Die tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise: mögliche Risiken Miroslav Singer Vizegouverneur Tschechische Nationalbank (ČNB) Botschaft der Tschechischen Republik, Wien 13. April 2010 Inhalt • Die Wirtschaftskrise aus globaler Sicht: Ursachen, Phasen, Stabilitätspolitiken, Anpassungsprozesse, mögliche Risiken • Auswirkungen der Krise auf die tschechische Wirtschaft (Finanzsektor, Realwirtschaft) • Reaktion der ČNB auf die Krise • Prognose der ČNB (Februar 2010) • Fiskalentwicklung: mittelfristiges Risiko für die Entwicklung der tschechischen Wirtschaft M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 2 Das Wesen von Krisen • • • Hauptsächliche Erscheinungsformen von Krisen: Finanzkrisen (Bankenkrisen) Währungskrisen Krisen der Staatsfinanzen Krisen können „isoliert“ auftreten (z.B. die Bankenkrise in Schweden zu Beginn der 90er Jahre), oft jedoch in kombinierter Form (z.B. Argentinien 2002: Währungskrise + Krise der Staatsfinanzen) Das Wesen der Krise: eine (mehr oder weniger dramatische) Korrektur der vorausgegangenen Überhitzung der Realwirtschaft (bzw. einiger ihrer Segmente), zu welcher die Kumulierung einer übermäßigen Verschuldung und das Anwachsen von Risiken, welches sich in der Krise als unangemessen entpuppt, beitragen. Krisen sind (seit jeher) Teil des Systems der Marktwirtschaft; sie haben reinigenden Charakter M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 3 Ursachen der Wirtschaftskrise • 1/2 Makroökonomische Ursachen: Langzeitkumulierung globaler Ungleichgewichte (der hohe Verbrauch in den USA wurde durch große Einsparungen in China finanziert; Asien finanzierte die Blase) Zu niedrige Zinssätze über einen zu langen Zeitraum (in den USA und anderswo) • Ethische Ursachen: Störung des Umsichtigkeitsprinzips „unbewußt“ wie auch bewußt (seitens der Anbieter von Finanzdienstleistungen); Erhöhung des Finanzhebels über angemessene Grenzen hinweg (Erosion der Rentabilität des traditionellen Bankwesens und des Wertes von Lizenzen) Unterschätzung möglicher Risiken (Empfänger von Finanzdienstleistungen, Ratingagenturen) M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 4 Ursachen der Wirtschaftskrise • • • 2/2 Mit der Finanzmarktaufsicht zusammenhängende Ursachen: eine oft diffuse Aufsicht über die Finanzmärkte eine unzureichend qualifizierte oder zu wenig umsichtig agierende Aufsicht (Unterschätzung von Risiken in Zusammenhang mit Finanzinnovationen – unbekannte Produkte) Politische Ursachen: Interesse an einer Stimulierung des Wachstums und des „Wohlstands“ (z.B. Verschiebung in der Wahrnehmung von Wohnkrediten u.ä. als eine Art „Bürgerrecht“) Beeinflussung der Aufsichtsinstitutionen (Verschließen der Augen) Psychologische Ursachen: fromme Wünsche, Naivität, Unwissenheit, Gleichgültigkeit, Nachlässigkeit, Unbelehrbarkeit, Kurzsichtigkeit, Habgier, Arroganz Syndrom „This time is different“ (Rogoff, Reinhart): „Die Krise betrifft nur die anderen sowie andere Zeiten, keinesfalls aber uns hier im Heute!“ Hinsichtlich der Gewichtung der einzelnen Faktoren herrscht Uneinigkeit; die Ursachen unterscheiden sich zusätzlich beträchtlich nach Ländern und Regionen M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 5 Phasen der Krise in den hochentwickelten Volkswirtschaften Hypothekenkrise in den USA (Juli 2007): Auslöser der Krise Anlaufphase der Krise: Langzeitkumuierung der Faktoren: Blasen,Ungleichgewichte vor 2007 Fall von Lehman Brothers: September 2008 Latente Phase der Finanz krise 2007 Akute Phase der Finanzkrise: Risiko des