeVO ergangenen Entscheidung findet die Zulässigkeit einer solchen Weiterentwicklung ihre rechtliche Grenze allerdings dort, wo sie im Widerspruch zu den Grundsätzen der Wettbewerbsordnung stehe. Da zu diesen Grundsätzen der Wettbewerbsordnung nach der Rechtsprechung des BGH insbesondere
die Erscheinungsformen der Wertreklame gehören, könnten werbliche Maßnahmen,
die nach Art, Umfang und Zweck einer unzulässigen Wertreklame zuzuordnen seien,
nicht mehr als handelsübliche Nebenleistung angesehen werden.129
Wenn nach der Aufhebung des RabattG und der ZugabeVO die wettbewerbsrechtlichen Grundsätze sowohl zur Wertreklame als auch zum übertriebenen
Anlocken in der höchstrichterlichen Rechtsprechung beibehalten werden, dann werden Kundenbindungsprogramme zwar nicht mehr den rabattrechtlichen und zugaberechtlichen Schranken unterworfen sein, gleichwohl aber nach wie vor den engen
wettbewerbsrechtlichen Grenzen der Wertreklame und des übertriebenen Anlockens
unterliegen. Es ist aber nach Aufhebung des RabattG und namentlich der ZugabeVO
allgemein ein Wandel der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung des übertriebenen
Anlockens und namentlich der Wertwerbung geboten. Wenn der Grundsatz der Freiheit von Rabatt und Zugabe gilt, dann ist die akzessorische Gewährung eines unentgeltlichen oder entgeltlichen Vorteils als grundsätzlich wettbewerbskonform zu verstehen. Ein solcher Beurteilungswandel harmoniert mit einem erweiterten Verständnis vom Begriff des Leistungswettbewerbs.
Nach Aufhebung des Rabatt- und Zugabeverbots von einem Grundsatz der
wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit von preisbezogenen und produktbezogenen
Kundenbindungsprogrammen auszugehen, verlangt auch, Angebot und Werbung im
herkömmlichen Handel nicht anders als im elektronischen Handel des Internets zu
behandeln. Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Wertreklame nach strengeren
Grundsätzen als die Wort- und Bildreklame zu behandeln, wird nach der Geltung des
128 Siehe zu dieser ständigen Rechtsprechung BGH GRUR 1991, 329 - FamilyKarte; 1994, 230 - Euroscheck-Differenzzahlung; 1998, 502 - Umtauschrecht I.
129 BGH WRP 1999, 424, 428 - Bonus-Meilen.
BMJ – Gutachten UWG
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Herkunftslandprinzips nach Umsetzung der e-commerce-Richtlinie bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Internetwerbung nicht mehr möglich sein. Kundenbindungsprogramme werden nach den allgemeinen Grundsätzen des Wettbewerbsrechts einheitlich online und offline zu beurteilen sein.
3. Systemtransparenz und Diskriminierungsfreiheit von Kundenbindungsprogrammen
Ausgehend von der grundsätzlichen Wettbewerbskonformität von preisbezogenen
und produktbezogenen Kundenbindungsprogrammen und einer Revision der strengen Beurteilungsgrundsätze der Wertreklame und des übertriebenen Anlockens,
sind Kundenbindungsprogramme nach den allgemeinen Regeln des Wettbewerbsrechts zu beurteilen. Das Verbot der irreführenden (§ 3 UWG) und täuschenden
(§ 1 UWG) Werbung setzt Kundenbindungsprogrammen wettbewerbsrechtliche
Grenzen. Die mit einem Kundenbindungsprogramm verbundene Bündelung der Verbrauchernachfrage (Sogwirkung) stellt eine wettbewerbseigene Folge eines Kundenbindungsprogramms dar und vermag die Wettbewerbswidrigkeit als solche nicht zu
begründen. Kundenbindungsprogramme sind Teil des Leistungsangebots eines Unternehmens im Sinne eines Verständnisses vom Leistungswettbewerb, das den
Wettbewerb nicht allein auf Preis und Qualität der Ware des primären Angebots
beschränkt. Der Wettbewerb um leistungsgerechte Kundenbindungsprogramme liegt
im Interesse der Verbraucher. Der Preis- und Qualitätswettbewerb wird nicht auf
einen Prämienwettbewerb verlagert, sondern der Leistungswettbewerb wird durch
einen Wettbewerb um sekundäre Vorteile des Kunden erweitert.
Die Wettbewerbskonformität eines Kundenbindungssystems setzt dessen Diskriminierungsfreiheit und Systemtransparenz voraus. Diskriminierungsfreiheit eines
Kundenbindungsprogramms verlangt, dass jeder Verbraucher als Kunde gleichen
Zugang zu dem Kundenbindungsprogramm hat. Die Diskriminierungsfreiheit der
Teilnahmebedingungen eines Kundenbindungsprogramms ist rechtliche Voraussetzung dessen Wettbewerbskonformität. Auch wenn im Wettbewerbsrecht (UWG
und GWB) ein allgemeines Diskriminierungsverbot nicht besteht, ist das Verbot der
Verbraucherdiskriminierung im Zusammenhang mit dem Produktmarketing eines
Kundenbindungssystems aus der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 1
BMJ – Gutachten UWG
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UWG abzuleiten. Ein solches Diskriminierungsverbot stellt gleichsam eine flankierende Konkretisierung des Leistungswettbewerbs im Sinne des § 1 UWG dar, das
eine Liberalisierung der strengen Grundsätze zur Wertreklame und zum übertriebenen Anlocken sachgerecht ausgleicht. Es wird zudem erst die Praktizierung verschiedener Kundenbindungssysteme im Wettbewerb erweisen, ob und inwieweit die
Gefahr einer Diskriminierung verschiedener Gruppen von Verbrauchern bei der Anlage und Handhabung von Kundenbindungsprogrammen sich als begründet erweist.
Die Systemtransparenz stellt eine wesentliche Voraussetzung der Wettbewerbskonformität eines Kundenbindungsprogramms dar. Das Transparenzgebot
besteht hinsichtlich des gesamten Inhalts des Kundenbindungsprogramms, der für
die Entscheidung des Verbrauchers erheblich ist. Das gilt nicht nur für das Preistransparenzgebot, an dessen Einhaltung aus Gründen der Preiswahrheit und
Preisklarheit ein strenger Maßstab anzulegen ist, sondern auch für die Transparenz
von Art und Umfang der Vorteilsgewährung sowie der Teilnahmebedingungen hinsichtlich der Berechtigung zum Vorteilserwerb. Die einzelnen Anforderungen, die an
ein systemtransparentes Kundenbindungsprogramm anzulegen sind, ergeben sich
aus einer Konkretisierung eines lauteren und unverfälschten Leistungswettbewerbs
nach § 1 UWG. Auf die reichhaltige Rechtsprechung zu den verschiedenen Formen
irreführender Praktiken, die als ein Verstoß gegen die Guten Sitten nach § 1 UWG
beurteilt werden, kann zurückgegriffen werden. Das gilt etwa für die Werbung mit
falschen Hinweisen, dem Hervorrufen von Missdeutungen, dem Vortäuschen von
Einkaufsvorteilen, der Verschleierung von Verkaufsmaßnahmen und einer unterlassenen Belehrung.130
4. Gesetzliche Regelung von Kundenbindungsprogrammen
a) Rabatt- und zugaberechtliche Ersatzregelung
Es ist nicht zu empfehlen, nach Aufhebung des RabattG und der ZugabeVO eine
rabattrechtliche und zugaberechtliche Ersatzregelung im UWG zu schaffen. Es liegt
130 Siehe zu den
verschiedenen
Formen
irreführender Praktiken
Baum-
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sowohl im Interesse eines wirksamen Leistungswettbewerbs als auch im Interesse
der Verbraucher, die Entwicklung von leistungsgerechten Kundenbindungsprogrammen im Sinne innovativer Marketingstrategien am Markt zuzulassen. Die Konkretisierung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel wird der Aufgabe gerecht,
diskriminierende und systemintransparente Kundenbindungsprogramme als unlauter
zu verbieten.
b) Vorschlag einer gesetzlichen Regelung von Kundenbindungsprogrammen
Eine andere Frage ist es, ob nicht eine Regelung der Kundenbindungsprogramme
deshalb vorzuschlagen ist, um nach Aufhebung des RabattG und der ZugabeVO zu
verhindern, dass über eine Anwendung der Generalklausel des § 1 UWG dem alten
Rechtszustand vergleichbare Rechtssätze geschaffen werden. Zweck einer solchen
Regelung der Kundenbindungsprogramme ist es, leistungsgerechte Kundenbindungsprogramme im Interesse der Verbraucher zu sichern und deren wettbewerbsrechtliche Grenzen abzustecken. Gesetzestechnisch kann eine Regelung der
Kundenbindungsprogramme entsprechend der Regelung der vergleichenden Werbung nach § 2 UWG normiert werden. In einem ersten Absatz ist der Tatbestand
eines Kundenbindungsprogramms und in einem zweiten Absatz die Wettbewerbswidrigkeit diskriminierender und systemintransparenter Kundenbindungsprogramme
zu normieren.
bach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., 2001, § 1 UWG, Rn 10 ff.
