Beiträge np 3/2006 Christine Meyer »Also, als Mann im Kindergarten, die Kinderherzen fliegen einem sofort zu« Männer in Frauenberufen und ihr Beitrag zur Professionalisierung personenbezogener Dienstleistungsberufe in Erziehung, Pflege und Sozialem 1 Benachteiligte Männer in personenbezogener sozialer, erzieherischer und pflegerischer Dienstleistungsarbeit Ausgangspunkt der Studie war die Überlegung, dass für Männer, die einen Frauenberuf gewählt haben, Benachteiligungen durch ihre Berufswahl entstehen, da die benachteiligenden Frauenberufsstrukturen ebenfalls für die Männer gelten müßten. Unter dem Begriff »Frauenberuf in Männerregie« wird jedoch für die Kinder- und Jugendhilfe eine strukturell ungleiche geschlechtsspezifische Verteilung bei den beruflichen Positionen und Aufgaben nachgezeichnet, wie dieses am Beispiel der Kinder- und Jugendhilfe in den alten Bundesländern empirisch belegt ist (vgl. Cloos/Züchner, 2002). »Je niedriger die formale Qualifikation, je eher der Ausbildungsabschluß einem sozialpädagogischem Kernberuf entspricht und je geringer die Entscheidungsbefugnisse und Verantwortungsbereiche sind, desto mehr Frauen finden sich in diesen Positionen in der Kinder- und Jugendhilfe« (Cloos/Züchner, 2002: 720). Dieser Befund wird als Ergebnis eines Prozesses beschrieben, mit dem Männer in Frauenberufen in einem »Glass escalator« (gläserner Aufzug) Unterstützung finden, wo hingegen die Ausschließungsprozesse von Frauen in Männerberufen als »glass ceiling« (gläserner Himmel) bezeichnet werden: Während Frauen durch gleichsam unsichtbare (gläserne) Barrieren daran gehindert werden, in der Hierarchie aufzusteigen, müssen sich Männer in Frauenberufen anstrengen, wenn sie keine Karriere machen wollen, werden also durch ebenfalls unsichtbare Mechanismen und Kräfte die Leiter hinaufkatapultiert (Williams, 1989 in: Bartjes/Hammer, 2005). Das ist die zum einen erfolgreiche Seite, Männer verfolgen auch in Frauenberufen den nach wie vor tendenziell typischen männlichen Erwerbsarbeitsverlauf. Die weniger erfolgreiche Seite ist zum anderen die von Böhnisch beschriebene Verstörung und »Bedürftigkeit« des Mannes, die neben die geschlechtshierarchisch weiterhin benachteiligte Frau neu auf den Geschlechterplan getreten ist. Diese Bedürftigkeit des Mannes sei jedoch nicht gleichstellungspolitisch faßbar, da es um ein neues Verständnis von Sozialpolitik, eine bewältigungspolitische Perspektive ginge (vgl. Böhnisch, 2003: 135). Denn die Männer würden gerne ihre Karrieren für die Familie unterbrechen, können dies aber nicht aufgrund der gesellschaftlichen Bedingungen, deren Prinzipien die Männer symbolisieren. Das Ka- 269 np Meyer, Männer in Frauenberufen 3/2006 Genderpolitische Verdeckungszusammenhänge pital verlasse nun jedoch zunehmend den Mann und damit würde der sozialpolitische Konflikt zwischen Mensch und Ökonomie quer durch Männlichkeiten und Weiblichkeiten in neuer Weise wieder sichtbar. Die Genderfrage kann also nicht losgelöst von der sozialpolitischen Grundproblematik thematisiert und geregelt werden, sonst entstünden neue genderpolitische Verdeckungszusammenhänge (vgl. Böhnisch, 2003). Männer in Frauenberufen befinden sich nun bereits in solchen genderpolitischen Verdeckungszusammenhängen, da sie in einem Frauenberuf erst einmal ohnehin auch von der strukturellen Benachteiligung betroffen sind und durch ihren z. T. verschwindend geringen Anteil auf sich aufmerksam machen und ihre eigene Identität finden müssen. Dieses gelingt ihnen in der Herausbildung einer besonderen »Fachlichkeit«. Anhand der Untersuchung von Williams