Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 1 Weiterbildung für Intensivpflege & Anästhesie und Pflege in der Onkologie Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter Untertherapie oder Behandlung um jeden Preis? Petra Eckwert Hausarbeit Onkologiekurs: Abgabetermin: 2013 / 2015 08.09.2014 Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 2 Inhaltsverzeichnis 1 Abstract ..................................................................................................................... 3 2 Einleitung ................................................................................................................. 3 3 Fallbeispiel ............................................................................................................... 4 4 Begriffserklärung Alter............................................................................................. 5 5 Die Krebsdiagnose – ein Sturz aus der normalen Wirklichkeit................................ 5 6 Veränderung der körperlichen Organfunktionen ...................................................... 6 7 Behandlungsnutzen einer Tumortherapie ............................................................... 10 8 Behandlungsrisiko einer Tumortherapie ................................................................ 14 9 Ethische Herausforderungen................................................................................... 19 10 Autonomie und Mitbestimmung eines Patienten.................................................... 20 11 Vorsorgevollmacht / Patientenverfügung / Betreuungsverfügung ......................... 21 12 Fazit ........................................................................................................................ 22 13 Literatur- und Quellenverzeichnis .......................................................................... 24 14 Anhang ................................................................................................................... 30 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Pflegegesetzadaptiertes geriatrisches Basisassessment (PGBA) [46] ...... 30 Abbildung 2: Geriatrisches Screening nach Lachs [47] ................................................. 31 Abbildung 3: Vorsorge- /Gesundheitsvollmacht und Betreuungsverfügung [48].......... 32 Abbildung 4: Fragebogen für eine optimale Patientenverfügung [49] ........................... 38 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Wann wird ein Mensch als älter bezeichnet? [6]............................................. 5 Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 3 1 Abstract Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit den schwierigen Entscheidungssituationen bei der Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter. Seit vier Jahren ist die Autorin als Gesundheits- und Krankenpflegerin in einer onkologischen und internistischen Abteilung tätig. Bei der Versorgung älterer onkologischer Patienten werden Pflegende immer wieder mit schwierigen Entscheidungssituationen konfrontiert, die eine überzeugende Argumentation erfordern. Insbesondere im Hinblick auf ethische Fragestellungen, wie zum Beispiel bei der Festsetzung eines Therapiezieles. Nach der Begriffserklärung des Alters wird geschildert, welche Bedeutung die Krebsdiagnose für den Betroffenen einnimmt. Des Weiteren werden in dieser Arbeit die Veränderungen der körperlichen Organ- funktionen im Alter beschrieben und somit der Frage nach Behandlungsnutzen und Behandlungsrisiko einer Tumortherapie nachgegangen. Anschließend wird beschrieben, welche Relevanz die Ethikkommission einnimmt, vor allem die Wahrung der Menschenwürde. Pflegende sollen in Bezug auf die Wichtigkeit ethischer Fachkompetenz sensibilisiert werden. Zuletzt erfolgt die Zielformulierung. Diese erläutert, ob eine ideale 2 Therapieentscheidung erreichbar ist. Einleitung Laut Aussagen des Robert Koch – Institutes steigen in Deutschland die Zahlen der Krebsneuerkrankungen, aufgrund der immer älter werdenden Gesellschaft. Es sind im Jahr 2012 etwa 490000 Menschen von einer Krebserkrankung betroffen. [1] Hinzu kommt, dass das Altern als Hauptrisikofaktor für die Entstehung von Tumoren gilt. Das mediane Erkrankungsalter liegt bei Frauen bei circa 67 Jahren, bei Männern bei circa 65 Jahren. [2] Die Behandlung älterer Patienten mit Tumoren stellt immer wieder eine Heraus- forderung dar, denn der Alterungsprozess führt zu vielen Veränderungen der Organfunktionen und ist somit für eine Einschränkung der Lebensqualität verantwortlich. Für die Betroffenen stellt sich häufig die Frage, welche Behandlungsstrategie für sie die Richtige ist, vor allem um unabhängig und somit selbstständig zu bleiben. Die Patienten sind in dieser Situation oft verunsichert und somit auf die Hilfe der Ärzte angewiesen. Auch die Pflegenden spielen eine entscheidende Rolle, da sie die meiste Zeit mit den Krebskranken verbringen und ihnen während des Behandlungsablaufs besonders nahe sind. Bei der Therapieplanung ist es wichtig, die individuellen Charakteristi- Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 4 ka des jeweiligen älteren Patienten zu berücksichtigen. Um den Patienten eine kompetente und umfassende Betreuung zu gewährleisten, wäre eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Ärzten ( auch Hausärzten ), Pflegenden, Patienten, Sozialarbeitern, Psychoonkologen, Seelsorgern, und Angehörigen sinnvoll. 3 Fallbeispiel Unterversorgung älterer Tumorpatienten? 