BMJ – Gutachten UWG
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c) Informationspflichten nach europäischem Richtlinienrecht
Teil der europäischen Verbraucherschutzpolitik ist es, Markttransparenz und Verbraucherinformation im europäischen Binnenmarkt zu verbessern. Ein Regelungsgegenstand sind die Informationspflichten der kommerziellen Kommunikationen im
elektronischen Geschäftsverkehr (Art. 6 e-commerce-Richtlinie). Nach Art. 6 lit. a ecommerce-Richtlinie besteht ein allgemeines Transparenzgebot, nach dem kommerzielle Kommunikationen klar als solche zu erkennen sein müssen. Art. 6 lit. c ecommerce-Richtlinie enthält eine Konkretisierung des allgemeinen Transparenzgebots für Maßnahmen der Verkaufsförderung im elektronischen Geschäftsverkehr.
Soweit Angebote zur Verkaufsförderung wie Preisnachlässe, Zugaben und
Geschenke im Mitgliedstaat der Niederlassung des Diensteanbieters zulässig sind,
müssen sie klar als solche erkennbar und die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme leicht zugänglich sein, sowie klar und unzweideutig angegeben werden. Art. 6
e-commerce-Richtlinie normiert einen Mindeststandard an Verbraucherinformation
im elektronischen Geschäftsverkehr.
Nach der Umsetzung der e-commerce-Richtlinie innerhalb der Wettbewerbsordnungen der Mitgliedstaaten wird im elektronischen Geschäftsverkehr für den gesamten Bereich der Verkaufsförderung ein Mindeststandard für Informationspflichten
der Anbieter gelten. Das gilt nicht nur für das Angebot von Rabatten, Zugaben und
Geschenken, die nur erläuternd als Beispiele von Angeboten zur Verkaufsförderung
in der e-commerce-Richtlinie genannt werden, sondern allgemein auch für Kundenbindungsprogramme. Eine am Normzweck des Verbraucherschutzes orientierte
Auslegung der e-commerce-Richtlinie verlangt zudem, die Informationspflichten der
kommerziellen Kommunikationen auf den Bereich der verbundenen Angebote anzuwenden. Ein solches Verständnis des Anwendungsbereichs der Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr nach der e-commerce-Richtlinie erscheint
schon deshalb geboten, um nicht die Abgrenzung zwischen Hauptleistung und Nebenleistung (primärem und sekundärem Angebot) in das Europäische Wettbewerbsrecht zu übertragen. Dem entspricht es, als Gegenstand des Leistungswettbewerbs das gesamte Angebot eines Unternehmens als Leistungseinheit zu verstehen.
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Wenn innerhalb einer UWG-Reform und einer europäischen Rechtsharmonisierung
im Wettbewerbsrecht Spezialtatbestände der verbundenen Angebote und der Kundenbindungsprogramme normiert werden,131 dann sollte eine Konkretisierung des
Transparenzgebots ein Regelungsgegenstand sein. Unabhängig von einer wettbewerbsrechtlichen Kodifizierung der verbundenen Angebote und namentlich der Kundenbindungsprogramme allgemein im Wettbewerbsrecht, erscheint eine allgemeine
Regelung der Informationspflichten bei Maßnahmen der Verkaufsförderung im UWG
nicht schon deshalb geboten, weil die Umsetzung der e-commerce-Richtlinie eine
entsprechende Regelung für den elektronischen Geschäftsverkehr verlangt.132 Ein
solcher Mindeststandard an Informationspflichten ergibt sich ohne weiteres aus einer
Konkretisierung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel schon unter Berücksichtigung der in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannten Grundsätze.133 Eine
Regelung der Informationspflichten ausschließlich für Maßnahmen der Verkaufsförderung erscheint auch nicht sachgerecht, da nur ein Ausschnitt der Fallkonstellationen betroffen ist, auf die sich das Transparenzgebot im Interesse der Verbraucherinformation bezieht. Eine in Umsetzung der e-commerce-Richtlinie erfol-
131 Siehe dazu oben E II 5 und E III 4.
132 Siehe dazu § 7 Entwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für
den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz –
EGG).
133 Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE), der Zentralverband des
Deutschen Handwerks (ZDH) und der Zentralverband Gewerblicher Verbundgruppen (ZGV) schlagen in ihrer Stellungnahme „Keine ersatzlose Streichung von
Rabattgesetz und Zugabeverordnung – Vorschläge zur begleitenden Änderung
des UWG und des GWB“ die folgende Neuregelung vor: „Wer im geschäftlichen
Verkehr mit dem Verbraucher mit einer Vergünstigung beim Erwerb von Waren
oder Dienstleistungen, insbesondere einem Preisnachlass oder einer Zugabe,
wirbt, kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, es sei denn, Art,
Ausmaß und Wert der Vergünstigung und die Voraussetzungen für ihre
Gewährung sind deutlich erkennbar.“
Eine inhaltlich vergleichbare und nur sprachlich sich unterscheidende Neuregelung
schlägt Köhler, BB 2001, 265, 270 vor; „Wer im geschäftlichen Verkehr mit dem
Verbraucher mit Angeboten zur Verkaufsförderung wie Preisnachlässen, Zugaben
und Geschenken wirbt, kann auf Unterlassung dieser Werbung in Anspruch genommen werden, es sei denn, die Angebote sind klar als solche erkennbar und die
Bedingungen für ihre Inanspruchnahme sind leicht zugänglich und klar und
unzweideutig angegeben.“
BMJ – Gutachten UWG
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gende Regelung der Verbraucherinformation bei Angeboten zur Verkaufsförderung
im Sinne des Art. 6 lit. c e-commerce-Richtlinie gefährdet nicht die Einheit des
Wettbewerbsrechts online und offline, da der normierte Mindeststandard an Verbraucherinformation im elektronischen Geschäftsverkehr bei der Auslegung der
wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 1 UWG zu Grunde zu legen ist und als
Mindeststandard auch außerhalb des elektronischen Geschäftsverkehrs gelten wird.
d) Kartellrechtliche Regelung
Es ist vorgeschlagen worden, zum Schutz kleiner und mittlerer Wettbewerber vor
einer unbilligen Behinderung Kundenbindungsprogramme kartellrechtlich zu sanktionieren. Vorgeschlagen wird eine Ergänzung des § 20 Abs. 4 GWB. Nach S. 1 der
Vorschrift dürfen Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern
überlegener Marktmacht ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Nach S. 2 der Vorschrift liegt
eine unbillige Behinderung im Sinne des S. 1 insbesondere vor, wenn ein Unternehmen Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis anbietet, es sei denn dies ist sachlich gerechtfertigt. Der Regelung der
Untereinstandspreisangebote134 vergleichbar sollen Kundenbindungssysteme als
eine weitere Fallkonstellation der unbilligen Behinderung normiert werden. Eine unbillige Behinderung im Sinne des S. 1 soll auch dann vorliegen, wenn ein Unternehmen für die Erreichung bestimmter Umsätze oder einer bestimmten Zahl von
Geschäftsabschlüssen eine Vergünstigung von erheblichem Wert anbietet, es sei
denn dies ist sachlich gerechtfertigt.135
134 Siehe dazu Markert, in: Immenga/Mestmäcker, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 3. Aufl., 2001, § 20 GWB, Rn 295 ff.