Zusammenbruchs des Systems Krise der Realwirt schaft 2008 2009 Probleme der öffentlichen Finanzen: Defizite, wachsende Verschuldung und später Die einzelnen Phasen sind Folge der Entwicklung, Entscheidungen und Politiken der vorhergehenden Phasen M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 6 BIP in der EU im Jahr 2009 (zwischenjährl. Veränderung in %) 5 1,7 0 -1,7 -1,9 -2 -2,2 -5 -2,7 -3,1 -3,6 -3,6 -3,6 -4 -4,1 -4,2 -4,7 -4,8 -4,9 -4,9 -4,9 -5 -5 -5 -6,3 -7,1 -7,5 -7,8 -7,8 -10 -15 -14,1 -15 -18 SF ES T LI T LA T IR L SL O I H U N R O M D U K BG S D K C Z SK Eu N ro L zó n EU a -2 7 L AT E BE PT F AL G R M PL C YP -20 Quelle: Eurostat Einzig in Polen sank das BIP im Jahr 2009 nicht; Tschechien lag etwas schlechter als die EU-27; für die baltischen Staaten war die Krise eine Katastrophe M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 7 Politische Stabilisierungsmaßnahmen 1/3 • 1. Rettungspakete der Regierungen: Zusätzliche Liquiditätszufuhr für die Märkte und Stärkung des Bankenkapitals Fiskalstimuli mit dem Ziel der Förderung der Nachfrage (direkte Staatsausgaben, Steuersenkungen, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, Sozialpolitik) • 2. Maßnahmen der Zentralbanken - Währungspolitik: Aggressive Senkung der währungspolitischen Zinssätze – einzeln und koordiniert (am 8. Oktober 2008 senkten 6 Zentralbanken die Zinssätze) M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 8 Währungspolitische Zinssätze ausgewählter Länder (2005 – 2009) Quelle: BIS Die währungspolitischen Zinssätze der FRS, der BoE und der EZB fielen auf Null oder auf ein außerordentlich niedriges Niveau M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 9 Politische Stabilisierungsmaßnahmen 2/3 Anwendung von Instrumenten der sog. nichtkonventionellen Währungspolitik mit folgenden Zielen: Beeinflussung der Bedingungen auf dem Interbankenmarkt Beeinflussung des Kreditmarktes und Beitrag zu einer weitreichenderen Lockerung der Finanzierungsbedingungen Allgemeines Ziel: Verhinderung von Deflation und Ankurbeln des Wachstums • 3. Maßnahmen seitens der Regulatoren Unterschiedlich je nach Bedingungen der einzelnen Länder Übernationale Initiativen: European Systemic Risk Board, European Supervision Agencies; Einführung einer dynamischen Deckung, Einführung von nicht risikobelasteten Kapitalerfordernissen; Änderungen im Rechnungswesen, u.a. M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 10 Unterstützung des Finanzsektors in den EU-27 (in % des BIP) 157,2 Quelle: Europäische Kommission, Oktober 2009 40 35 30,2 24,4 25 19,6 20 15 10,3 10,1 9,6 6,7 5,1 5 4,7 3,8 3,2 2,3 0,1 H E PT K R G D F SL L LO T S D K N L AT U B IR L 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 SK 6,8 O 6,9 R 8,1 LI T M AL PL 10 I BG C YP C Z ES T SF jako % HDP 30 Während in IRL, BE, GB und NL die Unterstützung der Regierung beträchtlich war, war sie in der Mehrheit der neuen EU-Mitgliedsländer gleich Null M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 11 Politische Stabilisierungsmaßnahmen 3/3 • Die Stabilisierungsmaßnahmen wurden zum Teil zwischen den Ländern koordiniert und umfassten eine weite Skala an Maßnahmen • Sie verhinderten das Schlimmste = den Zusammenbruch des Finanzsystems • Diese politischen Maßnahmen stellen jedoch großteils keine Lösung der Ursachen der Krise dar! • Der Preis für die Entstehung der Krise und ihre nicht systemische „Bewältigung“ wird ein hoher und langfristiger sein: als ein für allemal verlorener Beitrag zum Wachstum durch die Schuldenlast künftiger