Werbung, nein danke! - leading swiss agencies

Werbung
04 April 2016
Leading Swiss Agencies
«Werbung, nein danke!»
Werbever weigerung ist nirgends so schnell und konsequent erreicht wie im Netz. Trotz beträchtlichem
Schaden gibt es Lösungsansätze für Werbetreibende und Medien.
Text: Thomas Spiegel
Kaum ein Thema treibt den kollektiven
Blutdruck der Werbeindustrie in den letzten
Monaten derartig nach oben wie Ad-Blocking. Die Haupteinnahme der Publisher,
die notwendige Ressource für Agenturen
und Auftraggeber, sie ist durch einige wenige Softwareanbieter bedroht, die längst zu
einer eigenen Verwertungsstufe des Ökosystems geworden sind.
Die technischen Anbieter
Thomas Spiegel.
Unternehmen wie AdBlock Plus, die bis
heute nach eigenen Angaben über 300 Millionen Downloads ihrer Software bereitgestellt haben, bieten den Nutzern mit ihren
kostenfrei zur Verfügung gestellten Browser-Erweiterungen eine umgehende Werbefreiheit des Internets an. Die Installation in
Chrome, Firefox und Co. dauert wenige Sekunden. Alle Beteiligten der medialen Wertschöpfungskette müssen davon ausgehen,
«Werbeverweigerer sind bei etwa
fünfzehn Prozent der Schweizer
Nutzer im Einsatz.»
dass ein solcher Nutzer unwiderruflich verloren ist, denn als Industrie bieten wir
schlicht keinen nachhaltigen Anreiz zu einer
Rückkehr. Und auch konzertierte Anstrengungen der Industrie, wie etwa das juristi-
* T homas Spiegel ist CEO des Dentsu Aegis Network.
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Leading Swiss Agencies medienpartner
sche Vorgehen gegen AdBlock Plus in
Deutschland, haben wenig Aussicht auf
schnellen Erfolg. Viele Publisher verlegen
sich daher darauf, die Ad-Blocker-Nutzer
auf die gravierenden wirtschaftlichen Folgen
hinzuweisen, die mit dem Entzug der Werbeeinnahmen einhergehen. Ob sich der einzelne User dann erweichen lässt und die Web­
site zur Whitelist hinzufügt, bleibt ihm
über­
lassen; der Website-Betreiber spielt
Werbung nach der Gnade des Nutzers aus.
ptom schlechter Werbung» oder der Erklärung von Ad-Blocking zum guten Recht des
Nutzers machen die Anbieter ihre Position
schnell klar. Als Verfechter der Nutzerinteressen positioniert, verweisen sie auf niedrige
Anzeigenqualität und invasive Werbung, vor
denen sie User schützen. Gleichzeitig bieten
sie Publishern ein sogenanntes AcceptableAds-Programm an, mit dem man seine
Werbe­einnahmen retten kann. Dafür spielt
Die Situation in der Schweiz
«Während wir öffentlichkeits­wirksam
streiten, verliert die Branche täglich
Nutzerinnen und Nutzer.»
Die Werbeverweigerer sind derzeit bei etwa
15 Prozent der Schweizer Nutzer im Einsatz,
die Nachbarländer haben bereits deutlich
höhere Anteile zu verzeichnen. Denn gemessen an Österreich oder Deutschland, wo
21 beziehungsweise 25 Prozent der User
werbefrei surfen, ist die Schweiz noch werbe­
freundlich. Im internationalen Vergleich ist
man hingegen vor Frankreich und Italien
positioniert, wo man bei 10 und 13 Prozent
liegt, aber noch weit hinter Polen mit 35 oder
Griechenland mit 37 Prozent. Wo die Reise
schlechtestenfalls hingehen kann, ist also
durchaus absehbar. Global betrachtet, nahm
die Nutzung der Ad-Blocker im Jahr 2015
um 41 Prozent gegenüber 2014 zu. Eine Verlangsamung scheint nicht in Sicht.
Das wirtschaftliche Modell der Anbieter
Mit Aussagen wie «Ad-Blocking ist ein Sym-
man nur Werbung aus, die nach den Vorgaben der Ad-Block-Anbieter akzeptabel ist,
gleichzeitig tritt man beträchtliche Anteile
der Werbeeinnahmen an den Anbieter ab.
Ein äusserst lukratives Geschäft, das AdBlock Plus und Co. Millioneneinnahmen beschert, zähneknirschend bezahlt von Ver­
lagen und Publishern. Die Interpretation
dieses Geschäftsmodells wird erwartungsgemäss kommentiert, so nannte der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) die Ad-Block-Anbieter
gegenüber der Nachrichtenagentur dpa «erpresserische Geschäftemacher», ein postwendend zurückgewiesener Vorwurf.
Lösungsansätze gesucht
Während also teilweise öffentlichkeitswirksam gestritten wird, verlieren wir als Branche täglich Nutzerinnen und Nutzer. Lösungsansätze sind dringend notwendig, um
diese Abwanderung aufzuhalten. Besonders
beachtenswert sind dabei neue Formen der
Vermarktung und der Zusammenarbeit. So
nehmen beispielsweise exklusive, fest integrierte Platzierungen wie etwa Sponsoring
oder Präsentationspartnerschaften bereits
stark an Bedeutung zu. Auch die gemeinsame Erarbeitung von Inhalten und Themenpartnerschaften zwischen Werbetreibenden
und Medien ist eine gute Möglichkeit, Qualitätsansprüche, Exklusivität und Sicherheit
vor Werbeblockern zu vereinen. Die vielfach
totgesagten Apps werden durch Ad-Blockerfreies In-App-Browsing wieder zu einem interessanten, weil kontrollierbaren Umfeld.
Hochwertige News-Apps zeigen dabei im
Besonderen, dass Nutzer Werbung bei entsprechendem redaktionellem Gegenwert
durchaus akzeptieren.
Eins steht dabei fest: Die Debatte ist nicht
beendet, sie beginnt erst. Schnelles Handeln
ist dringend notwendig, um die Verluste einzudämmen und nicht noch mehr Nutzer zu
verlieren. ANZEIGE
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