135 Eine solche kartellrechtliche Regelung wird vorgeschlagen in der Stellungnahme
des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels (HDE), des Zentralverbands des
Deutschen Handwerks (ZDH) und des Zentralverbands Gewerblicher Verbundgruppen (ZGV) „Keine ersatzlose Streichung von Rabattgesetz und Zugabeverordnung – Vorschläge zur begleitenden Änderung des UWG und des GWB“
vom Dezember 2000. Eine identische Regelung schlägt Köhler, Rabattgesetz und
Zugabeverordnung: Ersatzlose Streichung oder Gewährleistung eines Mindestschutzes für Verbraucher und Wettbewerber?, BB 2001, 265, 272 vor.
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Ohne die kartellrechtliche Problematik einer unbilligen Behinderung kleiner und mittlerer Wettbewerber durch den Einsatz von Rabatt-, Kopplungs- und Kundenbindungssystemen allgemein zum Gegenstand der vorliegenden Arbeitsunterlage zu
machen, halte ich den Vorschlag einer kartellrechtlichen Regelung der Kundenbinungsprogramme der konkreten Art und Form nach nicht für sachgerecht. Die Fallkonstellationen eines Untereinstandspreisangebots und eines Kundenbindungssystems sind hinsichtlich der wettbewerbsrechtlichen Problematik nicht ohne weiteres
vergleichbar. Der Umstand, dass der Einsatz eines jeden Wettbewerbsparameters
die Problematik der Marktmacht sowie der unbilligen Behinderung aufwirft, rechtfertigt es nicht, den Kartellrechtstatbestand des § 20 Abs. 4 GWB zum Sammelbecken
einer Wettbewerbsregulierung zu machen. Es gibt kaum eine wettbewerbsrechtliche
Diskussion innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union – und das gilt namentlich für Deutschland -, die eine heftigere Kontroverse auslöste, als die Suche
nach den wettbewerbsrechtlichen Grenzen der Preisunterbietung im Handel. Untereinstandspreisangebote liegen per se an der Grenze der Wettbewerbskonformität,
und zwar je nach dem Vorverständnis auf der einen oder der anderen Seite der
Grenze. Eine Variationsbreite von Kundenbindungsprogrammen sind als solche
wettbewerbskonform und sollten nicht als Regelbeispiel einer unbilligen Behinderung, die der sachlichen Rechtfertigung bedürfen, normiert werden.
Es kommt hinzu, dass innerhalb einer europäischen Rechtsharmonisierung des
Lauterkeitsrechts eine Regelung der Preisunterbietung unausweichlich sein wird.
Der kartellrechtliche Ansatz des § 20 Abs. 4 S. 2 GWB hat im übrigen seine
Bewährungsprobe als einer effektiven Eingreifnorm noch nicht bestanden, zumal es
sich um eine das Verbot der unbilligen Behinderung nur konkretisierende und damit
gleichsam deklaratorische Regelung handelt.
Kundenbindungssysteme, die eine individuelle Wettbewerberbehinderung oder eine
institutionelle Marktstörung darstellen,136 sind zudem nach § 1 UWG wettbewerb-
136 Siehe vergleichbar zu systemintransparenten, wettbewerbsbehindernden und
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swidrig.137 Der richtige Weg scheint mir die Anerkennung des Lauterkeitsrechts als
ein originäres Verbraucherschutzrecht zu sein.
IV. Diskriminierende Werbung
1. Diskriminierende Werbung als eigenständige Fallgruppe
Im deutschen Lauterkeitsrecht stellt die diskriminierende Werbung keine eigene Fallgruppe sittenwidrigen Wettbewerbs innerhalb der Generalklausel des § 1 UWG dar.
Fallkonstellationen diskriminierender Werbung werden teilweise unter dem Titel der
anstößigen oder geschmacklosen Werbung behandelt.138 Die Realität der Werbung, wie sie namentlich in den Jahresberichten des Deutschen Werberates als dem
selbstdisziplinären Organ des Zentralverbands der Deutschen Werbewirtschaft
(ZAW) veranschaulicht wird, belegt ein vielfältiges Bild diskriminierender Werbeinhalte, die zu einem erheblichen Teil frauendiskriminierende Werbemaßnahmen betreffen. Diskriminierende Werbung stellt einen Kernbereich wettbewerblichen Unrechts dar. Die wettbewerbsrechtliche Problemstellung geht dahin, unter welchen
Voraussetzungen der Kommunikationsprozess Werbung als diskriminierend zu
beurteilen ist.
marktstörenden Kopplungsangeboten oben E II 4.
137 Das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot nach § 20 Abs. 1 und 2 GWB allgemein von Unternehmen auf Verbraucher auszudehnen, erscheint allein aus
Gründen einer Aufhebung des RabattG und der ZugabeVO mehr als bedenklich;
so schlägt Köhler, WRP BB 2001, 265, 271 einen kartellrechtlichen Schutz des
Verbrauchers durch die folgende Vorschrift vor: „Unternehmen, von denen Verbraucher als Nachfrager bei einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen
Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare
Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen, dürfen
diese nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandeln.“
138 Siehe dazu Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., 2001, § 1 UWG,
Rn 84.
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In den nordischen Ländern bestehen teilweise gesetzliche Regelungen eines Verbots der geschlechterdiskriminierenden Werbung.139 In der dortigen Praxis haben
sich als Beurteilungskriterien die kränkende Darstellung, die herabsetzende Beurteilung und der Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung herausgebildet.
Als gesetzwidrig gilt etwa weiter die Reduktion einer Person zum Sexualobjekt; die
Darstellung, die Position eines Geschlechts sei derjenigen des anderen Geschlechts
in sozialer, kultureller oder wirtschaftlicher Hinsicht unterlegen; oder die Darstellung,
eines der Geschlechter besitze besondere Persönlichkeitsmerkmale oder Eigenschaften. In Deutschland ist im Zusammenhang mit Überlegungen zu einem Antidiskriminierungsgesetz auch ein Werbeverbot der Darstellung von Frauen und Männern in entwürdigender Form diskutiert worden.140 Im polnischen Gesetz über die
Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 16. April 1993 gilt nach Art. 16 Abs. 1
Nr. 1 als eine unlautere Wettbewerbshandlung im Bereich der Werbung nicht nur
eine dem Gesetz oder den guten Sitten widersprechende, sondern auch eine die
Würde des Menschen verletzende Werbung.141
Mein Vorschlag geht dahin, die diskriminierende Werbung als einen Spezialtatbestand im UWG zu regeln oder zumindest als eine eigenständige wettbewerbsrechtliche Fallgruppe innerhalb der Generalklausel des § 1 UWG anzuerkennen.142 Das
139 Siehe dazu die Übersichten bei Kur, Die „geschlechtsdiskriminierende Werbung“
im Recht der nordischen Länder, WRP 1995, 790; Kur, Das Recht des unlauteren
Wettbewerbs in Finnland, Norwegen und Schweden, GRUR Int.1996, 38, 44 f.
140 Siehe dazu Pfarr/Bertelsmann, Gleichbehandlungsgesetz – Zum Verbot der unmittelbaren und der mittelbaren Diskriminierung von Frauen im Erwerbsleben,
1985; Gitter, Gleichberechtigung der Frau: Aufgaben und Schwierigkeiten - Eine
Erörterung von Überlegungen über ein „Antidiskriminierungsgesetz“, NJW 1982,
1567.
141 Siehe dazu Wiszniewska, Novellierung des polnischen Gesetzes über die
Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, GRUR Int. 2001, 213, 218.
142 Siehe zu den Fallkonstellationen der diskriminierenden Werbung als einer eigenständigen wettbewerbsrechtlichen Fallgruppe erstmals Fezer, Diskriminierende
Werbung - Das Menschenbild der Verfassung im Wettbewerbsrecht, JZ 1998, 265;
siehe ferner Wassermeyer, Diskriminierende Werbung - Die konträre Behandlung
personenspezifischer Gruppen im Wettbewerbsrecht, Dissertation Konstanz, 2000.
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Gewicht des wettbewerblichen Unrechts einer diskriminierenden Werbung rechtfertigt es, die diskriminierende Werbung in einem Spezialtatbestand gleichwertig neben
der vergleichenden und der irreführenden Werbung zu normieren.