von Männern in der Pflege und Frauen im Militär sowie der Frage danach, wie jeweils Männer und Frauen ihr Geschlecht in der spezifischen Situation herstellen und behaupten, läßt sich für die Männer nachweisen, dass sie im Frauenberuf die Strategie der Geschlechterdifferenzverstärkung verfolgen. Die Männer »inszenieren ihre Berufstätigkeit ›männlich‹, indem sie – vor allem solche Tätigkeitsbereiche aussuchen, die traditionell eher »männliche Fähigkeiten zu erfordern scheinen (Technikorientierung, physische Stärke, etc.); – sich wehren gegen den Verdacht als ›weibisch‹ gleich ›schwul‹ eingeschätzt zu werden; – sich eher an den männlichen ärztlichen Kollegen statt an den informellen Gesprächen mit den Kolleginnen orientieren. In diesem Versuch, männlich konnotierte Felder in einem Frauenberuf zu identifizieren und zu besetzen, werden sie unterstützt von PatientInnen, ÄrztInnen und ihren weiblichen Kolleginnen« (Williams, 1989 in: Bartjes/Hammer, 2005). Weitere Aspekte der Strategie der sog. Differenzverstärkung werden in einer Studie über Krankenpfleger von Heintz/Nadai (1998) herausgearbeitet. Die Verbindung von »männlicher Coolness« und pflegerischer Professionalität führt zu einem neuen Pflegestil, der sich der »alten weiblichen Pflege« überlegen fühlt. Die moderne Modellkrankenpflege zeichnet sich aus durch ein nunmehr ›männliches Profil‹: Der Krankenpfleger ist »ruhig, sachlich, überlegt, behält in schwierigen Situationen die Übersicht, kann im Umgang mit Ärzten von Mann zu Mann (d.h. eben von gleich zu gleich) verhandeln, bringt mit männlicher Autorität verwirrte Patienten zur Räson und dient dank seiner Körperkräfte als ›Abteilungskran‹ für schwere Hebearbeiten« (Heintz/Nadai, 1998: 85 in: Bartjes/Hammer, 2005). Solch eine aktive Reproduktion von Geschlechterdifferenzen führe wiederum zu einer neuen Geschlechterhierarchie. Die Männer, die in einem Frauenberufsfeld arbeiten, werden auch als »cross-genderfreaks« bezeichnet. Männer in Frauenberufen müssen wegen der ohnehin geringeren Entlohnung in Frauenberufen Karriere und Aufstiege anstreben, also den männlichen Erwerbsarbeitsverlauf ohne Brüche, wollen sie überhaupt in die Nähe des Familienernährerstatus kommen. Dadurch wird die Möglichkeit noch geringer, privat reproduktiv tätig zu werden und für Erziehungszeiten aus dem Berufsfeld auszusteigen. In den Leitungspositionen dagegen verändern sich die Aufgaben, so dass erzieherische, pflegerische oder (sozial-)pädagogische Arbeiten nicht mehr im Vordergrund stehen, sondern leitende Tätigkeiten. Im Weiteren wird genauer betrachtet, wie und in welcher Weise Männer, die in personenbezogene erzieherische, pflegerische oder soziale Frauenberufe einmün- 270 Meyer, Männer in Frauenberufen np 3/2006 den, von der Entgrenzung und Verstörung der Männlichkeit betroffen sind, die Böhnisch für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung ausgemacht hat. 2 Männerverstörung auch in personenbezogener Dienstleistungsarbeit? Männer werden zunehmend öffentlich zum Thema, wenn es darum geht, ihre Anteile an Eltern- und Erziehungszeit zu dokumentieren und zu kritisieren. Die ihnen ausschließlich unterstellten Karriereambitionen und der fehlende Enthusiasmus bei der Reproduktionsarbeit wird in sämtlichen (Frauen-)Zeitschriften zyklisch dokumentiert. Die Männer selbst sind es aber immer wieder, die aktiver an Erziehungs- und Reproduktionsarbeit teilhaben wollen. Durch die gesellschaftlichen Strukturen sehen sie sich jedoch verhindert in der Verwirklichung. Böhnisch hat dieses Phänomen ausführlich unter dem bezeichnenden Titel »entgrenzter