Leseprobe - Verlag Karl Alber

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Kaehler (48338) / p. 1 /3.2.09
Klaus Erich Kaehler
Das Prinzip Subjekt und seine Krisen
VERLAG KARL ALBER
A
Kaehler (48338) / p. 2 /3.2.09
Ziel dieses Werkes ist es, zu einer Konzeption des Subjekts nach der
Metaphysik vorzudringen, die den absoluten Wahrheitsanspruch der
neuzeitlichen Metaphysik und ihrer »Vernunft« nicht als bloß noch
historisch interessant zurücksetzt, sondern ihn mit- und zu Ende gedacht hat, um daraus seine ureigene, darum ihm notwendige Grenze
bestimmt zu begreifen. Denn die prinzipiell-methodische Entfaltung
des Subjekts der neueren Philosophie von Descartes bis Hegel hat nicht
nur unverzichtbare Bedeutung für ein adäquates Begreifen von Subjekt
und Selbstbewusstsein als den bekannten Phänomenen mit ihren Paradoxien und scheinbaren Aporien, sondern darin gewinnt das Prinzip
Subjekt seine radikale und umfassende Bestimmung. Nur auf diesem
Weg der Selbstvollendung geht in einer Selbstreflexion des Ganzen
seine äußerste Krise in begrifflich bestimmbarer Konsequenz hervor:
die prinzipielle Reorientierung der Aufgabenstellung des Denkens als
Realität des an ihm selbst dezentrierten Subjekts.
Der Autor:
Klaus Erich Kaehler, geb. 1942, Professor für Philosophie an der
Universität zu Köln und Ko-Direktor des dortigen Husserl- Archivs;
Studium an den Universitäten Hamburg und Freiburg, frühere Lehrtätigkeiten an den Universitäten Freiburg, Heidelberg, Hamburg,
Memphis/TN (USA). Frühere Veröffentlichung bei Alber: Leibniz’
Position der Rationalität (1989).
Kaehler (48338) / p. 3 /3.2.09
Klaus Erich Kaehler
Das Prinzip Subjekt
und seine Krisen
Selbstvollendung und
Dezentrierung
Verlag Karl Alber Freiburg / München
Kaehler (48338) / p. 4 /3.2.09
Originalausgabe
© VERLAG KARL ALBER
in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2010
Alle Rechte vorbehalten
www.verlag-alber.de
Satz: SatzWeise, Föhren
Druck und Bindung: AZ Druck und Datentechnik, Kempten
Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier (säurefrei)
Printed on acid-free paper
Printed in Germany
ISBN 978-3-495-48338-1
Kaehler (48338) / p. 5 /3.2.09
Inhalt
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Die Krisis des metaphysischen Subjekts und die
transzendentale Wende . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
I.
II.
III.
IV.
V.
Einsatz und Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Subjektivität und Wissenschaft . . . . . . . . . . . . .
Subjekt als philosophisches Prinzip der Neuzeit . . . . .
»Geschichte« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Resultat: Dezentrierung statt Verschwinden des Subjekts
13
I. Methode und Metaphysik im cartesischen Anfang der
neueren Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Die Grundstruktur des Subjekts im cartesischen Anfang .
Exkurs zu Hobbes’ »Weltvernichtung« . . . . . . . . . . .
2. Die zwiespältige Stellung der »denkenden Substanz«:
Methodische Autonomie und ontologische Abhängigkeit
3. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . .
II. Das Subjekt als Substanz und als Modus: Spinoza . . . . .
1. Vom cartesischen Resultat zum neuen Anfang . . . . .
2. Die eine Substanz und ihre formale Subjekt-Struktur . .
3. Das Subjekt als endlicher Modus und als Ort der Selbsterkenntnis der Substanz . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Der endliche Modus als solcher . . . . . . . . . . .
b) Der endliche Modus als mens humana und deren
immanentes Verhältnis zur absoluten Substanz . . .
III. Das metaphysische und das methodische Subjekt in Leibniz’
Metaphysik der Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Der endliche Geist (mens) als Subjekt der natürlichen
Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Die Selbsterfassung des endlichen Subjekts in den
»ersten Erfahrungen« . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
b) Sich-Wissen und Selbstunterscheidung des Subjekts
der natürlichen Vernunft als individuelle Substanz
und als methodisches Subjekt . . . . . . . . . . . .
2. Die Entschränkung des endlichen Subjekts in der
Theologie der Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Die vollkommenste Erkenntnis: der ursprüngliche
Bestand alles an sich Denkmöglichen in der göttlichen
Scientia possibilium . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Der Wille zum Besten und der Hervorgang der
Existenzen aus der Einheit des rationalen Uraktes:
die ›Schöpfung‹ als Existenzsetzung der besten aller
möglichen Welten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Das existierende Subjekt als geschaffene Monade:
Die Wirklichkeit des maxime possibile und seiner
logischen Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Die Monaden als existierende vollständige Begriffe .
b) Individuelle Substanz und phänomenale Welt . . . .
IV. Das existierende Subjekt für sich und seine Aporien im
Erkennen und Handeln . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Der Mensch und sein Verstand, die Ideen, das Selbst
und die materielle Welt: Locke . . . . . . . . . . .
Exkurs zum ›Nominalismus‹ bei Locke . . . . . . . . .
2. Das existierende Subjekt aller Realität, seine
Selbständigkeit und Unselbständigkeit: Berkeley . .
3. Die Zweifelhaftigkeit des auf sich gestellten
existierenden Subjekts und seines Verstandes: Hume
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V. Die Reflexion des existierenden Subjekts in seine
Vernunft-Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Spontaneität und Freiheit als radikale Probleme des für
sich endlichen Subjekts . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Die Selbstunterscheidung des endlichen VernunftSubjekts im Erkennen und Handeln . . . . . . . . . .
VI. Kants »transzendentale Wende«: Die Bedingtheit in der
Unbedingtheit des Subjekts theoretischer und praktischer
Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Die »transzendentale Wende« und die Grundverfassung
ihres Subjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Der methodische Sinn der transzendentalen Wende .