2. Die Revision der Fallgruppe der gefühlsbetonten Werbung in der BenettonEntscheidung des BVerfG
Bei der Konkretisierung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel im Wege der
Fallgruppenbildung hat sich in einer jahrzehntelangen Rechtsentwicklung die Fallgruppe
der
gefühlsbetonten
Werbung
herausgebildet.143
Mitleid
und
Hilfsbereitschaft, soziale Verantwortung und Umweltbewusstsein, Frömmigkeit,
Trauer und Angst sind nur einige der Gefühlslagen, die namentlich in den Bereichen
der Karitas und des Umweltschutzes werblich instrumentalisiert werden. Gefühlsbetonte Werbung ist aber nicht an sich wettbewerbswidrig. Auch sensitive Werbung
steht unter dem Schutz der Kommunikationsfreiheit. Die Zuordnung einer Werbemaßnahme zur Fallgruppe der gefühlsbetonten Werbung hilft wenig weiter. Wenn
eine Werbung suggeriert, der Erwerb des beworbenen Produkts diene karikativen
Zwecken und leiste eine Beitrag zum Umweltschutz, so reicht allein dieser Kausalzusammenhang zwischen der werblichen Ansprache des Gefühls und der positiven
Verbraucherentscheidung nicht aus, um die Wettbewerbswidrigkeit einer sensitiven
Marketingstrategie zu begründen. Zur Begründung der Wettbewerbswidrigkeit ist das
Vorliegen weiterer Umstände erforderlich, etwa eine Irreführung des Verbrauchers
über die karikative Stellung des Werbenden oder über die von dem werbenden Unternehmen vorgenommenen Umweltleistungen.
143 Siehe dazu im einzelnen Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl.,
2001, § 1 UWG, Rn 185 ff.
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In den Benetton-Entscheidungen nahm der BGH eine bedenkliche Zuordnung der
Werbebilder zu der Fallgruppe der gefühlsbetonten Werbung vor.144 Nach der
Entscheidung „Ölverschmutzte Ente“ liegt der Kern des sittenwidrigen Wettbewerbsverhaltens darin begründet, dass der Werbende mit der lediglich auf ihn als publizierendes Unternehmen hinweisenden Darstellung des Elends geschundener
Kreatur bei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher starke Gefühle des
Mitleids und der Ohnmacht über die Umweltzerstörung wecke, sich dabei als
gleichermaßen betroffen darstelle und damit eine Solidarisierung der Einstellung solchermaßen berührter Verbraucher mit dem Namen und zugleich mit der Geschäftstätigkeit seines Unternehmens herbeiführe. Wer im geschäftlichen Verkehr Gefühle
des Mitleids oder der Solidarität mit sozialem Engagement ohne sachliche Veranlassung145 zu Wettbewerbszwecken ausnutze, setze sich dem Vorwurf sittenwidrigen
Handelns im Wettbewerb aus.
In der Benetton-Entscheidung wendet sich das BVerfG nachdrücklich gegen die
Rechtserheblichkeit dieser Unlauterkeitskriterien im Wettbewerbsrecht.146 Zwar
räumt das BVerfG ein, ein solches Sittenwidrigkeitsurteil sei als Anstandsregel durchaus billigenswert und dürfte als solches von weiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert werden. Dahinter stecke der Wunsch, in einer Gesellschaft zu leben, in der auf
Leid nicht mit gefühllosem Gewinnstreben, sondern mit Empathie und Abhilfe-
144 BGHZ 130, 196 - Ölverschmutzte Ente; 1995, 595 - Kinderarbeit; siehe weiter
BGH GRUR 1995, 600 - H.I.V. POSITIVE.
145 Siehe zum wettbewerbsrechtlichen Sachlichkeitsgrundsatz (Sachzusammenhang) allgemein Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., 2001, § 1
UWG, Rn 175 ff.; Jacobs, in: Gloy, (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2.
Aufl., 1997, § 50, Rn 22; zur Kritik am Produktbezug des Sachlichkeitsgrundsatzes
im Weltwerberecht siehe Fezer, Umweltwerbung mit unternehmerischen Investitionen in den Nahverkehr, JZ 1992, 443, 448; Federhoff-Rink, Umweltschutz und
Wettbewerbsrecht - Wettbewerbsrechtliche Prinzipien umweltbezogener Unternehmenskommunikation im europäischen Binnenmarkt, 1994, S. 169 f.; siehe
dazu Ullmann, - Spenden - Sponsern - Werben, in: Festschrift für Traub, 1994,
411, 419 f.; Teichmann/Krüchten, Kriterien gefühlsbetonter Werbung, WRP 1994,
704.
146 BVerfG GRUR 2001, 170 - Schockwerbung; siehe dazu Fezer, Imagewerbung
mit gesellschaftskritischen Themen im Schutzbereich der Meinungs- und Pressefreiheit, NJW 2001, 85.
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maßnahmen, also in einer primär auf das Leid bezogenen Weise reagiert werde. Es
sei aber nicht ohne weiteres erkennbar, ob damit zugleich hinreichend gewichtige
öffentliche oder private Belange geschützt würden. In aller Deutlichkeit wird festgestellt: Ein vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt des Bürgers sei kein Belang,
zu dessen Schutz der Staat Grundrechtspositionen einschränken dürfe. Anders
könne es zu beurteilen sein, wenn ekelerregende, furchteinflößende oder jugendgefährdende Bilder gezeigt würden. Angemessen wird die Werbelandschaft dahin umschrieben, ein Großteil der heutigen Werbung sei durch das Bestreben gekennzeichnet, durch gefühlsbetonte Motive Aufmerksamkeit zu erregen und Sympathie zu
gewinnen. Kommerzielle Werbung mit Bildern, die mit suggestiver Kraft libidinöse
Wünsche weckten, den Drang nach Freiheit und Ungebundenheit beschwörten oder
den Glanz gesellschaftlicher Prominenz verhießen, sei gegenwärtig.
Der Fallgruppe der gefühlsbetonten Werbung wird künftig keine - oder zumindest
kaum mehr eine147 - wettbewerbsrechtliche Relevanz zukommen. Die wettbewerbsrechtlichen Schranken der sensitiven Werbung sind an Hand verfassungsrechtlich erheblicher Schutzpositionen in Bezug auf die Rechtsbetroffenheit des einzelnen
Bürgers oder der Allgemeinheit zu bestimmen.
3. Arten der diskriminierenden Werbung
Bei dem gegenwärtigen Stand der Diskussion in der Arbeitsgruppe UWG-Reform
scheint es mir noch nicht geboten, die Arten der diskriminierenden Werbung im einzelnen zu begutachten. Auf fünf Fallgruppen der diskriminierenden Werbung möchte
ich verweisen: rassendiskriminierende, ausländerdiskriminierende, religionendiskriminierende, behindertendiskriminierende und geschlechterdiskriminierende Werbung.148
147 So sind Fallkonstellationen wettbewerbswidriger Werbung mit der Angst
möglich; siehe dazu Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., 2001, § 1
UWG, Rn 176a f.
148 Siehe zu den Fallgruppen der diskriminierenden Werbung erstmals Fezer,
Diskriminierende Werbung - Das Menschenbild der Verfassung im Wettbewerbsrecht, JZ 1998, 265, 272 ff.; siehe dazu weiter Wassermeyer, Diskriminierende
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Werbung, die die Problematik der Rassendiskriminierung thematisiert und auch polarisierend diskutiert, ist als solche nicht wettbewerbswidrig. Wettbewerbswidrig ist
eine Werbung erst dann, wenn sie einen Beitrag zur Diskriminierung der Rassen
leistet und damit Rassendiskriminierung gesellschaftlich fördert oder positiv beurteilt.
Werbung ist ausländerdiskriminierend, wenn sie die Gleichheit und Gleichwertigkeit
eines Menschen auf Grund seiner Nationalität bezweifelt oder leugnet. Dies kann in
subtiler Form geschehen, ohne dass dies der Werbung ihren diskriminierenden Unrechtsgehalt nimmt.
Bei der Werbung mit religiösen Begriffen, Bildern und Symbolen kommt gegenüber
dem allgemeinen Verbot einer Diskriminierung der Menschen aus Gründen der Religiosität hinzu, dass die öffentliche Diskussion im Kontext kommerzieller Interessen
die Religiosität der einzelnen Mitglieder einer Glaubensgemeinschaft zu verletzen in
der Lage ist. So verlangt die verfassungsrechtlich gebotene Achtung der Religiosität
Andersgläubiger, diese nicht in der Werbung verächtlich zu machen, auch wenn
zugleich die religiöse Vorstellungswelt nicht der Maßstab für die Welt der Konsumgütergesellschaft sein kann. Auch religiöse Themen müssen in der Werbung als ein
politisches und soziales Anliegen kommunikativ transportiert werden können.