Männlichkeit« (Böhnisch, 2003) bearbeitet. Deutlich wird dabei vor allem, dass das Ringen um gleichberechtigte Teilhabe an Erziehung und Sozialem privat und öffentlich, also der Geschlechterkampf insgesamt auf verborgenere und ver- Verborgener decktere Schauplätze abgedrängt ist. Frauen und Männer haben nicht mehr so Geschlechterohne weiteres die Hoheit über ihr Geschlechterverhältnis und können es dem- kampf entsprechend nicht selbstverständlich verändern. Vielmehr hat sich das Geschlechterverhältnis sozusagen von den Personen abgelöst und verselbständigt und sich damit aktiver Gestaltungsmöglichkeiten auf neue Weise entzogen (vgl. Böhnisch, a.a.O.). Diese Entwicklung hat bereits in den 1980er Jahren begonnen und Einfluss auf die Entwicklung der Männeridentitäten genommen, insbesondere auch in personenbezogenen Dienstleistungsberufen erfahren sich Männer als verstört. »Die Männerverstörung begann in den 1980er Jahren, als der Strukturwandel der Arbeitsgesellschaft die Selbstverständlichkeit des Normalitätsentwurfs der Erwerbsarbeit außer Kraft setzte und damit auch den tradierten männlichen Lebensentwurf aus seiner Verankerung riß. Das Gespenst des rollenlosen Mannes geistert seitdem durch die Männerdiskurse. Wohin soll sich der Mann wenden?« (Böhnisch, a.a.O.: 134). Bisher wurde dieser Umstand noch gar nicht als breiter geltender Zustand wahrgenommen, an dem es etwas zu verändern gebe und der überhaupt zu problematisieren sei. Das ist etwas Neues in den Geschlechterdiskursen. »Damit ist der bedürftige Mann neben die geschlechtshierarchisch benachteiligte Frau auf den Geschlechterplan getreten. Diese Bedürftigkeit ist gleichstellungspolitisch nicht faßbar, sie erfordert ein neues Verständnis von Sozialpolitik, eine bewältigungspolitische Perspektive« (Böhnisch, a.a.O.: 135). Im gleichen Zeitraum mehren sich professionalisierungstheoretisch und berufspraktisch Forderungen für die (Alten-)Pflege, die Erziehung, den Sozial- und Elementarbereich, die Grundschule sowie den Berufsbildenden Bereich zur Erhöhung des Anteils männlicher Professioneller, die aktiv Mädchen und Jungen bilden, betreuen und erziehen sowie alte Frauen und Männer bilden, betreuen und pflegen. Damit würden zusätzlich zu mädchen- und frauenspezifischen Angeboten gleichberechtigt jungen- und männerspezifische Aktivitäten realisiert (vgl. Karsten, u. a. 2000; Rabe-Kleberg, 2004; Hammer/Bartjes, 2005). Anteile von 8% Männern als Erzieher (vgl. Karsten u.a. 2003), von denen 2,5% in Kindertageseinrichtungen arbeiten (vgl. Rohrmann 2003), 13% Männern in 271 np Meyer, Männer in Frauenberufen 3/2006 der Altenpflege (vgl. Meyer, 2002), 34% Männern in der Sozialpädagogik (vgl. Scherr, 2002; siehe auch Cloos/Züchner, 2002)1 zeigen die Besonderheiten personenbezogener Dienstleistungsberufe: Mädchen und Jungen gesellschaftliche (Geschlechter-)verhältnisse zu vermitteln und hieraus folgende Benachteiligungen transparent, reflektierbar und veränderbar zu machen, bedeuten eine große Herausforderung, die bisher eine Hauptaufgabe von Frauen ist. Am deutlichsten zeigt sich dies in der Altenpflege, denn die Anteile älterer pflegebedürftiger Männer sind gleich ausgeprägt zu den Anteilen professionell pflegender Männer. Bartjes/Hammer pointieren für die Situation von Männern in der Altenpflege, dass die Altenpfleger in einer Frauenwelt arbeiten würden, in der bereits entmännlichte Männer zu versorgen seien (vgl. ebd., 2005). Dies bedeute für die pflegenden und gepflegten Männer in der Altenpflege insbesondere, mit einer permanenten Kränkung der männlichen Identität konfrontiert zu