Programm 2013-11-26

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Aus Böhmen und Mähren
PROGRAMM
Josef Suk (1874-1935)
Meditation über den altböhmischen Choral «Svatý Václave (St.
Wenzel)» für Streichquartett, op. 35a (1914) *
Adagio, ma con moto
Leoš Janáček (1854-1928)
Streichquartett Nr. 1, angeregt durch L. N. Tolstois «KreutzerSonate» (1923)
Adagio – Con moto
Con moto
Con moto – Vivace – Andante – Tempo I
Con moto – Adagio – Più mosso
Antonín Dvořák (1841-1904)
Zwei Walzer für Streichquartett A-dur und D-dur, op. 54/1 und 4,
B 105 (1879/1880) *
Moderato – più mosso
Allegro vivace
—
Antonín Dvořák
Streichquartett Nr. 11, C-dur, op. 61, B 121 (1881)
Allegro
Poco adagio e molto cantabile
Scherzo. Allegro vivo – Trio. L’istesso tempo
Finale. Vivace
I – VII
* Erstmals in unseren Konzerten
Nächste Konzerte:
Dienstag, 28.01.2014 (A)
Arditti String Quartet (London)/Franziska Hirzel, Sopran
Webern, Berg, Schönberg
Dienstag, 18.02.2014 (B)
Belcea Quartet (London)
Purcell, Britten, Mozart
Dienstag, 25.02.2014 (A)
Artemis Quartett (Berlin)
Brahms op. 67 und 51/1, Kurtág, Officium breve
Josef Suk war als Geiger Schüler von Antonín Bennewitz und
später Kompositionsschüler von Dvořák, zudem nach der Heirat
mit dessen Tochter Ottilie auch sein Schwiegersohn. Der gleichnamige Geiger (1929-2011) war sein Enkel und somit ein Urenkel
Dvořáks. Schüler Suks seinerseits war Bohuslav Martinů. Suk war
Gründer des Tschechischen Quartetts, in dem er vierzig Jahre
lang die 2. Violine spielte und mit dem er in fast ganz Europa
konzertierte. Als Komponisten kennt man ihn bei uns nicht besonders gut, während er in Tschechien als Sinfoniker Geltung hat.
Zunächst in der Dvořák-Nachfolge stehend, entwickelte er sich
später durchaus fortschrittlich bis an die Grenzen der Atonalität.
Neben Sinfonischen Dichtungen und der grossen «Asraël»Sinfonie, schrieb er auch einiges an Kammermusik, so in jungen
Jahren je ein Klavierquartett, -trio und -quintett (opp. 1, 2 und 8).
1896 und 1911 kamen zwei Streichquartette (op. 11 und 31)
hinzu. Unter dem Eindruck des Ausbruchs des 1. Weltkriegs
komponierte Suk, der sich für die Unabhängigkeit Tschechiens
von Österreich-Ungarn einsetzte, im Sommer 1914 an nur einem
Tag die Meditation über den mittelalterlichen St. Wenzel-Choral
für Streichquartett (für sein eigenes natürlich). Wenzel ist der
Schutzpatron Böhmens. Wenig später hat er sie auch für Streichorchester eingerichtet (Umformung der Viola- und Cello- und
Hinzufügung einer Kontrabass-Stimme). Er verwendete eine
spätere, phrygische Variante des Chorals, die 1668 erschienen
war. Suk komponierte vier Episoden, welche den vier Choralteilen
entsprechen. In der dritten stützt sich Suk mit starker expressiver
Steigerung auf die Melodie der Textpassage des Chorals «Lass
uns und unsere Nachkommen nicht zugrunde gehen.» Die vierte –
sempre più largamente – gibt der Zuversicht Ausdruck und endet
beinahe mystisch in A-dur.
