Bregenzer Festspiele 2008 Das Gesamtprogramm im Detail

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Bregenzer Festspiele 2008
Das Gesamtprogramm im Detail
Nach dem James-Bond- und dem ZDF-Gastspiel auf der Seebühne und im Festspielhaus
gehören das Tosca--Auge, der große Saal und die Werkstattbühne nun wieder ganz den
Bregenzer Festspielen. Nach intensiver Proben- und Vorbereitungszeit startet das Festival am
23. Juli mit der Wiederaufnahme von Puccinis Opernthriller Tosca als Spiel auf dem See und
der Premiere von Kreneks Karl V. als Oper im Festspielhaus am 24. Juli in seinen 63.
Festspielsommer. Darüber hinaus steht das Festival mit den Werken Karl V. und Kehraus um
St. Stephan als Operette am Kornmarkt ganz im Zeichen eines Schwerpunkts rund um das
Werk des österreichischen Komponisten Ernst Krenek. Als roter Faden zieht sich die Thematik
„Macht und Musik“ durch das Festspielprogramm.
Die spektakuläre Tosca-Inszenierung von Regisseur Philipp Himmelmann und Set Designer
Johannes Leiacker hat im vergangenen Sommer während vier Wochen Besucher aus aller
Welt begeistert: Das von einem riesigen Auge dominierte Bühnenbild zog dabei Publikum und
Kritiker gleichermaßen in seinen Bann. Auch 2008 wird Puccinis Opernthriller rund um Liebe,
Macht und Eifersucht wieder auf der Seebühne zu sehen sein, Premiere der Wiederaufnahme
des Spiels auf dem See ist am 23. Juli.
In seinem „Bühnenwerk mit Musik“ Karl V., der Oper im Festspielhaus 2008, zeichnet Ernst
Krenek das Leben des übermächtigen Habsburger-Kaisers in Form einer Lebensbeichte nach.
Karl V. legt auf dem Totenbett einem jungen Mönch Rechenschaft über sein Leben ab und
versucht, Motive und Wirkungen seiner politischen Handlungen zu verdeutlichen, um
Absolution zu erhalten. Die musikalische Leitung liegt bei Lothar Koenigs, für die Inszenierung zeichnet Uwe Eric Laufenberg verantwortlich, das Bühnenbild stammt von Gisbert Jäkel.
Premiere ist am 24. Juli 2008.
Die Operette am Kornmarkt zeigt ebenfalls ein Werk von Ernst Krenek: In seiner „Satire
mit Musik“ Kehraus um St. Stephan beschreibt der Komponist mit messerscharfem Esprit und
viel
schwarzem
Zwischenkriegszeit.
Humor
Am
die
Pult
zwiespältige
des
Stimmung
Symphonieorchesters
im
Wien
Vorarlberg
der
steht
turbulenten
John
Axelrod,
Inszenierung und Ausstattung liegen bei Michael und Nora Scheidl. Premiere ist am 30. Juli 2008.
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Die Orchesterkonzerte stehen 2008 nicht nur im Zeichen des Krenek-Schwerpunkts: Mit
Werken rund um Götter, Könige und Parteivorsitzende dreht sich darüber hinaus alles um
„Macht und Musik“: Zu hören sein werden unter anderem Mozarts Jupiter-Symphonie,
Händels Salomo-Oratorium und Adams The Chairman Dances aus der Oper Nixon in China.
Am Pult der Wiener Symphoniker stehen der Italiener Carlo Rizzi, der Engländer Chris Moulds
sowie die junge Chinesin Xian Zhang, eine der noch immer wenigen Dirigentinnen von
internationaler Geltung und ein neuer, junger Stern am Dirigentenhimmel.
Macht
und
Familie,
Patriarchat
und
Kapitalismus,
Leben
oder
menschenverachtende
Ökonomie – diese Fragen bestimmen im Sommer 2008 das Schauspielprogramm. Das
Wiener Theater in der Josefstadt gastiert mit einem Klassiker der „Familienliteratur“, Manns
berühmtem Roman Die Buddenbrooks, im Theater am Kornmarkt, Premiere ist am 16. August.
Das Hamburger Thalia Theater zeigt im Shed8 Die Welt zu Gast bei reichen Eltern, das
neueste Werk des deutschen Dramatikers René Pollesch, Premiere ist am 21. August.
Uraufführungen und Wiedersehen stehen im Zentrum der zeitgenössischen Reihe Kunst aus
der Zeit: Ein Wiedersehen gibt es nicht nur mit der eigenwilligen Musicbanda Franui, die im
Sommer 2006 mit wo du nicht bist auf der Werkstattbühne das Publikum begeisterte,
sondern auch mit dem Komponisten Hannes Löschel, der im selben Jahr mit dem Konzert
Spin im KUB gastierte. Die Uraufführungen reichen von der Tanzproduktion Reading Tosca im
Rahmen von KAZ Fast Forward bis hin zur Screwball-Comedy Eine Marathon-Familie, dem
neuesten Werk der serbischen Komponistin Isidora Žebeljan.
Und wer vom einzigartigen Ambiente der Seebühne nicht genug bekommen kann, der hat
2008 die einmalige Chance, dort ein außergewöhnliches Filmkonzert unter freiem Himmel
zu erleben: Auf einer Leinwand inmitten der Tosca-Kulisse zeigen die Bregenzer Festspiele am
15. August Sergej Eisensteins Monumentalfilm Alexander Newski. Live auf der Seebühne
spielt das Symphonieorchester Vorarlberg.
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Spiel auf dem See
Ein packender Opernthriller rund um Liebe, Macht und Eifersucht
Ein Maler und ein Polizeichef, Erzfeinde aus politisch entgegen gesetzten Lagern, entdecken,
dass sie dieselbe Frau begehren. Eine klassische Dreiecksgeschichte aus Grausamkeit und
Lust,
Leidenschaft
und
Eifersucht,
Misstrauen
und
Besitzanspruch
zu
Zeiten
eines
diktatorischen Überwachungsstaates: Vier Festspielwochen begeisterte spektakuläre ToscaInszenierung von Regisseur Philipp Himmelmann und Set Designer Johannes Leiacker 2007
Besucher aus aller Welt, und auch im kommenden Sommer wird die Oper auf der Seebühne
zu sehen sein. Premiere der Wiederaufnahme von Tosca ist am 23. Juli 2008.