werden (vgl. ebd. 2005: 34). Für die Berufsbereiche in Erziehung, Pflege und Sozialem, die privat-familialen Reproduktionsbereiche in Haushalt, Erziehung und Pflege einschließlich alle Bereiche, ob halb-privat oder halb-öffentlich, gilt nach wie vor, dass sie in der Mehrheit von Frauen ausgeübt werden, so dass es für Männer schwierig wird, in diese Bereiche vorzudringen. »Die Beziehungs- und Sozialräume sind weiter von den Frauen besetzt, die Frauenbewegung hat zwar immer ihre Minderbewertung kritisiert, nie aber in Frage gestellt, dass diese Räume den Frauen gehören (MütterMänner als bewegung), dass die Männer zwar erwünscht seien, aber doch in jener ZuarbeiterZuarbeiter und Hilfskraftrolle verbleiben sollten, welche die häuslich-familiale Dominanz der Frauen nicht in Frage stellt« (Böhnisch, 2003: 135). Wenn ein Mann sich dazu entscheidet, in einen Frauenberufsbereich zu gehen und dort erwerbstätig zu sein, bedeutet dieses, dass er auch die Auswirkungen des strukturell benachteiligten Frauenberufs in der Gesellschaft wählt. Dazu gehören z. B. Auswirkungen auf Beschäftigungsmöglichkeiten, Entlohnung, berufliches Fortkommen und das gesellschaftliche Ansehen von Männern und Frauen, damit entsteht mit der Berufswahl ein weiterer geschlechterbezogener Verdeckungszusammenhang. Mit der Entscheidung, als Frau einen Frauenberuf zu ergreifen, werden oftmals bereits spätere »Armutskarrieren« gewählt. Folgende Gründen beziehen sich dabei noch nicht ausschließlich auf die Benachteiligungen in Frauenberufen, sondern gelten für Berufswahl von Frauen im Allgemeinen: – Mädchen und Frauen begreifen ihre Berufstätigkeit auch weiterhin oft noch als »Zuverdienst« und sind eher bereit, ihren Beruf zugunsten der Familienarbeit einzuschränken, zu unterbrechen oder sogar ganz aufzugeben – mit entsprechenden Folgen für ihre Altersversorgung bzw. ihre Einkom- mensmöglichkeiten, wenn die Partnerschaft scheitern sollte. Gleichzeitig erhalten sie hierdurch die »Alleinkompetenz« für Haushalt, Beziehungspflege und Kindererziehung, ohne dass dies aber ihr gesellschaftliches Ansehen steigern würde (Karsten u. a., 1999). 1 Anmerkung zu den statistischen Angaben: Es liegen viele unterschiedliche Angaben vor, doch diese sind nicht verläßlich im Hinblick auf vorhandene Basisdaten und ihre weitere Verwendung. Der Berliner Beirat personenbezogener Dienstleistungsberufe machte auf die so unzureichende statistische Datenlage aufmerksam (vgl. Karsten/Stooß u. a., 1999). Statistische Angaben für die Gesamtheit des personenbezogenen Dienstleistungsbereichs liegen zumeist unsystematisch, undifferenziert und somit weitgehend unbrauchbar vor (vgl. Karsten, u. a. 1999). 272 np Meyer, Männer in Frauenberufen – Für junge Männer stellt sich dagegen oft erst gar nicht die Frage, ob sie ihre Berufstätigkeit zugunsten der Familie einschränken, sie fühlen sich wie selbstverständlich für das Familieneinkommen zuständig. Ihr Bedürfnis nach gemeinsamer Zeit mit der Familie kommt fast zwangsläufig zu kurz, 3/2006 wenn sie ihr Leben überwiegend nach den beruflichen Anforderungen ausrichten. Teilzeitarbeit wird gesellschaftlich eher Frauen zugeschrieben, für Männer wird sie weniger akzeptiert. Über 90% der Teilzeitjobs werden von Frauen ausgeführt (vgl. Cloos/ Züchner, 2002). All dies führt zu unterschiedlichen Lebens- und Erfahrungswelten bei Männern und Frauen, die Auswirkungen auf alle gesellschaftlichen Bereiche haben. Auch bei gleicher Qualifikation, etwa in Mischberufen (von Männer und Frauen gleichermaßen gewählten Berufen z.B. Industriekauffrau, Bankkauffrau) bleiben Frauen in