Josef Suk, der mit seinem Quartett Janáčeks 1. Streichquartett
1924 uraufführte, verdanken wir (so der Janáček-Biograph Jaroslav Vogel) das Wissen, «dass Janáček das 1. Streichquartett als
einen sittlichen Protest gegen den Despotismus des Mannes im
Verhältnis zur Frau verstanden wissen wollte. Und so interpretiert
und widerlegt Janáček Tolstoi in einem Atemzug. Während der
russische Dichter in seiner Kreutzersonate der Musik unsittliche
Wirkung zuschreibt, erscheint hier mit erschütternder Wirkung
Musik als das Gewissen der Menschheit.» Janáčeks Kammermusik
ist, darin wohl nur der Smetanas vergleichbar und unter diesem
Eindruck verständlich, von persönlichem Erleben geprägt. Während er im 2. Quartett das eigene Liebeserlebnis verarbeitet,
verwandelt er im ersten eine literarische Liebestragödie in ein
subjektives Bekenntniswerk. Die Erregung über Tolstois Schilderung hatte ihn bereits 1908 zu einem Klaviertrio angeregt, das er
aber vernichtet hat (teilweise erhalten und rekonstruiert). «Aus
einigen Gedanken daraus entstand das Quartett», schrieb er 1923
an seine Vertraute und Geliebte Kamila Stösslová, die ihrerseits
fünf Jahre später Anlass zum 2. Quartett des Vierundsiebzigjährigen werden sollte. Das 1. Quartett ist zwar viersätzig, entspricht
aber nicht dem klassischen Schema: keine Sonatenform und keine
gängige thematische Verarbeitung. Gemäss Dietmar Holland ist
der 1. Satz ein Porträt der Frau, der 2. schildert ihr verhängnisvolles Zusammentreffen mit dem Geiger, der 3. enthüllt mit drastischer Deutlichkeit den Widerspruch zwischen der echten Liebe
der Frau und der Eifersucht des Mannes, und der 4. Satz vereinigt
die Katastrophe mit der Katharsis. Vielleicht sind die vier Sätze in
der Art von vier Akten eines Dramas gemeint.
Im Dezember 1879 komponierte Dvořák acht Walzer für Klavier, hübsche, melodiöse und äusserst erfolgreiche Stücke, sein
op. 54. Zwei davon, die wohl eingänglichsten, setzte er im
Februar darauf auch für Streichquartett – und in dieser Form
leben sie heute, gerne als Zugaben gespielt, munter weiter. Im
ersten herrscht leichte Sentimentalität, die in den raschen
Zwischenpassagen weggewischt wird, aber nicht umzubringen
ist. Der zweite, im Klavieroriginal die Nr. 4 in Des-dur, in der
Streicherversion mit Kontrabass ad libitum in D-dur, scheint in
der Einleitung ebenfalls auf Sentimentales hinzusteuern, wird
dann aber zum schwungvollen Tanz. Eine Variante in A-dur gibt
sich etwas ruhiger. Und mit der Zeit merkt man, dass auch der
vermeintlich sentimentale Beginn schwungvolles Potential
aufweist und zum Schluss in Kürze sogar für den Kehraus
besorgt ist.
Dvořáks C-dur-Quartett op. 61 ist eher selten zu hören und
wird auch gelegentlich kritisiert. Alec Robertson befindet in
seiner Dvořák-Biographie von 1945 (deutsch 1947): «Für das Cdur-Quartett kann man Bewunderung, aber keine Liebe empfinden.» Vielleicht lag es an der Entstehungsgeschichte. Das
Quartett war ein Auftrag des Wiener Geigers Joseph Hellmersberger jun. von 1881. Dvořák sah keinen Grund zur Eile, arbeitete er doch gerade an seiner Oper Dimitrij. Da erfuhr er aus
der Presse, dass das Hellmersberger-Quartett sein Werk am 15.
Dezember in Wien aufführen werde. Er machte sich rasch ans
Werk und schrieb das Stück zwischen dem 25. Oktober und 10.
November. Das erklärt wohl, warum Dvořák auf frühere, nicht
verwendete Sätze zurückgriff. Der Kopfsatz dagegen entstand
gleich zweimal; die erste Komposition in F-dur wurde verworfen. Dazu mag ein gewisser Druck gekommen sein, Musik für
Wien und Wiener Musiker zu schreiben – wie konnte man da an
den Grossen der Wiener Komponisten vorbeikommen? Man hat
im Kopfsatz des Quartetts intensive Auseinandersetzung mit
dem Beethoven des op. 59 festgestellt, ausserdem im langsamen Satz mit Schubert. So ist es eben kein slawisches Werk
geworden, sondern eines auf den Spuren der Wiener Klassik.