„Wer hier keine Gänsehaut bekommt, der liebt die Oper nicht“
Das von einem riesigen Auge dominierte Bühnenbild zog Publikum und Kritiker gleichermaßen
in seinen Bann: „Ein Opernspektakel von musikalischer und darstellerischer Intensität“, las
man etwa in der Wiener Tageszeitung „Kurier“. Für den Mannheimer Morgen war vor allem
das „Te Deum“, die Schlüsselszene des ersten Akts, ein „Opernhochamt der Superlative“:
„Wer hier keine Gänsehaut bekommt, der liebt die Oper nicht. Diesen Moment wird keiner der
7.000 Zuschauer je vergessen.“ Das neue Soundsystem BOA („Bregenz Open Acoustics“)
konnte mit einem unter freiem Himmel noch nie dagewesenen Raumklang ebenfalls
überzeugen: „Erstmals ist auf der Seebühne der Klang genauso spektakulär wie die Szene.
Tosca ist die theatralischste und intensivste Produktion der vergangenen Bregenzer
Spielzeiten“, befand der Münchner Merkur.
Drei starke Charaktere – und ein legendärer Sprung
Puccinis berühmtes Drama ist seit seiner Uraufführung am 14. Januar 1900 aus gutem Grund
zum
Bühnenklassiker
avanciert:
Tosca
vereint
in
sich
die
Faszination
eines
nervenzerreißenden Thrillers, einer fesselnden Dreiecksgeschichte und eines legendären
Verrats. Im Zentrum der Oper stehen drei Menschen im politischen Geschehen zwischen
Absolutismus und revolutionärem Aufbegehren: die gefeierte Sängerin Floria Tosca, der Maler
und Revolutionär Mario Cavaradossi und Scarpia, der berüchtigte Polizeichef von Rom. Drei
starke Charaktere – ein jeder rücksichtslos im Glauben an die eigene Sache, sei das nun die
Kunst, die Liebe oder die Politik.
Auslöser des tragischen Geschehens, das in Exekution, Mord und Selbstmord endet, ist die
Eifersucht. Als politische Waffe eingesetzt, entfaltet sie ihre zerstörerische Kraft umso
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gnadenloser: „Vissi d'arte, vissi d'amore“ – „lch lebte für die Kunst, ich lebte für die Liebe“, so
beginnt die berühmte Arie der Sängerin Floria Tosca, einer Frau, die sich nie um Politik
gekümmert hat, und nun dennoch von ihr eingeholt wird, als ihr Geliebter Cavaradossi in die
Hände von Polizeichef Scarpia gerät.
Scarpia verfolgt Cavaradossi, weil dieser dem ehemaligen Konsul der römischen Republik,
Angelotti, zur Flucht verholfen hat. Er foltert ihn in Gegenwart von Tosca. Als Tosca seine
Schreie nicht mehr ertragen kann, verrät sie Scarpia das Versteck Angelottis. Cavaradossi
wird zum Tode verurteilt. Scarpia verspricht Tosca jedoch, ihren Geliebten nur zum Schein
erschießen zu lassen und dem Paar die heimliche Flucht zu ermöglichen, wenn sie sich ihm
hingäbe. Zu Scarpias Überraschung wird Tosca jedoch im Angesicht von Folter und Zwang zur
Rächerin ihrer eigenen Überzeugung: Die Arie „Vissi d'arte, vissi d'amore“ ist ihr Bekenntnis,
bevor sie den Polizeichef ersticht und damit den Tyrannenmord begeht, den keiner bisher
wagte. Cavaradossi wird entgegen Scarpias vermeintlichem Versprechen hingerichtet. Tosca
springt von der Engelsburg in den Tod.
Verschlingende Leidenschaften
„Tosca ist ein emotionaler Thriller – eine packende Geschichte, angetrieben von Puccinis
äußerst dynamischer Orchestermusik“, erklärt Intendant David Pountney. „Puccini ist ein
Meister der Melodie und des Gefühls“, so Pountney weiter, „ein jeder der drei Protagonisten
dieser Oper ist von einer alles verschlingenden Leidenschaft erfasst: Tosca von der Liebe,
Scarpia von der Macht und Cavaradossi vom Streben nach Freiheit. Der leidenschaftlichen,
zerbrechlichen Künstlerin Tosca stellt Puccini den zynischen und grausamen Polizeichef
Scarpia gegenüber. Das Ergebnis ist eine Tragödie, deren herzergreifende Momente es mit
jedem Hollywood-Blockbuster aufnehmen können. Genau diese Dinge machen Tosca zu
einem idealen Werk für die Bregenzer Seebühne: Die Macht der Emotionen und die Kraft von
Puccinis Musik, die den persönlichen Schicksalen der Protagonisten epische Dimensionen
verleiht.“
Für die bewegende Geschichte der Floria Tosca hat das Leading Team rund um Regisseur
Philipp Himmelmann und Set Designer Johannes Leiacker ein ebenso bewegtes wie
spektakuläres
Bühnenbild
geschaffen,
das
die
einzelnen
Schauplätze
der
Oper
auf
eindrückliche Weise ans Ufer des Bodensees versetzen wird. Mit Ulf Schirmer als Dirigent und
Davy Cunningham als Light Designer sind darüber hinaus für Tosca zwei Künstler an den
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Bodensee zurückgekehrt, die die besonderen Bedingungen der Seebühne bereits bei
Produktionen wie Der fliegende Holländer, Nabucco und Fidelio bestens kennen gelernt haben.
Oper im Festspielhaus
Lebensbeichte eines Kaisers – Ernst Kreneks „Bühnenwerk mit Musik“ Karl V.
Karl V. war Kaiser über ein Reich, in dem die Sonne nie unterging: In seinem „Bühnenwerk
mit Musik“ Karl V. zeichnet der österreichische Komponist Ernst Krenek (1900-1991) das
Schicksal eines Mannes nach, der im 16. Jahrhundert nicht nur über halb Europa, sondern
auch über die spanischen Gebiete in Amerika, Afrika und Asien herrschte. In Form einer
Beichte legt Karl V. einem jungen Mönch Rechenschaft über sein Leben ab und versucht,
Motive und Wirkungen seiner politischen Handlungen zu verdeutlichen, um Absolution zu
erhalten.
Krenek zeigt den der übermächtigen Habsburger-Kaiser bei dem verzweifelten Versuch, sein
Leben, seine Entscheidungen und Unterlassungen vor Gott, Kirche, Zeitgenossen und nicht
zuletzt vor sich selbst zu rechtfertigen. Immer wieder stellt ihn der Komponist vor die Frage
nach der persönlichen Verantwortung des einzelnen Menschen, der sich in einer von
Unterdrückung, Brutalität und Krieg geprägten Welt an moralischen Maßstäben messen lassen
will. Krenek entlässt die Zuschauer mit der Erkenntnis, dass nicht Wut, Hass und Gewalt,
sondern nur Toleranz und Mitmenschlichkeit ein menschenwürdiges Dasein garantieren
können.
Die musikalische Leitung von Karl V. liegt bei Lothar Koenigs, es inszeniert Uwe Eric
Laufenberg. Das Bühnenbild entwirft Gisbert Jäkel, für die Kostüme zeichnet Antje Sternberg,
für das Licht Wolfgang Göbbel verantwortlich. Premiere im Bregenzer Festspielhaus ist am 24.