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Inhalt
b) Die unableitbare Grunddifferenz des Vollzugs von
Subjektivität in Anschauung und Begriff/Sinnlichkeit
und Verstand/Rezeptivität und Spontaneität . . . . .
c) Die ursprüngliche Begrenztheit des Subjekts der
transzendentalen Wende und seines Wissens aus
reiner Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Die unaufhebbare Bindung an Faktizität: Subjektivität
ohne metaphysisches Subjekt . . . . . . . . . . . . . .
a) Das Faktum der Erfahrung: die unvordenkliche
Gegebenheit und das »Ding an sich« . . . . . . . . .
b) Das Problem der Beziehung von Vorstellung und
Gegenstand, oder: wie ist Objektivität möglich? . . .
c) Die nicht-empirische Erkenntnis der Natur, des
Inbegriffs der Gegenstände der Erfahrung:
»synthetische Urteile a priori« als transzendentales
Substitut der objektiv-metaphysischen Begründung .
d) Das Problem der Existenz des Subjekts selbst:
transzendentale Universalität in empirischer
Individualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Das Subjekt als Noumenon: Einheit der praktischen
Vernunft und Vielheit handelnder Personen . . . . . .
a) Der homo noumenon als Autor des »kategorischen
Imperativs«: moralisch-praktische Selbstgesetzgebung
des »vernünftigen Naturwesens«
(homo phaenomenon) . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Die handelnden Subjekte der Freiheit und ihre
»intelligiblen Charaktere« . . . . . . . . . . . . . .
B. Entfaltung und Krisis des transzendentalen Subjekts:
vom transzendentalen zum spekulativen Wissen . . . . . . .
I. Das Problem der systematischen Einheit des
transzendentalen Wissens in Kants Vernunft-Kritik . . . .
1. Das Problem der Einheit von theoretischer und
praktischer Vernunft in der transzendentalen Reflexion .
2. Die wechselseitige Inkongruenz von Denken und
Anschauung und die transzendentale Begründung ihrer
Zusammenstimmung im Prinzip der reflektierenden
Urteilskraft: die Zweckmäßigkeit der Natur . . . . . . .
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Inhalt
a) Das Prinzip der reflektierenden Urteilskraft . . . .
b) Die ästhetische Vorstellung der Zweckmäßigkeit der
Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Die logische Vorstellung der Zweckmäßigkeit der
Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Das Primat der praktischen Vernunft und die
Ultima Ratio im transzendentalen Wissen . . . . . .
4. Von Kant zu Fichte: Reinhold und SchulzeAenesidemus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Exkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Die systematische Entfaltung des transzendentalen
Idealismus aus dem Prinzip des unbedingten VernunftSubjekts: Fichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Das Ich als sich selbst setzender Grund aller Realität im
Bewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Der Erste Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Die Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . .
g) Die Bedeutung des Grundsatzes . . . . . . . . .
d) Zwei Weisen der Selbstbeziehung: Sich-Setzen und
Sich-Vorstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
e) Ich als unmittelbare Anschauung und deren Selbstbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
z) Die intellektuelle Anschauung . . . . . . . . . .
h) »Realität« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Der Zweite Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Die »Form des Gegensetzens« . . . . . . . . . .
g) Die Bestimmung des Entgegengesetzten als
Nicht-Ich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Die Bedeutung des Zweiten Grundsatzes . . . . .
c) Der Dritte Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Der Begriff der Teilbarkeit . . . . . . . . . . . .
g) Die Bedeutung des Dritten Grundsatzes . . . . .
d) Der dritte Grundsatz als Ur-Synthesis . . . . . .
e) Das Ich im Dritten Grundsatz . . . . . . . . . .
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Inhalt
d) Die drei Grundsätze als Neubegründung des
tranzendentalen Idealismus . . . . . . . . . . . . .
e) Verhältnis zu Kant . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Grundlage des theoretischen Wissens . . . . . . . . . .
a) Die Synthese von Ich und Nicht-Ich durch Wechselbestimmung als Kausalitäts- und Substantialitätsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Die Synthese des Kausalitäts- mit dem
Substantialitätsverhältnis zwischen Ich und Nicht-Ich
a) »Durch Wechsel-Tun und Leiden wird eine
unabhängige Tätigkeit bestimmt« . . . . . . . .
b) »Durch eine unabhängige Tätigkeit wird ein
Wechsel-Tun und Leiden bestimmt« . . . . . . .
g) »Der Wechsel und die von ihm unabhängige
Tätigkeit sollen sich selbst gegenseitig bestimmen.«
c) Die kritische Synthese von Realismus und Idealismus
d) Die Einbildungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . .
e) Deduktion der Tätigkeiten des vorstellenden Ich . . .
3. Deduktion der Tätigkeiten des praktischen Ich . . . . .
a) Grundlage der Wissenschaft des Praktischen . . . . .
b) Streben – Trieb – Gefühl – Sehnen . . . . . . . . .
Exkurs zu Schelling: Die Indifferenzierung von
Ich und Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Die metaphysische Wende vom transzendentalen zum
spekulativen Wissen in Hegels Idee der absoluten
Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Die immanente Kritik des Subjekts als Bewusstsein in
der Wissenschaft des erscheinenden Wissens . . . . . .
a) Fichtes Ich als Prinzip des Bewusstseins und seine
Krisis in der immanenten Notwendigkeit einer prinzipiell-methodischen »Erfahrung des Bewusstseins« .
a) Das transzendentale Subjekt in der Reflexion
seiner Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Die Grundstruktur und das Ziel der Erfahrung des
Bewusstseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Der absolute Grund des gegenständlichen Wissens:
»Geist« als Subjekt und Grund seiner Erscheinung .
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Inhalt
2. Die Idee der absoluten Wissenschaft . . . . . . . . . .
a) Kritik, Begründung und Aufhebung des
transzendentalen Wissens in der Wirklichkeit
des Geistes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Das Sich-Wissen des absoluten Subjekts:
Die »Wissenschaft« . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Die Wahrheit des absoluten Subjekts . . . . . . . . . . . .
527
I. Das absolute Subjekt als »Idee«: Die Selbstbestimmung
der reinen spekulativen Wahrheit in der absoluten
Negativität des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Der Begriff als Sein . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Der Anfang und das Werden . . . . . . . . . . .
b) Die Bestimmtheit des Seins . . . . . . . . . . .
a) Endlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Die Unendlichkeit . . . . . . . . . . . . . .
Exkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
g) Fürsichsein . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Quantität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Das Maß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Exkurs zur »Äußerlichkeit« . . . . . . . . . . . . .
2. Der Begriff als Wesen . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Der Schein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Die Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Setzende Reflexion . . . . . . . . . . . . . .
»Die Negativität des Ich«
b) Äußere Reflexion . . . . . . . . . . . . . . .
g) Bestimmende Reflexion . . . . . . . . . . .
c) Das Wesen als Grund der Existenz . . . . . . . .
a) Die Reflexionsbestimmungen . . . . . . . .
b) Existenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
g) Das Ding . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Die Erscheinung . . . . . . . . . . . . . . . . .
e) Die Wirklichkeit: Von der Substanz zum Subjekt
3. Der Begriff als Begriff . . . . . . . . . . . . . . .
a) Die Subjektivität – der formelle Begriff . . . . .
b) Die Objektivität – der reale Begriff . . . . . . .
c) Die Idee – der absolute Begriff . . . . . . . . . .