1) Vor wenigen Wochen wurde uns eine 102-jährige Frau mit einem lokal fortgeschrittenen, exulzerierten Brustkarzinom vorgestellt. Auf die Frage, warum sie so lange mit der Behandlung gewartet hatte, antwortete sie: „ Vor 6 Jahren, als das Karzinom entdeckt wurde, einigte ich mich mit meinem Hausarzt darauf, dass es im Alter von 96 Jahren keinen Sinn mehr macht, das Karzinom zu behandeln. “ Das Leben zeigte, dass ein aktives Vorgehen für die Frau im fortgeschrittenen Alter wahrscheinlich sinnvoller gewesen wäre. Ein Blick auf das Alter der von uns in den letzten vier Jahren behandelten Patienten beweist, dass immer mehr über 100 – Jährige zur Radiotherapie vorgestellt werden. [3] oder Übertherapie mit einer enormen Einschränkung der Lebensqualität? 2) Herbert A. ist 82 Jahre alt, als sein Hausarzt ihm mitteilt, dass er Darmkrebs hat. Der Rentner, der sein Leben lang in einem kleinen Ort, 60 Kilometer von Jena entfernt, gelebt hat und nie ernsthaft krank war, ist verunsichert. Der Hausarzt versucht ihn zu beruhigen: "Im Universitätsklinikum Jena arbeiten Fachärzte mit neuesten Kenntnissen. Dort werden Sie sicherlich gut behandelt und bald geheilt. Ich werde direkt einen Termin für Sie vereinbaren". Wie gelähmt geht Herbert A. nach Hause. Zwei Tage später ruft seine 55-jährige Tochter bei dem Arzt an, der die ganze Familie gut kennt: "Ist es wirklich nötig, dass mein Vater sich in der weit entfernten Klinik noch einer nebenwirkungsreichen Behandlung unterziehen muss, nach der es ihm möglicherweise schlechter geht als jetzt?", fragt sie. Große Angst hat Herbert A. vor einem künstlichen Darmausgang: "Da verliere ich im hohen Alter noch meine Würde und muss Windeln tragen wie mein kleines Enkelkind". [4] Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 5 4 Begriffserklärung Alter Das Alter erfährt, laut Meinung der Autorin, heutzutage eine zunehmende Bedeutsamkeit, da die Menschen stetig älter werden. Jedoch wird das Alt sein gedanklich häufig mit Krankheit, Einsamkeit oder Verlust der Selbstständigkeit kombiniert. Jeder will älter werden, aber niemand will alt sein. Doch gibt es eine Darlegung des Begriffes “ Alter “? Recherchen haben ergeben, dass im Allgemeinen keine definitive Erklärung besteht. [5] Nach der Weltgesundheitsorganisation gilt jedoch als alt, wer das 65. Lebensjahr vollendet hat. Das Alter wird folgendermaßen definiert: Tabelle 1: Wann wird ein Mensch als älter bezeichnet [6] Altersdefinition der WHO 51 – 60 Jahre alternde Menschen 61 – 75 Jahre ältere Menschen 76 – 90 Jahre alte Menschen 91 – 100 Jahre sehr alte Menschen Diese Einteilung bezieht sich auf das chronologische Alter, welches der geläufigen Zeit ab dem Geburtsdatum entspricht. Das biologische Alter dagegen bezeichnet den Zustand des Körpers, der nicht unbedingt mit dem kalendarischen Alter übereinstimmen muss. Für die medizinische Behandlung, sowie für die Pflege, ist das biologische Alter von 5 wesentlich größerer Bedeutung als das chronologische Alter. [7] Die Krebsdiagnose – ein Sturz aus der normalen Wirklichkeit Die Diagnosestellung einer Krebserkrankung erfährt der Betroffene als unfreiwilligen Sturz aus der normalen Wirklichkeit. Der Betroffene wird in diesem Augenblick mit den Tod konfrontiert, welcher derzeit noch als Tabu – Thema gilt. Häufig wird die Frage nach dem „Warum gerade ich?“ gestellt, „welchen Sinn beinhaltet diese Erkran- Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 6 kung?“, „wie geht das Leben weiter?“. Die Patienten erfahren das Gefühl der Angst und Hilflosigkeit, besonders in Situationen, in denen sie alleine sind. Die Autorin ist der Meinung, dass das Leben heutzutage häufig als zu selbstverständlich angenommen wird und der Wert der Gesundheit in Vergessenheit gerät. Zudem ist uns nicht bewusst, dass wir mit jedem Schritt, den wir gehen, unserem eigenen Tod ein Stückchen näher kommen. [8] 6 Veränderung der körperlichen Organfunktionen Es sind bislang noch keine eindeutigen Darlegungen über die Beweggründe des Alterungsprozesses vorhanden. Jedoch beginnt das Altern schon mit der Geburt und wird vermutlich durch Gene, sogenannte Gerontogene, beeinflusst. [9] Der Prozess des Alterns löst Veränderungen der körperlichen Organfunktionen aus und ist sehr individuell. Durch die regulären Atmungs- und Verbrennungsprozesse der Zellen entstehen freie Radikale (aggressive Form des Sauerstoffes, Stickstoffes, Wasserstoffperoxids), deren Schädigungen durch Stoffe (Enzyme) der zelleigenen Reparaturmechanismen behoben werden. Bei nicht reparierbaren Schädigungen setzt die Apoptose ein. Jedoch sind nicht genügend dieser Enzyme im Organismus vorhanden, sodass der Alterungsprozess unausweichlich ist. Hinzu kommt, dass äußere Einflüsse wie Rauchen oder UV-Licht die Entstehung freier Radikaler begünstigt. [10] Der physiologische Alterungsprozess hat vielfältige Auswirkungen auf die folgenden Organsysteme: Sinnesorgane Augen: Altersweitsichtigkeit Linsentrübung keine scharfe Erkennung von Gegenständen [11] Ohren: Hochtonverluste eingeschränktes Sprachverständnis Nase: [11] Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 7 Abnahme der Regenerationsfähigkeit der Riechzellen Appetitverlust [11] Geschmack: Abnahme der Geschmacksknospen Appetitverlust [11] Haut: Abnahme des Unterhautfettgewebes Abnahme der Elastizität Funktion der Schweiß- und Talgdrüsen nimmt ab verminderte Durchblutung der Lederhaut Faltenbildung verzögerte Wundheilung trockene Haut Pigmentflecken im Gesicht, an Händen und Armen ( Altersflecken ) Verhornung [11] Haare Funktionseinschränkung der Pigmentzellen Funktionseinschränkung der Haarfollikel weißes Haar dünnes Haar Glatze [11] Endokrines System Einschränkung Glucosetoleranz erhöhter Glucosespiegel Abnahme der Vitamin D – Absorption sowie – Aktivierung Knochendichte ist vermindert Cortisonanstieg im Blut Glucoseverbrauch im Gehirn ist vermindert [12] Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 8 Respirationstrakt Lungenelastizität nimmt ab Abnahme des Gasaustausches Atemnot geringe Belastbarkeit Infektionsrisiko ist erhöht [11] Herz-Kreislauf-System Verdickung der