Juli 2008.
Ein Kaiser voller Zweifel
Kreneks Interesse an dieser mittelalterlichen Figur wurde durch seine Abneigung gegen die
gewalttätige Eskalation des deutschen Nationalismus Anfang der 30er Jahre geweckt. Eine
Entwicklung, die seinen Traum vom Weltfrieden und von einem vereinigten Europa
verstärkte. Für Krenek war Karl V. einer der letzten Repräsentanten der mittelalterlichen
Vorstellung von Universalität. Zugleich war er aber auch eine problematische, dunkle Gestalt,
ein Mensch voller Zweifel, sein Charakter geprägt von großer Unentschlossenheit. Erdrückt
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von den Problemen seines Amts macht es sich Karl V. zum Ziel, eine geistige Mission – die
Einigung der Christenheit – mit politischen Mitteln zu erfüllen, und scheitert.
Fesselndes Werk
Im Gegensatz zu anderen Bühnenwerken Ernst Kreneks, wie etwa der erfolgreichen Jazz-Oper
Jonny spielt auf, brachte es Karl V. immer nur zu gelegentlichen Aufführungen. Schon die
Wiener Staatsoper, die das Werk in Auftrag gegeben hatte, sagte die für 1934 geplante
Uraufführung unter dem Druck der nazifreundlichen Heimwehr ab. Erstmals gespielt wurde
die Oper erst 1938 in Prag.
Aber auch nach dem Zweiten Weltkrieg gab es nur selten Neuinszenierungen, obwohl Karl V.
nicht nur als erste abendfüllende Zwölftonoper der Musikgeschichte, sondern auch als breit
dimensioniertes, fesselndes Werk von höchster Aktualität gilt, das – auch mittels großzügig
angelegten
Dialogszenen
–
beweist,
dass
Zwölftonmusik
nichts
mit
emotionaler
Enthaltsamkeit zu tun haben muss. Krenek verwendete diese Technik für Karl V. in einer Zeit,
als Zwölftonmusik noch als „schwachköpfige Verirrung“ und eine Art „düsterer Kult“ galt: Ein
Unternehmen, das er später selbst als „sonderbares Abenteuer“ bezeichnen sollte.
Ringen um Macht, Politik und Religion
„Krenek war ein Universalgenie, den seine intellektuelle Neugier und sein angeborenes
Gespür für das Theatralische stets zu einem Vorreiter der sich rasant verändernden
künstlerischen Landschaft seines Jahrhunderts machten“, fasst Intendant David Pountney
sein Interesse an dem Komponisten zusammen. „Seine Jazzoper Jonny spielt auf ist eine
exakte Momentaufnahme der aufgekratzten Ausgelassenheit der Zwanziger Jahre. Als sich
der politische Himmel verdüsterte, wandte sich Krenek einem gewaltigen historischen
Gegenstand zu: Einem Herrscher, Karl V., der das Schicksal Europas in seinen Händen hielt,
und dessen persönliches Ringen um Macht, Politik und Religion heute genauso aktuell und
zeitgemäß ist wie damals. Krenek beschreibt dieses historische Schauspiel der Macht, die
Wechselspiele von Ideen und historischen Giganten wie Luther, Papst Clemens VII. und
Sultan Soliman mit einer Musik von fesselnder Modernität und immenser theatralischer Kraft.
Wie seine Zeitgenossen Picasso und Strawinsky so hält auch Krenek dem 20. Jahrhundert den
Spiegel hin. Und es ist bedauerlich, dass damals nur so wenige bereit waren, ihm zuzuhören.“
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Kaiser über ein Reich, in dem die Sonne nie untergeht
Der historische Karl V. wird als Sohn Philipps I. des Schönen und Johanna der Wahnsinnigen
1500 in Gent geboren. 1506 erbt er das burgundische Reich seines Vaters, 1516 wird er zum
spanischen König proklamiert. 1519 erbt er auch die österreichischen Gebiete in Mitteleuropa
und wird zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs gewählt. Karl V. herrscht nun über die
spanischen Königreiche Aragón und Kastilien, das burgundische Erbe, die Königreiche Neapel,
Sizilien und Sardinien, über die spanischen Besitzungen in Amerika, Afrika und Asien sowie
über die österreichischen Erblande: Er ist Kaiser über ein Reich, in dem die Sonne nie
untergeht.
1526 heiratet er seine Cousine Isabella von Portugal. Das Paar hat fünf Kinder, darunter den
Thronfolger Philipp II. Karls Ziel ist die Wiederherstellung des mittelalterlichen, christlichen, in
einem
Glauben
vereinten
Universalreichs
unter
kaiserlicher
Führung.
Doch
die
Rekatholisierung des Reichs scheitert. 1556 verzichtet er zugunsten seines Sohns Philipp II.
auf den spanischen Thron und zugunsten seines Bruders Ferdinand I. auf die Kaiserwürde.
Seine Idee von einem Universalreich unter seiner Führung hat sich als Illusion erwiesen: Die
Einheit der Christenheit ist zerfallen, Europa reibt sich in dynastischen Konflikten auf. Karl
zieht sich in das Kloster San Jerónimo de Yuste in der Extremadura zurück, wo er 1558 stirbt.
Operette am Kornmarkt
Der Todestanz der Donaumonarchie – Ernst Kreneks Kehraus um St. Stephan
Mit messerscharfem Esprit und viel schwarzem Humor beschreibt Ernst Krenek in der „Satire
mit Musik“ Kehraus um St. Stephan, der Operette am Kornmarkt 2008, die zwiespältige
Stimmung im Wien der turbulenten Zwischenkriegszeit. In Kehraus um St. Stephan treffen all
jene aufeinander, die durch Habgier, Eigennutz und Rücksichtslosigkeit wesentlich zu dem
sozialen Kollaps beigetragen haben, der schließlich dem Faschismus den Weg ebnen sollte:
verarmte Aristokraten und gewissenlose Industrielle, Offiziere auf der verzweifelten Suche
nach einer neuen Identität in einem Staat, der nicht mehr der ihre ist, schmierige Typen, die
für Geld alles machen würden, und natürlich das junge Ding, das sich nach oben schläft.
Kehraus
um
St.
Stephan
thematisiert
den
Todestanz
der
eben
untergegangenen
Donaumonarchie – und Krenek zelebriert ihn mit einem „letzten Wiener Walzer“.
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Inszenierung und Ausstattung von Kehraus um St. Stephan liegen beim Wiener Ehepaar
Michael und Nora Scheidl, die ihr Talent für bissige Satire bereits mit Franzobels Der siebte
Himmel in Vierteln im Rahmen von Kunst aus der Zeit 2005 unter Beweis gestellt haben. Am
Pult des Symphonieorchesters Vorarlberg steht der amerikanische Dirigent John Axelrod.