Die Werbung, die einzelne Behinderungen von Menschen sowie Behinderte als
Gruppen diskriminiert, zeugt von einem besonderen Mangel an Sensibilität und Verantwortung gegenüber den Behinderungen von Menschen und ist als solche als
wettbewerbswidrig zu beurteilen.
Die geschlechterdiskriminierende Werbung stellt sich ganz überwiegend als
frauendiskriminierende Werbung149 dar. Ein Verbot geschlechterdiskriminierender
Werbung - Die konträre Behandlung personenspezifischer Gruppen im Wettbewerbsrecht, Dissertation Konstanz, 2000.
149 Siehe zum Rollenbild der Frau in der Werbung nur Goffman, Geschlecht und
Werbung, 1981; Gregory, Sex, Race and the law, 1987, Hering, Weibs-Bilder,
Zeugnisse zum öffentlichen Ansehen der Frau, Ein hässliches Bilderbuch, 1979;
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Werbung redet nicht der Prüderie in der Werbung das Wort. Die Darstellung von
Nacktheit und Sexualität ist in der Werbung zulässig. Das gilt auch dann, wenn kein
Sachzusammenhang zu dem beworbenen Produkt besteht. Diskriminierungskriterien
sind etwa die Degradierung eines Menschen zum Sexualobjekt, die Leugnung der
sozialen, wirtschaftlichen oder kulturellen Gleichwertigkeit eines Menschen auf
Grund seiner geschlechtsspezifischen Eigenschaften, wie auch erniedrigende oder
verächtlichmachende Darstellungen geschlechtsspezifischen Inhalts.
Als diskriminierende Werbung beurteile ich zusammenfassend eine die Gleichheit
und Gleichwertigkeit der Menschen leugnende Werbung, eine die Integrität des
Menschen verletzende Werbung, eine die soziale Stigmatisierung von Menschen
intendierende Werbung, eine die Verächtlichmachung des Menschen in seinen
angeborenen oder sozial erworbenen Eigenschaften fördernde Werbung, eine die
geschlechtsspezifische oder geschlechtsbezogene Verobjektivierung des Menschen
instrumentalisierende Werbung.
Bei der Formulierung eines Spezialtatbestandes der diskriminierenden Werbung
kann auf die Kriterien zurückgegriffen werden, die das BVerfG in seiner BenettonEntscheidung formuliert hat.150 Das BVerfG betont zu Recht, die sich aus dem
Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG ergebende Verpflichtung des
Staates, alle Menschen gegen Angriffe auf die Menschenwürde wie Erniedrigung,
Brandmarkung, Verfolgung und Ächtung zu schützen. Werbeanzeigen, die einzelne
Personen oder Personengruppen in einer die Menschwürde verletzenden Weise
ausgrenzten, verächtlich machten, verspotteten oder sonst wie herabwürdigten, können daher grundsätzlich auch dann wettbewerbsrechtlich untersagt werden, wenn
sie den Schutz der Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 GG oder anderweitigen
Grundrechtsschutz genießen.
Kisseler, Das Bild der Frau in der Werbung, in: Festschrift für Gaedertz, 1992, S.
283 ff.; Lautmann, Die Gleichheit der Geschlechter und die Wirklichkeit des
Rechts, 1990; Pross, Harry, Moral der Massenmedien, Prolegomena zu einer
Theorie der Publizistik, 1967; Pross, Helge, Gleichberechtigung im Beruf? - Eine
Untersuchung mit 7000 Arbeitnehmerinnen in der EWG, 1973; Schmerl, (Hrsg.),
Frauenzoo der Werbung - Aufklärung über Fabeltiere, 1992.
150 BVerfG GRUR 2001, 170, 174 - Schockwerbung.
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V. Projektion lauterkeitsrechtlicher Fallkonstellationen
Innerhalb einer europäischen Rechtsharmonisierung des Lauterkeitsrechts wird es
erforderlich sein, solche wettbewerbsrechtlichen Fallkonstellationen zu diskutieren
und gegebenenfalls gesetzliche Regelungen zu verabschieden, die zwar nicht von
der Tagesaktualität bestimmt werden, deren wettbewerbspolitischer Regelungsbedarf aber nicht minder von Bedeutung erscheint. Dazu gehören namentlich eine Regelung der wettbewerbsrechtlichen Schranken der Umweltwerbung, der Kinderwerbung und des wettbewerbserheblichen Rechtsbruchs.
F. Einheitliches Wettbewerbsrecht online und offline
Die Gefahr einer Zweispurigkeit im Wettbewerbsrecht des elektronischen Handels
zum einen und des herkömmlichen Handels zum anderen besteht nicht allein aus
Gründen einer Umsetzung des Herkunftslandsprinzips im elektronischen Geschäftsverkehr der kommerziellen Kommunikationen, sondern auch aus Gründen innovativer Angebots- und Verkaufsmethoden, die sich als Folge des Einsatzes der Internettechniken im elektronischen Geschäftsverkehr ergeben. Es besteht die Notwendigkeit einer einheitlichen Geltung der wettbewerbsrechtlichen Regeln online und
offline. Die berechtigten Interessen der Verbraucher und Unternehmen sind online
und offline gleichwertig. Der institutionelle Schutz des Wettbewerbs in seinem Bestand besteht unabhängig von der elektronischen oder herkömmlichen Marktbeziehung.
Virtuelle Verkaufsmethoden des Internets sind gegenwärtig Gegenstand zahlreicher
instanzgerichtlicher Entscheidungen,151 die deren wettbewerbsrechtliche Zulässig-
151 Siehe zum Co-Shopping OLG Hamburg GRUR 2000, 549; LG Hamburg CR
2000, 774; LG Köln CR 2000, 318; LG Köln CR 2001, 44; LG Nürnberg-Fürth
MMR 2000, 640; siehe zur Internet-Auktion OLG Frankfurt WRP 2001, 557; OLG
MÜnchen CR 2001, 338; OLG Hamm MMR 2001, 105; LG Münster MMR 2000,
280; LG Wiesbaden CR 2000, 317; AG Wiesbaden CR 2001, 52.
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keit zu beurteilen haben und Anlaß für eine breite Diskussion im Schrifttum152 sind.
Eine solche Verkaufsmethode im Internet stellt das Community-Shopping (Coshopping, Powershopping, Powerbuying) dar; das Coshopping kann die Form von Auktionen im Internet annehmen. Unter Coshopping ist das Geschäftsmodell des Angebots von Waren oder Dienstleistungen im Internet zu verstehen, bei dem die Interessenten eines solchen Produkts eine virtuelle und informelle Gruppe bilden, deren
Summe der Angebote innerhalb einer bestimmten Zeit den Preis der Ware oder Dienstleistung bestimmt. In Rechtsprechung und Schrifttum wird die Zulässigkeit von
Coshopping und Internetauktionen unterschiedlich beurteilt. Insoweit die Unzulässigkeit mit einem Rabattverstoß begründet wird, entfällt die rabattrechtliche Problematik
nach Aufhebung des RabattG. Die Beurteilung des Coshoppings als eine unzulässige Sonderveranstaltung nach § 7 Abs. 1 UWG verlagert die wettbewerbsrechtliche
Problematik auf einen nicht eurokompatiblen Normbereich.
Die wettbewerbsrechtlichen Grenzen des Coshopping sind nach den allgemeinen
Regeln des Wettbewerbsrechts zu bestimmen. Das Verbot irreführender Werbung
nach § 3 UWG setzt dem Coshopping wettbewerbsrechtliche Schranken. Der
Grundsatz der Preisklarheit und Preiswahrheit (Preistransparenz) verlangt gerade im
Internet eine sorgfältige Prüfung der Angaben über die Preisbildung. Die Fallgruppe
des übertriebenen Anlockens nach § 1 UWG, deren Fortgeltung ohnehin zweifelhaft
ist, wird nur in eklatanten Fallkonstellationen eingreifen. Das gilt vor allem dann,
wenn man von einem Modell des verständigen Verbrauchers als informiertem Internetnutzer ausgeht. Das gilt insbesondere für die Begründung der Wettbewerbs-
152 Siehe zum Co-Shopping Menke, Community Shopping und Wettbewerbsrecht,
WRP 2000, 337; Leible/Sosnitza, Virtuelle Einkaufsgemeinschaften - Zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von „Powershopping“ im Internet, ZIP 2000, 17; Huppertz, Wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Verbraucher-Einkaufsgemeinschaften im Web, MMR 2000, 329; Ernst, Rechtliche Zulässigkeit von Preisnachlässen an virtuelle Kaufgemeinschaften im Internet, CR 2000, 239; siehe zu
Internet-Auktionen, Ernst, Die Online-Versteigerung, CR 2000, 304; Huppertz,
Rechtliche Probleme von Online-Auktionen, MMR 2000, 65; Bullinger, InternetAuktionen - Die Versteigerung von Neuwaren im Internet aus wettbewerbsrechtlicher Sicht, WRP 2000, 253; Wiebe, Vertragsschluß bei Online-Auktionen, MMR
2000, 323; Spindler, Vertragsschluß und Inhaltskontrolle bei Internet-Auktionen,
ZIP 2001, 809; siehe umfassend zu den rechtlichen Rahmenbedingungen von
Internet-Auktionen Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, 2001.