Herzwand Einschränkung des Herzschlagvolumens Gefäßablagerungen Hypertonus Herzrhythmusstörungen Dyspnoe Beinödeme Gastrointestinaltrakt Mundhöhle: Zahnverlust eingeschränkte Kaufunktion verminderte Säuresekretion des Magen verringerte Aufnahme von Vitamin B12 sowie Mineralstoffe Helicobacter pylori Infektion verlangsamte Magenentleerung und Motilität Fehl- oder Mangelernährung Refluxösophagitis / Gastritis Obstipation Abnahme der Drüsentätigkeit im Pankreas Diabetes mellitus Veränderung der Bakterienflora im Darm Schwächung des Immunsystems [11] Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 9 Darmentzündungen und –reizungen [12] verminderte Leberdurchblutung verminderter First – Pass – Effekt ( das heißt: Stoffe, die normalerweise beim ersten Durchgang des Blutes durch die Leber entgiftet werden, werden nur vermindert abgebaut ) [13] Abnahme der Proteinsyntheserate veränderte Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil von Medikamenten [12] Urogenitaltrakt arterielle Nephrosklerose mit Abnahme der glomulären Filtrationsrate der Niere Senkung der Urinkonzentration erhöhter Blutdruck verminderter renaler Blutfluss Nierenschrumpfung Funktionsverlust mit erhöhter Toxizität gegenüber verschiedenen Chemotherapeutika Anämie, da durch den Funktionsverlust weiterhin Renin ausgeschüttet wird, jedoch die Produktion von EPO eingestellt wird Abnahme der Beckenbodenmuskulatur, des Harnblasenmuskel und Schließmuskel des Afters Harn- und Stuhlinkontinenz Prostatahypertrophie Harnstörungen [12] Blut- und Immunsystem Abnahme der Stammzellen Abnahme der T-Zellfunktion Hämatopoetisch aktives Gewebe wird durch Fettmark ersetzt Beeinträchtigung des Immunsystems Bewegungsapparat Beeinträchtigung der Gelenke durch verminderten Knorpel [11] Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 10 Muskelabbau und zunehmende Fett- und Bindegewebseinlagerungen Knochenabbau mit löchriger, poröser Struktur Schmerzen Arthrose Bewegungseinschränkung / Immobilität Sturzgefahr Osteoporose ( Frakturgefahr ) [11] Nervensystem Abnahme der Ganglienzellen und Neurotransmitter Funktionsbeeinträchtigung der Rezeptoren verminderte Aufnahme von Glucose Erhöhte Aufnahme schädlicher Substanzen [12] Zu den Veränderungen der physiologischen Organfunktionen treten mit dem zunehmenden Alter Komorbiditäten auf. Auch diese bewirken eine Erschwernis bei einer Wahl einer Tumortherapie, da diese die Tumorerkrankung in ihrer Behandlung und Prognose beeinflussen können. Die häufigsten Komorbiditäten lauten: Hypertonie Arthrose, Arthritis, Osteoporose Hörverlust, grauer Star Demenz, Delirium, Depression Diabetes mellitus Gastrointestinale Probleme ( gastroesophageal Reflux disease ) COPD [14] 80% der Menschen, die das 60 Lebensjahr erreicht oder überschritten haben, besitzen mindestens eine Komorbidität. [15] 7 Behandlungsnutzen einer Tumortherapie Wie in den Fallbeispielen beschrieben, gibt es immer wieder Unsicherheiten bei dem medizinischen Personal, sowie bei den Betroffenen und deren sozialen Umfeld eine geeignete Tumortherapie im hohen Lebensalter zu empfehlen. Um die richtige Wahl Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 11 treffen zu können, muss im Voraus deutlich sein, ob die Krebserkrankung die Prognose des Patienten bestimmt, der Patient durch die Krebserkrankung eine Einschränkung in der Lebensqualität erfährt und ob der Patient von der Therapie profitiert. Dass um ein Beispiel zu nennen ein Patient bei einer Restlebenserwartung von ca. 6 Monaten, nicht 5 davon im Krankenaus verbringt. In einigen Krankenhäuser gewinnt der Einsatz von einem geriatrischen Assessment immer mehr an Bedeutung, denn dadurch können Veränderung schneller erkannt werden und somit Therapieentscheidungen geändert werden, beispielsweise in Form eines Therapieabbruchs. [16] Nutzen einer Chemotherapie Das Ziel einer Chemotherapie ist die Zerstörung aller bösartigen Zellen, um somit eine Rückbildung des Tumors zu erreichen. Zytostatika greifen alle Zellen an, die sich gerade teilen. [17] Die Wirkung der verabreichten Zytostatika entfaltet sich im Zellkern und verhindert durch DNA-Vernetzungen DNA – Replikationen. [18] Dadurch kann je nach Art des Tumors, seines Stadiums und seiner Lokalisation: eine Tumorerkrankung bestenfalls geheilt werden ( kurativ ), der Tumor verkleinert werden, um eine verbesserte Operabilität zu erreichen ( neo-adjuvant ), das Rezidiv Risiko reduziert werden, z.B. postoperativ ( adjuvant ) oder das Tumorwachstum gestoppt werden und eine Linderung der tumorbedingten Beschwerden beinhalten ( palliativ ). Nicht unerheblich ist den zu erwartenden Nutzen ( Tumorrückbildung ) mit den hohen Kosten ( Nebenwirkungen ) zu vergleichen. [19] Antikörpertherapie Monoklonale Antikörper sind Immunglobuline und binden sich lediglich an ein einziges, definiertes Antigen mit der Folge einer Reaktion, wie z.B. die Immunabwehr. Tumorzellen besitzen auf ihrer Zelloberfläche charakteristische Antigene, die aber auch auf normalen Zellen nachweisbar sind. Eine Antikörpertherapie wird durchgeführt, wenn das Antigen auf den Tumorzellen in höherer Konzentration als auf den normalen Zellen vorhanden ist. Antikörper verbinden sich mit radioaktiven Substanzen oder To- Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 12 xinen; das heißt die Antikörper knüpfen sich an die Tumorzellen an. Somit wird das Toxin oder die Radioaktivität im Tumor freigesetzt. Es werden 2 Gruppen von Antigenen unterteilt: 1. Antikörper gegen CD – Antigene: CD – Antigene befinden sich auf den Oberflächen der Blut- und Knochenmarkszellen sowie auf den Zellen des lymphatischen Systems. Die Antikörper binden sich an die Antigene, dadurch werden diese von dem Immunsystem als körperfremd erkannt und vernichtet. 