Premiere ist am 30. Juli 2008.
Waghalsige Satire
1930 komponiert und erst 1990 in einer Produktion der Wiener Staatsoper uraufgeführt, ist
Kehraus um St. Stephan eines jener Werke, das hauptsächlich aus politischen Gründen in den
Schubladen der Archive verschwunden ist. Entstanden kurz vor dem Kollaps der Weimarer
Republik, stieß Kreneks gewagte Satire auf breite Ablehnung. Die Angst, damit das Publikum
zu beleidigen, war offenbar zu groß.
Dabei hatte Ernst Krenek mit Kehraus um St. Stephan ganz andere Absichten: „Die Idee,
meiner geliebten Heimat in Form eines Bühnenwerks ein Denkmal zu setzen und meiner
Ergebenheit Ausdruck zu verleihen, hatte bereits eine Zeitlang in mir gearbeitet“, schreibt er
in seinen 1952 vollendeten, aber erst 1998 erschienenen Memoiren Im Atem der Zeit.
„Angefangen hatte alles damit, dass ich auf einer Straßenbahnfahrt ein Gespräch mit anhörte,
in dem ein Mann einem anderen eine Geschichte erzählte, die er sehr komisch fand, nämlich,
dass einer seiner Bekannten versucht hatte, sich umzubringen, indem er sich an einem Baum
erhängte, und als man ihn gerade noch rechtzeitig abschnitt, war er mit dem Gesicht in eine
Pfütze neben dem Baum gefallen, so dass er beinahe ertrank, ehe er schließlich gerettet
wurde. Dieser Vorfall kristallisierte sich in meinen Gedanken zu einer Szene, die ich für eine
eindrucksvolle Anfangsszene für die neue Oper hielt.“
Was den musikalischen Stil des Kehraus betrifft, weist Krenek selbst auf seine Rückgriffe auf
die Populär- und Unterhaltungsmusik hin: „Man kann sich leicht vorstellen, dass ich mit
großer Begeisterung an die Komposition heranging, denn es (das Libretto, Anm.) enthielt alle
Elemente, an denen ich aufs Lebhafteste interessiert war. Auch den Stil der Musik kann man
sich denken. Es war der romantische Stil, mit vielen Elementen populärer Musik, wie es dem
Charakter des Themas angemessen war. (...) Die schlichten, populären Melodien schienen mir
das Beste der Partitur zu sein.“
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Ernst Kreneks Kehraus um St. Stephan ist ein Werk von schlechthin visionärer Größe: Es
zeichnet eine skrupellose, machtgeile, ausbeuterische Gesellschaft des Herbstes 1918 nach,
erfüllt von politischem Zynismus, sozialer Gleichgültigkeit, grenzenloser Oberflächlichkeit und
rücksichtsloser Geldsucht. Eigenschaften, wie sie in dieser Ausschließlichkeit und Intensität,
als Reinkultur sozusagen, eigentlich erst jetzt Realität geworden sind. Was Krenek damals als
Satire bezeichnet hat, liest und hört sich heute als dramatisierte Dokumentation eines real
existierenden Materialismus, den wir selbst als die „Beautiful People of the Western World“ im
Global Village leben. Michael Scheidl, Regisseur
Orchesterkonzerte und Matineen im Festspielhaus
Götter, Könige, Parteivorsitzende – Konzertreihe im Zeichen von „Macht und Musik“
Die Orchesterkonzerte stehen 2008 nicht nur im Zeichen des Ernst-Krenek-Schwerpunkts. Mit
Werken rund um Götter, Könige und Parteivorsitzende dreht sich alles um die Thematik
„Macht und Musik“: Zu hören sein werden unter anderem Mozarts Jupiter-Symphonie,
Händels Salomo-Oratorium und Adams The Chairman Dances aus der Oper Nixon in China.
Am Pult der Wiener Symphoniker stehen der Italiener Carlo Rizzi, der Engländer Chris Moulds
sowie die junge Chinesin Xian Zhang, eine der noch immer wenigen Dirigentinnen von
internationaler Geltung und ein neuer, junger Stern am Dirigentenhimmel.
Während die beiden Musiktheaterwerke Karl V. und Kehraus um St. Stephan, die im Rahmen
der Bregenzer Festspiele 2008 gezeigt werden, Kreneks erstaunliche Bandbreite zeigen – wie
Igor Strawinsky und Pablo Picasso war er offen für jede Facette der extremen stilistischen
Vielfalt des 20. Jahrhunderts – stellt das erste Orchesterkonzert mit dem leichtfüßigen
Potpourri seine große Begabung für Unterhaltungsmusik unter Beweis. Seine Violinkonzerte
lassen am 4. und 10. August hingegen die geballte Gefühlskraft der romantischen Tradition
spüren.
Von Jupiter bis Star Wars
Das erste Orchesterkonzert der Wiener Symphoniker unter der Leitung von Carlo Rizzi
beschäftigt sich am 28. Juli mit der Macht des Universums. Zu hören sein werden Wolfgang
Amadeus Mozarts berühmte, 1788 komponierte Jupiter-Symphonie, gefolgt von Gustav Holsts
Tondichtung Die Planeten. Mit letzterem Werk nahm dieser bereits im Jahre 1930 spätere
Entwicklungen der Filmmusik vorweg: Wo wären die Soundtracks von Kassenschlagern wie
Star Wars ohne Holsts überschäumende Orchesterpartitur für Die Planeten?
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Der bekannte italienische Dirigent Carlo Rizzi stammt aus Mailand. Er hat in Italien studiert
und dirigierte unter anderem das Chicago Symphony, das Los Angeles Philharmonic und das
Philadelphia Orchestra sowie die drei großen Londoner Orchester, das NDR-Sinfonieorchester,
das Orchester der Mailänder Scala und das Israel Philharmonic Orchestra.
Der Große Vorsitzende tanzt
Das zweite Orchesterkonzert unter der Leitung der jungen Chinesin Xian Zhang präsentiert
am 4. August die Macht des Tanzes, die wohl nirgendwo brillanter beschrieben wird als in
John Adams The Chairman Dances aus seiner Oper Nixon in China. Mit einem Bild, das Charlie
Chaplins Darstellung von Adolf Hitler, der mit der Weltkugel spielt, in nichts nachsteht, lässt
Adams den „Großen Vorsitzenden“ Mao Tse-tung tanzen – mit packender Energie und
dramatischer Wucht.
Zhang beschließt ihr Konzert mit Le Sacre du printemps von Igor Strawinsky. 1913
komponiert, war Le Sacre du printemps die dritte der drei großen Ballettmusiken, die Igor
Strawinsky für die „Ballets Russes“ von Sergej Djagilew komponierte. Das Werk gilt heute als
ein Schlüsselwerk der Musik des 20. Jahrhunderts – die Uraufführung war jedoch ein Skandal:
Auf Strawinskys außergewöhnliche rhythmische und klangliche Experimente war das Pariser
Publikum offensichtlich nicht gefasst.