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Inhalt
II. Die Erzeugung des Gehalts der Realphilosophie: die Natur
als Entäußerung der Idee und das Werden des Geistes . . .
1. Die Unmittelbarkeit der vollendeten Idee als ihr freies
Sich-Entlassen in die absolute Äußerlichkeit ihrer selbst .
Exkurs: Entäußerung bei Fichte und Hegel . . . . . . . . .
2. Die Ohnmacht der Natur außer ihrem Begriff . . . . .
3. Die spekulative Organisation der Natur . . . . . . . . .
III. Die absolute Selbstvollendung des Subjekts . . . . . . . .
1. Die Natürlichkeit und Geschichtlichkeit des Geistes:
der endliche Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Der subjektive Geist . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Die unmittelbare (seiende) Einheit der Differenzen
im natürlichen Subjekt: Der Mensch als individuelle
Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Der Inhalt der natürlichen Seele als Gegenstand für
das Subjekt als Bewusstsein: die Phänomenologie .
g) Die innersubjektiven Vollzugsweisen des Geistes
als solchem: die Psychologie . . . . . . . . . . .
b) Der objektive Geist . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Die immanente Wirklichkeit des Geistes: der absolute
Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
D. Die endogene Krisis des absoluten Subjekts und
seine Dezentrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Die endogene Krisis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Die ontologische Ambivalenz des absolut sich
vollendenden Subjekts . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Logik und »Realphilosophie«: Interne und externe
Negativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Die Notwendigkeit, dass der absolute Geist sich selbst
äußerlich ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Die Verschließung der spekulativen Wahrheit gegen ihre
Differenz im Ganzen: Der Herrschaftscharakter des spekulativen Begreifens und seine immanente Bestreitung .
a) Die zurückgelassenen Formen des absoluten Geistes .
a) Die Philosophie in ihrer Geschichte . . . . . . .
b) Die Vorstellung des Absoluten in der Religion . .
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Kaehler (48338) / p. 12 /3.2.09
Inhalt
g) Die Unmittelbarkeit und Individualität des
Absoluten in der Kunst . . . . . . . . . . . . . .
b) Die Differenzen der Endlichkeit im objektiven Geist .
c) Die Differenzen des subjektiven Geistes an ihm selbst
a) Praktischer und theoretischer Geist . . . . . . . .
b) Bewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
g) Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Das Subjekt in der absoluten Äußerlichkeit: die Natur
e) Das Subjekt als äußerlichkeitsloses Zentrum:
die logische Idee . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Die Öffnung des Ganzen in seiner grundstürzenden
Selbstreflexion: Übergang in den Begriff des
dezentrierten Subjekts . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Die radikale Transformation des Subjekts als Prinzip der
Philosophie: Dezentrierung als Individuierung,
Pluralisierung und Naturalisierung . . . . . . . . . . . .
1. Die Ausgangsbestimmung des nach-metaphysischen
Subjekts in seiner Verschließung gegen das Ganze der
Metaphysik – der Prinzipcharakter selbstbezüglicher
Dezentrierung als negative Einheit von Innen und
Außen, Selbstheit und Andersheit . . . . . . . . . . .
2. Die Gliederung des dezentrierten Subjekts im Grundriß .
a) Individualität. Die Differenz des dezentrierten
Subjekts an ihm selbst und die Zeit . . . . . . . . .
a) Die innersubjektive Dezentrierung: das psychische
Leben als Einheit von Bewusstsein und
Unbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Der Bezug des ganzen Innen auf sein Außen:
die Leiblichkeit des dezentrierten Subjekts und
der Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Pluralität als Sozialität. Das reale Außen als
Seinesgleichen in der Differenz: Intersubjektivität als
unabschließbarer Horizont der Selbstverwirklichung .
c) Naturalität. Das reale Außen als das ganz Andere:
Subjektivität in Raum, Zeit und Materie . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kaehler (48338) / p. 13 /3.2.09
Einleitung
I.
Einsatz und Kontext
Das Subjekt, wie es einmal Prinzip der Philosophie, ihres Wissens und
ihrer Wahrheit, gewesen ist, ist in den Theorien und Diskursen unseres
Jahrhunderts längst unkenntlich geworden – und zwar nicht nur dort,
wo zugunsten der Anonymität von Struktur, System und Funktion,
von Sprachspiel und Lebensform oder schlicht im Namen der Objektivität positiver Wissenschaft, das »Ende des Subjekts« verkündet oder
unterstellt wird. Selbst wo die »Frage nach dem Subjekt« gestellt und
erneuert wird, und wo, wie in der analytischen »philosophy of mind«,
sogar eine Flut von Veröffentlichungen zu den Phänomenen Selbstbewusstsein und Subjektivität bereits zu subtilen und vielgestaltigen
Erklärungsversuchen geführt hat, bleibt die Idee des Subjekts als Prinzip des philosophischen Wissens selber weitgehend außer Betracht, von
einigen wesentlichen Ausnahmen abgesehen. 1 Dies hat seine Richtigkeit, sofern solche »Philosophie des Geistes« a limine in einer Perspektive auf das Subjekt ansetzt, die gemessen an dessen Prinzip-Stellung
von Descartes bis Hegel bereits seine Dezentrierung bedeutet. Dies gilt
auch dort, wo in sprachanalytischem Gewand und mit entsprechenden
neuen Argumenten zumindest Teileinsichten über Subjektivität als
philosophisches Thema und Problem wiedergewonnen werden.
Wie es zu der hier überall als selbstverständlich vorausgesetzten
Dezentrierung kommt, lässt sich jedoch bestimmt und konkret einsehen aus dem Gang der Selbstvollendung des Subjekts nach seinem
eigenen Maßstab, im Sinne des Prinzips und »Motors« der Philosophie
Hingewiesen sei unter diesem Aspekt vor allem auf die Arbeiten von K. Düsing und
D. Henrich. Speziell zur Bedeutung von Selbstbewusstsein als genuin philosophischem
Problem im Unterschied zu empirischen Phänomenen, deren theoretische Erklärung
nur eine Aufgabe neben anderen für empirische Wissenschaften ist, s. auch R. P. Horstmann (1987).
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Kaehler (48338) / p. 14 /3.2.09
Einleitung
der Neuzeit. Die Moderne im engeren Sinne des nach-metaphysischen
Denkens hat ihren kritischen Ursprung erst im Resultat dieser Selbstvollendung der »neueren Philosophie«, wie sie seit Hegel und Feuerbach heißt – in der radikalen Transformation des Subjekts aus seiner
absoluten Vollendungsgestalt, worin es produktives, sich selbst gegenwärtiges Prinzip und Zentrum aller Realität ist, in die dezentrierte Position, worin es sich nur konstituiert als offener, raumzeitlich-natural
bedingter Prozess einer stets zugleich individuellen und sozialen
Selbstverwirklichung.