Generationen Die tatsächliche „Lösung“ der Krise ist ihre Prävention in „guten Zeiten“; wenn die Krise ausbricht, geht es stets nur um die Wahl des kleineren Übels M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 12 Derzeitige Phasen der Krise: der Finanzsektor • • • • • • Die akute Phase der Krise (Herbst 2008) liegt wohl schon hinter uns Die massive Versorgung des Finanzsektors mit Liquidität verhinderte dessen Zusammenbruch Die Risikoaufschläge sind zwar bereits niedriger, aber immer noch relativ hoch die Verbilligung der Kredite wird allmählich vonstatten gehen Unsicherheiten hinsichtlich der Verfassung der Banken namentlich in den USA und Europa halten an Wegen der nur allmählichen Erholung der Realwirtschaft besteht nach wie vor ein hohes Kreditrisiko Eine aktuelle Frage ist jene des Timings und der Dosierung der Strategie des Ausstiegs aus den nichtkonventionellen Politiken Die Situation im Finanzsektor ist weiterhin fragil; etwaige Schocks könnten sie beträchtlich verschlimmern M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 13 Derzeitige Phasen der Krise: die Realwirtschaft 1/2 • • • • Der „freie Fall“ der Volkswirtschaften (gemessen am BIP) zur Jahreswende 2008/2009 wurde in den meisten Ländern gestoppt (die Art und Weise der Ausbildung von Markterwartungen führte zu überzogenen Reaktionen) Dazu trug die Unterstützung der Nachfrage seitens vieler Regierungen bei In der Mehrheit der von der Krise betroffenen Länder machen sich schon Anzeichen einer allmählichen Belebung der Wirtschaft = ein „sich-Abstoßen vom Grund“ bemerkbar; bisher fehlt jedoch eine festere Basis, die ihren Ausgang vom privaten Sektor nehmen sollte Die Phase, in der die Firmen mittels Ausgabenkürzungen reagiert haben, ist beendet; es ist jene Phase angelaufen, in der aktive Strategien über den Erfolg entscheiden Wir befinden uns in der Phase der Selektion zwischen lebensfähigen und nichtlebensfähigen Firmen M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 14 Derzeitige Phasen der Krise: die Realwirtschaft 2/2 • Hauptproblem: die Überkapazitäten in der Produktion entstanden mit Hilfe von Schulden; es wird notwendig werden, diese Kapazitäten herunterzufahren (zu modernisieren) und die Schulden zu begleichen • Die mikroökonomische Anpassung in der Realwirtschaft muss zeitgleich mit der Konsolidierung des Finanzsektors und der Sanierung der öffentlichen Finanzen vonstatten gehen • Der Arbeitsmarkt entwickelt sich mit Verspätung: der mittels der BIP-Zahlen übermittelte Verlauf (einer leichten Besserung) wird sich für einige Zeit vom Verlauf der Arbeitslosigkeit, der Löhne und des Lebensstandards (Stagnation) unterscheiden Trotz der leichten Belebung wird das Jahr 2010 nicht leichter werden als das Jahr 2009 („Ermüdung der Akteure“: Manager, Arbeitnehmer, Konsumenten, Schuldner); zugleich jedoch entstehen neue Chancen M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 15 BIP in der EU im 4.Quartal 2009 (Zwischenquartal -Veränderung in %; saisonbereinigt) 3 Quelle: Eurostat 2,5 2 2 1,2 0,9 1 0,7 0,6 0,5 0,4 0,4 0,3 0,2 0,2 0,1 0,1 0 0 0 0 0 -0,1 -0,2 -0,2 -0,3 -0,3 -0,4 -1 -0,6 -0,8 -1,5 -2 -2,3 -3 -2,9 S G R R O M IR L LA T I C YP H U N L PT E SF G BG N EU L -2 7 S Eu L ro O zó na BE D K AT U K F LI T PL M AL C Z ES T SK -4 Im 4. Quartal 2009 war das Verhältnis des Quartalsrückgangs und -wachstums des BIP annähernd ausgeglichen; Tschechien gehörte zu den erfolgreicheren Ländern M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 16 Risiken der künftigen Entwicklung • • • • • • Die