Bauen mit Ziegeln Beispiele aus der Praxis, konstruktive Umsetzung im Detail Prof. Dipl.-Ing. Oskar Spital-Frenking Architekt und Stadtplaner BDA, Fachhochschule Trier Mit Steinen bauen. Es ist eine Jahrtausend alte Tradition Gebäude aus Ziegeln zu errichten. Der Ziegel ist ein allgemein bekannter und erprobter Baustoff. Aber ist es heute zeitgemäß, aktuell, modern mit einem solchen traditionellen Material zu arbeiten? Die jüngsten Beispiele wie die Repräsentationsgebäude bekannter deutscher Automobilmarken scheinen einem ganz anderen Zeitgeist zu entsprechen. Spektakulär und entsprechend gern gesehen bei den Medien sind Architekturen, die etwas noch nie da Gewesenes, etwas Neues präsentieren können. Die Entwicklung des digitalen Entwerfens und Konstruierens führt zu Architekturformen, die früher in der Form nicht möglich und umsetzbar gewesen wären. Es entstehen neue Produktions- und Montagemethoden, die eine völlig neue Zeit architektonischen Gestaltens zu eröffnen scheinen. Wird das Bauen mit traditionellen Baustoffen unzeitgemäß, unmodern? Man kann über den Begriff des Modernen philosophieren. Sicherlich hat jede Zeit das Recht auf das Experiment. Neue Wege ausloten, bestehende Grenzen sprengen oder überschreiten ist notwendig, wenn es eine kulturelle und technische Weiterentwicklung geben soll. Dieser Anspruch, etwas Neues zu wagen, sollte immer gestellt und eingefordert werden. Aber die Entwicklung der Baukultur muss nicht zwangsweise mit einem Bruch des zuvor Bestehenden und Tradierten verknüpft sein. Moderne Architektur ist auch weiterhin mit traditionellen Materialien und mit handwerklich geprägter 1 Bauweise möglich. Das Suchen nach einem zeitgemäßen architektonischen Ausdruck kann sehr wohl auf die Erfahrungen und das Wissen langjährig bekannter Baukonstruktionen und Materialverwendung zurückgreifen. Ein eindrucksvolles Beispiel für die Verwendung des Ziegels ist das in diesem Jahr neu eröffnete Museum Kolumba in Köln von Peter Zumthor. Ein weiteres, älteres Beispiel sind die Gebäude von Erwin Heerich in Hombroich, ebenfalls aus Ziegelsteinen errichtet. 2 Eine Architektur, die auf traditionellen Materialien und Bauweisen aufbaut und versucht, diese entsprechend den aktuellen Anforderungen und Vorstellungen zu modifizieren, hat den großen Vorteil, dass sie auf bestehende Erfahrungen mit dem Material und dessen Verwendung zurückgreifen kann. Es gibt ein umfangreiches Wissen über mögliche Schäden, über die Dauerhaftigkeit und Alterungsbeständigkeit, über Reparaturmethoden, das hilft, grundsätzliche Fehler zu vermeiden und somit ein Gebäude zu einer dauerhaft wertvollen Immobilie zu machen. Architektur sollte nicht nur an dem Tag ihrer feierlichen Einweihung schön sein, sondern auch über einen möglichst langen Zeitraum wertvoll bleiben. Dieses ist nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu fordern, sondern auch unter dem Aspekt, unseren begrenzten Schatz an Ressourcen möglichst langlebig verwerten zu wollen. Es soll an dieser Stelle nicht darum gehen, einseitig oder polarisierend Partei für eine bestimmte Art des Bauens oder der Materialverwendung zu beziehen. Eine dogmatische Position kann ein einzelnes Büro für sich formulieren - da ist jeder in seiner Entscheidung und Festlegung frei. Aber im Allgemeinen gilt das 3 „sowohl als auch“, die Pluralität der Möglichkeiten, die nebeneinander bestehen und praktiziert werden sollten. Es geht an dieser Stelle darum, zu zeigen, dass eine moderne Architektur heute nach wie vor mit dem Baustoff Ziegel möglich ist und wie man sie umsetzen kann. Es gibt viele gute Gründe dafür, mit Ziegeln zu bauen. Ziegel sind ein sehr dauerhaftes Material. Gebäude, die mit Ziegelsteinen verkleidet sind, haben für diesen Teil der Gebäudehülle fast keinen Pflegeaufwand mehr. Der Ziegel als Verblendmauerwerk ist extrem alterungsbeständig. Das Erscheinungsbild verändert sich über Jahre und Jahrzehnte nicht und wenn doch, liegt es an einem Umfeld mit extremer Luftverschmutzung. Davon bleibt kein Material unbetroffen. Sollte eine solche Verschmutzung eintreten, kann sie bei einem Ziegelmauerwerk mit einfachen Mitteln abgewaschen werden. Der schwächste Punkt eines Verblendmauerwerks sind die Fugen. Erfahrene Handwerker sollten die Verfugung ausführen. Es ist auch zu empfehlen, die Fugen in regelmäßigen Abständen zu prüfen. Es können sich über die Jahre an den Fugen vereinzelte Schäden bilden. Diese Fehlstellen führen zu einem Wassereintrag an die Flanken der Ziegelsteine und dort zu Schäden an den Steinen. Die in der Regel nur vereinzelt auftretenden Fugenschäden können lokal repariert werden, Und bei einer fachgerechten Ausführung