II. Subjektivität und Wissenschaft
Das neuere Wiederaufleben der Debatte um Subjektivität innerhalb
der Analytischen Philosophie setzt »Subjektivität« nur als ein Phänomen oder Vorkommnis in der Welt voraus, das objektivierend mit den
Mitteln empirischer Wissenschaften zu erklären sei. 2 Demnach wäre
Subjektivität kein Problem, das für die Philosophie spezifisch oder gar
von grundlegender Bedeutung sei. Immerhin ist mit solcher Voraussetzung anerkannt, dass es hier etwas gibt, das einer Erklärung bedarf,
d. h. etwas, das im Rahmen einer Theorie, vielleicht auch eines Theoriengefüges, seine erkannte Bestimmung und Bedeutung erhalten soll.
Dass es sich bei so etwas wie einem Subjekt und seiner genuinen Vollzugsform »Selbstbewusstsein« um etwas zunächst Selbstverständliches handelt, geben auch diejenigen zu, die behaupten, Subjektivität
und Selbstbewusstsein könnten auf materielle, näher organische und
hirnphysiologische Vorgänge reduziert werden. Damit wird jedoch die
zunächst angenommene Selbstverständlichkeit, dass es Subjekte gibt,
dass jeder von uns »ich« sagen kann und wir uns dieses Können auch
wechselseitig zuschreiben, zum bloßen Schein erklärt – wirklich ist
dann nur das, was objektiv-wissenschaftlich erklärt werden kann. Auf
diese Weise bleibt jedoch völlig unerklärt, weil außerhalb der sachlichen Reichweite der Erklärung, wie der Schein der Selbstverständlichkeit des Ich-Bewusstseins der Menschen überhaupt entsteht und sich
Hierzu sei auf die instruktive Übersicht bei K. Düsing 2002 (11): 11–21 verwiesen,
ebenso auf die ausführlicheren Erörterungen zu Einwänden verschiedenster Art gegen
eine Theorie des Selsbtbewusstseins, in 1997 (11), Erster Teil.
2
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Subjektivität und Wissenschaft
aller »streng wissenschaftlichen« Desavouierung zum Trotz noch stets
wieder durchgesetzt hat.
Leichter haben es da diejenigen Erklärungen, die wenigstens das
Phänomen Selbstbewusstsein als positives Vorurteil des vorwissenschaftlichen Meinens aufnehmen und für gültig halten. Diese Wendung in der »philosophy of mind« erkennt das hier Gemeinte an als
ontisch-empirisches Phänomen, um dann die Besonderheiten des sog.
mentalen Vokabulars, mit dem wir darüber sprechen, festzustellen und
daraus wiederum genauere Erkenntnis jener Selbstverständlichkeit zu
gewinnen. Auch hier aber ist es noch die Frage, wieweit in die Erkenntnis eingeholt wird, was in diesem Phänomen der Subjektivität darin
liegt, im Lichte ihres Selbstbewusstseins. Gerade die Schwierigkeiten,
eine konsistente theoretische Bestimmung der Struktur von Selbstbewusstsein, der Art und Weise seiner Existenz und womöglich dessen,
was da »bewusst« ist, zu finden, – gerade die hier wesensgemäß auftretenden Paradoxien und Aporien, in die die Erklärung gerät, stellen
eine radikale Herausforderung an das philosophische Denken selber,
seine Kriterien der logischen Exaktheit und methodischen Überprüfbarkeit dar.
Die Auseinandersetzung um Subjekt und Selbstbewusstsein führt
so unvermeidlich in Grundlagen und interne Voraussetzungen des jeweils für vertretbar gehaltenen Philosophierens. Diese Bedeutung des
Subjekt-Problems entspricht aber in der Tat seiner Bedeutung für unser kulturelles, moralisches und politisches Selbstverständnis und womöglich einer unterschwelligen Ideologie im Streit um das Subjekt.
Die Philosophie aber gerät selber unreflektiert in diese Ideologisierung,
wenn sie sich auf die grundlegende oder – je nachdem – grundstürzende Dimension des Subjekt-Problems nicht einlässt – und das heißt
eben: wenn sie Subjekt und Selbstbewusstsein nur als Alltagsmeinung,
als vorwissenschaftlich ungenaues Selbstverständnis betrachtet, das
einer »wissenschaftlichen« Überprüfung« bedarf – sei das Ergebnis,
dass dieses Selbstverständnis wissenschaftlich unhaltbar sei, oder dass
es richtig und erklärbar sei. Ob aber das Ergebnis nun negativ oder
positiv (vielleicht auch zumindest problematisch) ausfällt, dies macht
solange keinen prinzipiellen Unterschied, als die Methoden und Kriterien der Erkenntnisgewinnung bereits als anderweitig – außer der zu
erkennenden Sache – gegeben und gesichert vorausgesetzt werden.
Denn das ist das Eigentümliche dieser Sache: es gibt sie nur, indem sie
sich für sich selbst erzeugt und da ist.
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Kaehler (48338) / p. 16 /3.2.09
Einleitung
Die Erinnerung an diese unmittelbar paradoxe Verfassung dessen,
was wir mit »Subjekt« meinen, ist vorab nötig, um die Herausforderung wenigstens erahnen zu lassen, vor die sich das redliche Denken,
das sich nichts vormachen lässt, hier gestellt sieht. Die Philosophie der
geschichtlichen Neuzeit hat ihrer Sache nach jede Gegenwart vor diese
Herausforderung gestellt, ja sie hat sich entfaltet als Explikation dieser
Herausforderung. Wie die Philosophie dazu gekommen ist, diese Herausforderung des Denkens, das erkennen will, als grundlegend anzuerkennen, ist aus ihrem epochalen Anfang zu begreifen. Von ihm aus hat
die neuere Philosophie die Entfaltung ihrer Sache, dessen, was ihr das
Wahre ist, zunehmend als die Selbstentfaltung des Subjekts bestimmt.
»Subjekt« ist damit der Name für das Prinzip der denkenden Erkenntnis – nicht (nur) für ein als psychologisch klassifizierbares und allbekanntes empirisches Phänomen. Die Art und Weise der Erkenntnis
»des Subjekts« – die »Methode«, nach der solche Erkenntnis möglich
und gültig ist – ist dann nichts anderes als der Weg seiner Selbsterkenntnis und die Explikation seiner Verfassung als Verfassung des
Wahren.
