Die Forensik geht uns alle an - Landesverband Hessen der

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Die Forensik geht uns alle an
Wie gehen wir mit psychisch kranken Rechtsbrechern um?
Angehörigentagung des LV Hessen ApK
(23. 04. 2016 in Frankfurt/M)
Dr. Gerwald Meesmann, Konstanz
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Was heißt Forensik?
• „Forensik“ steht hier für „Forensische Psychiatrie“ (FP), in die straffällige
psychisch kranke oder suchtkranke Menschen eingewiesen werden, wenn
sie „gefährlich“ sind, d. h. von ihnen weitere erhebliche Straftaten zu erwarten sind.
• „Maßregelvollzug“ (MRV) ist die Durchführung der strafrechtlichen Unterbringung und findet in „Kliniken für forensische Psychiatrie“ statt.
• Die Voraussetzungen der strafrechtlichen Unterbringung sind bundesrechtlich (im StGB), der Maßregelvollzug ist landesrechtlich (in den MRVbzw. PsychKranken - Gesetzen der Bundesländer) geregelt.
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Tatfolgen – „keine Strafe ohne Schuld“
• Selbstbestimmungsrecht – Verantwortung für das eigene Handeln
• Ausnahmen: Kinder (bis 14 Jahre); für Jugendliche (14 – 17 Jahre) gilt JGG, u. U. auch für
Heranwachsende (18 – 20 Jahre)
• Handeln ohne Schuld (§ 20 StGB), bei geminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB)
(ohne Schuld handelt, wem die Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit fehlt)
• Strafen dienen der Abschreckung und Sühne, Maßregeln der „Besserung
und Sicherung“ d. h. Behandlung und Prävention/Gefahrenabwehr
• Strafen sanktionieren begangene Taten, Maßregeln sollen künftige
Straftaten verhindern
3
Freiheitsentziehende Maßregeln im StGB
• § 63 - Unterbringung in einem „psychiatrischen Krankenhaus“ mit dem Ziel,
die - durch ein Prognosegutachten festgestellte - krankheitsbedingte Gefährlichkeit zu
beseitigen/verringern; behandelt wird die zur Tat führende psychische Störung;
• § 64 – Unterbringung in einer „Entziehungsanstalt“ mit dem Ziel, die suchtbedingte Gefährlichkeit zu beseitigen/verringern; behandelt wird die Sucht;
• § 66 - Sicherungsverwahrung (SV) nach dem Therapieunterbringungsgesetz (THUG) ; die SV betrifft schuldfähige Täter, sie wird bei besonders schweren
Straftaten neben der Gefängnisstrafe im Urteil angeordnet oder vorbehalten und in
gesonderten Einrichtungen (weder Gefängnis noch MRV) vollzogen.
4
Unterschiede § 63 < > § 64 StGB
§ 63
§ 64
•
psychisch krank
< >
suchtkrank (Problem „Doppeldiagnosen“)
•
unabhängig von Heilaussicht
< >
nur bei Aussicht auf Heilung
•
unbefristet (solange gefährlich)
< >
befristet (2 Jahre)
•
i. d. R. keine Parallelstrafe
< >
i. d. R. Parallelstrafe
•
jährliche Überprüfung
< >
halbjährliche Überprüfung
(gemindert achuldfähig)
5
Vorurteile und Ängste in der Gesellschaft
• Psychisch krank = gefährlich?
• Zahlen (2014):
1.200.000 stationär in AP
-
90.000 Psychosen in AP
32.000 Persönlichkeitsstörung in AP 450.000 Suchtkranke
-
7.600 psychisch Kranke in FP (ohne Suchtkranke)
3.300 Psychosen in FP
2.300 Persönlichkeitsstörung in FP
3.500 Suchtkranke in FP
• Medienwirksamkeit (Bild: „Monster gehören in die Psychiatrie“)
• Gesellschaftlicher Klimawandel führt zu verschärften Gesetzen und
restriktiverer Praxis der Akteure (Gerichte, Gutachter, Kliniken) Zahl der Forensik-Patienten seit 1985 nahezu verdreifacht)
Vorurteile und Ängste entsprechen nicht den Fakten, bestimmen aber das
politische Handeln!
6
Politischer Aktionismus
• 1. Gesetz z. Bekämpfung von Sexualdelikten u. anderen gefährlichen
Straftaten v. 26.01.1998
• 2. Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen SV v. 21.08.2002
• 3. Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die
sexuelle Selbstbestimmung ... v. 27.12.2003
• 4. BVerfG erklärt Gesetz gem. Zif. 1 für verfassungswidrig
• 5. Gesetz zur Einführung der nachträglichen SV v. 23. 07.2004
• 6. Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht u. Änderung der Vorschriften
über die nachträgliche SV v. 13. 04. 2007
• 7. Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherheitsverwahrung v. 22. 12.
