86 / indukom 01/2008 // Torsten Becker, Geschäftsführer Agentur Becker: „Für die Zukunft wäre eine Datenbank mit geeigneten Agenturen im Ausland interessant, mit denen deutsche Agenturen Partner- oder auch Netzwerkverträge abschliessen könnten.“ Thema Go global! Und wie ist es dabei um die Werbung bestellt? // Von einer klaren Markenführung im internationalen Kontext – wie man sie aus dem Konsumgüterbereich kennt – sind viele deutsche mittelständische Industrieunternehmen noch weit entfernt. Hier kann die Internationalisierung der eigenen Werbung große Unterstützung bieten. Indukom fragte nach, welchen Herausforderungen sich Unternehmen dabei stellen müssen. Um geringen Wachstumsaussichten auf ihrem Stammmarkt in der wesentlichen Herausforderungen für Agenturen, aber auch für Deutschland entgegenzuwirken, riskieren immer mehr Unternehderen Kunden selbst.“ men, neue Märkte in Europa wie in der ganzen Welt zu erschließen. „In vielen Industrieunternehmen ist der traditionelle Fokus auf den Oft geht es dabei auch um die Ausweitung der eigenen Vertriebs„Stammsitz“ noch sehr stark und verhindert eine wirklich interorganisation. Wie sieht dabei die Praxis aus? Wie verhalten sich nationale Kommunikationsstrategie“, kritisiert Roland Zöbelein, Industrieunternehmen, die sich dem internationalen Markt stellen Geschäftsleiter Beratung der Publicis KommunikationsAgentur. möchten hinsichtlich ihrer Werbung? Hier gibt es Unternehmen, bei denen „von der KomUnsere Befragung zeigt, dass sich gerade munikationsstrategie über die Kampagne bis deutsche Industrieunternehmen mit ihzu den kleinsten Maßnahmen weltweit rem internationalen Auftritt noch sehr einheitlich und ohne Rücksicht auf schwer tun. Philipp Bierbaum, Gedie Besonderheiten der Zielmärkte schäftsführer der Agentur Damm zentral vorgedacht, produziert + Bierbaum betrachtet die Ausund gesteuert wird.“ gangssituation dieser UnterAuch Bruno Boroewitsch, Genehmen: „Während viele schäftsführer bei com-a-tec Unternehmen in Deutschkennt solche Unternehmen: land zu den Marktführern „Auf den deutschen Markt gehören und sehr bekannt abgestimmte Werbemittel sind, fangen sie im Ausund Maßnahmen bleiben land oft bei „null“ an: sie hier unverändert, sie wersind nicht bekannt, haben den lediglich in die Sprakein Image. Ich sehe in che des entsprechenden der Internationalisierung Zielmarktes übersetzt. Die der Kommunikation eine Wirkung ist oft verheerend! Bildquelle: www.pixelio.de Marketingkommunikation Internaional / Thema / 87 // Philipp Bierbaum, Geschäftsführer Agentur Damm + Bierbaum: „Die Kommunikationsinhalte und deren Umsetzung werden oft von den Ländern selbst bestimmt, obwohl in vielen Märkten kein professionelles Marketing etabliert ist.“ Viele Werbemittel werden nie genutzt, weil sie auf die Eigenheiten der unterschiedlichen Märkte überhaupt nicht eingehen. Oft haben die Niederlassungen bzw. Vertretungen dieser Unternehmen im Ausland kein eigenes Werbebudget. Auswüchse wie qualitativ minderwertige Prospekte, Mini-Länderwebsites oder gar drittklassige Messeauftritte sind hier oft zu beobachten.“ Daneben neigen auch einige Unternehmen dazu, die komplette Werbung ihren Länderniederlassungen bzw. Vertretungen selbständig zu überlassen. Begründet wird diese Vorgehensweise damit, dass schließlich // Fehlende Kompetenz nur im entsprechenden Land selbst wirksame Kommunikation und Werbung gemacht werden kann. Laut Roland Zöbelein eine bequeme Begründung für beide Seiten: „Die Zentrale braucht nicht über den Tellerrand schauen, die Regionen und ihre „Fürsten“ können nach ihrem Geschmack schalten, walten und gestalten – im wahrsten Sinne des Wortes bis zur Größe, Farbe und Position der Marke auf der Broschüre.“ Zur kurzfristigen Förderung des Absatzes kann diese Methode zwar gut funktionieren, für die Marke selbst sieht Bruno Boroewitsch darin jedoch auf lange Sicht eine große Gefahr: „Je mehr in einzelnen Märkten sich Kommunikation und Markenwahrnehmung verselbständigen, um so austauschbarer wird das tatsächliche Produkt und damit der Hersteller.“ Oft fehlt die Kompetenz der entsprechenden Abteilungen im Ausland mit der Folge, dass die Marke unprofessionell beworben wird. „Die Unternehmen verzichten hier auf die Vorteile und den Markenwert einer gut geführten globalen Marke“, bemängelt Bruno Boroewitsch weiter. Und Roland Zöbelein führt fort: „Das geht zu Lasten eines durchgängigen Markenbildes und einer einheitlichen Positionierung.