2. Antikörper gegen Rezeptoren von Wachstumsfaktoren: Auf den Oberflächen der Zellen befinden sich Rezeptoren ( her2 – Rezeptoren ) für Wachstumsfaktoren, die für die Zellteilung zuständig sind. Dies erfolgt durch die Bindung des her2 – Rezeptors mit dem Wachstumsfaktor. Produziert wird dieser Rezeptor durch das HER2 – Gen; auch Onkogen genannt. Bei einem malignen Tumor ist dieses Gen überaktiv mit der Folge der zu stark stimulierten Zellteilung. Durch die Antikörpergabe wird der Rezeptor blockiert und somit die Zellteilung verhindert. [20] Eine Antikörpertherapie gewährleistet eine intensive und nebenwirkungsarme Tumortherapie. Nutzen einer Operation Ziel einer Operation ist es, den Tumor vollständig zu entfernen und verfolgt somit einen kurativen Ansatz. Bei soliden Tumoren bildet der chirurgische Eingriff bei älteren Menschen sogar oberste Priorität. [21] Auch die postoperative Rehabilitation hat sich Dank der fortschreitenden Entwicklung der Medizin deutlich verbessert und erfordert somit eine Überarbeitung der Indikationsstellung für eine Operation. Denn durch die beispielsweise verbesserte Schmerztherapie erfahren ältere Menschen eine schnellere postoperative Erholung. Anhand von einem geriatrischen Assessment können Ärzte eine Risikoevaluierung der physischen und mentalen Kapazität vor Therapiebeginn durchführen und somit eine bedeutend sichere Indikationsstellung festlegen. [22] Eine Operation bedeutet somit eine Chance auf Heilung für den älteren Patienten. Auch aus ökonomischer Sicht wäre eine Operation bei Älteren gegenüber Jüngeren nicht kontraindi- Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 13 ziert, da sich beispielsweise die stationäre Behandlungsdauer beider Altersgruppen nicht signifikant voneinander unterscheidet. [23] Strahlentherapie Eine Strahlentherapie, auch Radiotherapie genannt, ist aufgrund der nicht invasiven Form für ältere Patienten von Vorteil. Es besteht keine lange Immobilisierung und reduziert dadurch das Auftreten von Pneumonien, Thrombosen oder einer Muskelatrophie. Die Radiotherapie ermöglicht, dass nach exakter Lokalisation des Tumors Strahlenbündel genau an die Form des Tumors punktuell anpasst werden können. Dieses wiederum bewirkt eine Schonung des umliegenden Gewebes. [24] Die Zellen des menschlichen Organismus reagieren sensibel auf eine Bestrahlung, können sich jedoch zum Teil durch Reparaturenzyme wieder regenerieren. Tumorzellen hingegen weisen eine hohe Sensibilität gegenüber ionisierende Strahlung auf, dass eine längere Regenerationszeit bedeutet. Somit kann ein Tumor durch mehrere Bestrahlungen selektiv zerstört werden Die Strahlenempfindlichkeit einer Zelle ist abhängig von der Strahlenart sowie Strahlendosis, aber auch von ihrem Zellzyklus. [25] Die Radiotherapie kann fraktioniert oder in Form einer Einzelbestrahlung durchgeführt werden. Eine Radiotherapie kann: kurativ bei nicht operierten Tumoren eingesetzt werden mit einer hohen Heilungschance. Es beinhaltet lokal wachsende Tumore mit geringer Tendenz zur Fernmetastasierung. aber auch nach einer Radikaloperation zur Zerstörung mikroskopischer Tumorreste sinnvoll sein. Dadurch wird die Prognose verbessert und das Rezidiv Risiko gesenkt. zur Verbesserung der Lebensqualität dienen, als sogenannte palliative Radiotherapie. Vor allem zur Behandlung von therapieresistenten Schmerzen hat sich die palliative Bestrahlung bewährt. Des Weiteren eignet sie sich bei Frakturgefährdung bei Knochenmetastasen oder bei Mediastinaltumoren mit einer oberen Einflussstauung. Eine kombinierte Radio-/ Chemotherapie ist bei Tumoren indiziert, bei denen durch eine alleinige Chemotherapie Tumorzellreservate nicht erreicht werden können oder bei denen durch eine Chemotherapie keine vollständige Remission erreicht werden kann. Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 14 Durch die Kombination werden bessere Behandlungserfolge erzielt, beinhaltet jedoch auch eine höhere Toxizität. [26] Häufig werden einigen älteren Menschen die Diagnose einer Tumorerkrankung und deren Therapieverfahren vorenthalten. Doch selbst Hochbetagte können von einer Therapie profitieren, insbesondere wenn sie körperlich, geistig und organisch fit sind. Denn die Lebenserwartung wird fortlaufend ansteigen. [27] Im Jahr 2012 beträgt die Lebenserwartung bei Frauen im Alter von 65 Jahren ca. 22 Jahre und bei Männer ca. 19 Jahre, im Alter von 80 Jahren beträgt die Lebenserwartung bei Frauen ca. 10 Jahre, bei Männer ca. 8 Jahre. [28] Des Weiteren wäre es wichtig, dass das negative Bild von alten Menschen in der Gesellschaft eine Wendung erfährt, da die Alten von morgen, schließlich wir sind. [27] 8 Behandlungsrisiko einer Tumortherapie Laut Professor Dr. med. Wedding steigt die Mortalitäts – und Inzidenzrate der meisten bösartigen Neubildungen altersabhängig deutlich an. [27] Hinzu kommt, dass die Versorgungsrealität zwischen jüngeren und älteren Menschen unterschiedlich ist, da bei den Älteren weniger Prävention betrieben wird, wie beispielsweise Früherkennungsuntersuchungen. Des Weiteren sind ältere Menschen mit einer Tumorerkrankung in Studien kaum präsent. [29] Aus diesem Grund orientieren sich Therapiestrategien im Wesentlichen an den Behandlungsleitlinien Jüngerer. Ältere Menschen sind laut Daten des belgischen Krebsregisters erkennbar untertherapiert. Etwa ¾ der Patientinnen unter 40 Jahre mit einem Mamma – Karzinom erhalten eine Chemotherapie, während bei Patientinnen über 80 Jahre bei lediglich 4 Prozent eine Chemotherapie durchgeführt wird. In Deutschland ist mit einer ähnlichen schlechten Versorgung zu rechnen. Begründet wird dieses durch bestehenden Komorbiditäten älterer Menschen und die damit verbundene Einnahme vieler Medikamente. Dadurch treten Bedenken hinsichtlich der Nebenwirkungen einer Chemotherapie auf und dies wiederrum führt zu einer Unterschätzung des