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widrigkeit im Hinblick auf die Fallkonstellation der Ausnutzung der Spiellust.153 Die
Grundsätze der aleatorischen Werbung werden den internetspezifischen Marketingstrategien nicht gerecht. Ein spielerisches Element ist dem Internet als Kommunikationsmedium eigen und wird von den Internetnutzern angenommen. Die Fallkonstellation der Laienwerbung154 stellt keine angemessene Würdigung des Coshoppings
dar und wird nur in seltenen Fallkonstellationen eingreifen. Das Coshopping, das die
Anforderungen der PAngVO erfüllt, unterliegt gleichwohl dem wettbewerbsrechtlichen Grundsatz der Preiswahrheit und Preisklarheit. Die Bezeichnung eines
Verkaufs gegen Höchstgebot im Internet unter der Bezeichnung Auktion oder Versteigerung stellt keine Versteigerung im Sinne des § 34b GewO dar und ist nur bei
Hinzutreten weiterer Umstände irreführend.155
Zusammenfassung
1. Die Modernisierung des Lauterkeitsrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist eine Aufgabe der Europäisierung kompatibler Schutzstandards. Die
europäische Rechtsharmonisierung im Lauterkeitsrecht bietet die Chance einer Integration der originären Verbraucherinteressen in das Wettbewerbsrecht zur Stärkung
des Verbraucherschutzes. Der normative Modelladressat eines europäischen Lauterkeitsrechts ist der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige
Durchschnittsverbraucher. Eurokompatible Schutzstandards im Lauterkeitsrecht sind
an den berechtigten Erwartungen eines verständigen Verbrauchers zu orientieren.
153 Siehe dazu Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., 2001, § 1 UWG,
Rn 142 ff.
154 Siehe dazu Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., 2001, § 1 UWG,
Rn 200 ff.
155 OLG Frankfurt WRP 2001, 557 - Internetauktion; siehe auch OLG Hamm
MMR 2001, 105 - ricardo.de.
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Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ist ein europäischer Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Maßnahmen zum Schutz des Wettbewerbs und der Verbraucher
werden an der Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit sowie dem Übermaßverbot gemessen. Eine europäische Harmonisierungsrichtlinie zum Lauterkeitsrecht wird den nationalen Gesetzgebern in den Mitgliedstaaten einen gewissen
Beurteilungsspielraum einräumen. Ein Europäisches Lauterkeitsrecht als Teilmenge
eines Europäischen Wettbewerbsrechts basiert auf binnenmarktrechtlichen Prinzipien einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung in der Europäischen Union. Das ist
der Ort der Genesis eines Europäischen Lauterkeitsrechts.
2. Die wettbewerbsrechtliche Generalklausel als eine Delegationsnorm jurisdiktiver
Rechtsetzung wird durch solche Spezialtatbestände ergänzt, die die Kernbereiche
des wettbewerblichen Unrechts entsprechend der Gegenwart der Marktverhältnisse
auf einem eurokompatiblen Schutzniveau beschreiben. Die Zweispurigkeit von Generalklausel und Spezialtatbeständen ist einer beredten Generalklausel mit einem
Beispielskatalog wettbewerbswidrigen Verhaltens vorzuziehen. Der Normierung
eines Spezialtatbestandes kommt zum einen, auch wenn er eine Verbotsnorm darstellt, eine die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmen erweiternde und
sichernde Funktion zu. Entsprechend der Regelung der vergleichenden Werbung
schneidet ein Spezialtatbestand gleichsam einen Verbotsbereich aus der Generalklausel heraus und steckt zugleich die erweiterten Handlungsgrenzen ab. Zum anderen
kann
der
Normierung
eines
Spezialtatbestandes
eine
die
Wettbe-
werbswidrigkeit konkretisierende Funktion zukommen, wenn auf Grund der Regelungstechnik des Spezialtatbestandes eine Integration der als wettbewerbswidrig
normierten Fallkonstellation in das wettbewerbliche Unrecht der Generalklausel
stattfindet. Eine gegenüber der Generalklausel eigenständige Normzweckklausel zur
Umschreibung des Normzwecks des Lauterkeitsrechts ist nicht zu empfehlen. Die
Normzweckklausel ist gleichsam in eine erläuternde Generalklausel zu integrieren.
Topoi eines modernen Wettbewerbsrechts sind auf Grund eines Paradigmenwechsels des Lauterkeitsrechts neben dem Mitbewerberschutz der Schutz des Leistungswettbewerbs, der Schutz der Verbraucherinteressen und der Schutz des Wettbewerbs in seinem Bestand.
3. Das deutsche Lauterkeitsrecht umschreibt das wettbewerbliche Unrecht als einen
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Verstoß gegen die guten Sitten. Die Konkretisierung der Generalklausel zentriert gegenwärtig um die Trias der Interessenkreise der Wettbeerber, der Verbraucher und
der Allgemeinheit. Der Wettbewerbsbezug der Güter- und Interessenabwägung
fundiert den sittlichrechtlichen Gehalt der Wettbewerbswidrigkeit. Der innerhalb der
Generalklausel vollzogene Funktionswandel des Lauterkeitsrechts sollte im Wortlaut
der Generalklausel zum Ausdruck kommen. Es sind namentlich drei materiellrechtliche Entwicklungen des Lauterkeitsrechts, die als Auslegungsdirektiven die Normativität des wettbewerblichen Unrechts bestimmen. Zum Ersten vermag die Theorie
des Leistungswettbewerbs in ihrer normativ-teleologischen Gestalt im Sinne der Zielsetzung des Wettbewerbsprozesses den Begriff des Wettbewerbs im Lauterkeitsrecht inhaltlich auszufüllen. Zum Zweiten sollte der Verbraucherschutz als eine
originäre Aufgabe des Lauterkeitsrechts verstanden werden. Die Anerkennung eines
originären Verbraucherschutzes durch Lauterkeitsrecht transformiert das Wettbewerbsrecht zu einem Schutzzweckgesetz im Sinne des Schadensersatzrechts. Zum
Dritten sollte im Sinne einer Einheit von UWG und GWB der ordnungsrechtliche Gehalt des Lauterkeitsrechts, wie er in der Anerkennung der Fallgruppe der
Marktstörung anschaulich wird, in der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel ausgedrückt werden. Das Lauterkeitsrecht ist als eine integrative Einheit von Mitbewerberrecht, Verbraucherrecht und Marktordnungsrecht zu verstehen.
Mein Vorschlag geht dahin, in der Generalklausel des § 1 UWG nicht auf einen Verstoß gegen die guten Sitten, sondern auf eine Beeinträchtigung des lauteren und
unverfälschten Leistungswettbewerbs sowie der Belange der Verbraucher abzustellen.
4. Auf das Tatbestandsmerkmal eines Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs sollte
verzichtet werden. Das Erfordernis einer Wettbewerbshandlung wird schon dadurch
zum Ausdruck gebracht, dass auf eine Beeinträchtigung des Leistungswettbewerbs
abgestellt wird. Der Wettbewerbsbezug des Marktverhaltens eines Unternehmens
kann auch dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass auf eine Beeinflussung der
Wettbewerber und der Verbraucher abgestellt wird.