wird das Erscheinungsbild der Fassade dadurch nicht gestört. Eine Ziegelsteinfassade bietet die Möglichkeit einer späteren Veränderung, wenn zum Beispiel ein neues Fenster angelegt, eine Öffnung vergrößert oder verkleinert oder ein Bauteil hinzugefügt werden soll. Die technische Ausführung und handwerkliche Umsetzung ist unproblematisch. Es gibt langjährige Erfahrungen, in welcher Form solche Maßnahmen auszuführen sind. Aber die Gestaltqualität einer Ziegelfassade wird dadurch nicht geschmälert , eine sorgfältige Auswahl der Ersatz- oder Ergänzungsziegelsteine und eine sorgfältige Ausführung vorausgesetzt. Sollte ein Gebäude sein Lebensende aus welchen Gründen auch immer einmal erreicht haben, so sind die Ziegel wieder verwendbar. Die Wiederaufbauarbeiten von Hans Döllgast in München wie die Alte Pinakothek, 4 St. Bonifaz, der Alte Südfriedhof und der Alte Nordfriedhof sind hierfür wunderbare Beispiele. Natürlich ist eine Wiederverwendung von Abbruchmaterial heute in der Regel nicht wirtschaftlich, da der Aufwand an Handarbeit dabei zu groß ist. Aber wer sagt, dass sich die Zeiten nicht wieder ändern. Bei Ziegelmaterial ist eine Wiederverwendung möglich. Und sieht wunderbar aus. Die Aspekte der Dauerhaftigkeit, der Veränderbarkeit während des Bauens und in der Zukunft und die Reparaturfähigkeit gelten in gleicher Weise für das tragende Mauerwerk der Fassade und für die tragenden und nicht tragenden Innenwände aus Ziegelsteinen. Ziegel ist ein sehr langlebiges Material. Am 26. Juli 2007 wurde im Bundesgesetzblatt die Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung – EnEV) ausgegeben. Die Verminderung der Umweltbelastung, der schonende Umgang mit den Ressourcen und der Klimaschutz sind aktuelle Probleme, die auch auf dem Gebiet des Bauens Antworten erwarten. Neben den bekannten Forderungen für einen ausreichenden Wärmeschutz in den kalten Jahreszeiten sind es nun 5 auch die energetischen Aufwendungen, die für eine Kühlung und Belüftung eines Gebäudes aufgrund von Wärmebelastung in einem Gebäude bewertet werden müssen. Welchen Stellenwert nimmt hierbei die Bauweise mit Ziegeln ein? Sowohl einschalige wie zweischalige Außenwandkonstruktionen mit Ziegelsteinmauerwerk sind sehr gut für den winterlichen Wärmeschutz geeignet. Die Wienerberger Ziegelindustrie hat das Ziegelsystem Poroton soweit entwickelt, dass eine Vielzahl von Produkten wie zum Beispiel Winkelziegel, Anschlagziegel und Anfangsziegel zur Verfügung stehen, mit denen die Anforderungen prinzipiell und in der Detailausführung erfüllt werden können. So hat eine 36,5 cm starke, massive Außenwand aus dem Material Poroton-T 12 bereits eine hervorragende Wärmedämmeigenschaft, bei der keine zusätzliche Dämmung mehr benötigt wird. Diese Dämmeigenschaft wurde durch Ziegel wie dem Poroton-T 9 und Poroton-T 8 mit Perlitfüllung, welche aus Vulkangestein hergestellt wird, noch deutlich verbessert. Dieses Material ist baubiologisch unbedenklich und kann im Fall eines Abbruchs als gewöhnlicher Bauschutt entsorgt werden. Es ist eine sympathisch einfache Bauweise, haltbar und stabil. Im Gegensatz zu vielen mehrschichtigen Konstruktionen und Verbundbaustoffen muss man keine Angst haben, dass sie später teuer entsorgt werden muss und die Umwelt als Sondermüll belasten wird. Bei der energetischen Betrachtung eines Gebäudes wurde das Problem der Wärmeabführung durch Sonneneinstrahlung im Sommer in den letzten Jahren immer wichtiger. Die starke Beeinträchtigung der Nutzungsqualität von hochtransparenten Gebäuden ist im Beitrag von Werner Eicke-Hennig „Glasarchitektur – Zur Energieeffizienz von Glasfassaden“ bei den KlinkerFachsymposien 2007 „Fassade & Pflaster“ dargestellt worden. Um die in einem Gebäude entstehenden Wärmelasten ohne übergroßen Energieaufwand nutzungsverträglich abführen zu können, sind große Speichermassen hilfreich. Ziegelarchitekturen können dieses bei geeigneter Gebäudegestaltung hervorragend leisten, da sie die notwendige Speicherfähigkeit bieten können. Ziegelwände bieten eine gute Voraussetzung für eine gutes Raumklima mit hoher Behaglichkeit. Das Bauen mit Ziegeln hat nach wie vor eine große Zukunft. Unserem Büro ist die einfache Art der Konstruktion, die Massivität des Baustoffes, die Möglichkeit, Gebäude auch mit kleineren regionalen Baufirmen ausführen zu können, sehr wichtig. Das Bauen mit Ziegeln hat eine Vergangenheit und eine Zukunft. Bildnachweis Kolumba: Petersen Tegl Egernsund A/S, Petersen 19 Herbst 2007 Hombroich: Erwin Heerich, Museum Insel Hombroich, Hrsg. Kunsthaus Bregenz, Verlag Gerd Hatje, Stuttgart Döllgast: Architektur und Denkmal, Oskar Spital-Frenking, Alexander-Koch-Verlag