Nutzens einer Therapie. [30] Medikamente allgemein Bei älteren Menschen weisen Medikamente häufig einen veränderten Wirkungseffekt auf, es entstehen häufiger Nebenwirkungen und Wechselwirkungen. Durch die Abnah- Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 15 me der Nierenfunktion im Alter müssen Medikamente, deren Abbau über die Niere erfolgt, niedriger dosiert werden. Auch Dosierungen von Arzneimitteln, die ihre Wirkung im Nervensystem oder Gehirn entfalten, erfordern eine besondere Achtsamkeit. Denn häufig reagieren ältere Menschen sensibler auf diese Medikamente und Kreislaufschwankungen können nicht mehr gut ausgeglichen werden. Die Folgen sind Schwindel oder Stürze. Des Weiteren erhalten Medikamente, die sich im Fettgewebe anreichern, eine zunehmende Wichtigkeit, da im Alter der Fettanteil steigt und parallel der Wasseranteil sinkt. Das bedeutet, dass Arzneien, die sich im Fettgewebe anreichern, eine längere Wirkungszeit besitzen (z.B. Fentanyl). Auch kommt es in der Leber zu einer Abnahme der Plasmaeiweiße mit der Folge eines verstärkten Wirkungseffektes, denn gewöhnlich bindet sich das Medikament im Blut an einen Eiweißstoff, um eine verzögerte Wirkung zu erzielen. Doch durch die Einnahme von zwei oder mehrerer dieser Substanzen, kann ein verstärkter Wirkungseffekt auftreten, da weniger Eiweißstoffe im Blut vorhanden sind an die sie sich binden können. In der Regel kann die Leber ihre Funktion bis ins hohe Lebensalter uneingeschränkt ausführen. Da sich jedoch im Alter die Herzaktivität reduziert mit der Folge der Minderdurchblutung der Leber, verzögert sich der Medikamentenmetabolismus. [31] Zudem finden teure Medikamente, aufgrund des kaum mehr zu finanzierendem Gesundheitswesen, bei jüngeren Menschen vorrangig Anwendung als bei älteren Menschen. [27] Chemotherapie Grundsätzlich bringt eine Chemotherapie älteren Patienten Nutzen, doch aufgrund von Einschränkungen der Resorption, Verteilung, Metabolismus und Ausscheidung, Interaktionen und Adhärenz sowie pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Veränderungen muss eine Chemotherapie dem Alter angepasst werden. Auch das Vorliegen von Komorbiditäten beeinflusst die Festlegung einer Therapie. [32] Es müssen bei einer Verordnung einer Chemotherapie vorerst Vorschädigungen ausgeschlossen werden, denn eine derartige Therapie löst eine Toxizität auf ein jeweiliges Organ aus. Zum Beispiel bei Verabreichung von Anthrazyklinen (Doxorubizin / Epirubizin) ist ein vorheriger Ausschluss einer Einschränkung der kardialen Funktion notwendig, bei dem Einsatz von Bleomycin der Ausschluss einer Einschränkung der pulmonalen Funktion und bei der Gabe von Vinca – Alkaloiden (Vincristin / Vinblastin) der Ausschluss einer beste- Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 16 henden Polyneuropathie. [33] Da Tumorzellen sich in ihrer Struktur und ihrem Stoffwechsel kaum von gesunden Körperzellen unterscheiden, ist die medikamentöse Behandlung erschwert. Denn Zytostatika schädigen auch die Funktionen gesunder Körperzellen. Weiterhin kann eine Chemotherapie zur Dysfunktion von Niere und Leber führen und die Medikamentenausscheidung dadurch beeinträchtigen. [34] Viele unerakute Infusionswünschte Wirkungen können durch Entwicklung eine Chemotherapie auftreten: reaktion Fertilitätsstörung von Zweittumoren (allerische Reaktion) Paravasat Diarrhöe Hemmung der Hormonproduktion Knochenmarkssuppression Schädigung der Keimdrüsen orale Mukositis Innenohrschädigung (Tinitus, Hochtonverlust) Nausea / Emesis Appetitverlust / Geschmacksveränderung Augenschädigungen Nebenwirkungen Polyneuropathie (Paresthesien) Obstipation reduzierter Allgemeinund Ernährungszustand TumorlyseSyndrom hepatische Schäden Fatique renale Schäden Lymphödeme Myokardschäden Alopezie Knochenschmerzen, Myalgien, Krämpfe hämorrhagische Zystitis Nagelveränderungen Hautveränderungen (Hand-FußSyndrom) [35] Die Verabreichung der ersten Chemotherapie ist für viele Patienten mit Gefühlen von Angst und Unsicherheiten geprägt. Die Autorin hat häufig erlebt, dass Patienten nicht die nötige Zeit der Aufklärung und der zustehenden Begleitung während der Therapie erleben. Es wird leider durch den immer größer werdenden Zeitmangel der Mensch an sich nicht mehr richtig wahr genommen. Obwohl gerade das Dasein für den Betroffenen und das Zuhören eine solch enorme Wichtigkeit hat. Denn neben körperlichen Belastungen können zusätzlich psychische Belastungen auftreten, wie z.B. die Umkehrisolation, und oftmals zu einer sozialen Isolation führen. Durch die vielen Nebenwirkungen Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 17 erfahren die Patienten eine enorme Einschränkung der Intimität und Lebensqualität. Zudem ist es für viele ältere Menschen, bei denen die Zyklen einer Chemotherapie ambulant und nicht stationär durchgeführt werden, teilweise problematisch die Praxen aufzusuchen. Hinzu kommt, dass sie nach der Therapie wieder auf sich allein gestellt sind. Die Alopezie ist für viele ältere Menschen unerträglich und häufig ein Grund auf die Therapie zu verzichten. Antikörpertherapie Durch die Hemmung des epidermalen Wachstumsfaktor – Rezeptor, der für die Bildung neuer Hautzellen verantwortlich ist, und nicht nur in Tumorzellen, sondern auch gesunden Zellen vorkommt, sind akneähnliche Hautreaktionen möglich. Diese Hautausschläge können im Gesicht, auf dem Rücken oder auf der Brust lokalisiert sein. [36] Ein weiterer Nachteil ist, dass die Therapie nur ergänzend wirksam und teuer ist. Operation Nach einer Operation verbringen die Patienten die nachfolgende Zeit vorerst auf der Intensivstation, die mit einem hohen mentalen Stress verbunden sein kann. Zumal der Patient gerade postoperativ über eine hohe Compliance verfügen muss, z.B. bei Anwendungen wie der Physiotherapie. [37] Des Weiteren