Exot isc he Re s tau r a n t s Orientalische Feinschmecker-Küche im Le Cèdre Bereits mit 27 wanderte der charismatische Libanese Maurice Houraibi in die Schweiz ein. Dabei führte ihn die Reise zuerst von Genf nach Bäretswil, um sich als Angestellter im Gastgewerbe den Lebensunterhalt zu verdienen. Er träumte jedoch vom eigenen Restaurant. In Zürich nahm dieser Traum zu Beginn im Jahre 1997 allerdings höchst abenteuerliche Gestalt an … 28 | swiss-cuisine | Februar 2016 Text und Fotos: Jean-Pierre E. Reinle Fotos: René Frauenfelder W ie sollte es mitten in Zürich möglich sein, eine libanesische Gaststätte zu eröffnen, ohne der Sprache noch den Gesetzen des vorab fremden Landes mächtig zu sein? Zwar brummt das Geschäft in den beiden Lokalen mit dem Namen LeCèdre (die Zeder) inzwischen längst, aber dem war keineswegs immer so. Denn ausschliesslich libanesische Spezialitäten anzubieten, erwies sich am Anfang als zu ambitiös: Die potentiellen Gäste waren sich europäische, asiatische und amerikanische Gerichte gewohnt. Hingegen hatten sie noch kaum je etwas von «Hommos» und/oder «Mezzeh» vernommen. Dazu stiessen Berührungsängste, welche in den 90-er-Jahren besonders ausgeprägt waren. Zitat von Maurice Houraibi aus jener harten «start up»-Zeit: «Es gab Abende, da konnten ich und mein Bruder Chalil lediglich einen einzigen Gast begrüssen. Aber für diesen haben wir gekocht, als hätten wir das ganze Haus voll. Danach sassen wir mehr als Exoti s c he R es tau ran t s einmal der Verzweiflung nahe da und überlegten, wie es wohl weiter gehen könnte …». Der Rettungsanker bestand darin, dass die beiden beschlossen, wie der Vorgänger des Lokals an der Badenerstrasse zumindest mittags weiterhin italienische Menüs anzubieten. Und die Besucher abends Schritt für Schritt von den libanesischen Speisen kosten zu lassen. Auf diese Weise entwickelte sich das Restaurant dann rasch zu einem Geheimtipp, der u.a. auch neugierige Restaurant-Tester wie unseren Autoren anlockte und diesen unmittelbar begeisterten. Weshalb die Geduld des ersten LeCèdre-Teams schliesslich belohnt wurde. Zunehmend fanden sich auch bekannte Persönlichkeiten in der herzlich und aufmerksam geführten Gaststätte ein; und es entstand gar ein ausgesprochener Medienhype rund um diese und deren Inhaber. Selbst heute – mithin 19 Jahre später – hält die Aufmerksamkeit der Medien nach wie vor an. Wesentlich für den Erfolg von Maurice Houraibi sind ausser Geschäftssinn und sprichwörtlichem Fleiss der Zusammenhalt der Familie. Bruder Chalil schwingt seit der Eröffnung 1997 an der Badenerstrasse die Kochlöffel, der zweite Bruder Ibrahim führt das «LeCèdre Bellevue» vis-à-vis vom Hechtplatztheater hinter dem Bellevue, das 2009 eröffnet wurde. Gehobene libanesische Küche als hoher kultureller Wert des Libanons Die libanesische Qualitätsküche gilt als die Feinschmeckerküche des Orients: Sie ist frisch, unverwechselbar originell und gesund. Weshalb in den beiden Lokalen des LeCèdre nur tagesfrische Zutaten in die Küche und auf die Teller kommen. Chef Maurice sucht diese jeden Morgen um 3.00 Uhr(!) eigenhändig auf dem Markt aus und stellt so persönlich die Einhaltung des hohen Qualitäts-Standards sicher. Entgegen skeptischer, absolut unbegründeter Vorurteile, ist die libanesische Küche mild, sehr würzig und äusserst viel- fältig. Sie besteht aus Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Fladenbrot, Reis, Fisch, Lamm-, Straussen- und Rindfleisch, Geflügel, Nüssen, Oliven, Joghurt und Sesam als Hauptzutaten. Und als markante Geschmacksträger gelangen frische Minze, Koriander, Knoblauch und italienische Petersilie zur Anwendung. Viele Speisen sind vegetarisch ausgelegt. Auch halten libanesische