“ in der Praxis... Die von uns befragten Agenturen und Dienstleister betreuen u.a. folgende Unternehmen auf dem internationalen Markt: Agentur Becker GmbH: Uhlmann PAC-Systeme GmbH & Co. KG, Carl Zeiss Industrielle Messtechnik GmbH com-a-tec GmbH: Alcan Composites, IMS Cennector Systems Agentur Damm & Bierbaum: Lufthansa Cargo AG, KSB AG Publicis KommunikationsAgentur GmbH: Siemens Automation & Drives, STIHL, MAN Nutzfahrzeuge selektiv media GmbH: Rheinmetall AG, Leica Microsystems Es gibt auch Unternehmen, die den „richtigen Weg“ international zu kommunizieren gefunden haben. Diese Unternehmen haben die Chancen einer konsequenten globalen Markenführung und die Risiken deren Unterlassung erkannt. Welchen Aufgaben, welchen Herausforderungen haben sich diese Unternehmen und ihre Agenturen gestellt? Laut unserer Befragung haben diese Unternehmen ein globales Marketingteam ernannt, das sich aus den Marketingexperten der wichtigsten internationalen Märkte, dem zentralen Marketing und Werbung sowie der entsprechenden Agentur zusammensetzt. // Globales Team Hier werden Ziele und Maßnahmen besprochen, Erfahrungen ausgetauscht und ein rollierender Maßnahmenplan verabschiedet. Auch klare Richtlinien bezüglich Corporate Identity und eines einheitlichen Corporate Designs werden hier verankert. Natürlich zählt die Konzeption und Durchsetzung eines internationalen, vielsprachigen Webauftritts zu den Aufgaben der Expertenrunde. Das Marketingbudget ist meist so gesteuert, dass die Zentrale eine globale Unterstützung bietet, den einzelnen Märkten jedoch genügend Freiheiten für zielgruppengerechte und wirksame Aktionen und Maßnahmen gestattet. Bruno Boroewitsch berichtet von seinen Erfahrungen: „Über eine dem Marketingteam zugängliche Extranet-Plattform werden alle 88 / indukom 01/2008 // Bruno Boroewitsch, Geschäftsführer com-a-tec: „Die wichtigste Herausforderung für Unternehmen und Agenturen besteht darin, eine globale Marke aufzubauen und zu führen, aber gleichzeitig auf die Unterschiede der einzelnen Märkte einzugehen.“ Maßnahmen, ob zentral oder dezentral, präsentiert und deren Erfolg bewertet. Dies wirkt zum einen als Kontrollmechanismus, zum anderen aber auch als „Best Practice“Sammlung, aus der wertvolle Anregungen und Erfahrungen gezogen werden.“ Wie „internationale Werbung“ konkret funktionieren kann, davon berichtet Torsten Becker, Geschäftsführer bei der Agentur Becker: „Unser Kunde im Verpackungsbereich möchte seine Maschinenlinie im Kernmarkt USA einführen. Vor Ort existiert // „Best Practice“ eine Niederlassung, die jedoch in diesem Segment nicht bekannt ist. Für uns als Agentur gilt es nun, alle Kommunikationskanäle und -inhalte im engen Austausch mit dem deutschen Marketing, dem Vertrieb sowie der Niederlassung in den USA zu ermitteln. Dabei werden alle Kommunikationsmaßnahmen mit der Auslands-Niederlassung abgestimmt.“ Mit der Internationalisierung der Märkte und der damit einhergehenden Internationalisierung der Werbung müssen sich auch Agenturen selbst neuen Herausforderungen stellen. „Die Anforderungen an Agenturen sind sicherlich gestiegen. Daher stellen wir derzeit auch Mitarbeiter mit Auslandserfahrungen ein“, erklärt Torsten Becker. Andere Agenturen wie zum Beispiel die Agentur Marschner + Kühn betreiben seit einigen Jahren ein Büro in Moskau, um der Internationalisierung in dieser “Richtung“ RZ_VAG08001_Indukom_AnzPaper_2701 1 Marketingkommunikation Internaional / Thema / 89 // Sigrid Beiseken, Gesellschafterin Media-Agentur selektiv media: „Über welche Medien kommuniziert wird, sollte zentral gesteuert werden, jedoch in enger Zusammenarbeit mit der entsprechenden Abteilung des Exportmarktes im Ausland.“ gerecht zu werden. Laut Sigrid Beiseken, Gesellschafterin der Media-Agentur selektiv media ist die Internationalität bei B2B-Agenturen eher die Ausnahme: „Im deutschsprachigen Raum werden die Kampagnen 1:1 übertragen, für andere Sprachräume werden Netzwerke genutzt. Dabei fehlt häufig ein internationales Management, das sicherstellt, dass gemeinsame Ziele länderübergreifend umgesetzt werden und länderspezifische Gegebenheiten Berücksichtigung finden.“ // Netzwerke ALTPAPIER Entdecken Sie die Welt neu. Als Ingenieur bei Voith. Unsere Lösungen machen aus Altpapier von gestern Hochglanzpapier heute. Was werden Sie möglich machen? www.voith.de/career 30.01.2008 12:38:39 Uhr „Die Qualität ausländischer B2B-Agenturen ist derzeit nicht einschätzbar“, bemängelt Torsten Becker, „deshalb stellt sich der Aufbau eines Netzwerks zwischen Agenturen im In- und Ausland als sehr schwierig dar. Interessant wäre eine Datenbank mit geeigneten Agenturen, mit denen Partner- oder Netzwerkverträge abgeschlossen werden könnten.“ Unternehmen als auch Agenturen müssen heute und vor allem in Zukunft zunehmend international denken und handeln. In der Markenführung gilt es international gültige strategische Eckpfeiler zu entwickeln und zu definieren: ein Rahmen, der weltweit durchgängig auf die Marke einzahlt. Dies ist jedoch nur durch die Zusammenarbeit eng vernetzter internationaler Teams möglich. Deutsche Industrieunternehmen sind stark im Export – diese Stärke gilt es in Zukunft mit Unterstützung „echter“ internationaler Werbung zu sichern. (cr)