5. Restriktionen des Anwendungsbereichs der Generalklausel des § 1 UWG in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Annahme der Wettbewerbswidrigkeit eines
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Gesetzesverstoßes zum einen (Fallgruppe des Rechtsbruchs) und die Orientierung
an dem europäischen Verbraucherleitbild eines verständigen Verbrauchers zum anderen haben eine normative Korrektur hinsichtlich der Wesentlichkeit des Wettbewerbsverstoßes zur Folge. Die Normierung einer Spürbarkeitsgrenze oder Bagatellklausel ist insoweit nicht mehr von besonderer Aktualität. Ob innerhalb einer europäischen Rechtsharmonisierung des Lauterkeitsrechts eine ausdrückliche Regelung im Sinne einer Bagatellklausel erforderlich wird, oder ob auf die ausdrückliche
Normierung einer Spürbarkeitsgrenze deshalb verzichtet werden kann, weil Konsens
über die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in einem Europäischen Lauterkeitsrecht besteht, wird dahingestellt. Gesetzestechnisch kann eine Spürbarkeitsgrenze dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass auf eine wesentliche (erhebliche oder unverhältnismäßige) Beeinträchtigung des Leistungswettbewerbs innerhalb
der Generalklausel des § 1 UWG abgestellt wird.
6. Das Recht der Verkaufsveranstaltungen (Sonderveranstaltungen, Jubiläumsverkäufe, Schlussverkäufe) nach § 7 UWG sollte schon wegen der Euroinkompatibilität und der Inakzeptanz im Verkehr aufgehoben werden. Das grundsätzliche Verbot der Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel als unzulässige Sonderveranstaltungen stellt eine unangemessene Reglementierung der Verkaufsaktionen und Werbestrategien im Handel dar. Die Lebenswirklichkeit im Handel sowie die Innovationen
des elektronischen Handels sind zureichende Gründe, das Recht der Verkaufsveranstaltungen nach § 7 UWG aufzuheben. Innerhalb einer Rechtsharmonisierung ist
das Recht der Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel nicht eurokompatibel.
Die Aufhebung des Verkaufsveranstaltungsrechts ist auch eine notwendige Folge
der Aufhebung des Rabattrechts und des Zugaberechts. Der Fortbestand des Verkaufsveranstaltungsrechts unterwirft die Entwicklung innovativer Verkaufsmethoden
und Werbestrategien den ohnehin einer Modernisierung des Lauterkeitsrechts
inadäquaten Schranken dieser den Wettbewerb reglementierenden Vorschriften.
Nach der Aufhebung des Rabatt- und Zugabeverbots unterliegt die Ankündigung und
Gewährung von Rabatten und Zugaben den wettbewerbsrechtlichen Grenzen einer
Ankündigung oder Durchführung von Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel.
7. Die Gründe, die hinsichtlich einer Euroinkompatibilität und einer Inakzeptanz des
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Verkaufsveranstaltungsrechts vorgetragen wurden, gelten nicht minder für die
Reglementierung der Räumungsverkäufe nach § 8 UWG. Die Generalklausel des
§ 1 UWG sowie das Irreführungsverbot nach § 3 UWG sind geeignet, einen Missbrauch bei der Veranstaltung von Räumungsverkäufen zu verhindern. Wenn eine
Aufhebung des Räumungsverkaufsrechts nicht beschlossen wird, dann ist zumindest
eine grundlegende Reform und Liberalisierung des Räumungsverkaufsrechts erforderlich.
8. Die verbotene Hersteller- und Großhändlerwerbung nach § 6a UWG und das Verbot des Kaufscheinhandels nach § 6b UWG stellen als abstrakte Gefährdungstatbestände unverhältnismäßige Werbe- und Vertriebsverbote im Lauterkeitsrecht dar.
Das Verbot irreführender Werbung nach § 3 UWG gewährleistet einen effektiven
Verbraucherschutz sowohl im Bereich der Hersteller- und Großhändlerwerbung als
auch im Bereich des Kaufscheinhandels.
Vergleichbar dem Verbot der Sonderveranstaltungen im Einzelhandel, ist das Verbot
des Kaufscheinhandels nach § 6b UWG geeingnet, die Einführung und Durchführung wettbewerbskonformer Rabatt- und Zugabemethoden dann zu behindern,
wenn die Teilnahme an dem Marketingsystem mit einer Karte im Sinne eines Berechtigungsscheins, eines Ausweises oder einer sonstigen Bescheinigung im Sinne
des § 6b UWG verbunden wird. Das Kaufscheinverbot des § 6b UWG könnte zu
einer sachlich nicht gerechtfertigten Behinderung der Einführung der verschiedenen
Arten von Bonussystemen als Kundenbindungssysteme führen.
9. Die Ausdehnung des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes nach § 1 UWG
stellt ein rechtstatsächliches Phänomen dar. Weltweit geht es um den wettbewerbsrechtlichen Schutz der Innovation vor Imitation. Auch wenn Fundament der
wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Fallgruppe der Ausbeutung der Grundsatz
der Nachahmungsfreiheit ist, rückt die Schutzwürdigkeit einer unternehmerischen
Leistung an sich in den Mittelpunkt der wettbewerbsrechtlichen Bewertung zur Abwehr von Behinderungen im Leistungswettbewerb. Bei der Normierung des
wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes als einer eigenen Aufgabe des Wettbewerbsrechts in einem eigenen Spezialtatbestand ist zwischen der Schutzwürdigkeit
der Leistung (Schutztatbestand) und der Rechtfertigung der Leistungsaneignung
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(Rechtfertigungstatbestand) zu unterscheiden.
Vorgeschlagen wird die Normierung eines Spezialtatbestandes des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes: Wer eine schutzwürdige Leistung eines anderen
ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar übernimmt oder wesentlich
nachahmt, handelt unlauter im Sinne des § 1 UWG.
10. Die Aufhebung der ZugabeVO verlangt einen Wandel in der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Wertwerbung, da nunmehr die unentgeltliche und
akzessorische Zuwendung einer Ware oder Dienstleistung als sätzlich wettbewerbskonform zu verstehen ist. Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung verbundener
Angebote (Kopplungsangebot, Kopplungsgeschäft) hat von dem Grundsatz der Freiheit der Preisgestaltung, der Sortimentsgestaltung und der Angebotsgestaltung im
Handel auszugehen. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird die an dem
Verständnis als Wertreklame und an der zugaberechtlichen Akzessorietät orientierte,
strenge Beurteilung der Kopplungsangebote korrigiert. Die Rechtsprechung gibt der
Handelsfreiheit der Angebotsstrukturen im Leistungswettbewerb mehr Raum und
vertraut stärker auf die Rationalität der Entscheidung des mündigen Verbrauchers.
Die Verbindung mehrerer Waren oder Dienstleistungen zu einem einheitlichen
Angebot ist Teil der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit im Handel. Verbundene
Angebote sind grundsätzlich Ausdruck der Leistungsfähigkeit des Unternehmens.
Kopplungsangebote sind nicht als Wertwerbung strenger als andere Formen der
Werbung wie die Wort- und Bildwerbung zu beurteilen. Es besteht zudem kein
wettbewerbsrechtlicher Branchenschutz im Handel. Kopplungsangebote sind deshalb grundsätzlich wettbewerbsrechtlich zulässig.
Die Generalklausel des § 1 UWG setzt der Verbindung von Waren und Dienststleistungen zu einem Gesamtangebot zureichend wettbewerbsrechtliche Grenzen. Ein verbundenes Angebot ist dann wettbewerbswidrig, wenn eine der drei Fallkonstellationen einer Preisintransparenz, einer individuellen Wettbewerbsbehinderung oder einer allgemeinen Marktstörung vorliegen, oder wenn das Kopplungsangebot in ein System unverhältnismäßiger Kundenbindung integriert ist. Preisintransparente, wettbewerbsbehindernde und marktstörende Kopplungsangebote
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sind nach § 1 UWG wettbewerbswidrig.
Es ist nicht zu empfehlen, nach Aufhebung der ZugabeVO eine zugaberechtliche
Ersatzregelung im UWG zu schaffen. Eine andere Frage ist es, ob nicht eine Regelung der verbundenen Angebote deshalb vorzuschlagen ist, um nach Aufhebung des
RabattG und der ZugabeVO zu verhindern, dass über eine Anwendung der Generalklausel des § 1 UWG dem alten Rechtszustand vergleichbare Rechtssätze
geschaffen werden. Zweck einer solchen Regelung der Kopplungsangebote ist es,
den Leistungswettbewerb mit verbundenen Angeboten zu sichern und dessen
wettbewerbsrechtliche Grenzen abzustecken.
