Zielgruppe Kinder und ihre Familie

Werbung
2
Euro. Im Schnitt erhalten die jungen
Menschen monatlich 24,79 Euro
Taschengeld. Dazu kommen noch
Geldgeschenke zum Geburtstag, zu
Weihnachten und Ostern. Das Geld
wird aber nicht gleich ausgegeben,
mehr als 81 Prozent der Kinder legen
was auf die hohe Kante zurück. Für
die diesjährige Analyse wurden rund
2.100 Kinder in Deutschland im Alter von 4 bis 13 Jahren befragt, wobei
bei den Kindern im Vorschulalter die
Eltern konsultiert wurden.
Recht früh entwickeln dabei bereits
die Kleinsten ein Markenbewusstsein. „Sie sagen nicht: Ich will zum
Geburtstag eine Puppe, sondern ich
will eine Barbie“, erklärt Ralf Bauer,
Leiter der Medienforschung beim
Egmont Ehapa Verlag. Seine Studien
zeigen, kaum ein Kind kann sich der
Werbung entziehen, auch wenn die
meisten begreifen würden, dass diese
den Verkauf von Produkten ankurbeln soll.
„Kinder sind für den Markt aus drei
Gründen von Interesse“, betont Dr.
Christine Feil, Soziologin und wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut in München.
„Sie verfügen über eigenes Geld, beeinflussen die Kaufentscheidungen
der Eltern und sind nicht zuletzt die
Kunden von morgen. Das Marketing
setzt daher bei Kindern sehr früh in
Form von Kundenbindung an ein
Produkt an.“ Dr. Feil hat in ihrem
Buch „Kinder, Geld und Konsum“
die Kommerzialisierung der Kindheit untersucht. Zwar sei die direkte
Kaufkraft immer noch begrenzt,
aber durch die Einflussnahme auf
die Entscheidungen der Eltern – die
indirekte Kaufkraft – verdopple sich
die Summe.
Kinder und ihre ganz
speziellen Vorlieben
Forschung und Marketingabteilungen der Unternehmen wissen
längst, was Kinder in puncto Werbung mögen. „Kinder lieben Trickfiguren und alles, was mit Fantasiewelten und Magie zu tun hat“, so Stefan Aufenanger. Während Mädchen
Zielgruppe Kinder und ihre Familie
zum Beispiel in Fernsehspots runde
Formen, ruhige Musik, langsame
Schnitte und die Farbe Rosa bevorzugen, mögen es Jungs rasanter. Sie
stehen auf Actionszenen, schnelle
Kamerafahrten und die Farbe Blau.
Hier greift die geschlechterspezifische Rollenverteilung. Und sie
geht noch weiter: Jungs im Vor- und
Grundschulalter haben kein Interesse an Produkten, wenn in der
Werbung Mädchen damit spielen.
Mädchen dagegen ziehen diese enge
Grenze nicht.
Längst bedienen sich Werbung und
Marketing zudem Kenntnissen aus
der Entwicklungspsychologie, um
Kinder besser ansprechen zu können.
„Gut gemachte Werbung erreicht die
Kinder, indem sie so nah wie möglich an der Lebenswelt der Kids ist“,
betont Ingo Barlovic von iconkids &
youth international research, einem
auf Kinder und Jugendliche spezialisierten Marktforschungsinstitut.
Er ist sich aber auch sicher: „Kinder sind sehr nutzorientiert. Hält
ein Produkt nicht, was die Werbung
verspricht, wird es nicht wieder gekauft.“ Deswegen würden 80 Prozent
aller neuen Kinderprodukte floppen.
Damit Kinder mit Werbung umgehen können, müssen sie sie erst
einmal erkennen. Bei Fernsehspots
können das schon Sechsjährige,
ist sich Stefan Aufenanger sicher.
Hilfreich sei, dass Spots im Kinderprogramm mit einem lauten „Jetzt
kommt Werbung!“ angekündigt
werden und gleichzeitig das Senderlogo oben rechts bzw. links in der
Ecke des Bildschirms verschwinde.