Krise ist noch nicht zu Ende! Die hochentwickelten Volkswirtschaften haben die akute Phase der Finanzkrise hinter sich, befinden sich inmitten der (langwierigen) Krise der Realwirtschaft und traten in die Phase der Probleme der öffentlichen Finanzen ein! Der Abbau der in den letzten Jahren sprunghaften gewachsenen öffentlichen Schulden wird Sache von ein bis zwei Jahrzehnten sein ( Dämpfung des Angebots, Crowding-out von privaten Investitionen) Die hohen Schulden werden bei niedrigem Wirtschaftswachstum nicht einfach zu tilgen sein (hinzu kommt die zunehmend ungünstigere demografische Struktur) Kurzzeitrisiko: Belebung in Gestalt eines „W“ Mittel- und langfristiges Risiko: niedriges Wirtschaftswachstum Das Wachstum der globalen Wirtschaft wird ungleichmäßig verlaufen; innerhalb der Eurozone wird es wahrscheinlich zu einem Divergenzdruck kommen Die Krise deckte einige Probleme auf, welche zuvor in der Form nicht augenscheinlich waren M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 17 Auswirkungen der Krise auf die tschechische Wirtschaft: der Finanzsektor M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 18 Wodurch zeichnete sich der heimische Finanzsektor (Bankensektor) zu Beginn der Krise aus? • • • • • • • Liquiditätsüberschuß (Geldeinziehung durch die ČNB) Relative „Isolation“ (der Sektor verfügt über genügend Quellen für die Kreditvergabe aufgrund von Primäreinlagen) Der Sektor hatte (und hat) ein traditionell konservatives Modell (im Verlauf der Transformation gab es ausreichend Wachstumsmöglichkeiten) Niedriger Anteil von Kreditaußenständen Die Banken vergaben keine Fremdwährungskredite (keine Abhängigkeit von der Funktionsfähigkeit der zur Absicherung des Kursrisikos dienenden Märkte) Der Anteil „toxischer“ Aktiva war vernachlässigbar (weniger als 1%) Der Sektor war (und ist) gut kapitalisiert und hochprofitabel Das tschechische Finanzsystem war weniger verletzlich als anderswo; die direkten Auswirkungen der Finanzkrise hielten sich daher in Grenzen M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 19 Das Verhältnis von Primäreinlagen zu Krediten in ausgewählten EU-Ländern im Jahr 2008 (in %, Kredite und Einlagen im Inland, bankferne Subjekte) 140 120 100 80 60 40 20 0 CZ SK PL BGROHU SI LT EELV BEDEAT FR UK SEDK EA EU Quelle: EZB Im Jahr 2008 war in Tschechien das Verhältnis von Depositen zu Krediten am höchsten der heimische Bankensektor verfügt über eine hohe Bilanzliquidität M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 20 Fremdwährungskredite in ausgewählten Ländern der EU im Jahr 2008 (in % der Gesamtkredite des gegebenen Segments) Quelle: BIS, EZB, Zentralbanken Die tschechischen Haushalte hatten und haben einen Nullanteil an Fremdwährungskrediten M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 21 Nichteinbringbare Kredite (Anteil an Gesamtkrediten im Segment, in %) Quelle: ČNB Der Anteil an nichteinbringbaren Krediten an den Gesamtkrediten betrug im Jänner 5,8%; das abrupteste Wachstum verzeichnet der Anteil von Kreditaußenständen bei den Unternehmen (8%); bei den Haushalten: 4,1% M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 22 Kredite an Nichtfinanzunternehmen und Haushalte (zwischenjährl. Stand in %) Quelle: ČNB Insgesamt stagnierten die Kredite praktisch im Februar 2010 (Wachstum von 0,1%); seit August 2009 gehen die Nichtfinanzunternehmen gewährten Kredite zurück (Einbremsen des Rückgangs) M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 23 Kredite an Haushalte (zwischenjährl. in %) Quelle: ČNB