Dvořák verzichtete bewusst auf den slawischen Tonfall, der das
vorangehende op. 51 geprägt und zum Erfolg geführt hatte. So
ist der 3. Satz ein reines Scherzo (à la Beethoven) und kein
«slawischer Tanz». Einzig im Schlusssatz bringt eine skocna ein
böhmisches Element hinein, das befreiend wirkt. Der grandiosoSchluss scheint dann doch wieder mehr sein zu wollen als
slawisches Gefühl und Spielfreude. Die Kritik bedauerte den
Verzicht auf das Slawische und bewertete das Werk eher ungünstig: Dvořák hatte eben slawisch-natürlich zu komponieren
und nicht kunstvoll-gesucht! Er selber war anderer Meinung,
nannte er das Werk doch «von meinen Kammermusikstücken
das grösste und das vollendetste». – Der Clou der Sache: Wegen des Brandes des Wiener Ringtheaters am 8. Dezember
1881 mit offiziell 384 (oder mehr) Toten hatte Kaiser Franz
Joseph Staatstrauer angeordnet; Konzerte durften keine stattfinden. Die Uraufführung erfolgte erst am 2. November 1882
(Veröffentlichung bereits im Februar) durch das JoachimQuartett – in Berlin! Wie wäre das Quartett herausgekommen,
hätte Dvořák dies gewusst? Gut berlinerisch oder doch eher wie
das 1879 für Berlin komponierte op. 51 echt böhmisch?
rs
88. Saison, 8. Konzert, Zyklus B
Stadtcasino Basel, Hans Huber-Saal, 19.30 Uhr
Apollon Musagète Quartett (Wien)
Pawel Zalejski, Violine
Bartosz Zachłod, Violine
Piotr Szumieł, Viola
Piotr Skweres, Violoncello
Kammermusik Basel
Konzerte 2013/2014
8
21.1.2014
Apollon Musagète
Quartett (Wien)
Wir danken für die namhafte Unterstützung durch:
Vorverkauf
Stadtcasino, 061 273 73 73
Bider&Tanner/Musik Wyler, 061 206 99 96
starticket, www.starticket.ch
Abendkasse
Stadtcasino
Veranstalter
Gesellschaft für Kammermusik
Malzgasse 15, CH–4052 Basel, 061 461 77 88
www.kammermusik.org
In Zusammenarbeit mit Radio SRF 2 Kultur
© Marco Borggreve
2008 gewann das 2006 von vier polnischen Musikern gegründete Apollon Musagète Quartett nicht nur den ersten Preis,
sondern beinahe alle Sonderpreise beim 57. Internationalen
Musikwettbewerb der ARD. Schnell etablierte es sich als feste
Grösse in der europäischen Musikszene und begeistert Publikum und Presse mit mitreissenden und berührenden Interpretationen. 2010 debütierte es in der Berliner Philharmonie; es
gastierte mit grossem Erfolg in den bedeutenden Konzerthäusern von Athen, Köln, Paris, Brüssel, Stockholm, Amsterdam,
Luxemburg, Wien, Barcelona und beim Lucerne Festival. Die
Saison 2013/14 führt es nach London, New York, Leipzig, Paris,
Zürich – und Basel. Das AMQ absolvierte die European Chamber Music Academie; wichtige Impulse erhielt es von Johannes
Meissl, Hatto Beyerle und von Mitgliedern des Alban Berg
Quartetts. Das Quartett arbeitete mehrfach mit Mitgliedern des
ABQ, mit Angelika Kirchschlager und mit Martin Fröst zusammen. Auch die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponisten ist für das Quartett von grosser Bedeutung. So führt es
regelmässig ihm gewidmete Werke auf, die oft auf die Thematik
des Musenführers Apollon Bezug nehmen. Auch ihre Eigenkompositionen «Multitude for String Quartet» und «A Multitude
of Shades» integrieren die Musiker immer wieder in ihre Programme und begeistern damit ihr Publikum. Die Debüt-CD von
2010 erhielt mehrere Preise. In dieser Saison erscheint ebenfalls bei OehmsClassics die zweite CD mit Werken von
Tschaikowsky, Prokofieff und Schostakowitsch. Das AMQ hat
mit dem BBC Symphony Orchestra London auch Martinůs
Konzert für Streichquartett und Orchester aufgenommen. Für
Decca spielte es Werke von Lutosławski, Penderecki und
Górecki ein und erhielt auch dafür glänzende Kritiken der
Fachpresse. Über seine reguläre Konzerttätigkeit hinaus arbeitet das Quartett intensiv mit der Sängerin Tori Amos zusammen
und hat entscheidend bei deren mit dem Echo 2012 ausgezeichneten CD «Night of Hunters» mitgewirkt. In der Süddeutschen Zeitung hiess es im November 2010: «Wenn Apollon
nicht die Leier, sondern Violine spielen würde, dann klänge es
bestimmt so.»

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