Manche Spielzeugfirmen blenden
deshalb inzwischen ihr Logo an dieser Stelle ein. Mehr Probleme haben
Kinder, Werbung im Internet oder in
Zeitschriften als solche zu erkennen.
Erst mit 12 bis 14 Jahren können
sie zwischen Berichterstattung und
beeinflussender Werbung richtig
unterscheiden, so der Professor für
Medienpädagogik. Werbung tarne
sich hier oft als Gewinnspiel oder
Kinderklub. Gar nicht gut findet
Stefan Aufenanger Product Placement. Wenn etwa Computerspiele
von Firmen gesponsert werden, deren Produkte dann darin auftauchen.
Bei den Autorennen würden längst
echte Automarken mitfahren, bei
Sportspielen sei die Bandenwerbung
im Stadion echt, so Aufenanger. „Die
Werbung ist so subtil, dass auch Erwachsene sie oft nicht durchschauen.
Aber die Marken prägen sich ein.“
dem elften Lebensjahr beginnen die
ersten Ablösungsversuche von den
Eltern. Die Kinder begeben sich auf
die Suche nach einem eigenen Lebensstil. Sie wollen im Trend liegen
und orientieren sich an der Welt des
Konsums. Was in ist, wird durch das
Fernsehen und die Werbung angeregt“, erklärt Dr. Christine Feil.
Werbung muss den
Nerv treffen
Kinder bestimmen mit
Ab welchem Alter können die Kleinen überhaupt schon Werbung aufnehmen? Experten sind sich einig:
Dreijährige erinnern sich an die
verschiedenen Markenlogos. Aber
erst im Alter von sechs Jahren können sie Werbung und das eigentliche
Programm inhaltlich voneinander
trennen. Mit acht Jahren sind die
meisten Kinder dann in der Lage,
Werbebotschaften zu hinterfragen.
Bietet das Spielzeug wirklich Spaß
und Spannung? Schmeckt der Brotaufstrich wirklich so lecker, wie es
die Werbung verspricht? Sie verstehen, dass die Industrie sie zum Kauf
von Produkten animieren will. Diese
Einsicht hat allerdings immer noch
ihre Grenzen: Gefällt ihnen der beworbene Artikel, etwa weil der Lieblingsheld darin mitspielt, erliegen sie
den Verlockungen der Werbung. Mit
rund zehn Jahren durchschauen Kinder schließlich die Ziele der Werbeindustrie und zweifeln schon einmal
die Aussagen der Marketingfachleute
an. Der Faszination von Spots und
Anzeigen können sie sich trotzdem
nicht vollkommen entziehen. Gerade
bei der heute so beliebten Form der
Imagewerbung, bei der ein Lebensgefühl vermittelt wird, ist es für Kinder
in dem Alter immer noch schwierig,
nicht darauf hereinzufallen.
Und wie sieht es nun in puncto Kauf
aus? „Die Kaufentscheidungen bei
den Vier- bis Sechsjährigen werden
von den Eltern getroffen. Im Alter
von sieben bis zehn Jahren setzt sich
die Werbung durch. Die Konsumwünsche ergehen direkt aus dem
Kinderzimmer an die Eltern und
werden von ihnen gerne zu feierlichen Anlässen aufgegriffen. Ab
Anerkannt ist heute auch, dass
Kinder das Konsumverhalten ihrer
Eltern massiv beeinflussen. Damit
rückt die Zielgruppe Familie immer stärker in den Fokus von Werbetreibenden. Diese Zielgruppe ist
allerdings nicht einfach zufriedenzustellen. Familien erwarten von
Unternehmen bzw. deren Produkten
Qualität, Sicherheit, praktischen
Nutzen, sympathisches Auftreten,
ehrlichen Dialog und dazu auch ein
gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Für
die Unternehmen wiederum lohnt
sich der Aufwand, sind die Experten überzeugt. Denn Familien sind
höchst loyale Kunden.