Das zwischenjährliche Wachstum der Kredite an Haushalte verlangsamt sich rapide; das Tempo ist bei beiden Hauptkomponenten ähnlich M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 24 Neu gewährte Kredite (zwischenjährl. Veränderung in %) Quelle: ČNB Rückgang der Nachfrage nach Krediten + Verschärfung der Kreditstandards negative zwischenjährliche Dynamik in allen Segmenten (auch angesichts einer gewissen Besserung bei den Haushalten) M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 25 Reposatz und Marktsätze (in %) Quelle: ČNB Die Senkung der währungspolitischen Zinssätze schlug teilweise auf die Marktsätze durch… M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 26 Zinssätze aus Neukrediten (in %) Quelle: ČNB … wie auch auf die Zinssätze der Kredite an Nichtfinanzunternehmen M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 27 Kapital und Kapitalangemessenheit Quelle: ČNB Die Kapitalangemessenheit ist weiterhin ausreichend M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 28 Profitabilität des Bankensektors Der Bankensektor bleibt profitabel M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 29 Belastungstests: Februar 2010 • Der aktuelle Belastungstest der Banken arbeitet mit zwei alternativen Szenarien: Szenario „Baseline“: spiegelt die Prognose der ČNB von Februar 2010 wider Szenario „Double dip“ („Rezession mit doppeltem Boden“) Szenario „Vertrauensverlust“ • Zeithorizont der Tests: 1. Quartal 2010 – 4. Quartal 2011 • Methodologie der Tests (Näheres siehe Webseite ČNB) Beide alternativen Szenarien stellen ausgeprägt ungünstige und wenig wahrscheinliche Varianten der zukünftigen Entwicklung dar M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 30 Alternative Szenarien: Entwicklung des Wachstums des realen BIP (in %) M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 31 Belastungstests: Ergebnisse • • • Der Anteil der Kreditaußenstände an den Gesamtkrediten wächst insgesamt in allen Szenarien Der Zuwachs an Kreditaußenständen führt bei den Banken zu zusätzlichen Ausgaben in der Form von Verlusten aus der Kreditentwertung , wozu die Banken Berichtigungsposten schaffen müssen Einige Banken könnten in beiden Belastungsszenarien in die Situation eines Verlusts aus der Wirtschaftstätigkeit kommen, was einen augenblicklichen Einfluss auf den Rückgang des regulatorischen Kapitals hätte Der Bankensektor als Ganzes bleibt trotz relativ hoher Verluste aus der Entwertung von Krediten in allen Szenarien stabil; seine aggregierte Kapitalangemessenheit bewegt sich konstant über dem regulatorischen Minimum von 8 % M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 32 Die Situation im Bankensektor: Resümee • • • Der heimische Bankensektor verfügt über ausreichend Finanzquellen, Liquidität und Kapital; er ist resistent gegenüber Schocks und hat eine starke externe Position inne In naher Zukunft gilt aber dennoch: es wächst der Anteil an nichteinbringbaren Krediten das Tempo des Kreditwachstums wird sich verlangsamen das Kreditrisiko wird nach oben ausschlagen Mit der Entwicklung im Ausland verbundene Risiken (für Tschechien): ein weiterhin hohes Maß an Unsicherheit hinsichtlich der Entwicklung der wirtschaftlichen Aktivität, der Produktionspreise, langfristigen Kreditsätze und Preise der Aktiva Verluste aus Krediten und Wertpapieren (Bedrohung der Kapitalangemessenheit) verminderte Fähigkeit einiger Banken, Quellen für die Finanzierung von Aktiva zu erschließen ein möglicherweise erschwerter Zugang einiger Firmen zu Krediten Für sich gesehen