Title English - Paul-Ehrlich

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Mitteilung des Paul-Ehrlich-Institut (PEI)
11/2013
Meldeverpflichtungen von schwerwiegenden Zwischenfällen und
schwerwiegenden unerwünschten Transfusionsreaktionen
gem. §63i Absatz 1 – 7 Arzneimittelgesetz (AMG) vom 23. Juli 2009,
geändert am 01.03.2013
Das Paul-Ehrlich-Institut nutzt die Neufassung des AMG, um im Folgenden die Meldeverpflichtungen
für
schwerwiegende
Zwischenfälle
und
unerwünschte
Reaktionen
bei
der
Blut-
und
Gewebezubereitung zu veranschaulichen.
Definition des schwerwiegenden Zwischenfalls
Nach §63i Abs. 6 AMG ist ein schwerwiegender Zwischenfall:
jedes unerwünschte Ereignis im Zusammenhang mit der Gewinnung, Untersuchung, Aufbereitung,
Be- oder Verarbeitung, Konservierung, Aufbewahrung oder Abgabe von Geweben oder
Blutzubereitungen, das die Übertragung einer ansteckenden Krankheit, den Tod oder einen
lebensbedrohenden Zustand, eine Behinderung oder einen Fähigkeitsverlust von Patienten zur Folge
haben könnte oder einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machen oder verlängern könnte oder zu
einer Erkrankung führen oder diese verlängern könnte.
Umsetzung der beschriebenen Meldepflicht
Der Verdacht eines schwerwiegenden Ereignisses (Zwischenfall) im Zusammenhang mit der
Herstellung oder der Anwendung von Blutprodukten bezieht sich in erster Line auf die Einrichtungen,
in denen Blutprodukte hergestellt, transportiert oder gelagert werden. Treten Zwischenfälle bei der
Abgabe oder Anwendung des Produktes auf, können die Einrichtungen und/oder der behandelnde
Arzt betroffen sein.
Mit dem Meldebogen (1b) sollen solche Ereignisse erfasst werden, bei denen eines oder mehrere der
folgenden Kriterien erfüllt sind:
a) Auslieferung von fehlerhaften Produkten
b) Ereignisse, die wiederholt in einer Einrichtung auftreten und somit auf einen fehlerhaften
Arbeitsprozess zurückgeführt werden können
c) Ereignisse, die als kritisch zu bewerten sind, auch wenn es nicht zur Auslieferung der
Blutprodukte gekommen ist.
d) Fehltransfusionen ohne schwerwiegende Reaktion des Empfängers
Ein Beispiel für einen meldepflichtigen Zwischenfall wie unter Punkt a) beschrieben, ist die
Fehletikettierung eines ausgelieferten Blutbeutels oder die Auslieferung eines defekten Blutbeutels
(z.B. wegen eines Materialfehlers). Schäden aufgrund einer unsachgemäßen Handhabung durch den
Anwender unterliegen nicht der Meldepflicht.
Ein Beispiel für einen meldepflichtigen Zwischenfall wie unter Punkt b) beschrieben, ist das
wiederholte Auftreten von inkompletten Schweißnähten oder Fehletikettierungen, auch wenn es nicht
zur Auslieferung der hergestellten Blutprodukte gekommen ist.
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Ein unter Punkt c) genanntes kritisches Ereignis wäre z.B. eine außergewöhnliche Kontamination die
während der Herstellung festgestellt wird, ohne dass es zur Auslieferung der hergestellten
Blutprodukte gekommen ist.
Zu d) Mit der 16. AMG Novelle sind nun auch Fehltransfusionen meldepflichtige Ereignisse. Sofern es
nicht zu einer schwerwiegenden Reaktion des Empfängers kommt, sind diese Ereignisse als
schwerwiegender Zwischenfall zu melden. Tritt eine Reaktion beim Empfänger auf, ist diese Reaktion
– unabhängig vom Schweregrad – als schwerwiegende unerwünschte Reaktion melden.
Nicht als Zwischenfall gemeldet werden sollen alle anderen Ereignisse, die im Rahmen der
Qualitätssicherung bereits erfasst wurden, deren negative Auswirkungen durch die Erfassung des
fehlerhaften Prozesses korrigiert werden konnten bzw. bei denen eine Auslieferung des Blutproduktes
verhindert wurde.