kann die Wundheilung bei älteren Menschen durch Komorbiditäten, wie z.B. Diabetes mellitus, Einschränkungen mit sich bringen. Zudem können postoperative Komplikationen wie Anastomoseninsuffizienzen, Pneumonien oder eine Sepsis auftreten. Aus Sicht der Autorin ist für viele Patienten das postoperative Hauptproblem die Einschränkung in der Mobilität, aufgrund der zahlreichen Zu- und Ableitungen. Auch die Anlage eines Anus Praeter führt zu einer enormen psychischen Belastung und ist ein massiver Eingriff in die Intimsphäre. Strahlentherapie Nebenwirkungen durch die Radiotherapie können Haut, Schleimhäute, Gonaden sowie das Knochenmark betreffen. Typische Nebenwirkungen sind: Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 18 chron. Schleimhautschäden Nausea / Emesis Appetitverlust Teleangiektasen Geschmacksverlust Fatigue / Müdigkeit Fibrosen Nekrosen/ Ulzerationen Hautrötung (Erythem) Nebenwirkungen Epitheliolysen radiogene Dermatitis Mukositis (Rötung, Schmerz, Soor) trockene Hautschuppung Mundtrockenheit Zystitis Enteritis / Proktitis Alopezie (bei Schädelbestrahlungen) Pigmentierung Ösophagitis / Schluckschmerz [38] Die Nebenwirkungen sind durch die Einzel- und Gesamtdosis, der Fraktionierung, der Gesamtbestrahlungsdauer sowie durch das Zielvolumen beeinflussbar. Ein Anstieg der Strahlensensibilität im Alter ist durch strahlenmolekularbiologische Daten festgestellt worden, z.B. Verringerung der Kapazität verschiedener DNA-Reparaturenzyme. [39] Bei einem gutem Allgemeinzustand kann eine Standardtherapie mit minimaler Toxizität kurativ wie auch palliativ eingesetzt werden. [40] Unter der Therapie können hämatologische Komplikationen oder Flüssigkeits-, Elektrolyt-, Gewichtsverluste entstehen, die durch hochkalorische Nahrungsergänzungen sowie Wasser/-Elektrolytsubstitutionen ausgeglichen werden können. [41] Zudem ist ein Verlust an der Skelettmuskelmasse sowie eine geringe kardiologische Belastbarkeit durch das Auftreten des Fatigue – Syndroms möglich. [42] Es gibt viele wichtige Feinheiten, die die Patienten im Alltag beachten müssen und somit eine gewisse Compliance erfordern. Zusammenfassend bedeutet dies laut Prof. Dr. med. Wedding, das bei älteren Menschen durch ihre eingeschränkte therapeutische Belastbarkeit und die steigende Toxizität der Therapie, besondere Vorsicht geboten ist. Die Problematik ist, dass die Therapie entweder zu defensiv oder zu aggressiv erfolgt. [27] Die Phase – III – Studie der US – Onco- Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 19 logy Adjuvant Trial 9735 gehört zu den Wenigen, die Daten getrennt nach Altersgruppen ausgewertet hat. Teilgenommen haben mehr als 1000 Frauen mit einem Mamma – Karzinom unter einer adjuvanten Therapie. 16 % dieser Patientinnen waren über 65 Jahre. Getestet wurde eine Therapie aus Anthrazyklin (Doxorubicin) in Kombination mit Cyclophosphamid (AC) gegen eine Kombination aus einem Taxan (Docetaxel) und Cyclophosphamid (TC). Nach 84 Monaten resultierte aus der TC – Therapie ein krankheitsfreies Überleben von 81% und ein Gesamtüberleben von 87%. Während im Gegensatz zu der AC – Therapie ein krankheitsfreies Überleben von 75% und eine Gesamtüberleben von 82% ergab. Die über 65 – Jährigen Patientinnen schließen jedoch um 10 % schlechter ab als die jüngeren Patientinnen. Auch bei der Toxizität zeigten sich Unterschiede: Unter der TC – Therapie erlitten die älteren Patienten häufiger eine febrile Neutropenie (8 versus 4%) sowie Diarrhöe (5 versus 1 %); unter der AC – Therapie häufiger eine Anämie (5 versus 1%). Allerdings erlitten Jüngere häufiger eine Infektion (10 versus 2 %). [30] 9 Ethische Herausforderungen Wie zu Beginn der Hausarbeit schon erwähnt, fordert der tägliche Umgang mit älteren onkologischen Patienten immer wieder die ethischen Kompetenzen des Pflegepersonals. Häufig befinden sich Pflegende in einem Autonomie – Konflikt hinsichtlich einer Überoder Unterbehandlung einer Tumortherapie oder in Situationen am Lebensende, in denen Entscheidungen über Therapieabbruch oder – verzicht getroffen werden. Die Autorin hat im Laufe ihrer Berufserfahrungen häufig solche Gegebenheiten erlebt. Sie war der festen Überzeugung, dass bei einem älteren Patienten in einem kritischen Zustand es unwürdig sei, noch eine Chemotherapie zu verordnen. Leider hat sich mehrmals bestätigt, dass viele ältere Patienten durch eine verordnete Chemotherapie eine enorme Einsparung in der Lebensqualität erfahren haben und schließlich verstorben sind. Doch im Rahmen ihrer onkologischen Weiterbildung hat sich ihre diesbezügliche Sicht, auch in Bezug auf eine Therapiebegrenzung geändert. Die Autorin betreute eine Patientin mit einem Mamma –Karzinom und einer oberen Einflussstauung. Die Patientin befand sich in einem somnolenten Zustand und dennoch sollte eine Chemotherapie durchgeführt werden. Die Autorin stand in einem ethischen Konflikt mit sich selbst. Fragen kamen auf wie: Welchen Nutzen zieht die Patienten aus dieser Therapie? Muss diese Frau noch Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 20 so gequält werden? Zählt die Menschenwürde denn gar nicht? Jedoch hat sich diese Behandlung als wirksam erwiesen. Der Zustand der Patientin verbesserte sich und sie erlangte vorübergehend ihre Selbstständigkeit zurück. Letztlich hat sich ihr Zustand leider wieder verschlechtert und sie verstarb. Allerdings hat sie diese geringe Zeitspanne genossen und genutzt, um wichtige Formalitäten zu erledigen und sich zu verabschieden. Dieses Erlebnis hat der Autorin gezeigt, dass nicht jede Tumortherapie den Patienten am Lebensende mehr Schaden als Nutzen zufügt. Zudem ist es bedeutsam, Situationen wie z.B. Patienten im terminalen Stadium, als “kritischer“ Zustand zu betiteln, da dadurch in einigen Situationen Therapiemaßnahmen besser vom Pflegepersonal