ist der heimische Bankensektor keine Risikoquelle M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 33 Auswirkungen der Krise auf die tschechische Wirtschaft: der Sektor Realwirtschaft M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 34 Beitrag zum zwischenjährlichen Wachstum des BIP Quelle: ČSÚ Zum Rückgang des tschechischen BIP trug im Jahr 2009 primär die Brutto-Kapitalbildung bei (Vorrat); gebremst wurde der Rückgang durch den Verbrauch der Regierung sowie im 4. Quartal das Wachstum des Nettoexports M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 35 Industrieproduktion (zwischenjährliche Veränderung in %) Quelle: ČSÚ Bei der Industrieproduktion kommt es zu einer zwischenjährlichen Belebung M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 36 Beveridge-Kurve Quelle: MPSV, Berechnung ČNB Die Anzahl der Arbeitslosen steigt weiterhin (die Anzahl der freien Arbeitsplätze nimmt nicht mehr ab) M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 37 Registrierte Arbeitslosenquote insgesamt (in %, saisonbereinigt) 10,0 9,0 8,0 7,0 6,0 5,0 I/05 I/06 I/07 I/08 I/09 Quelle: ČSÚ Das Wachstum der Arbeitslosigkeit im Jahr 2009 verlief schneller als deren vorangegangener Rückgang M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 38 Erlöse im Einzelhandel (saisonbereinigt; zwischenjährl. in %) Quelle: ČSÚ Der Rückgang der Erlöse im Einzelhandel beginnt sich zwischenjährlich zu verlangsamen (saisonbereinigte Angabe im Februar: -2,9%) M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 39 Indikatoren für Vertrauen (2005 = 100) Quelle: ČSÚ In den letzten Monaten haben sich die Indikatoren für Vertrauen verbessert M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 40 Verbraucherpreisindex und harmonisierter Verbraucherpreisindex (HICP) Quelle: ČSÚ Nach dem jähen Rückgang in den Jahren 2008 und 2009 bewegte sich die Inflation in den letzten Monaten auf niedrigem Niveau M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 41 Handelsbilanz (kumulativ in Mrd. CZK) 2006 2007 20 0 8 2 00 9 2 0 10 160 140 120 100 80 60 40 20 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Quelle: ČSÚ Wegen der rascheren Verlangsamung des Imports gegenüber dem Export wuchs der kumulative Überschuss der Handelsbilanz im Jahr 2009 gegenüber den vorigen Jahren; der diesjährige Überschuss wird möglicherweise noch höher sein M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 42 M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 2010m04d06 2010m03d05 2010m02d05 2010m01d08 2009m12d10 2009m11d12 2009m10d15 2009m09d17 2009m08d20 2009m07d23 2009m06d25 2009m05d28 2009m04d29 2009m04d01 2009m03d04 2009m02d04 2009m01d07 2008m12d09 2008m11d11 2008m10d14 2008m09d16 2008m08d19 2008m07d22 2008m06d24 2008m05d27 2008m04d28 2008m03d31 2008m03d03 2008m02d04 2008m01d07 2007m12d07 2007m11d09 2007m10d12 2007m09d14 2007m08d17 2007m07d20 2007m06d22 2007m05d25 2007m04d26 2007m03d27 2007m02d27 2007m01d30 2007m01d02 CZK/EUR (1.1.2007-7.4.2010) 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 Nach einer Aufwertung im Juli 2008 und einer Abwertung im Februar 2009 kehrte die Krone zum vorherigen Trend einer allmählichen Stärkung zurück Quelle: Eurostat 43 Der Saldo des Staatsbudgets Quelle: MF Die Wirtschaftskrise manifestierte sich in einer Erhöhung des staatlichen Budgetdefizits (das Jahr 2010 entwickelt sich bis jetzt schlechter als 2009) M. Singer - Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 44 Die Reaktion der ČNB auf die Krise M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 