Familie ist nicht
gleich Familie
In ihrer Studie „Familie 2010“ hat
die Berliner Beratung diffferent die
neuen Familientypen unter die Lupe
genommen – und deren Umgang
mit Marken und werblichen Angeboten. Zentrales Ergebnis: Neben
der klassischen Familie mit einem
„Versorger“ existieren Familien von
Alleinerziehenden, Patchwork- und
Wochenendfamilien, nicht eheliche
Gemeinschaften, Familien mit interkulturellem oder binationalem
Hintergrund, „Regenbogenfamilien“
mit gleichgeschlechtlichen Eltern,
Wohngemeinschaften, Groß- und
Mehrgenerationenfamilien.
Das bedeutet für die Marketingverantwortlichen: In fast keiner anderen
Konsumentengruppe sind so viele
unterschiedliche Typen zusammengefasst. Menschen allerdings, die aufgrund ihrer Werte und ihrer Familienorientierung dann doch wieder
recht ähnlich sind. Man spielt gerne
mit den Kindern, lädt Gäste zu sich
September 2011
nach Hause ein, backt, kocht, bastelt,
macht gemeinsame Ausflüge und
Reisen, liebt den Einkaufsbummel
am Wochenende, beschäftigt sich mit
Heim und Garten. Die Zielgruppe
ist allein zahlenmäßig so groß – das
„größte Buying-Center in der Mitte
der Gesellschaft“, wie diffferent-Chef
Jan Pechmann betont –, dass Unternehmen ihre Werbeinhalte deren
Wünschen und Vorlieben anpassen
sollten.
Treffsichere Ansprache
Dazu kommt: Familien sind oft bestens informiert. Weil sie sozial meist
gut vernetzt sind. Man kommt in
der Schule, im Verein oder bei regionalenpolitischen Treffen nicht
nur über Kindererziehung und das
nächste Fußballspiel der Jungs ins
Gespräch. Es wird bei diesen Gelegenheiten auch über die Qualität von
Produkten, die Erfahrung mit Marken sowie über spezielle Angebote
für Familien gesprochen.
Welche Werbemaßnahmen empfehlen nun die Experten angesichts
dieser Ausgangslage? Aus ihrer Sicht
spricht die zumeist praktisch orientierte Zielgruppe Familie gut auf Dialogwerbung an, wenn Marken und
Produkte Qualität, Bedienfreundlichkeit und Unterstützung im Alltag versprechen. Da die familienorientierten Konsumenten zwar preis-,
aber auch leistungsbewusst sind,
sind solide und vertrauenswürdige
Marken, die sich im Raum zwischen
Handels- und Premiummarken positionieren, sowie Bio-Marken großer
Handelsunternehmen beliebt.
Humorvolle Regelverstöße kommen
bei der Zielgruppe ebenfalls gut an.
Wenn etwa die Vater-Sohn-Beziehung
hinsichtlich ihrer „Kräfteverteilung“
in einem Spot umgedreht wird, erregt
das positive Aufmerksamkeit. Verzichten sollten Unternehmen jedoch
auf Inhalte, die unrealistisch wirken.
Eine blitzblank saubere Küche, in der
gerade noch das Essen für drei Kinder zubereitet worden ist, wird als unglaubwürdig empfunden. Familien erwarten einen realistischen, ehrlichen
Dialog.
Autorin: Sandra Klein
Tipps für die Ansprache von Familien info
Das Magazin /DIREKT+ hat eine Checkliste erstellt, die werbetreibende Unternehmen bei der Kommunikation mit der
konsumfreudigen Zielgruppe Familie unterstützen soll. Dabei gilt: Fingerspitzengefühl zeigen.