2010 , das in Art. 5 das
• 8. Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter
Gewalttäter (ThUG) v. 22.12.2010 umfasst.
Wohin das geführt hat zeigt folgende Grafik:
7
8
Prof. Heinz
Aufgrund strafrichterlicher Anordnung gem. § 63 StGB Untergebrachte - Stichtagsdaten jew. 31.3. (abs.
Zahlen). Früheres Bundesgebiet, seit 1996 mit Gesamtberlin
abs. Zahl
6.000
KONSTANZER
INVENTAR
SANKTIONSFORSCHUNG
5.000
§ 63 Bestand
§ 63 Abgänge
§ 63 Zugänge
4.000
3.000
2.000
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
1.000
0
1962 65
abs. Zahl
4.413
Stichtagszahlen - 31.3.
1970
4.222
75
3.494
1980
2.593
85
2.472
1990
2.489
95
2.902
2000
4.098
2005 08
5.640 6.287
9
Köln-Porz
10
Köln-Porz
11
Herne
12
Günzburg
13
Neubau Günzburg
14
Günzburg, Modell
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Wege in die Forensik der oft schmale Grat zwischen AP und FP
Beispiele
(Gewalt in der Familie; Polizeieinsatz mit/ohne Gegenwehr)
- Zwangseinweisung mit Gegenwehr
- Frühere stationäre AP
- aus der AP in die FP
(vorzeitige Entlassung, mangelnde Nachsorge)
(Toleranz sinkt gegenüber schwierigen Patienten)
- aus dem Strafvollzug in die FP
- aus Heimen oder Betreutem Wohnen in die FP
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Psychiatrische Vorgeschichte der Forensik-Patienten
(Zahlen f. Hessen, 2004; Quelle: Freese, Forensische Fachambulanz Hessen)
- 75 % mit vorausgehenden Klinikaufenthalten in der AP
- Einweisungsdelikt unter Behandlung!
AP, ambulant
AP, stationär
Heim, BeWo
1990
6,8%
3,4%
1%
1995
7,3%
3,2%
8,1%
2000
6,9%
7,5%
15,7%
2004
5,3%
10,5%
34,7%
__________________________________________________________________________________
15,3%
18,6%
30,1%
50,5%
17
Warum die Forensik uns alle angeht
• Ängste und Vorurteile in der Gesellschaft („Monster gehören in
die Psychiatrie“; „Wegsperren für immer“; Standortdiskussionen bei
Neubauten)
• Defizite der allgemeinpsychiatrischen Versorgung („blutige
Entlassung“; ungenügende (insbes. aufsuchende) Nachsorge; fehlende
(Gewalt-) Prävention, um Risiko der Straffälligkeit zu erkennen/zu mindern.
• Der schmale Grat zur Straffälligkeit (Gewalt in der Familie; „Ausrasten“; Panik-Reaktionen; Auffälliges Verhalten in der Öffentlichkeit)
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Systemkritik
- fehlende Prävention, um Straffälligkeit zu vermeiden
- Fixierung auf stationäre Maßnahmen (ambulant vor stationär) und damit
Inkaufnahme unnötiger Hospitalisierung
- Unterschiedliche Anordnungspraxis und Verweilzeiten von Land zu Land und Klinik
zu Klinik (ultima-ratio-Gebot)
- Unterschiedliche Vollzugsgesetze der Länder
- Unterschiedliche Einschränkungen in den Kliniken (Minimierungsgebot)
Probleme des Maßregelvollzugs: Behandlung im Zwangsrahmen; Ausgliedern mit dem
Ziel der Wiedereingliederung; statt „Besserung“ Hospitalisierungsschäden; Lebenszeit
statt Krisenzeit; Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit.
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20
Was geschieht in der Forensik (Maßregelvollzug)?