Gerichte die Tradition hoch, fettarm zubereitet zu werden. Deren Zubereitung gilt als nahezu künstlerische Leistung, bei der stets hoher Wert auf Frische, Qualität und Aesthetik gelegt wird. Dinieren besitzt im Libanon einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert: Familie, Freunde und Fremde werden zum gemeinsamen Genuss zu Tisch gebeten. Denn sprichtwörtliche Gastfreundschaft ist dort eine Sache der Ehre. Gesellschaft und Tradition Auch das Land selbst ist so vielfältig wie die Küche. Denn der Libanon ist das Tor zum Orient. Dank dessen geografischer Lage, dem Klima und seinen berückenden Naturschönheiten wurde es seit biblischen Zeiten bis heute von Poeten und Reisenden gepriesen. Zudem leben Christen, Drusen und Muslime dort in Eintracht auf engstem Raum zusammen. Ein Grund mehr dafür, dass der Gastfreundschaft des Libanons essenzielle Bedeutung für das Zusammenleben von verschiedenen Völkern zukommt. Aufgrund der konfessionellen Vielfalt im Libanon – laut Maurice Houraibi sollen dort insgesamt 19 unterschiedliche Religionen gepflegt werden – gelten sowohl muslimische als auch christliche Feiertage für die integrale Bevölkerung. In der Tat beispielhaft! Weshalb im Gespräch mit dem LeCèdre-Chef dessen starker Wunsch spürbar ist, unterschiedlichste Kulturen für ein funktionierendes Miteinander zusammen zu bringen: «Dafür braucht es Toleranz und Liebe. Und letztere geht ja bekanntlich durch den Magen.» Wie wahr! Eine Auswahl unter 80 erhältlichen Mezzeh Interview mit Maurice und Chalil Houraibi SwissCuisine: Dank für das hervorragende Gericht mit Namen BINT EL JABAL, dessen Rezept Sie für die Leser unseres Magazins später noch bekannt geben werden. Maurice und Chalil Houraibi: Es freut uns, dass es Ihnen geschmeckt hat, und gerne! Wir haben in Ihrer Website die spannende Entstehungsgeschichte dieses ersten LeCèdre-Restaurants an der Badenerstrasse gelesen. Offenbar war es zu Beginn alles andere als einfach, die an Pizza, Pasta und Lasagne gewohnten Gäste zu libanesischen Speisen hinzuführen … Maurice H.: Richtig, diffuse Berührungsängste verunsicherten unsere später begeisterten Gäste zuerst. Auch waren libanesische Gerichte in der Schweiz der 90-er-Jahre noch weitgehend unbekannt. Wann traf die Wende ein? Maurice H.: 1995 mieteten wir das Lokal an der Badenerstrasse. 1996 starteten wir mit dem LeCèdre, aber erst 1997 waren die Gäste nach und nach auf unsere authentisch libanesische Küche konditioniert. Wo und wie häufig kaufen Sie die von Ihnen verwendeten Naturprodukte ein? Maurice H.: Ich gehe morgens bereits um 3.00 Uhr auf den Engros-Markt Zürichs, um dort ausnahmslos tagesfrisch Salate, Gemüse und Gewürze zu besorgen. Darunter das meiste direkt von den Schweizer Gemüse-Bauern KÄSER und KÄMPF; diese pflanzen für mich Gurken, Lattich, Kohl, Minze, Koriander, Bohnenkraut und pro Woche bis zu 300 Kilo Peterli (!). Nur wenn wir im Winter eine benötigte Zutat nicht kriegen, besorgen wir diese aus Süditalien! Fisch kriegen wir von BIANCHI, Geflügel von KNEUSS und Fleisch über die Metzgerei ANGST AG direkt vom Schlachthof. Welche Art Fische verwendet Ihr für Eure Küche? Maurice H.: Nur wild gefangene Meer-, keine Schweizer Fische. Dazu gehören etwa Dorade Royal und Suzuki/Loup de mer (Wolfsbarsch) aus Frankreich. Ein Kilo des letzteren kostet uns im Einkauf ohne Gräten nahezu 70.