Definition der schwerwiegenden unerwünschten Reaktionen
Nach §63i Abs. 7 AMG ist eine schwerwiegende unerwünschte Reaktion:
eine unbeabsichtigte Reaktion einschließlich einer übertragbaren Krankheit beim Spender oder
Empfänger, die tödlich oder lebensbedrohlich verläuft oder eine Behinderung oder einen
Fähigkeitsverlust zur Folge hat oder einen Krankenhausaufenthalt erforderlich macht oder verlängert
oder zu einer Erkrankung führt oder diese verlängert und im Zusammenhang mit der Gewinnung oder
Transfusion von Blut und Blutbestandteilen steht.
Bei den Definitionen der Transfusionsreaktionen gibt es eine weitgehende Übereinstimmung zwischen
den Empfehlungen des PEI und den Empfehlungen des European Haemovigilance Network. Im
Folgenden werden die aktuellen Kriterien für die einzelnen Transfusionsreaktionen aufgelistet und den
entsprechenden Meldebögen des PEI zugeordnet.
Der initiale Verdacht auf eine Transfusionsreaktion ist auf dem Basismeldebogen (1a) zu
dokumentieren. Für die Dokumentation der weiteren Abklärung sollen die Folgemeldebögen (2a, 2b,
2c) verwendet werden.
Der Verdacht einer
hämolytischen Transfusionsreaktion (HTR) liegt vor, wenn eines oder
mehrere der folgenden Kriterien erfüllt sind (Meldebogen 2a):
-
Fieber mit anderen Symptome (Atemnot, Hypotension, Tachykardie, Schmerzen in der
Nierengegend)
-
Inadäquater Anstieg des Hämoglobinwertes nach Transfusion
-
Abfall des Hämoglobinwertes > 2g/dl innerhalb von 24 Std.
-
Anstieg des LDH > 50% in 24 Std.
-
Anstieg des Bilirubinwertes, Hämoglobinämie, Abfall des
Zusammenhang mit der Transfusion
-
Makrohämaturie
Haptoglobins
in
zeitlichem
Eine Hämolytische Transfusionsreaktion (HTR) wird bestätigt durch:
-
Positiver Antiglobulintest
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-
Positive Kreuzprobe
Es wird klinisch zwischen zwei Subtypen unterschieden:
• Akute HTR: Symptome innerhalb von 24 Std.
• Verzögerte HTR: Symptome zwischen 1-28 Tagen
Der Verdachtsfall einer hämolytischen Transfusionsreaktion ist immer als schwerwiegend einzustufen,
da beim Auftreten eines der Symptome eine engmaschige Überwachung und ggf. therapeutische
Maßnahmen erforderlich sind.
Der Verdacht einer allergischen Transfusionsreaktion (ATR) ist gegeben, beim Auftreten der
folgenden Symptome innerhalb von 24 Stunden nach Transfusion (siehe auch Meldebogen 2a):
-
Hautausschlag
-
Allergische Atemnot
-
Angioödem
-
Juckreiz
-
Nesselsucht
-
Abfall des systolischen Blutdruckes < 30 mm Hg
Eine schwere allergische bzw. anaphylaktoide Reaktion ist definiert durch das Auftreten eines oder
mehrerer der folgenden Symptome innerhalb von 24 Std. nach Transfusion:
-
Abfall des systolischen Blutdruckes > 30 mm Hg
-
Anstieg der Herzfrequenz > 30/ min (Definition der Tachykardie)
-
Dyspnoe
-
Larynxödem
-
Bronchospasmus/ Zyanose
-
Schock/ Kreislaufstillstand
Der Verdacht einer transfusionsbedingten bakteriellen Infektion (TTBI) liegt vor, wenn eines oder
mehrere der folgenden Kriterien erfüllt sind (Meldebogen 2a):
Auftreten folgender Symptome innerhalb von 24 Std. nach Transfusion
-
Fieber > 39 °C oder ein Anstieg um 2 °C
-
Schüttelfrost
-
Tachykardie
Der Verdacht der transfusionsbedingten bakteriellen Infektion wird erhärtet durch den Nachweis des
Bakteriums im transfundierten Blutprodukt oder beim Empfänger.
Der Verdacht der transfusionsbedingten bakteriellen Infektion wird bestätigt durch den Nachweis
desselben Bakterienstammes im Empfängerblut und transfundierten Blutprodukt.