angenommen werden können. Zumal Therapiebegrenzung nicht heißt, dass absolut keine Maßnahmen mehr getroffen werden. Beispielsweise kann durch die Substitution von Elektrolytlösungen das Durstgefühl gelindert und einer Mundtrockenheit vorgebeugt werden, wodurch die Lebensqualität verbessert wird. Es ist wichtig, dass Pflegende ihre Meinungen mitteilen, da sie einen deutlich engeren Bezug zu den Patienten haben. Hilfreich kann die Empfehlung einer Ethikkommission sein. Bei der Einberufung einer Ethikkommission werden Unsicherheiten hinsichtlich der Lebensqualität des Patienten in Form einer ethischen Fallbesprechung geklärt. Angefordert werden kann die Ethikkommission durch Pflegende, Mediziner, Patienten, Angehörige oder z.B. durch Therapeuten. In der Regel gibt es in jeder Einrichtung einen Ethikberater, der telefonisch informiert werden kann. Wissenswert ist, dass eine Ethikkommission lediglich eine Empfehlung bei schwierigen ethischen Entscheidungen ausspricht und keine Vorschrift vorgibt. Die zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (ZEKO) erklärt, dass das freiwillige Beratungsangebot weder die Entscheidungsfreiheit des Patienten als die Therapiefreiheit und die Verantwortung des Mediziners beeinträchtigt werden darf. Eine qualitative Ethikberatung kennzeichnet sich dadurch, dass ethische Probleme besser eruiert sowie analysiert werden. [43] 10 Autonomie und Mitbestimmung eines Patienten Die Selbst- und Mitbestimmung eines Patienten hat im Gesundheitswesen eine wichtige Bedeutung. Durch eine angemessene Aufklärung sind Patienten bei der Entscheidung für oder gegen eine Therapie zu einer Mitbestimmung berechtigt und verpflichtet. Denn Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 21 besonders in der Onkologie hat diese Therapieentscheidung eine enorme Wirkung auf die Lebensqualität in der letzten Lebensphase. Jedoch gibt es Situationen in denen der Patientenwille zwar berücksichtigt werden sollte, aber auch Nutzen und Risiko voneinander abzuwägen sind. Zudem werden Gegebenheiten erlebt, in denen der Patientenwille nicht erfüllt werden darf, da dieser beispielsweise strafrechtliche Konsequenzen mit sich ziehen kann, wie die aktive Sterbehilfe. Oberste Priorität ist es aber, die eigenen Wertvorstellungen von Lebensqualität nicht auf den Betroffenen zu projizieren. [44] 11 Vorsorgevollmacht / Patientenverfügung / Betreuungsverfügung Diese Formblätter dienen Betroffenen, Angehörigen und auch Ärzten als Leitfaden zur Festlegung des mutmaßlichen Willens. Dadurch kann der Patient selbst entscheiden und gewisse Behandlungen ablehnen. Sie treten in Kraft, wenn der Patient sich selbst nicht mehr mitteilen kann, z.B. in der Sterbephase. In der Vorsorgevollmacht legt der Patient eine Person seines Vertrauens fest, die die Wünsche und Verfügungen des Patienten bekannt sind. Es können finanzielle und gesundheitliche Bereiche sowie der Aufenthalt eingeschlossen sein. Diese Person erhält dann, wenn der Patient selbst sich nicht mehr äußern kann, die Entscheidungsgewalt und kann aber auch jederzeit dieser Person wieder entzogen werden. Ein gerichtliches Betreuungsverfahren tritt in Kraft, wenn Angelegenheiten nicht mehr selber erledigt werden können und keine Vorsorgevollmacht vorliegt. Selbst Angehörige können diese Aufgabe erst übernehmen, wenn sie das Gericht als Betreuer bestellt hat. In der Betreuungsverfügung übernimmt eine vom Betreuungsgericht festgelegte Person die Betreuung des Patienten, wenn dieser selbst nicht mehr in der Lage ist eigene Entscheidungen zu treffen, wie z.B. bei einer Demenz. Diese Person wird vom Gericht regelmäßig kontrolliert. Des Weiteren können für den Betreuer Gewohnheiten und Wünsche definiert werden, die berücksichtigt werden sollen, z.B. der Wunsch, in einem Pflegefall, die Versorgung zu Hause oder die Unterbringung in ein bestimmtes Pflegeheim zu veranlassen. In der Patientenverfügung fixiert der Betroffene selbst seinen Willen über Behandlungsmaßnahmen oder Behandlungsabbruch, falls er in einen Lebenszustand gerät, in Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 22 welchem er selbst nicht mehr urteils – und entscheidungsfähig ist. Das heißt, dass Entscheidungen für die medizinische Versorgung schriftlich niedergelegt werden. Bei allen drei Verfügungen ist eine regelmäßige Aktualisierung erforderlich. Die Autorin ist der Meinung, dass jeder Mensch über das Anlegen dieser Dokumente nachdenken sollte, denn das Leben kann sich sehr schnell wenden. [45] 12 Fazit Die Autorin ist zu dem Entschluss gekommen, dass es keine genauen Vorgaben gibt, um sich für eine richtige Therapie im hohen Lebensalter zu entscheiden. In einem Gespräch mit einem Onkologen erfuhr die Autorin, dass die Berufserfahrung eine entscheidende Rolle spielt. Es werden Erfahrungen gesammelt, welche Therapien bei welchem Krankheitsbild Erfolge erzielen konnten. Allerdings unter der Berücksichtigung, dass jede Behandlung individuell ist, da bei jedem Patient eine andere Wirkung resultieren kann. Somit tragen Onkologen durch ihre Entscheidungsfindung eine hohe Verantwortung. Anhand von einem geriatrischen Assessment können Risiken minimiert oder schneller erkannt werden. Es bedarf jedoch eines enormen wissenschaftlichen Fortschritts in Bezug auf die Gerontoonkologie, da die Zahl älterer Menschen mit einer Tumorerkrankung deutlich ansteigen wird. Durch die Recherchen konnte die Autorin feststellen, dass das Alter allein kein Entscheidungskriterium bei der Wahl einer Tumortherapie sein darf; dass nicht das chronologische Alter, sondern das biologische Alter zählt. Große Priorität legt die Autorin auf die ausreichende und qualitative Aufklärung der Betroffenen und Angehörigen. Welche Nebenwirkungen in welchem Ausmaß und über welchen Zeitrahmen durch eine Therapie entstehen