45 Maßnahmen zugunsten eines besseren Funktionierens des Finanzmarktes und der Finanzmarktaufsicht • • Intensives Monitoring des Finanzmarktes seitens der ČNB Außergewöhnliche Instrumente für eine Unterstützung der Liquidität des Interbankenmarktes: • • “Liquidity providing repo operations“ FX Swap (CZK-Liquidität) Intensive Kommunikation nach außen hin (mit dem Ziel, verschiedene Desinformationen richtigzustellen) Intensive Kommunikation mit heimischen Regulatoren und engere internationale Zusammenarbeit der nationalen Aufsichten Die getroffenen Maßnahmen haben die Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes verbessert; diese Maßnahmen waren gemäßigter Natur und gut abgestimmt M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 46 Abgezogene und bereitgestellte Liquidität Das Nullinteresse an “Liquidity Providing Operations“ in den letzten Monaten zeugt von einer Beruhigung der Situation auf dem Geldmarkt M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 47 Sätze der ČNB 6% Lombard Repo 2T 5% Diskont 4% 3% 2% 1% I.10 VII.09 I.09 VII.08 I.08 VII.07 I.07 VII.06 I.06 VII.05 I.05 VII.04 I.04 VII.03 I.03 VII.02 I.02 0% Quelle: ČNB Der 2T-Reposatz fiel von 3,75% im August 2008 auf 1% im Dezember 2009 (historisch niedriges Niveau) M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 48 Währungspolitik und Krise • Trotz der andauernden Spanne zwischen den Sätzen der ČNB und den Marktsätzen ist die Transmission der Währungspolitik in die Wirtschaft funktionsfähig • Die ČNB musste die Zinssätze nicht auf Null senken und war ebensowenig zur Ergreifung unkonventioneller Maßnahmen gezwungen (sog. quantitatives Freisetzen) • Der Währungskurs hatte antizyklische Wirkung: der festere Kurs in den Jahren 2007-08 dämpfte den Inflationsdruck sowie die Überhitzung der Wirtschaft, andererseits linderte der schwächere Kurs im Jahr 2009 die negativen Auswirkungen des Einbruchs der Auslandsnachfrage. Das System des Inflations-Targeting zeigte sich im Verlauf der Krise als voll funktionsfähig; der elastische Kurs fungierte als nützlicher Anpassungsmechanismus M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 49 Die Prognose der ČNB (Februar 2010) M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 50 BIP (zwischenjährliche Veränderung in %; saisonbereinigt) Quelle: ČNB Das zwischenjährliche Wachstum des BIP geht im ersten Quartal 2010 in den positiven Bereich über M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 51 Prognose der Gesamtinflation (zwischenjährl. Veränderung in %) Quelle: ČNB Die Gesamtinflation wird steigen und in der zweiten Hälfte 2010 unter den Einfluss von steuerlichen Änderungen leicht unter dem Ziel der ČNB liegen M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 52 Prognose der Zinssätze (3M PRIBOR in %) Quelle: ČNB Mit der Prognose ist die Stabilität der KurzzeitZinssätze in der ersten Hälfte des heurigen Jahres nahe dem bestehenden Niveau und deren anschließendes allmähliches Steigen konsistent M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 53 Prognose des Währungskurses (CZK/EUR) Quelle: ČNB Aus der Prognose ist die allmähliche Aufwertung des nominalen Währungskurses der Krone ersichtlich M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 54 Hauptsächliche Unsicherheitsfaktoren vor kurzem Zeithorizont • Wie gestaltet sich der Verlauf und die Intensität der Belebung bei den wichtigsten Handelspartnern Tschechiens? Belebung in Form eines „W“? • Wie werden sich die öffentlichen Finanzen Tschechiens in den Jahren 