III. Subjekt als philosophisches Prinzip der Neuzeit
Verstehen und rekonstruieren wir die sog. neuere Philosophie unter
dieser Perspektive: als Selbstentfaltung des Prinzips Subjekt, 3 so erschließt sich nicht nur ein erstaunlicher sachlicher Zusammenhang unter den verschiedenen geschichtlichen Positionen, sondern dann wird
auch einsehbar, dass und wie die Philosophie sich hier nicht ihre Denkmittel und Methoden als schon vorab feststehend vorgeben lässt von
einer anonymen »wissenschaftlichen Rationalität«, aber auch nicht als
das selber wandelbare Produkt der jeweils historisch etablierten »Forschergemeinschaften«. Vielmehr lassen die Positionen der neueren
Philosophie erst erkennen, dass die wissenschaftliche Rationalität ihrerseits noch zu rechtfertigen bzw. zu begründen und dadurch auch
begrenzt ist, indem sie in einen übergreifenden Zusammenhang einbezogen wird. Wie dieser Zusammenhang genau zu bestimmen ist,
können die objektiven Wissenschaften nicht mit den Mitteln ihrer je
C.-A. Scheier hat diesen Weg »von Descartes zu Hegel« dargestellt als die »Selbstentfaltung der methodischen Reflexion«: 1973 (11).
3
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Subjekt als philosophisches Prinzip der Neuzeit
eigenen Disziplin theoretisch fassen. Eine Erhebung wissenschaftlicher
Erkenntnisse und Standards zu allgemeinen Normen des Beurteilens
und Tuns führt vielmehr gerade zu einer Ideologisierung, einer verheerenden Usurpation der philosophischen, kulturellen und praktischen Orientierung – für die Tradition können wir auch sagen: der Vernunft.
War die neuzeitliche Philosophie gerade dazu angetreten, die aufkommende Wissenschaft als wahrheitsfähig zu erweisen, so erbrachte
sie doch diesen Erweis nur, indem sie die bisherige Grundlage aller
Wahrheit, die Theologie und ihre Lehren, als Philosophie, genauer: als
Erste Philosophie, revolutionierte. Die neuen Wissenschaften, zunächst vor allem die Astronomie, dann auch die Medizin, die Physik,
die durch Newton zur universalen mathematischen Natur-Wissenschaft wurde, und schließlich die Chemie und Biologie, – diese modernen Wissenschaften hatten sich von den Lehren der Theologie und
ihrer Religion emanzipiert, ohne eine anderweitige Begründung zu
finden. Die Philosophie aber suchte das theologische »Paradigma« inhaltlich zu überwinden und zu ersetzen durch eine umfassende Neubegründung alles Wissens und seiner Wahrheitsansprüche. Das neue
Prinzip hatte zunächst noch keinen Namen. Aber retrospektiv kann es
der Sache nach zutreffend mit dem (erst seit dem 18. Jahrhundert üblichen) Namen des »Subjekts« bezeichnet werden.
Die hierin angelegte und erst schrittweise in den großen Positionen
entfaltete Begründung hat die neuen Wissenschaften nicht zur Voraussetzung – es sei denn im äußerlichen, historischen Sinne –, sondern
konstruiert unabhängig aus eigenen, internen Gedanken und Sinngehalten den übergreifenden Zusammenhang, in dem die Wissenschaften nicht nur ihre relative Bedeutung für Mensch und Welt, sondern
auch ihre prinzipiell-methodische Rechtfertigung als Erkenntnis überhaupt erhalten. Die Ersetzung des theologischen »Paradigmas« erweist
sich in dieser Neubegründung nicht etwa am Verschwinden der Annahme einer durch Gott geschaffenen Ordnung der Dinge und der Natur, sondern an dem Verhältnis, das das kritische Denken, welches eine
Begründung aus der Kraft eigener Einsicht und Erfahrung sucht, sich
selbst zu dieser Annahme gibt. Wie das neue Erkenntnisideal der Mathesis nicht der traditionellen Mathematik bloß nachfolgt, sondern nur
darum ein Erkenntnisideal ist, weil diese Mathesis die reine Immanenz
lückenloser Einsicht verbürgt, so kann auch die inhaltliche Idee einer
Wohlordnung und Realitätsfülle der Welt aus göttlichem Ursprung
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Kaehler (48338) / p. 18 /3.2.09
Einleitung
letztlich nur noch als selbsterzeugte Idee des methodisch-vernünftig
denkenden Subjekts Gültigkeit beanspruchen, wie dann Immanuel
Kant einschränkend sagen wird.
Nur in dieser Bedeutung und selbstreflexiven Entfaltung ist »Subjekt« Prinzip der Philosophie; nur daraus ergibt sich die Methode eines
Erkennens, das nicht historisch etablierten Wissenschaftsdisziplinen
folgt und ihnen seine Rechtfertigung entnimmt. Die Methode der Philosophie unter dem Prinzip Subjekt entspringt allein diesem selbst als
dem Weg seiner Vollendung, worin die bloße Form des Subjekt-Seins,
das Selbstbewusstsein, sich mit dem adäquaten Inhalt erfüllt, d. h. sich
durch und für sich selbst realisiert hat. Als diese Realisierung ist das
Selbstbewusstsein zugleich Selbsterkenntnis. Die Stufen oder Schritte
auf dem Weg zu ihrer Vollendung durch das Subjekt sind aber jeweils
stets schon Bestimmungen des Ganzen, das noch nicht seine Vollendung, seine adäquate Bestimmung für sich selbst erreicht hat. Jede
Stufe ist eine philosophische Position: eine Totalität von Annahmen,
die durch ein Prinzip, als erstlich Wahres, verknüpft sind und aus denen
weiteres folgt. Der Wechsel der Positionen als Totalitäten ist dann aber
nicht möglich als partielle Korrektur, sondern nur als vollständige
Neubestimmung des erstlich Wahren – das zuvor Erste wird herabgesetzt zu einem Abgeleiteten, Abhängigen. In dieser Aufhebung und
systematischen Verschiebung seiner Grundbestimmungen vollbringt
sich gerade das Subjekt-Prinzip, das selber nichts einfach-positiv Erstes
ist, das vielmehr nur so und darin besteht, dass es sich bestimmt, somit
aber darin auch negiert und dennoch gerade in dieser Negation seiner
durch sich selbst sich erst verwirklicht – sein Wesen zur Existenz
bringt, so dass, was es an sich ist, für es wird, und zwar als an sich
seiendes. Solche sich nur auf sich beziehende Negativität ist, formelhaft gesagt, nicht nur die abstrakte Grundstruktur von Freiheit, sondern im selben Sinne das prinzipiell-methodische Element, in dem sich
die Positionen der neueren Philosophie als negativ-kritische Abfolge
von bestimmten, jeweils einseitig fixierten Totalitäten des Subjekts
entwickeln.