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Der Verdachtsfall einer transfusionsbedingten bakteriellen Infektion ist immer als schwerwiegend
einzustufen und damit meldepflichtig.
Der Verdacht einer transfusionsbedingten viralen
Infektion (TTVI) ist gegeben, wenn beim
Empfänger eine Infektion nachgewiesen ist und weitere Anhaltspunkte vorliegen (z. B. bekannte
negative
Serologie
beim
Empfänger
vor
Transfusion,
klinische
Symptome
im
zeitlichen
Zusammenhang zur Transfusion, etc.). Verdachtsfälle von viralen Infektionsübertragungen sind immer
als
schwerwiegend
einzustufen
Kausalzusammenhangs
ist
und
das
damit
vom
meldepflichtig.
Empfänger
Zur
ausgehende
Abklärung
des
möglichen
Rückverfolgungsverfahrens
durchzuführen (entsprechend den Voten 34, 35 und 42 des Arbeitskreises Blut). Die Ergebnisse sind
auf dem Meldebogen 2b zu dokumentieren.
Eine transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI) wird bestätigt, wenn die folgenden
klinischen Kriterien erfüllt sind (Meldebogen 2c):
-
Akute Atemnot (Symptomatik innerhalb von 6 h nach Transfusionsbeginn)
-
Neu aufgetretenes beidseitiges Lungenödem, radiologisches gesichert
-
Ausschluss einer Hypervolämie (kardial, renal, iatrogen)
Eine immunogene transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz ist wahrscheinlich, wenn bei dem
Spender oder einem der Spender humane leukozytäre Antikörper (HLA-AK) oder humane neutrophile
Antikörper (HNA-AK) nachgewiesen wurden.
Eine immunogene transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz ist bestätigt, wenn bei einem der
Spender humane leukozytäre Antikörper nachgewiesen wurden und bei dem Empfänger ein
korrespondierendes Antigen vorliegt bzw. wenn bei einem der Spender ein humaner neutrophiler
Antikörper nachgewiesen wurden.
Der
Verdachtsfall
einer
transfusionsassoziierten
akuten
Lungeninsuffizienz
ist
immer
als
schwerwiegend einzustufen und damit zu melden.
Zur Abklärung des möglichen Kausalzusammenhangs ist ein vom Empfänger ausgehendes Lookback- Verfahren entsprechend dem Meldebogen 2c durchzuführen. Hierbei sollten alle weiblichen
Spender auf leukozytäre Antikörper untersucht werden, deren Blutprodukte in einem Zeitraum von 6
Stunden vor dem Einsetzen der TRALI- Symptomatik transfundiert wurden. Männliche Spender sollten
dann
auf
leukozytäre
Antikörper
untersucht
werden,
wenn
bei
ihnen
eine
positive
Transfusionsanamnese vorliegt bzw. der hochgradige Verdacht auf eine stattgefundene Transfusion
besteht. Die Untersuchungen auf HLA- Klasse I / II- und HNA- Antikörper sollten entsprechend den
Empfehlungen der ISBT Working Party [Goldmann M, et al. Transfus Med Rev. 2005; 19: 2 – 31]
durchgeführt und die Ergebnisse der Untersuchungen wie vorgegeben dokumentiert werden.
Spender mit HNA- Antikörper müssen von der weiteren Spende für labile Blutkomponenten
ausgeschlossen werden. Spender mit HLA- Klasse I / II – Antikörper sollten von der Spende für
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therapeutisches Frischplasma ausgeschlossen werden. Das Plasma aller positiv getesteten Spender
kann zur Herstellung von Fraktionierungsprodukten abgegeben werden.
Eine febrile nicht hämolytische Transfusionsreaktion (FNHTR) ist wahrscheinlich, wenn eines
oder mehrere der folgenden Symptome innerhalb von 4 Std. nach Transfusion auftreten:
-
Fieber >38 °C oder ein Anstieg um 1°C
-
Frösteln
-
Kältegefühl
-
Schüttelfrost
-
Ausschluss einer anderen Ursache, wie HTR oder TTBI
In den meisten Fällen sind Verdachtsfälle von febrilen Transfusionsreaktionen nicht als
schwerwiegend einzustufen.