Xian Zhang gehört zu den noch immer wenigen Dirigentinnen von internationaler Geltung und
gilt als neuer, junger Stern am Dirigentenhimmel. Ihr Debüt gab sie im Alter von nur 20
Jahren am Pekinger Opernhaus, seither hat sich ihre Karriere rasant entwickelt: Als „Associate
Conductor” leitet sie regelmäßig das New York Philharmonic Orchestra, aber auch Orchester wie das
London Symphony oder das Los Angeles Philharmonic Orchestra luden sie zu Gastdirigaten ein.
Hommage an einen weisen Herrscher
Im Zentrum des letzten Orchesterkonzerts des Sommers 2008 steht am 17. August unter der
Leitung von Chris Moulds eine der prächtigsten und verführerischsten musikalischen
Darstellungen von Macht: Georg Friedrich Händels 1749 uraufgeführtes Salomo-Oratorium ist
das Porträt eines idealen Herrschers – und eine kaum verborgene Hommage an Händels
Förderer König George II. Mit Musik voller Raffinesse, gepaart mit Chören von mitreißendem
Gepränge und zeremonieller Pracht, huldigt Händel einem klugen Herrscher aus der Antike –
und damit gleichzeitig dem goldenen Zeitalter Englands unter George II.
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Der im englischen Halifax geborene Chris Moulds studierte in seiner Heimatstadt und in
London an der City University, der Guildhall School of Music und Drama und am Royal College
of Music. Seither hat er an der English National Opera, der Royal Opera Covent Garden und
bei den Salzburger Festspielen gearbeitet.
„Vorarlberger“ mit Beethovens Eroica
Die Matinee des Symphonieorchesters Vorarlberg steht am 10. August unter der Leitung von
Chefdirigent Gérard Korsten, zu hören sein werden Kreneks Konzert für Violine und Orchester
Nr. 1 gemeinsam mit Erwin Schulhoffs Symphonie Nr. 2 und Beethovens Eroica-Symphonie.
Schauspiel im Theater am Kornmarkt und im Shed8
Macht
und
Familie,
Patriarchat
und
Kapitalismus,
Leben
oder
menschenverachtende
Ökonomie – diese Fragen bestimmen das Schauspielprogramm der Bregenzer Festspiele
2008. Das Wiener Theater in der Josefstadt gastiert mit der Schauspielfassung eines
Klassikers der „Familienliteratur“, Thomas Manns berühmtem Roman Die Buddenbrooks, im
Theater am Kornmarkt. Premiere ist am 16. August. Das Hamburger Thalia Theater zeigt im
Shed8 ab 21. August Die Welt zu Gast bei reichen Eltern, das neueste Werk des jungen
deutschen Dramatikers René Pollesch.
Die Firma ist die Familie – Theater in der Josefstadt mit Manns Die Buddenbrooks
Das Wiener Theater in der Josefstadt, im vergangenen Sommer mit Gefährliche Liebschaften
in Bregenz sehr erfolgreich, gastiert ab 16. August 2008 mit einer Premiere im Theater am
Kornmarkt: Auf dem Programm steht die Theaterfassung von Thomas Manns berühmtem
Roman Die Buddenbrooks, der über vier Generationen hinweg den Aufstieg und Niedergang
der Kaufmannsfamilie Buddenbrook schildert. Die Handlung des Buchs, das Mann 1929 den
Nobelpreis für Literatur einbrachte, orientiert sich stark an Personen und Ereignissen aus
Manns eigener Familiengeschichte und -tradition.
Schon der Untertitel des Roman „Verfall einer Familie“ offenbart das dominierende Motiv der
Buddenbrooks: Die zu Beginn so glänzend dastehende Familie verliert im Lauf der Jahrzehnte
ihr Geld, ihre Macht und ihr Ansehen. Tatkraft und heiterer Unternehmensgeist schwinden
von Generation zu Generation, dem persönlichen Verfall der Familienmitglieder geht der
ökonomische Niedergang der Firma Buddenbrook voran, den die Geschwister Thomas,
Christian und Tony nicht aufhalten können. Denn sie sind zwar reich, doch es lastet auch ein
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Credo auf ihnen, das ihnen von Kindheit an eingeimpft wurde: Die Familie ist die Firma und
die Firma ist die Familie.
Geld - oder Leben?
Wieder und wieder wird das Vermögen bilanziert – ob Beerdigung, Verlöbnis oder Berufswahl,
alles
ordnet
die
Familie
den
Zahlen
unter.
Jede
familiäre
Entscheidung
gerät
zur
geschäftlichen Transaktion. Dadurch stürzen die jeweiligen Patriarchen aber nicht nur ihre
Kinder und Enkel ins Unglück – auch sie selbst leiden an ihrer Rolle, die sie zwingt, jegliche
persönliche Neigungen zugunsten des „Geschäfts“ zu verleugnen. Um das Unternehmen zu
retten, heiratet Tony einen ungeliebten Bankrotteur, dem hypochondrischen Bohemien
Christian bleibt nichts anderes übrig, als in die Firma einzutreten, und der innerlich zerrissene
Thomas zwingt sich vergeblich dazu, die Rolle des rücksichtslosen Familienoberhaupts zu
übernehmen.
Manns Jahrhundertroman liest sich wie eine exemplarische Verfallsgeschichte bürgerlicher
Werte, die in grandioser Schärfe die Krankheit des kapitalistischen Jahrhunderts in seiner
Wurzel diagnostiziert: Das Diktat der Ökonomie. Denn die Buddenbrooks sind nicht nur eine
Familie, sie sind auch ein Unternehmen, und müssen daher als solches geführt werden. Sie
zerbrechen schließlich am Widerspruch zwischen dem Grenzen sprengenden Organismus des
Lebens und dem Zwang der wirtschaftlichen Notwendigkeit.
Dem renommierten Dramatiker und Romancier John von Düffel ist es in seiner Bearbeitung
des Romans gelungen, den ungeheuren Stoff der Buddenbrooks auf das Schicksal weniger
Personen zu verdichten, und damit ein eigenständiges und höchst bühnenwirksames Stück zu
schaffen, das dennoch den Geist Thomas Manns atmet. Die Inszenierung der Buddenbrooks
übernimmt Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger, es spielen bekannte Schauspieler und
Publikumslieblinge wie Sandra Cervik, Sona MacDonald, Toni Slama und Gabriel Barylli.
Premiere ist am 16. August 2008.