Eine solche dem begrifflich-reflexiven Denken eigentümliche Methode aber ist der objektwissenschaftlichen Rationalität ebenso wie der
Analyse unseres Sprechens über die partikularen Vorkommnisse von
Subjektivität und Selbstbewusstsein ein Greuel – oder ein undurchschauter Gegenstand der Verachtung. Umgekehrt hat jedoch die prinzipiell-methodische Entfaltung des Subjekts, wie sie die neuere Phi18
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Subjekt als philosophisches Prinzip der Neuzeit
losophie von Descartes bis Hegel vollbracht hat, durchaus auch ihre
erklärende Bedeutung für Subjekt und Selbstbewusstsein als den bekannten Phänomenen, die diese für uns immer schon sind, zumindest
vor aller philosophischen und wissenschaftlichen Sophistikation. Nur
sind die Positionen des philosophischen Subjekt-Prinzips nicht zurückgeschreckt vor den Paradoxien und Aporien, die die verständige, notwendig diskursive Erklärung jener Phänomene zunächst konstatieren
muss. Dass eine wohlverstandene Paradoxie nicht einfach ein Fehler ist,
der bloß zu beseitigen sei, ist gerade die Lehre, die uns das philosophische Subjekt-Prinzip auf dem Wege seiner Selbstvollendung geben
kann und die wir uns geben lassen sollten. 4
Ist es unvermeidlich, Subjektivität und Selbstbewusstsein unter
dem Joch subjektloser Logik, anonymer Wissenschaftsrationalität und
Sprachpragmatik zerbrechen zu lassen – oder gibt es eine Alternative,
die all dies in sich begreift, ohne sich darauf zu reduzieren? Gäbe es
keine solche Alternative, so würde dies nicht nur bedeuten, dass es
Subjektivität nicht wirklich gibt, dass ihre Konzeption keine Wahrheit
hat, sondern auch, dass die neuzeitliche Idee der ratio, der Vernunft,
die mit dem Prinzip Subjekt untrennbar verknüpft ist, allerdings ein
bloßer Aberglaube wäre, der gewisse Kulturkreise Europas eine Zeitlang beherrscht hätte. 5
Um die Entscheidung darüber auf philosophisch verbindliche Weise herbeizuführen, ist es unumgänglich, die Logik des Subjekts im
Fortgang seiner Entfaltung als Prinzip der großen Positionen der neuzeitlichen Philosophie aufzusuchen und das Unternehmen einer innerphilosophischen Rekonstitution des Subjekts und seines Sachgehalts –
unter dem Titel Vernunft – so ernst zu nehmen, wie es unser Denken
nur immer vermag, diesseits aller irritierenden Einfälle, die der Zeitgeist uns aufdrängt. Nur dadurch, dass wir uns dem philosophischen
Subjekt und seiner Vernunft in den Formen seiner theoretisch bestimmten Wirklichkeit anverwandeln, nur aus diesem äußersten Anspruch der Vernunft werden wir auch ihre notwendige, weil ureigene
Grenze bestimmt begreifen; nur daraus lassen sich Kritik und Transformation der verkürzt, schlagwortartig und meist unbegriffen so genannten »Subjekt-Philosophie« bzw. des »Subjekts« selber auf philoVgl. G. Schmidt 2004 (11).
Um die Alternative dazu nicht zu verbauen, ist es notwendig, ›Subjekt‹ nicht von
vornherein mit ›Mensch‹ gleichzusetzen!
4
5
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Einleitung
sophische Weise ausführen und begründen. Kurz: nur als Resultat der
Selbstvollendung des Subjekts ist seine Kritik umfassend und radikal
und seine Transformation philosophisch begründbar.
Die Sache der Philosophie, um die es dabei geht, gibt es erstens gar
nicht anders als dadurch, dass wir uns auf die in sich bestimmten – und
doch immer wieder erst zu bestimmenden – Positionen, ihren je eigentümlichen Sinnzusammenhang, einlassen, indem wir diese Positionen
selber artikulieren, und d. h., indem wir sie denken und in unserem
Denken sein lassen. Dadurch erhält zweitens die Sache der Philosophie
eine unaufhebbare und unabschließbare Dynamik, die sich aus der inneren Spannung jeder Position, jeder begrifflichen Festlegung ergibt.
Denn jede begriffliche Festlegung bezieht sich per modum ihrer Denkbarkeit auf alternative Denkbarkeiten, und dies nicht in beliebiger Weise. Darüber hinaus aber beziehen sich alle Alternativen des begrifflichen Denkens der Philosophie – auch wenn wir unterstellen, sie sei
keine empirische Objekt-Wissenschaft wie die sog. positiven Wissenschaften – auf Wirklichkeit, sei es auch nur eine solche, die es gerade
nur gibt, wenn, insofern und so wie wir sie verbindlich zu denken vermögen. 6
IV. »Geschichte«
Es geht also nicht um »Geschichte« der Philosophie, sondern darin nur
um das innerdisziplinäre Werden ihrer Sache und damit um reale Orientierungen im Horizont des begrifflichen Denkens, welches die Philosophie ist. Eine Rekonstruktion der wesentlichen Positionen von
Descartes bis Hegel in ihrem kritischen Zusammenhang, als Entwicklung und Vollendung eines Prinzips, fügt zusammen, was historisch
z. T. disparat zu sein scheint. Dieser Zusammenhang wird nur erkennbar, wenn zuerst jede philosophische Gesamtposition in ihrer inneren
Systematik dargestellt, d. h. inhaltlich-argumentativ rekonstruiert und
dann die Transformation dieses Ganzen einsichtig gemacht wird durch
die Selbstreflexion des in ihm beanspruchten Wissens. Solche RekonsDarin liegt die »ontologische Verpflichtung« jeder wahrhaften Philosophie; was jedoch nach dem prinzipiengeleiteten Durchgang des Denkens durch die neuzeitliche Philosophie und ihre Vollendung nicht bedeutet, dass »Ontologie« in irgendeiner Form
noch den Vorrang einer Grundlegung beanspruchen kann.
6
20
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»Geschichte«
truktion intendiert jeweils eine einheitliche und ganzheitliche Deutung, die den Grundsinn in allem geltend und deutlich machen soll.
Alle Entscheidungen über Wahrheitsansprüche haben an diesen
grundlegenden Sinnzusammenhängen das Maß, ohne das sie nur unreflektierter Ausdruck von vorgefassten Standpunkten bleiben. Notwendige Bedingung jeder Entscheidung über den Wahrheitswert einer
philosophischen Position im Ganzen und der in ihr vertretenen Sachaussagen im Einzelnen ist die Bestimmtheit des Sinnes, der sich nur
zeigt im entfalteten Zusammenhang, der inneren Architektonk des Inhalts. Allein durch die Ausarbeitung dieses Zusammenhangs, die Explikation der Wechselbeziehungen der bestimmten Begriffe und die
genaue Einlassung auf die zugehörige Denk- und Argumentationsweise in jeder Position erschließt sich der Stand der Sache, der durch sie
jeweils erreicht ist, und wird in seiner Verbindlichkeit und Reichweite
einsehbar. Nur dann also, wenn so nah und so genau wie möglich von
innen heraus gedacht wird, was schon getan ist, kann das Nach-Denken
und Verstehen dieses Netzwerkes von Begriffen und Annahmen wirklich zur Macht eines bestimmenden Horizontes werden, in welchem
wir alles uns Bekannte einzuordnen lernen bzw. allem zuvor uns dazu
bereit machen.