11. Zweck eines Kundenbindungsprogramms eines Anbieters ist es, den Verbraucher als Kunden umsatzbezogen und zeitbezogen an den entgeltlichen Erwerb
der angebotenen Waren oder Dienstleistungen zu binden. Gegenstand eines Kundenbindungsprogramms ist die Gewährung von Vorteilen an den Kunden, die sich
nach Anzahl und Umsatz des Erwerbs der Waren oder Dienstleistungen bestimmen.
Die Art der Vorteilsgewähr an den Kunden kann preisbezogen und produktbezogen
sein. Kundenbindungssysteme, die preisbezogene Vorteile gewähren, sind dem
Preiswettbewerb zuzurechnen. Kundenbindungssysteme, die produktbezogene
Vorteile gewähren, sind der Wertwerbung zuzurechnen.
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Nach Aufhebung des RabattG und der ZugabeVO ist von dem Grundsatz der
wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit von preisbezogenen und produktbezogenen
Kundenbindungsprogrammen auszugehen. Die mit einem Kundenbindungsprogramm verbundene Bündelung der Verbrauchernachfrage (Sogwirkung) stellt eine
wettbewerbseigene Folge eines Kundenbindungsprogramms dar und vermag als
solche die Wettbewerbswidrigkeit nicht zu begründen. Kundenbindungsprogramme
sind Teil des Leistungsangebots eines Unternehmens im Sinne eines Verständnisses vom Leistungswettbewerb, das den Wettbewerb nicht allein auf Preis und
Qualität der Ware des primären Angebots beschränkt. Der Wettbewerb um
leistungsgerechte Kundenbindungsprogramme liegt im Interesse der Verbraucher.
Die
Wettbewerbskonformität
eines
Kundenbindungssystems
setzt
dessen
Diskriminierungsfreiheit und Systemtransparenz voraus. Diskriminierungsfreiheit
eines Kundenbindungsprogramms verlangt, dass jeder Verbraucher als Kunde
gleichen Zugang zu dem Kundenbindungsprogramm hat. Das Systemtransparenzgebot besteht hinsichtlich des gesamten Inhalts des Kundenbindungsprogramms, der für die Entscheidung des Verbrauchers erheblich ist. Das gilt nicht nur
für
das
Preistransparenzgebot,
an
dessen
Einhaltung
aus
Gründen
der
Preiswahrheit und Preisklarheit ein strenger Maßstab anzulegen ist, sondern auch
für die Transparenz von Art und Umfang der Vorteilsgewährung sowie der Teilnahmebedingungen der Berechtigung zum Vorteilserwerb.
Es ist nicht zu empfehlen, nach Aufhebung des RabattG und der ZugabeVO eine
rabattrechtliche und zugaberechtliche Ersatzregelung im UWG zu schaffen. Es liegt
sowohl im Interesse eines wirksamen Leistungswettbewerbs als auch im Interesse
der Verbraucher, die Entwicklung von leistungsgerechten Kundenbindungsprogrammen im Sinne innovativer Marketingstrategien am Markt zuzulassen. Die Konkretisierung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel wird der Aufgabe gerecht,
diskriminierende und systemintransparente Kundenbindungsprogramme als unlauter
zu verbieten.
Eine andere Frage ist es, ob nicht eine Regelung der Kundenbindungsprogramme
deshalb vorzuschlagen ist, um nach Aufhebung des RabattG und der ZugabeVO zu
verhindern, dass über eine Anwendung der Generalklausel des § 1 UWG dem alten
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Rechtszustand vergleichbare Rechtsätze geschaffen werden. Zweck einer solchen
Regelung der Kundenbindungsprogramme ist es, leistungsgerechte Kundenbindungsprogramme im Interesse der Verbraucher zu sichern und deren wettbewerbsrechtliche Grenzen abzustecken.
12. Teil der europäischen Verbraucherschutzpolitik ist es, Markttransparenz und
Verbraucherinformation im europäischen Binnenmarkt zu verbessern. Nach der Umsetzung der e-commerce-Richtlinie innerhalb der Wettbewerbsordnungen der
Mitgliedstaaten wird im elektronischen Geschäftsverkehr für den gesamten Bereich
der Verkaufsförderung ein Mindeststandard an Informationspflichten der Anbieter
gelten. Eine Regelung der Informationspflichten ausschließlich für Maßnahmen der
Verkaufsförderung erscheint nicht sachgerecht, da nur ein Ausschnitt der Fallkonstellationen betroffen ist, auf die sich das Transparenzgebot im Interesse der Verbraucherinformation bezieht. Eine in Umsetzung der e-commerce-Richtlinie erfolgende Regelung der Verbraucherinformation bei Angeboten zur Verkaufsförderung
im Sinne des Art. 6 lit. c e-commerce-Richtlinie gefährdet nicht die Einheit des
Wettbewerbsrechts online und offline, da der normierte Mindeststandard an Verbraucherinformation im elektronischen Geschäftsverkehr bei der Auslegung der
wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 1 UWG zugrunde gelegt und als
Mindeststandard auch außerhalb des elektronischen Geschäftsverkehrs gelten wird.
13. Es ist nicht zu empfehlen, zum Schutz kleiner und mittlerer Wettbewerber vor
einer unbilligen Behinderung Kundenbindungsprogramme kartellrechtlich zu sanktionieren und eine Ergänzung des § 20 Abs. 4 GWB zu normieren. Der Umstand,
dass der Einsatz eines jeden Wettbewerbsparameters die Problematik der
Marktmacht sowie der unbilligen Behinderung aufwirft, rechtfertigt es nicht, den Kartellrechtstatbestand des § 20 Abs. 4 GWB zum Sammelbecken einer Wettbewerbsregulierung zu machen. Eine Variationsbreite von Kundenbindungsprogrammen
sind als solche wettbewerbskonform und sollten nicht als Regelbeispiel einer unbilligen Behinderung, die der sachlichen Rechtfertigung bedürfen, normiert werden.
Kundenbindungssysteme, die eine individuelle Wettbewerberbehinderung oder eine
institutionelle Marktstörung darstellen, sind zudem nach § 1 UWG wettbewerbswidrig.
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14. Die diskriminierende Werbung sollte als eine eigenständige Fallgruppe innerhalb
der
Generalklausel
des
§1
UWG
anerkannt
werden.
Fallkonstellationen
diskriminierender Werbung werden unter dem Titel einer anstößigen oder geschmacklosen Werbung nicht angemessen behandelt. Als Arten der diskriminierenden
Werbung kann man die rassendiskriminierende, ausländerdiskriminierende, religionendiskriminierende, behindertendiskriminierende und geschlechterdiskriminierende Werbung unterscheiden. Das Gewicht des wettbewerblichen Unrechts einer
diskriminierenden Werbung rechtfertigt es, innerhalb einer europäischen Rechtsharmonisierung des Lauterkeitsrechts die diskriminierende Werbung in einem Spezialtatbestand gleichwertig neben der vergleichenden und der irreführenden Werbung zu normieren.
15. Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung innovativer Angebots- und
Ver-
kaufsmethoden, die sich als Folge des Einsatzes der Internettechniken im elektronischen Geschäftsverkehr ergeben, begründen die Gefahr einer Zweispurigkeit im
Wettbewerbsrecht des elektronischen Handels zum einen und des herkömmlichen
Handels zum anderen. Es besteht die Notwendigkeit einer einheitlichen Geltung der
wettbewerbsrechtlichen Regeln online und offline. Die berechtigten Interessen der
Verbraucher und Unternehmen sind online und offline gleichwertig. Der institutionelle
Schutz des Wettbewerbs in seinem Bestand besteht unabhängig von der elektronischen oder herkömmlichen Marktbeziehung.
Community-Shopping und Internet-Auktionen sind Geschäftsmodelle des Angebots
von Waren oder Dienstleistungen im Internet. Die wettbewerbsrechtlichen Grenzen
des Co-Shoppings und der Internet-Auktionen sind nach den allgemeinen Regeln
des Wettbewerbsrechts zu bestimmen. Das Verbot der irreführenden Werbung nach
§ 3 UWG setzt dem Co-Shopping wettbewerbsrechtliche Schranken. Der Grundsatz
der Preisklarheit und Preiswahrheit (Preistransparenz) verlangt gerade im Internet
eine sorgfältige Prüfung der Angaben über die Preisbildung (§ 1 UWG).
Eine Regelung der Internet-Geschäftsmodelle in einem wettbewerbsrechtlichen Spezialtatbestand ist im Interesse eines einheitlichen Wettbewerbsrechts online und offline nicht zu empfehlen.
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