können. Dass die Patienten sich bei der Zustimmung einer Therapie bewusst sind, in wie weit diese die Prognose beeinflusst und gleichzeitig die Lebensqualität einschränken kann. Auch sollte Angehörigen bewusst sein, was sie durch ihren Zuspruch den Betroffenen auftragen. Die Autorin hat häufig erlebt, dass vertraute Personen nach jeder Möglichkeit greifen, um ihren geliebten Mitmenschen am Leben zu halten, dieser aber oftmals diese Sichtweise nicht teilen kann. Es ist wichtig zu klären, welches Ziel sich der Betroffene gesetzt hat. Mit dem Betroffenen im Mittelpunkt sollten die Behandlungsmöglichkeiten; das Für und Wider einer Therapie abgestimmt werden. Denn sonst entstehen Situationen, in denen Patienten eine Chemotherapie nicht zugetraut wird und somit von einer Therapie abgeraten Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 23 wird. Doch wenn eine Therapie der Wunsch des Patienten ist und er sich der Nebenwirkungen bewusst ist, warum sollte dieser Patient nicht das Recht auf eine Therapie haben?! Schließlich kann die Behandlung jederzeit abgebrochen werden. Die Autorin hofft, dass in Zukunft der Kommunikationsaustausch zwischen den verschiedenen Berufsgruppen in Bezug auf die Festlegung einer Tumortherapie sich intensiviert. Insbesondere mit den Pflegenden, da diese den engsten Kontakt zu den Patienten besitzen. Wichtig ist, dass nicht die Tumortherapie mit der besten Remissionsrate zählt, sondern die Therapie, die die Lebensqualität am geringsten einschränkt. Denn jeder Patient hat das Recht auf eine menschenwürdige Gestaltung seiner letzten Lebensphase. Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 24 13 Literatur- und Quellenverzeichnis [1] Robert Koch Institut, Stand:21.02.2012, , Startseite < Service < Presse < Pressemitteilungen < 2012 < Krebs in Deutschland, http://www.rki.de/DE/Content/Service/Presse/Pressemitteilungen/2012/ 01_2012.html?nn=2775146 ( 17.12.2013 ) [2] Skript Elke Goldhammer ,UKM, September 2013,Risikofaktoren und Krebsentstehung, Folie 6, ( 2.6.2014 ) [3] I. A. Adamietz, D. Strumberg, L. Pientka (2012), Tumortherapie im Alter, W. 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Allgemeinzustand 2. Intermedizinische Funktion 13. Für Sicherheit sorgen (Orientierung, Demenz) 3. Neurologische Funktion 14. Auffassen können 4. Chirurgisch-Orthopädische Funktion 15. Ausdrücken 16. Hören 5. Das Bett verlassen 17. Sehen 6. Gehen können 18. Motivation 7. Dekubitus 19. Depressivität 8. Schmerz 20. Ruhen & Schlafen 9. Essen und Trinken 10. Sich sauberhalten können 21. Situative Anpassung Psychosoziales Verhalten 11. Ausscheiden können 22. verfügbare Bezugsperson 12. Hauswirtschaftliche Versorgung 23. Variables Leerfeld Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 31 Geriatrisches Screening nach Lachs et al. (1990) [47] Nr. Problem Untersuchung Auffällig (pathologisch) 1 Sehen Fingerzahl mit Brille in 2 Meter Entfernung erkennen Nahvisus oder Lesen einer Überschrift Frage: Hat sich Ihre Sehfähigkeit in letzter Zeit verschlechtert? Kein korrektes Erkennen bzw. Lesen möglich oder Antwort JA auf Frage 2 Hören Flüstern von Zahlen aus 50 cm Entfernung in das angegebene Ohr, während das andere Ohr zugehalten wird: Linkes Ohr: 6–1–9 Rechtes Ohr: 2–7–3 Mehr als eine Zahl wird falsch erkannt 3. Arme 1. Mindestens eine Aufgabe wird nicht gelöst 2. Beide Hände hinter den Kopf legen lassen Kugelschreiber vom Tisch (oder von der Bettdecke) aufnehmen lassen 4. Beine Aufstehen, einige Schritte gehen und wieder hinsetzen lassen Keine Aufgabe kann selbständig ausgeführt werden 5. Blasenkontinenz Frage: Konnten Sie in letzter Zeit den Urin versehentlich nicht halten? Antwort JA 6. Stuhlkontinenz Frage: Konnten Sie in letzter Zeit den Stuhl versehentlich nicht halten? Antwort JA 7. Ernährung Schätzen des Körpergewichts der untersuchten Person Unter- oder Übergewicht 8a. Kognitiver Status Nennen der folgenden drei Begriffe mit der Aufforderung, diese anschließend zu wiederholen und sich zu merken: Apfel – Pfennig – Tisch 9. Aktivität Fragen: - Können Sie sich selbst anziehen? - Können Sie mindestens eine Treppe steigen? - Können Sie selbst einkaufen gehen? Mindestens eine NEIN-Antwort 10. Depression Frage: Fühlen Sie sich oft traurig oder niedergeschlagen? Antwort JA (oder ggf. Eindruck) 8b. Kognitiver Status Frage: Welche Begriffe (8a) haben Sie sich gemerkt? Einen oder mehrere Begriffe vergessen 11. Soziale Unterstützung Frage: Haben Sie Personen, auf die Sie sich verlassen und die Ihnen zu Hause regelmäßig helfen können? Antwort NEIN 12. Allg. Risiko Frage: Wann waren Sie zum letzten Mal im Krankenhaus? vor weniger als drei Monaten 13. Frage: Sind Sie in den letzten drei Monaten gestürzt? Antwort JA 14. Frage: Nehmen Sie regelmäßig mehr als 5 verschiedene Medikamente? Antwort JA 15. Frage: Leiden Sie häufig unter Schmerzen? Antwort JA Auswertung: Anzahl auffällige Ergebnisse: X _____ Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 32 Vorsorge- und Gesundheitsvollmacht / Betreuungsverfügung [48] Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 33 Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 34 Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 35 Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 36 Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 37 Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 38 Patientenverfügung [49] Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 39 Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 40 Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 41 Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 42 Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 43 Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 44 Entscheidung über die Wahl einer Tumortherapie im hohen Lebensalter 45