1. Zielgruppenfokus
5. Sachlich kommunizieren
9. Humorvoll werben
Die Zielgruppe Familie sollte nicht allein nach soziodemografischen Gesichtspunkten wie Alter der Familienmitglieder, Einkommen oder Haushaltsgröße definiert werden. Vielmehr sind
gerade hier Aspekte wie Wertevorstellungen und Lebensstile
wichtig. Denn die typische Familie im herkömmlichen Sinne
gibt es nicht mehr.
Die familienorientierten Konsumenten sprechen auf Dialogmarketingmaßnahmen an, die sachlich-informative Formulierungen
verwenden und der Zielgruppe relevante, preislich transparent
und fair gestaltete Angebote unterbreitet.
Die Zielgruppe der familienorientierten Konsumenten aus der
gesellschaftlichen Mitte unserer Gesellschaft liebt Werbemaßnahmen, die mit inszenierten, harmlosen Regelverstößen und
klischeehaft verdrehten Situationen arbeiten.
6. Orientierung bieten
10. Identifikation mit anderen Zielgruppen
Marken können Familien helfen, sich im Alltag besser zurechtzufinden. Unternehmen sollten deshalb bei der Familienkommunikation der Zielgruppe klare Orientierung geben und ihnen
konkrete Hilfestellung bei alltäglichen Anforderungen bieten.
Viele Vertreter der Zielgruppe Familie sind beruflich ehrgeizig
sowie status- und aufstiegsorientiert. Erfolgreich sind bei der
Kommunikation mit familienorientierten Zielgruppen der gesellschaftlichen Mitte deshalb auch Werbemaßnahmen, die auf
besonders kaufkräftige Milieus und Zielgruppen fokussieren.
2. Entscheidungsträger identifizieren
Gerade für Konsumgüter und Produkte des täglichen Bedarfs sind innerhalb der Familien nach wie vor die Frauen die
wichtigsten Kaufentscheider. Allerdings gewinnen Kinder und
Jugendliche zunehmend Einfluss auf den Konsum der Familien.
3. Produktnutzen kommunizieren
Das Geheimnis von Marken, die in der Zielgruppe Familie
erfolgreich sind, ist es, den Produktnutzen in den Vordergrund
zu stellen und emotionale Aspekte zu nutzen, um rationale Argumente für das Angebot entsprechend attraktiv zu verpacken.
4. Ehrlich ansprechen
Familien sind eine sehr anspruchsvolle Zielgruppe, besonders
wenn es um Produkte für ihre Kinder geht. Deshalb sollten
Unternehmen in ihrer Werbung ehrlich kommunizieren und die
Zielgruppe mit neuen, nutzwertigen Ideen versorgen.
MUM
7. Kinderorientierung nutzen
Werbungtreibende Unternehmen sollten die hohe Kinderorientierung und das Involvement der Zielgruppe bei Familienthemen für sich nutzen und bei Angeboten wie Autos, Körperpflegemittel oder Reisen Sicherheit, Komfort und Verlässlichkeit
kommunizieren.
11. Vertrauenspotenzial nutzen
Eine Marke, die der Zielgruppe bereits bekannt ist, hat gute
Chancen, mit neuen Angebotsvarianten erfolgreich zu sein.
Bei der Einführung eines neuen Produkts sollte deshalb der
Vertrauensvorschuss unbedingt genutzt werden.
8. Kommunikative Balance finden
12. Mediamix optimieren
In ihrer Werbetonalität sollten Unternehmen beim Dialog mit
der Zielgruppe Familie die richtige Balance zwischen raffiniertsubtiler Ansprache und Plakativität finden – aufgesetzte Inszenierungen werden dagegen von der Zielgruppe abgelehnt und
sollten deshalb unbedingt vermieden werden.
Nicht nur Form und Inhalt einer Kampagne entscheiden über
den Erfolg, sondern vor allem auch der Weg zur Zielgruppe.
Erfolgreiche Marken nutzen deshalb neben reichweitenstarken
klassischen Kanälen vor allem auch individuelle, dialogorientierte Werbemaßnahmen.
Herunterladen