Einleitung eines vom Spender ausgehenden Rückverfolgsverfahrens (Look-BackVerfahren)
Nach §63i Abs. 2 AMG sind …….. Reaktionen auf ihre Ursache und Auswirkung zu untersuchen und
zu bewerten und die Ergebnisse der zuständigen Bundesoberbehörde unverzüglich mitzuteilen, ebenso
die Maßnahmen zur Rückverfolgung und zum Schutz der Spender und Empfänger.
Vorbemerkung zu den Meldebögen
Eine übertragbare Erkrankung beim Spender ist eine schwerwiegende unerwünschte Reaktion im
Sinne von §63i (7) AMG. Sie ist daher nach § 63i (2) AMG unverzüglich spätestens aber innerhalb von
15 Tagen der Bundesoberbehörde zu melden. Dies gilt in erster Linie für Mehrfachspender. Die
Meldung nach §19 TFG an die zuständige Landesbehörde und die epidemiologische Meldung nach
§22 TFG an das RKI bleiben davon unberührt. Rückverfolgsverfahren
Die Rückverfolgung ist entsprechend den Voten 34, 35 und 42 des Arbeitskreises Blut für HBV, HCV,
HIV durchzuführen:
- Nach
Votum
34
wird
das
Rückverfolgungsverfahren
eingeleitet,
wenn
sich
aus
Untersuchungen nach 2.2 bei einem Mehrfachspender der begründete Verdacht nach 2.4
einer Infektion ergibt und vorausgehende Spenden ermittelt wurden. Solange die Infektion
des Spenders durch weitere Untersuchungen nicht bestätigt ist, ist eine Meldung nicht
erforderlich.
- Die Einleitung eines Rückverfolgungsverfahrens kann sich entsprechend dem Votum 34 auch
ergeben, wenn nachträglich Zweifel an der Validität eines verwendeten Testsystems
aufkommen oder sich der begründete Verdacht einer Infektion infolge anamnestischer
Angaben, von Symptomen oder einer Erkrankung ergibt.
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Die Meldung für Mehrfachspender umfasst:
Meldebogen 3a: Einleitung des Rückverfolgungsverfahrens
Meldebogen 3b: Abschluss des Rückverfolgungsverfahrens
Ergibt sich im Laufe eines Rückverfolgungsverfahrens nach V 34 6.3/6.5/6.13 bei der Untersuchung
von Nachuntersuchungsproben, von weiteren verfügbaren Proben aus Blutentnahmen des Spenders
oder eines Empfängers der begründete Verdacht auf Infektiosität bei früheren Spenden, wird der
Rückverfolgungszeitraum erweitert (erweitertes Rückverfolgungsverfahren). Handelt es sich um einen
Erstspender ist optional eine Anzeige auf dem Meldebogen 3a mit entsprechender Dokumentation
erforderlich.
Entscheidet
die
verantwortliche
Person
die
Einleitung
eines
vom
Spender
ausgehenden
Rückverfolgungsverfahrens wegen eines anderen Erregers (z. B. Prionen, Plasmodium, etc.), der zu
schwerwiegenden Krankheitsverläufen führen könnte, so soll dies auf den Meldebögen entsprechend
dokumentiert werden. Insbesondere der Verdacht auf die neue Variante der Creutzfeldt-JakobKrankheit bei Blut- und Plasma-Spender sollte unverzüglich dem PEI (siehe Meldebogen 1a und 3a)
und dem RKI gemeldet werden, damit die Abklärung in den nationalen Referenzzentren beschleunigt
werden kann. Solange der Verdachtsfall auf vCJD nicht abgeklärt wurde, dürfen Blutprodukte dieses
Spenders nicht freigegeben bzw. ausgeliefert werden. Mit der Bestätigung des Verdachtsfalls auf
vCJD muss ein sofortiger Rückruf aller ausgelieferten Produkte erfolgen, einschließlich aller
betroffenen Arzneimittel, die im Rahmen eines Fraktionierungsverfahrens hergestellt wurden (siehe
2.1.1 und 2.1.6 Votum 33 des Arbeitskreises Blut).
Adresse:
[email protected]
Tel.: 06103 – 77 3116
Fax.: 06103 – 77 1268
Paul-Ehrlich-Institut,
Abteilung S: Arzneimittelsicherheit,
Referat S2: Pharmakovigilanz II
Paul-Ehrlich-Strasse 51-59, 63225 Langen, Germany
Ansprechpartner im Paul-Ehrlich-Institut:
Dr. A. Lohmann
[email protected]
Telefon: +49 6103 77 3116
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