Ohne diese tiefreichende Beweglichkeit kann gar nicht dasjenige in
unserem Denken ankommen, was deshalb zu denken ist, weil es schon
getan ist in der Philosophie. Dann aber können wir auch nicht das
Bewusstsein der Differenz erlangen, in dem sich das Denken einer Gegenwart mit ihren (auch in ihrer Philosophie auf diverse Art herrschenden) Selbstverständlichkeiten zu dem befindet, was schon getan
ist; das heißt – wir können gar nicht ernsthaft, nämlich sachhaltig Philosophie studieren und verstehen. Die Inhalte erleiden Verzerrungen,
wenn sie nur aufgrund anderweitig formulierter und konzipierter
»Fragestellungen« herangezogen, auf »argumentative Stimmigkeit«
und »Anschlussfähigkeit« (an »heutige Debatten«) geprüft werden.
Ihre argumentative Stimmigkeit müssen sie allerdings aus sich selbst
mitbringen und erkennen lassen. Alle Sachfragen der Philosophie sind
sowohl in ihrer Stellung als auch hinsichtlich ihrer Beantwortungsmöglichkeiten gebunden an und in der Ausarbeitung einzubinden in
den jeweiligen systematischen und konzeptionellen Kontext. Insbesondere wo bereits strenge Systematizität die philosophischen Inhalte
konstitutiert, kann auch nur durch das entsprechende Begreifen hindurch das Denken in die Offenheit und Negativität seiner selbst ge21
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Einleitung
langen, in der – nach der Krisis des absoluten Subjekts – den begrifflosen Faktizitäten eine grundlegende Bedeutung für philosophische
Wahrheit zuerkannt werden kann, wie es für alles nachmetaphysische
Denken selbstverständlich ist.
V. Resultat: Dezentrierung statt Verschwinden des Subjekts
Die radikale Krisis und die daraus folgende prinzipielle Transformation
des Subjekts sind also nur dann auf philosophisch angemessene Weise
erwiesen, wenn sie aus dem absoluten Subjekt in begrifflich bestimmter Konsequenz hervorgeht. Gerade die radikalen nachhegelschen Positionen, angefangen mit Feuerbach, zeugen bereits, auf noch unmittelbare Weise, von dieser Krisis und Transformation des philosophischen
Subjekts, wenngleich nicht als der negativen Konsequenz seiner Selbstvollendung; und wenn diese zugleich die Vollendung der Metaphysik
überhaupt erbringt – sofern sie nämlich nach ihrem eigenen, internen
Maß und Wahrheitsanspruch begriffen wird –, so wird sich das nachmetaphysische Denken, das »die Metaphysik« nicht bloß abstrakt negiert, also in Wahrheit und der Sache nach bloß ignoriert, insgesamt
innerhalb dieser negativen Konsequenz des vollendeten, d. h. absoluten
Subjekts bewegen. Nachmetaphysisches Denken und Wissen, das beansprucht, philosophisch auf der Höhe dessen zu stehen, was in der
Philosophie schon getan ist, hat hieran – der Selbstvollendung des Subjekts, seiner Krisis und der Dezentrierung als negativer Konsequenz –
sein Maß zu suchen und zu nehmen. Dazu aber muss dieses denkend
begriffen werden.
Anders kann auch heute nicht gewusst und noch weniger beurteilt
werden, was es mit »dem Subjekt« auf sich hat. Wo immer das Subjekt
für verschwindend (oder gar »sinnlos«) gehalten wird, wird seine radikale, restlose, unaufhebbare und unhintergehbare Dezentrierung nicht
erkannt und folglich nicht mehr als solche bedacht. Vielmehr scheint
sich dem betrachtenden Subjekt dasjenige Subjekt, das es als vormaliges Prinzip und dessen Sache, nämlich seine Selbstentfaltung, betrachtet bzw. kritisiert, völlig aufzulösen. Zweierlei aber ist dann nicht vollzogen, nicht beachtet und bloß ignoriert: 1. Das betrachtete Subjekt im
Sinne des Prinzips der Philosophie der Neuzeit gab es schon von Anfang an gar nicht als einfach Vorliegendes, das sich betrachten ließ oder
auch nicht, d. h. dem es wie einem Ding äußerlich gewesen wäre, ob es
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Resultat: Dezentrierung statt Verschwinden des Subjekts
gedacht würde; und 2. dem entsprechend kann es auch keine Dezentrierung von etwas geben ohne den Selbstvollzug dessen, was dezentriert ist. Dies nicht zu bemerken, ist bloß die Folge des von vornherein
inadäquaten Umgangs mit der neueren Philosophie. Die Pointe der absoluten und totalen Krisis des vollendeten Subjekt-Prinzips kann nur
aufleuchten, wenn die ursprüngliche Bedeutung und Stellung von
»Subjekt« aus seiner unvertretbaren und irreduzblen Seinsweise begriffen wird. Nur dann kann verhindert werden, dass die Sicht auf eine
subjektlose und ohnehin für »subjektunabhängig« gehaltene Welt
(stellvertretend für: Geschichte; Macht; Sprache/Diskurs; Sein; différance) sich selbst vergisst und verselbständigt, loslöst von sich selbst,
um derart »selbstlos« sich der Illusion hinzugeben, philosophisches
Denken könne seinen Gehalt in einem seiner selbst nicht bewussten
Zusehen des anonymen Waltens jener Mächte gewinnen.