Wie normal ist das Normale? Thalia mit Die Welt zu Gast bei reichen Eltern im Shed8
Prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse sind das Thema des preisgekrönten deutschen
Regisseurs und Dramatikers René Pollesch. Das Hamburger Thalia Theater gastiert im
Sommer 2008 mit seinem neuesten Werk Die Welt zu Gast bei reichen Eltern im Shed8,
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einem Theaterabend über die Widersprüche der Familie in Zeiten eines unbegrenzten
Kapitalismus.
Theorie als Steinbruch
Der 45jährige Pollesch verquickt in seinen atemlosen Theaterperformances das Ethos eines
ungerührten Gesellschaftsbeobachters mit der Verve des Globalisierungskritikers: Seine selbst
geschriebenen Stücke leben von der Ausschlachtung der Soap- und Fernsehwelten, er
hinterfragt die „Normalität des Normalen“ und demaskiert sie als Problem. Was uns
selbstverständlich erscheint, wird von Pollesch auf seine Konstruktion hin untersucht. Er
verwendet
die
Gesellschaftstheorien
des
20.
Jahrhunderts
gemeinsam
mit
seinen
Schauspielern sozusagen als Steinbruch, als Werkzeuge, um damit die eigene Existenz besser
oder anders bearbeiten zu können. „Wir wollen die Dinge, die verschwiegen werden und unter
den Tisch fallen, auf die Bühne bringen. Deshalb bin ich gegen Klassiker, gegen das
Geronnene“, so Pollesch.
Schauspieler als Ko-Autoren
Den Schauspielern liefert der Dramatiker keine fertigen Texte, sondern nur eine Art „Partitur
der Inszenierung“. Jeder von ihnen hat das Recht, Sätze zu streichen oder zu verändern. So
werden die Schauspieler zu Ko-Autoren: Weder spielen sie eine Rolle im herkömmlichen Sinn,
noch müssen sie versuchen, möglichst authentisch zu sein. Und plötzlich ist auf der Bühne
vieles möglich. Noch einmal René Pollesch: „Im Theater ist alles möglich, nur keiner traut sich
das. Keiner bringt eine Premiere mit einer ungesicherten Kommunikation heraus, wo man
nicht genau weiß, ob die Zuschauer dieses oder jenes entschlüsseln werden. Wenn ich sicher
bin, dass die Zuschauer mich verstehen werden, wage ich nichts.“
Dementsprechend schwierig ist es aber auch, vor der Uraufführung etwas über das jeweilige
Werk des Dramatikers zu sagen oder zu erfahren: „Ich habe irgendwann gelernt, mit Texten,
an denen ich gerade schrieb, und nicht mit fertigen Stücken zur ersten Probe zu kommen“,
sagt René Pollesch. „Das ging durch mein Vertrauen in die Schauspieler. Also kein
Meisterwerk abliefern zu müssen zu Beginn der Proben, sondern erst an deren Ende. Wo das
nicht mehr so große Autorität auf uns ausübt, wie das der Text im Theater normalerweise tut.
Wir wollen keine Sklaven einer Theater-Literatur-Praxis sein. Das bekommt auch dem
Ergebnis, wenn da nicht Erfüller und Dienstleister auf der Bühne stehen, sondern autonome
Künstler.“
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René Pollesch ist seit Beginn der Spielzeit 2001/2002 künstlerischer Leiter des Praters der
Berliner Volksbühne. Seine PRATER-TRILOGIE wurde 2002 zum Berliner Theatertreffen
eingeladen. Im gleichen Jahr wurde Pollesch in der Kritikerumfrage der Zeitschrift „Theater
heute“ zum Dramatiker des Jahres gewählt. Bereits zweimal ist er mit dem Mülheimer
Dramatikerpreis ausgezeichnet worden. Neben seiner Arbeit an der Berliner Volksbühne
inszeniert René Pollesch unter anderem an den Münchner Kammerspielen, am Staatstheater
Stuttgart und am Burgtheater Wien.
Kunst aus der Zeit
Friedhof und Frühschoppen, Adam und Eva, Tod und Tosca
Uraufführungen und Wiedersehen bestimmen das Programm der zeitgenössischen Reihe
Kunst aus der Zeit 2008: Ein Wiedersehen gibt es nicht nur mit der eigenwilligen Musicbanda
Franui, die 2006 mit wo du nicht bist das Bregenzer Publikum auf der Werkstattbühne
begeisterte, sondern auch mit dem Komponisten Hannes Löschel, der im selben Jahr mit dem
Konzert Spin im Kunsthaus gastierte. Die Uraufführungen reichen von der Tanzperformance
Reading Tosca im Bühnenbild der Indoor-Version des Spiels auf dem See bis zu Eine
Marathon-Familie, dem neuesten Werk von Isidora Žebeljan.
Bereits Ende Mai feiert die Tanzperformance Reading Tosca im Rahmen von KAZ Fast Forward
im Festspielhaus Premiere. Dabei kooperieren die Bregenzer Festspiele erstmals mit dem
Tanzfestival Bregenzer Frühling. Im Sommer bringen dann die Uraufführungen von Nur ein
Gesicht der Musicbanda Franui und Paradise Lost – Exit Eden von Hannes Löschel und Rose
Breuss ein Wiedersehen mit Künstlern, die bereits 2006 erfolgreich in Bregenz gastierten.
Eine „Screwball-Comedy auf balkanische Art“ verspricht die Uraufführung von Eine MarathonFamilie,
der
neuen
Oper
der
serbischen
Komponistin
Isidora
Žebeljan
nach
dem
gleichnamigen serbischen Kultfilm.
Kunst aus der Zeit Fast Forward 26. – 30. Mai 2008
Puccinis Tosca – neu gedacht
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Mit Kunst aus der Zeit Fast Forward bringt KAZ auch 2008 wieder bereits im Frühjahr
Zeitgenössisches nach Bregenz. Erstmals kooperieren die Bregenzer Festspiele dabei mit dem
internationalen
Tanzfestival
Bregenzer
Frühling:
Am
29.
Mai
2008
feiert
die
Tanzperformance Reading Tosca der in Berlin ansässigen „compagnie toula limnaios“ im
Rahmen des Bregenzer Frühlings im Festspielhaus ihre Uraufführung.
Tanz im Indoor-Bühnenbild der Tosca
Ausgangspunkt der Idee für Reading Tosca war das Bühnenbild der Indoor-Version des Spiels
auf dem See Tosca, das nur im Falle einer Regenvorstellung zum Einsatz kommt. Intendant
David Pountney fand es so beeindruckend, dass er beschloss, einen Kunstschaffenden einer
anderen Sparte damit zu beauftragen, Puccinis Oper zu überdenken und ein Werk für dieses
Bühnenbild zu kreieren.
Die Wahl fiel schlussendlich auf die Tanzkompagnie des aus Griechenland stammenden
„Shootingstars“ Toula Limnaios, die für ihre ausgeklügelte visuelle Ästhetik und ihre feinen
psychologischen Schattierungen von Kennern der internationalen Tanzszene geschätzt wird.