– CHF, aber die TopQualität ist den Preis wert. Wie stellen Sie beispielsweise Ihre Kirchererbsen-Mousse her? Chalil H.: Die Kichererbsen des Qualitäts-Levels 14 werden 12 Stunden im Wasser eingeweicht, dann sauber gewaschen und eine halbe Stunde gekocht. Die Auberginen-Mousse? ... Chalil H.: Die Auberginen werden auf Lavastein integral grilliert bis deren Haut leicht angebrannt ist: Der dadurch entstehende, leichte Räuchergeschmack zeigt dem Gast später an, dass die Mousse Februar 2016 | swiss-cuisine | 29 Exot isc hE RE s tau Ra n t s absolut frisch zubereitet ist; Konserven gelangen bei uns niemals in die Küche! Als nächstes wird deren «Fleisch» von Hand rausgeschält sowie mit Sesam-Sauce, libanesischem Olivenoel und Kräutern in der Schlagrahm-Maschine vermengt. Sie importieren die in der Schweiz nach wie vor eher unbekannten, jedoch hervorragenden Weine aus dem Libanon nicht nur für die beiden Betriebe des LeCèdre, sondern ebenso für andere libanesische Zürcher Restaurants? Maurice H.: Richtig, und pro Jahr verkaufen wir insgesamt 25000 Flaschen Wein – achtzig Prozent davon in unseren beiden Restaurants. Chalil Houraibi, ich nehme an, Sie haben Ihre Kochausbildung und -Praxis in Beirut absolviert? Chalil Houraibi: Richtig, und zwar nacheinander in den Hotel-Restaurants RIVIERA (4 Sterne) und SUMMERLAND (5 Sterne). Als ich dann meinem Bruder Maurice in die Schweiz nachfolgte, besuchte ich hier zusätzlich Kurse, um vorab die Schweizer Gesetzgebung zur Behandlung von Lebensmitteln kennen zu lernen. Denn hier muss alles auf Gramme genau und eben nicht «Handgelenk mal Pi» abgewägt und portioniert werden … … Die Schweiz legt auch in diesem Punkt Wert auf ihre berühmt-berüchtigte Präzision, ja … Maurice und Chalil Houraibi, wir bedanken uns für das aufschlussreiche und sympathische Gespräch. BILD FOLGT REZEPT FÜR BINT EL JABAL Zutaten für 4 Personen Zubereitung Hauptgericht — 500 Gramm Rinds-, Lamm- oder Straussen-Filet geschnetzelt — 1 grosse, rote Zwiebel in «Brunoises» (Kleinstwürfel) geschnitten — 500 Gramm Bulgur (geschrotetes Korn) — 150 Gramm Sherry-Tomaten — 200 Gramm ganze, aufgeweichte Kichererbsen (siehe Interview) — 20 Gramm «Fideli» (Dünnstnudeln) — 1 roter Peperoncini — 1 Espresso-Löffel Meersalz — 1 Prise frisch gestossener, weisser und schwarzer Pfeffer — 1 Hauch Kardamom — Ein paar getrocknete Rosenblätter Burgoll — In Salzwasser auf kleinem Feuer 10 Minuten lang kochen, dann Wasser abgiessen — Nach Ende der Kochzeit SherryTomaten beifügen, umrühren und weitere 5 Minuten auf kleinem Feuer mitdünsten Für die Sauce — 150 Gramm Sherry-Tomaten — 1 Esslöffel Sesamsauce — 30 Gramm geschnittene MinzeBlätter, fein geschnitten — Teelöffel Granatapfel-Saft — 1 Prise Meersalz — 1 Prise weisser und schwarzer Pfeffer Fleisch — Dieses muss kurz nach Anlieferung mit Kardamom und Rosenblättern vakumiert und bis zur Verarbeitung im Kühlschrank aufbewahrt werden — Zwiebelwürfel in Olivenöl glasieren — Vakumiertes Fleisch kurz darin sautieren und scharf anbraten Sauce — Sherry-Tomaten mit Sesamsauce rund 15 Minuten einköcheln lassen und stark reduzieren — Granatapfel-Saft und klein geschnittene Minz-Blätter beigeben — mit Meersalz und Pfeffer abschmecken Anrichten Burgoll auf vorgewärmte Teller geben, das Fleisch darauf drapieren und die Sauce d’rum herum nappieren. chefkoch chalil houraibi mit seinem Küchen-team Plätze & Koordinaten Restaurant Le Cèdre Auf zwei Stockwerken finden im Badenerstrasse 78 Lokal an der Badenerstrasse bis zu 8004 Zürich 180 Personen Platz: 110 in den Telefon +41 (0)44 241 42 72 unteren Räumen, 50 Personen im [email protected] 1. Stock mit arabischem Sternenhimmel sowie bis 18 Gäste für Apéros, Polterabende, Geburtstagsfeiern, Weihnachtsessen, usw. im authentisch orientalischen, charmanten Beduinen-Zelt. Maurice houraibi flankiert von Daniela zur Linken und Dragana zur Rechten 30 | swiss-cuisine | Februar 2016 Jean-Pierre Reinle ist Redaktor, Rewriter, Lektor und korrektor. Catering für 1 bis 120 Personen oder auch mehr [email protected]