Hat sich die Metaphysik in der Tat vollendet, dann ist sie »vergangen« nicht durch ein blindes Geschehen, sondern durch das, was in ihr
selbst, als Philosophie, schon getan ist. Das aber bedeutet auch, sie ist
nur vergangen, indem dies getan wird. Das Perfectum des Tuns ist zugleich immer erneute Aufgabe. Nur dadurch erfüllt sich die Gegenwart
in ihrem Unterschied mit dem, wovon sie sich unterscheidet – als nachmetaphysisches Denken, und zwar so, dass dieses Unterscheiden selbst
schon die Konsequenz, das Austragen der »absoluten« – d. h. nicht
mehr in einen ihr eigenen Grund aufhebbaren – Krisis ist. Die Feststellung und Öffnung dieser Krisis ist eo ipso der Bruch im Wahrheitsbegriff der absoluten Metaphysik selber. Sie ist damit, als Resultat der
Selbstreflexion des vormaligen Ganzen, zugleich der perennierende
Bruch mit diesem. Die Aufgabe des nachmetaphysischen Denkens –
als eines solchen! – ist es, sich darin zu halten. Das philosophische
Ergreifen und neue Entfalten des Resultats ist jedoch immer auch eine
Entscheidung der Krisis; andernfalls bliebe das Denken in einer leeren
Unbestimmtheit. Die Entscheidung hat ihren Gehalt als neue Grundbestimmung des Ganzen in seiner ersten Unmittelbarkeit, die das Denken dann bereits in jener Bestimmung als sein Erstes, seine unhintergahbare Vorgabe findet. Dieses Verhältnis, in sich reflektiert, ist das
Denken als dezentriertes Subjekt. Es bewährt seinen Prinzipcharakter
(s. ob. Kap. D.II.1) in der immer erneuten Selbstreflexion seines Verhältnisses zu den Grundbestimmungen, mit denen es sich auf sein unverfügbares Anderssein bezieht. Nur so werden diese Grundbestimmungen, die inhaltlichen Fixierungen der Entscheidung der Krisis,
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Einleitung
nicht missverstanden als unwandelbare Gegebenheiten, und die Theorien über sie suggerieren nicht, sich an die Stelle der vormaligen setzen
zu können und diese ein für alle Mal – im sog. »systematischen« Interese – von der nun erst gefundenen Wahrheit auszuschließen. 7 Mit
dieser Reflexion des Subjekts in seiner gründenden Dezentrierung,
d. h. in seiner Differenz und der Bestimmung, unter der es sich darin
erhält, hält es sich zugleich und permanent fern von dem Rückfall in
die – als Ort der Krisis immer mit zu denkende – Verfassung und Auffassung des absoluten Subjekts. So hält es sich im Bruch mit diesem,
versteht sich permanent und in allem als Austrag seiner Krisis und
erfüllt damit die gründende Aufgabe für das nachmetaphysische Denken.
Wenn hingegen dieses Denken sich jener Krisis, der es sich philosophisch verdankt, gar nicht mehr stellt, so wird ihm deren Ort und
dessen gesamte Genesis zu einem bloßen Vorrat an Ideen, deren es sich
nach Maßgabe seiner Interessen bedienen kann; und was dafür ungeeignet erscheint, wird als nur noch historisch interessant abgelegt.
Wenn das von seinem vormaligen absoluten Zentrum entbundene, befreite Denken dieses Zentrum selbst gar nicht mehr kennt (oder zur
Kenntnis zu nehmen sich weigert), verfügt es darüber im leichten Spiel
der »Lesarten«, die für umso innovativer und origineller gehalten werden, je weniger sie sich um den jeweiligen systematischen und konzeptionellen Zusammenhang kümmern, in dem das Gelesene sich befindet. Auch das ist zwar eine Realisation dezentrierter Subjektivität, aber
eine, die sich selbst so wenig kennt wie ihre philosophisch-sachliche
Genesis. Hieraus folgt die Täuschung, die jenem gleichgültigen Spiel
der Lesarten zugrunde liegt, nämlich entweder etwas könne als bekannt vorausgesetzt werden, ohne es genau in der Bestimmtheit, in
der es vorausgesetzt und gemeint ist, in den Diskurs explizit einzubringen; oder die entgegensetzte Täuschung, es gebe solche Bestimmtheit
schlechthin nicht, alles sei in der Tat nur – Lesart.
Dass solche Voraussetzung sich a limine von allem, was soeben
über den Umgang mit geschichtlich gewordener Philosophie gefordert
wurde, aber auch von den Aussagen dieser Philosophen selber über ihre
Mit diesem Selbstverständnis, das gerade der Metaphysik in allen ihren drei Epochen
eigen ist, ist das nachmetaphysische Denken prinzipiell unverträglich, wie sich dann
begründet einsehen lässt, wenn es als Austrag des Prinzips des dezentrierten Subjekts
– welches von Grund auf das Subjekt der Erfahrung ist –, begriffen wird.
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Resultat: Dezentrierung statt Verschwinden des Subjekts
Intentionen verabschiedet hat, liegt auf der Hand; von der hier mangelnden Einsicht in die Grenzen sprachlicher und hermeneutischer
Plastizität ganz abgesehen. Ohne die andere Seite der zu interpretierenden Sache, die dem reflexionslos entbundenen Denken nur in Lesarten zugänglich sein soll, mit ihrem ganz anderen Eigengewicht konkret und in ihrem prinzipiellen Gesamtsinn mitzudenken und in
begrifflicher Bestimmtheit immer erneut ankommen zu lassen, bleibt
vor allem die (bereits erwähnte) Differenz verborgen, aus der dieser
Zugriff auf das schon Getane immer schon denkt, sei dieser Zugriff
bloß verneinend, destruierend, verabschiedend oder sei er als befreiende Verwindung oder Dekonstruktion intendiert.
Der Mangel an Rechenschaft über diese Differenz ist im Grunde
ein Mangel an gelassenem Eingehen in dieses Andere selbst, das schon
getan ist – vor allem die Metaphysik –, das aber nur noch als Gegenstand von Verneinung, Verabschiedung oder Verwindung von philosophischem Interesse sein soll. Ein bloßer Bruch aber ist noch keine philosophische Leistung. Er muss seine Relevanz und Tragweite nicht nur
dadurch ausweisen, dass dargelegt wird, wie aus der prinzipiell veränderten Perspektive auf das Ganze, mit dem gebrochen wird, dieses
sich darstellt, sondern vor allem – und der Sache nach sogar: demzuvor
– dadurch, dass gezeigt wird, inwiefern die neuen Entdeckungen, Entlarvungen und Überwindungen etwas zu denken geben, das mit dem
derart Behandelten zu tun hat und es an-geht. So hat jeder Bruch seinen philosophischen Ort und seine inhaltlich-sachliche Relevanz doch
nur in einer als in sich kritisch-diskontinuierlich begriffenen Kontinuität. Wird dies geleistet, so kann sich in der Tat ein reflektiertes Verständnis des Vorangehenden unter dem Titel »Geschichte der Philosophie« – jede Philosophie wird (auch) geschichtlich – ausbilden, das
nicht bei deren ursprünglichem Selbstverständnis verharrt, es vielmher aufhebt und umformuliert als eine Alternative zu ihm selbst. Damit aber ist die Differenz zur gesamten Metaphysikgeschichte aus der
Position nach dem Bruch – so aus dem Prinzip des dezentrierten Subjekts – begründet und offen gehalten.
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