2001 wurde ihr Stück Nichts. Ich werde da sein, indem ich nicht da bin mit dem Förderpreis
des deutschen „Meeting neuer Tanz“ ausgezeichnet und später für ZDF/Arte verfilmt. Ihr
Stück Die Sanfte wurde im Jahrbuch der Zeitschrift „Ballett/Tanz“ in der Kritikerumfrage als
beste Produktion 2005 nominiert.
In Reading Tosca wird Puccinis Oper um Macht und Intrige zwischen Kunst, Politik und Polizei
vor der Folie des Dramas um ein Liebespaar und seine Unterdrücker nicht einfach
„nachgetanzt“, sondern das Beziehungsgeflecht der handelnden Personen abstrahiert und auf
eine Ebene gestörter Beziehungskonflikte transportiert. Motive mischen sich, Liebe schlägt in
Misstrauen
um,
Illusionen
untergraben
die
Realität:
Wunsch
und
Wirklichkeit
fallen
auseinander, Realität und Relativität gehen Hand in Hand.
Für die Tanzproduktion wird der Musiker und Komponist Ralf R. Ollertz eine Aufnahme des
Spiels auf dem See remixen. Mit Respekt für die historische Vorlage wird er eine musikalische
Neukomposition
schaffen,
die
sich
nicht
auf
das
rein
elektroakustische
Verfremden
beschränkt, sondern sich vielmehr auf die harmonisch-melodische Umstrukturierung von
Tosca konzentriert.
Neuauflage von Across the Frontiers
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Darüber hinaus bringt KAZ Fast Forward von 26. bis 30. Mai 2008 eine Neuauflage der
internationalen Komponistenwerkstatt Across the Frontiers in Zusammenarbeit mit der
London Contemporary Opera. Junge Komponisten und Autoren aus Großbritannien und
Österreich entwickeln neue Oper und neues Musiktheater mit der Unterstützung erfahrener
Sänger und Regisseure. Auszüge aus den noch nicht fertig gestellten Werken werden am 30.
Mai 2008 um 17.00 Uhr in einem Konzert präsentiert.
Zwischen Altar, Tanzboden und Grab:
Nur ein Gesicht von Franui
2006 begeisterte das eigenwillige Musikensemble Franui gemeinsam mit der Berliner Gruppe
Nico and the Navigators mit wo du nicht bist das Festspielpublikum. Ein Wiedersehen mit
Franui gibt es am 27. und 29. Juli 2008 mit der Uraufführung ihres neuesten Werks auf der
Werkstattbühne: Nur ein Gesicht ist ein Musiktheater über das Ritual des Musikmachens
und die Macht der Musik in unserem täglichen Leben. Es ist ein Frühschoppen, dem eine
Messe vorausgeht, und ein Begräbnis folgt. Künstlerischer Bewusstseinszustand im Lauf der
Ereignisse ist der Schwindel.
In Innervillgraten, einem kleinen, 1400m über dem Meer gelegenen Dorf in Osttirol, in dem
die Musiker von Franui großteils aufgewachsen sind, ist der Weg von der Kirche zum Ballsaal
und retour zum Friedhof nicht weit. An allen drei Orten ist ein Rechteck das Zentrum der
Handlung: Es ist zugleich Altar, Tanzboden, Grab – und der Schauplatz von Nur ein Gesicht.
Zwischen
der
vormittäglichen
Sonntagsmesse,
dem
nahtlos
daran
anschließenden
Frühschoppen, den Folgewirkungen des Jungbauernballes vom Vorabend und den von Fall zu
Fall nachmittags stattfindenden Leichenbegräbnissen liegen Glück und Sehnen, gelobtes Land
und gelebtes Leid. Wo eben noch am offenen Grab die Abschiedsglocken zu vernehmen
waren, folgt nun der ausgelassene Tanz mit einem Gerippe; überschwängliche Lebendigkeit
und die Vorahnung der Leere, die zurück bleibt, wenn die Musik verstummt. Schwindel.
Mit Klarinette, Saxophon und Trompete, Posaune, Tuba, Kontrabass, Hackbrett, Harfe, Gitarre
und Akkordeon führen die neun Musiker von Franui eine feine Klinge zwischen Weinen und
Lachen. Für den Westdeutschen Rundfunk sind sie „Österreichs lebenskluge Spezialisten für
Todesriten,
Trauermärsche
und
andere
prä-
und
postmortale
Ereignisse,
die
einer
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gemessenen Ordnung des Schreitens bedürfen“. Die Musik von Nur ein Gesicht stammt von
Markus Kraler und Andreas Schett, Regie führt der Deutsche Sven-Eric Bechtolf.
Adam und Eva, Schlange und Apfel:
Paradise Lost – Exit Eden
Die Uraufführung von Paradise Lost – Exit Eden bringt am 7. und 8. August 2008 auf der
Werkstattbühne ein Wiedersehen mit dem österreichischen Komponisten Hannes Löschel, der
bereits 2006 bei KAZ im KUB im Rahmen des Konzerts Spin zu Gast in Bregenz war.
Die
Musik-Tanz-Produktion
Paradise
Lost
–
Exit
Eden,
eine
Koproduktion
mit
dem
Tanzquartier Wien, ist eine Zusammenarbeit Löschels mit der Vorarlberger Choreographin
Rose Breuss und basiert auf dem 1667 vollendeten Versepos Paradise Lost des englischen
Dichters John Milton. Das Werk wurde in den 70er Jahren von Rockbands wie Iron Maiden und
King Crimson wiederentdeckt, sein phantastischer Kosmos und die Darstellung des Satans
wurden Kultliteratur.
Miltons Paradise Lost war auch für Hannes Löschel und Rose Breuss Ausgangspunkt ihrer
Collage von Bewegung, Klängen und Songs rund um Adam und Eva und die Macht Satans.
Szenen und Nummern aus Himmel und Hölle, Unschuld und Erfahrung, Wissen und Staunen,
Dröhnen und Schimmern werden miteinander verwebt. Der Paradiesstoff löst sich in
Körperlichkeiten
auf,
die
zwischen
unschuldiger
Nacktheit,
geballter
Leiblichkeit
und
schöpferischer Energie oszillieren. Adam und Eva, Paradies und Vertreibung, Schlange und
Apfel werden zu Metaphern für die psychische Kraft des menschlichen Körpers.
Der Pianist und Komponist Hannes Löschel, Jahrgang 1963, entwickelt und komponiert
regelmäßig Musik für Film, Tanz und Theater. Seine Musikideen entstehen an der Schnittstelle
von improvisierter und notierter, von akustischer und elektronischer Musik. Die europaweit
tätige Choreographin Rose Breuss, 1962 in Feldkirch/Vorarlberg geboren, hat bereits
mehrfach mit ihm zusammengearbeitet.