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Der Fall „Mollath“ und seine Folgen
• Perspektivwechsel – der Betroffene als Opfer
• Kritikpunkte der öffentlichen Diskussion
- Dauer der Unterbringung (Befristung)
- Überprüfungsfristen
- Gutachtenpraxis (externe Gutachter)
• Gesetzgeber reagiert, statt zu reformieren (Novelle statt Reform)
- keine Befristung, dafür häufigere Überprüfung in Relation zur
Schwere der Anlasstat
- Qualifizierung der Gutachter und Qualität der Gutachten
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Reformbedarf
BVerfG v. 04. 05. 2011 zur Sicherheitsverwahrung
• „ambulant vor stationär“ (Ultima-Ratio-Gebot) - das Gesetz muss
Alternativen zum stationären Maßregelvollzug vorsehen
•
Grenzen der „Maßregelung“ (Minimierungsgebot) – die Rechte der
Patienten dürfen nicht mehr als nötig eingeschränkt werden (Beispiele:
Medien, Computer, Selbstversorgung); unterschiedliche Gesetze der
Länder und deren Handhabung in den Kliniken
• Effektiver Rechtsschutz (Rechtsschutzgebot) - während des Maßregelvollzugs muss eine kompetente rechtliche Begleitung des Patienten
gewährleistet sein (Modell der Patientenanwaltschaft in Österreich)
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Prävention
• Straffälligkeit vermeiden (Risikogruppen)
• Führungsaufsicht und Bewährungshilfe
• Präventionsangebote (Präventionsambulanzen; „Stopp die Gewalt in Dir“;
BIOS – Behandlungsinitiative Opferschutz; „kein Täter werden“)
• „ambulante Infrastruktur“ (Angebote für Vor- und Nachsorge)
Reform muss an den Ursachen der Fehlentwicklung ansetzen,
nicht an deren Folgen – wenn man die „Wege in die Forensik“
kennt, kann und muss man sie vermeiden – wo immer möglich!
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"Initiative Forensik"
Eine Initiative der Angehörigen-Selbsthilfe
Wer sind wir, was machen wir, unsere Ziele
Wir sind Angehörige und Freunde
von Patienten in der Forensik / im Maßregelvollzug.
Wir begleiten und informieren Angehörige bei der Bewältigung
von Herausforderungen und gewinnen durch den Erfahrungsaustausch.
Wir streben an
das Bild der Forensik in der Öffentlichkeit zu versachlichen und so die
Situation der Angehörigen und der Patienten zu verbessern.
25
Kontakt/Informationen
„Initiative Forensik“: [email protected]
BApk (BV d. Angehörigen psychisch Kranker) : [email protected]
www.bapk.de/Schwerpunkte/Angeh. v. Forensikpatienten
Seelefon: 0180 5950951 ([email protected])
Landesverbände BW (www.lvbwapk.de) und Bayern (www.lvbayern-apk.de)
Dr. Gerwald Meesmann, Hechtgang 19, 78464 Konstanz; Tel.: 07531-34144
[email protected]
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Legitimation von Zwang
• Gewaltmonopol d. Staates (rechtsstaatlich begrenzt; einziges Beispiel für
gesundheitliche Zwangsmaßnahmenbei Epidemien - InfektionsschutzG)
• Notwehr, Notstand und Selbsthilfe (gerechtfertigte oder entschuldbare
Gewaltanwendung zum Schutz eigener oder fremder Rechtsgüter)
• Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
(gilt für den Staat wie für den
einzelnen; Gewaltanwendung muss immer das letzte Mittel bleiben)
• Heileingriff ohne Zustimmung ist - i. d. R. - strafbar
• Unterlassene Hilfeleistung in „Notfällen“
(§ 323c StGB; enge Auslegung; greift nicht, auch nicht bei Lebens-gefahr,
wenn der „einwilligungsfähige“ Betroffene die Behandlung ablehnt)
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Besondere Sicherungsmaßnahmen (z. B. § 21 BBgPsychKG)
1. die Beschränkung des Aufenthaltes im Freien,
2. die körperliche Durchsuchung,
3. die Absonderung in einem besonderen Raum,
4. die Fixierung oder sonstige mechanische Einschränkung der
Bewegungsfreiheit,
5. die einer mechanischen Fixierung in ihrem Zweck und ihren
Auswirkungen gleichkommende Ruhigstellung durch
Medikamente.
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Gewalt und Zwang – Ursache u. Wirkung
• Unterbringungsanlass (Eigen-/Fremdgefährdung; BetreuungsR)
• Aufnahmesituation (Verfassung d. Patienten; Personalbesetzung;
Belegungssituation)
•
•
•
•
•
planbare Behandlung - Notfallsituation
Art der psychischen Störung
Gewalt gegenüber Personal
Gewalt unter Mitpatienten
Stationsordnung (Gewährleistung eines geordneten Miteinander;
Maßnahmen zum Schutz d. Betroffenen, d. Mitpatienten u. Mitarbeiter)
• Deeskalation
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Psychiatrie ohne Zwang ?