2010 und 2011 entwickeln? • Wie wird sich der Kurs der Krone entwickeln? • Wie effektiv wird der Transmissionsmechanismus der Währungspolitik der ČNB sein? Die künftige Entwicklung ist nach wie vor durch beträchtliche Unsicherheiten gekennzeichnet; bei einer ungünstigen Entwicklung (d.h. einer mehr desinflationären) ist eine weitere Senkung der Zinssätze nicht auszuschließen M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 55 Die Fiskalentwicklung: ein mittelfristiges Risiko für die Entwicklung der tschechischen Wirtschaft M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 56 Langfristig ungelöste Probleme der öffentlichen Finanzen • Hoher Anteil an mandatorischen bzw. quasi-mandatorischen Ausgaben an den Gesamtausgaben (mehr als 70%) • Ausbleiben einer Pensionsreform und einer Reform des Gesundheitswesens • Ein ungenügend transparenter Budgetprozess • Atomisierung der öffentlichen Budgets • Unzureichendes Monitoring der Effektivität der öffentlichen Fonds Die Fiskalpolitik stellt das größte mittelfristige Risiko der makroökonomischen Entwicklung dar M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 57 Der strukturelle, zyklische und Gesamtsaldo des Regierungssektors (Methodik ESA 95; in % des BIP) Quelle: Berechnung ČNB Die Defizite des Regierungssektors haben langfristig überwiegend strukturellen Charakter M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 58 Öffentliche Verschuldung Quelle: Berechnung ČNB Mit Beginn des Jahres 2009 begann die öffentliche Verschuldung rapide anzusteigen M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 59 Aktuelle Probleme der Finanzmarktaufsicht • • • • Die geplante Konstitution eines Rates für systemische Risiken bei der EZB und eines Europäischen Systems der Finanzaufsicht könnte zu Unschärfen in der Arbeitsteilung zwischen den bestehenden Aufsichtsorganen führen Anstatt einer genauen Definition und Benennung der Ursachen der Krise wird der Anschein erweckt, dass eine verstärkt übernationale Form der Aufsicht und Regulierung eine Wiederholung der Krise in der Zukunft unter Garantie verhindere Risiko: falls die Aufsicht von der nationalen Ebene abrückt, wird sich der vorherrschende unbefriedigende Zustand noch verschlimmern Die Lösung anderer aktueller Fragen (Ausgabenteilung) wird aufgeschoben Während die zurückliegenden Probleme der tschechischen Banken auf die tschechischen Steuerzahler „zu rechtfertigende“ Auswirkungen hatten, könnten auf sie in Zukunft unverschuldetermaßen bisher unbekannte Probleme zukommen! M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 60 Resümee • Vorzüge der tschechischen Wirtschaft: makroökonomische Gleichgewichte (eher geringer Überhitzungsgrad im Vorfeld der Krise), elastischer währungspolitischer Rahmen (Inflations-Targeting und Managed Float), eigene Währung, resistenter und profitabler Bankensektor • Der Faktor Verwundbarkeit der tschechischen Wirtschaft: nichtkonsolidierte öffentliche Finanzen, hohe Exportabhängigkeit, mögliche übereilte Übertragung der Aufsichtskompetenzen auf paneuropäische Ebene Die tschechische Wirtschaft ist vom internationalen Umfeld abhängig; in der Krise war die gute Verfassung des Bankensektors hilfreich, doch in Zukunft werden die nichtkonsolidierten öffentlichen Finanzen als Bremsklotz wirken M. Singer – Die Tschechische Wirtschaft auf dem Weg aus der Krise 61 Danke für die Aufmerksamkeit! Miroslav Singer Česká národní banka Na příkopě 28 115 03 Praha 1 [email protected] Tel: 224 412 008 M. 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