Der Tod ist ein sicheres Geschäft:
Isidora Žebeljans Eine Marathon-Familie
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Nach dem großen Erfolg von Richard Dünsers Radek im Sommer 2006 steht im kommenden
Sommer eine weitere Uraufführung in Kooperation mit der Neuen Oper Wien auf dem
Programm: Am 20. August 2008 feiert auf der Werkstattbühne Eine Marathon-Familie,
das neueste Werk der serbischen Komponistin Isidora Žebeljan, Premiere.
Eine „Screwball Comedy auf balkanische Art“ verspricht Žebeljans Vertonung des aus dem
Jahre 1982 stammenden, gleichnamigen serbischen Kultfilms rund um die fünf Generationen
der Familie Topalović. Die Topalovićs sind Bestatter von Beruf – denn was auch immer schief
geht im Leben, der Tod ist ein sicheres Geschäft. Um steigende Kosten zu vermeiden, sind sie
eine Allianz mit Grabräubern eingegangen, mit deren Hilfe sie ihre eigenen Särge recyceln.
Doch dann stirbt plötzlich das älteste Familienmitglied, die Gangster wollen Bargeld sehen
und der jüngste Familienspross will aus dem Geschäft aussteigen...
Die aus Belgrad stammende Komponistin Isidora Žebeljan zeichnete für die Orchestrierungen
von vielen von Goran Bregovićs Filmmusiken verantwortlich, darunter Time of the Gypsies
und Underground. Der Erfolg ihrer ersten Oper Zora D., im November 2003 an der Wiener
Kammeroper uraufgeführt, machte sie international bekannt.
Die musikalische Leitung von Eine Marathon-Familie liegt bei Walter Kobéra, es inszeniert die
junge deutsche Regisseurin Nicola Raab. Bühne und Kostüme stammen vom Engländer
Duncan Hayler – Festspielbesuchern bestens bekannt als Ausstatter von Weills skurrilem
Werk Der Kuhhandel, der erfolgreichen Operette am Kornmarkt 2004.
Von Schubert über die Alpen nach Afrika:
KAZ im KUB 2008
Nach einem Jahr Pause wird die Konzertreihe KAZ im KUB in der stimmungsvollen Architektur
des Bregenzer Kunsthauses fortgesetzt. Im ersten Konzert werden am 28. Juli von der
Musicbanda Franui 17 Schubertlieder skelettiert, zelebriert, nach- und weiterkomponiert.
In ihrer Bearbeitung macht das Ensemble die Quellen Schuberts, die Klangwelten der
Dorffeste und Landpartien, der Wiener Beisln und Heurigen, hörbar und erfahrbar.
Im Konzert Von Lehrern und Schülern wird am 31. Juli die persönliche Weitergabe von
Wissen und Erfahrung von Lehrern zu Schülern erforscht: Musik von J. F. Doppelbauer, Gerd
Kühr, Helmut Schmidinger und des Cerha-Schülers Mladen Tarbuk steht auf dem Programm.
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Eine Reise durch Österreich über die Alpen nach Vorarlberg verspricht das Konzert Echoes
from Austria am 9. August. Der Cellist Christoph Stradner und der Pianist Luca Monti
spielen Werke von Ernst Krenek, Richard Dünser sowie eine Uraufführung von Flip Philipp.
Im Rahmen von Across the Frontiers 2008 spielt das Ensemble Lux am 12. August
Kammermusik junger britischer und österreichischer Komponisten, die im Rahmen der
gleichnamigen Werkstatt entstanden ist. Das Porträtkonzert Dirk d’Ase stellt am 16.
August den aus Antwerpen stammenden und in Österreich lebenden Komponisten Dirk D’Ase
in den Mittelpunkt. Reisen und Forschungen in Afrika hatten einen fundamentalen Einfluss auf
d’Ases kompositorisches Denken: Seine Musik ist sinnlich, farbenreich und lotet das Orchester
bis in die leisesten Töne aus.
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Film auf dem See
Ein außergewöhnliches Filmkonzert inmitten der Tosca-Bühne
Wer vom einzigartigen Ambiente der Seebühne nicht genug bekommen kann, hat 2008 die
einmalige Chance, ein Filmkonzert unter freiem Himmel zu erleben: Auf einer Leinwand
inmitten der Tosca-Kulisse zeigen die Bregenzer Festspiele am 15. August Sergej Eisensteins
Monumentalfilm Alexander Newski. Live auf der Seebühne spielt das Symphonieorchester
Vorarlberg.
Die
erste
Zusammenarbeit
der
beiden
wohl
berühmtesten
Sergejs
der
damaligen
sowjetischen Kulturlandschaft – des legendären Regisseurs Sergej Eisenstein und des
Komponisten
Sergej
Prokofjew
–
zeitigte
1938
einen
Meilenstein
der
Film-
und
Musikgeschichte: Alexander Newski, ein Monumentalwerk über den russischen Volkshelden,
ein fesselnder Film über Liebe, Mut und unmenschliche Grausamkeit, eine meisterliche
Kombination aus Eisensteins visionärer Filmsprache und Prokofjews dramatischer Musik.
Prokofjews „Soundtrack“ zu Alexander Newski ist eine Art „musikalisches Drehbuch“. Seine
Musik lässt keinen Zweifel, wo man sich befindet: ob in den schwebenden Streicherklängen
der endlosen Weiten Russlands, im mittelalterlichen Glockenklang der Stadt Nowgorod, im
Lager
der
deutschen
Kreuzritter
oder
im
rhythmischen
Getümmel
des
melodischen
Schlachtfelds. Der junge Dirigent Frank Strobel, der auf der Seebühne am Pult des
Symphonieorchesters
Vorarlberg
stehen
wird,
zeichnet
selbst
für
die
aufwändige
Rekonstruktion der Filmmusik verantwortlich.
Der Film erzählt die Geschichte des russischen Volkshelden Alexander Newski, unter dessen
Führung 1242 der Einfall deutscher Kreuzritter aus dem Westen abgewendet werden konnte.
Die Eroberer behandeln die Bevölkerung höchst grausam, foltern, entführen, töten jeden, der
ihnen im Weg steht. Prinz Alexander Newski gelingt es, die deutschen Truppen auf den
gefrorenen Peipussee zu locken, wo sich die entscheidende Schlacht entspinnt. Als die Feinde
nach mörderischem Kampf zu fliehen versuchen, bricht das Eis unter ihrem Gewicht
zusammen.
© Babette Karner 2007
Die Bregenzer Festspiele 2007 finden vom 23. Juli bis zum 23. August 2008 statt. Tickets und Infos unter +43
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(0)5574 407-6 und www.bregenzerfestspiele.com.
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