•
•
•
•
•
•
Zinkler – Beispiele für – zeitintensive - Überzeugungsarbeit
Finzen – Beispiele für strafrechtlich relevante Behandlung
Marschner - Zwangsbehandlung frühestens nach 3 Tagen !
Wiesbadener Fall – nicht behandelte Patientin tötet Mitpatientin
Psychose – Ausmaß d. Leidens / d. Gefährlichkeit des Patienten
Manie – Bewahrung vor sozialem/finanziellem Ruin
Vermeidung von Zwang; Grenzen, wo dies nicht verantwortbar ist; den
Patienten vor sich selber schützen; Notsituationen; Besonder-heiten der
Zwangsmedikation; Patientenverfügung
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BVerfG (04.05.2011) – zur Vollzugsgestaltung
• Individualisierungs- und Intensivierungsgebot – mögliche Therapien dürfen
nicht aus Kostengründen unterbleiben, auch wenn sie über das standardisierte
Angebot der Einrichtung hinausgehen
• Motivierungsgebot –den psychischen Auswirkungen der unbestimmten Dauer
der Unterbringung (Hospitalisierung) entgegenwirken z. B. durch Anreizsysteme,
Wohngruppen …
• Minimierungsgebot – Vollzugskonzept muss Vollzugslockerungen (diese dürfen
nicht ohne zwingenden Grund zurückgenommen werden) und Entlassvorbereitung
(sozialer Empfangsraum mit u. a. Nachsorgeangeboten und Angeboten des
betreuten Wohnens) umfassen
• Rechtsschutz- und Unterstützungsgebot – ein effektiver Rechtsschutz und die
Beiordnung eines Beistands sind zu gewährleisten
(Patientenfürsprecher, Beschwerdestellen; Patientenanwalt in Österreich)
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BVerfG (04. 05. 2011 zu SV und ThUG
(SV = Sicherungsverwahrung; ThUG = Therapieunterbringungsgesetz)
• Der Grundrechtseingriff ist "auch deshalb äußerst schwerwiegend, weil er
ausschließlich präventiven Zwecken dient und dem Betroffenen - da der
Freiheitsentzug stets nur auf einer Gefährlichkeitsprognose, nicht aber
auf dem Beweis begangener Straftaten beruht - im Interesse der
Allgemeinheit gleichsam ein Sonderopfer auferlegt“ (BVerfG).
• Auch die Unterbringung im Maßregelvollzug erfolgt präventiv, nicht als
Strafe, sondern zur Rückfallvermeidung; es geht nicht um die Schuld,
sondern um die Gefährlichkeit des Betroffenen.
• SV und MRV müssen „freiheitsorientiert“ gestaltet werden, der Weg
zurück in die Gesellschaft muss möglich bleiben (SV nicht lebenslang; MRV
durch Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt).
32
§ 63 Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus
„Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der
Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten
Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an,
wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt,
dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche
rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die
Allgemeinheit gefährlich ist.“
33
Gesetzes-Novelle zum Maßregelrecht (RegEntwurf)
•
•
§ 63 wird wie folgt geändert:
a) Nach dem Wort „Taten“ werden ein Komma und die Wörter „durch welche die
Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet
werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird,“ eingefügt.
•
•
b) Folgender Satz wird angefügt:
„Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne
von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn
besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines
Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.“
34
Gesetzes-Novelle zum Maßregelrecht (RegEntwurf)
•
Nach § 67d Absatz 6 Satz 1 werden die folgenden Sätze eingefügt:
„Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr
verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge
seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die
Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr ei
ner schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn
Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.“
35
MRV und Behindertenrechtskonvention
Art. 14
(1) Die Vertragsstaaten gewährleisten,
b) dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit
anderen die Freiheit nicht rechtswidrig oder willkürlich
entzogen wird, dass jede Freiheitsentziehung im Einklang mit
dem Gesetz erfolgt und dass das Vorliegen einer
Behinderung in keinem Fall eine Freiheitsentziehung
rechtfertigt.
36
Voraussetzungen für die Unterbringung nach § 63 StGB
• „Anlasstat“
• Täter hat „im Zustand der Schuldunfähigkeit“ oder
geminderten Schuldfähigkeit die Tat begangen
• weitere erhebliche Straftaten sind zu erwarten und bedeuten
eine Gefahr für die Allgemeinheit
Schuldunfähigkeit rückblickend, Gefährlichkeit vorausblickend zu beurteilen;
für die Frage der Unterbringung entscheidend ist die Gefährlichkeitsprognose.
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Delikte und Krankheitsbilder - Hessen 2010
38
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