der Regel in der unteren und mittleren Hierarchieebene stecken und verdienen auch bei gleicher Qualifikation ca. 1/3 weniger als Männer. – Aufstiege sind generell nur möglich, wenn eine tendenziell typisch männliche Erwerbsbiographie angestrebt wird (Vollerwerbstätigkeit, Flexibilität bezüglich Arbeitszeit, Mobilität, keine Erziehungspausen) (vgl. BMFSFJ, 2005; Karsten, u. a. 1999; Meyer, 2002). Für den personenbezogenen Dienstleistungsbereich sind die Benachteiligungen der Frauenberufe und ihrer segregierender Strukturen ausführlich und intensiv Strukturen bearbeitet worden (vgl. Rabe-Kleberg, 1991–2004; Karsten, 1990–2003; Krüger, der Frauen1991–2000; Friese, 1990–2002; Meyer, 2002; Walther, 2002). Es wurde herausgear- berufe beitet, dass nach wie vor eine Hierarchie der Geschlechterverhältnisse in Bezug auf gesellschaftliches Ansehen, Entlohnung und Einfluss besteht, wenn Frauen und Männer in denselben Berufen arbeiten. Diese Strukturen gelten besonders für die Frauenberufe, in Frauenberufen hat das gesellschaftliche Ansehen, die Entlohnung und der Einfluss insgesamt ein geringes Niveau. Mit der Ausbildung für einen Frauenberuf wird somit ein benachteiligtes Berufsfeld mit einem benachteiligenden gesellschaftlichen Ansehen, einer geringeren Entlohnung sowie einem niedrigeren gesellschaftlichen Einfluß und Status gewählt. Wie sich dies für Männer in personenbezogenen Dienstleistungsberufen ausprägt, zeigen u. a. die Ergebnisse vorliegender Studie zu Männern in Frauenberufen. Es stellt sich die Frage, wie die Geschlechterverhältnisse in personenbezogenen Dienstleistungsberufen gestaltet sind und wie diese doppelte Gemengelage für Frauen und Männer diskutiert wird. 3 Mehr Männer und männliche Perspektiven auf alle Ebenen der Frauenarbeit Rabe-Kleberg stellt fest, dass die Frage der gesellschaftlichen Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern bisher überwiegend in biografischer und beruflicher Perspektive und hierin im besonderen als hierarchische Positionierung und Partizipation betrachtet wurde. Die horizontale Arbeitsteilung geriet dabei jeweilig aus dem Blickfeld. Diese Sichtweise beginnt sich zu verändern, da die Interdependenzen zwischen Geschlecht und Generation zunehmend in den Vordergrund rücken (vgl. Rabe-Kleberg, 2004). Deshalb sieht Rabe-Kleberg Gender und den Prozeß der Konstruktion der je eigenen Geschlechtlichkeit als zentrales Element eines Bildungsprojektes der Kindheit an. Dafür sind Männer und Frauen als Erziehungs-, Bildungs- und Sozialisationsinstanz im personenbezogenen Dienstleistungsbereich gleichermaßen gefragt. 273 np 3/2006 Meyer, Männer in Frauenberufen Abgesehen von der Notwendigkeit, zukünftig Frauenberufe im Hinblick auf die Erziehung, Bildung und Betreuung ebenfalls zu »gendern« und damit die Gewinnung von Männern als Professionelle für diesen Bereich, schätzt RabeKleberg unter Rückbezug auf US-amerikanische Untersuchungen ein, dass es eines langen Prozesses bedarf, ausreichend Männer langfristig für diese Bereiche zu gewinnen. Männer meiden diese Bereiche eher, aufgrund der niedrigen Gehälter und des niedrigen Status sowie der Furcht davor, sexuellen Mißbrauchs oder homosexueller Neigungen beschuldigt zu werden (vgl. Rabe-Kleberg, 2004). Dabei bleibt in all dem bisher gebildeten Wissen und den hierzu geführten Diskussionen festzuhalten, dass es zum einen um die Notwendigkeit der kontinuierlichen Aufwertung der personenbezogenen Dienstleistungsberufe gehen muß. Zum anderen wird die Notwendigkeit der Gewinnung von Männern als Professionelle durch die Gesamtheit der horizontalen und vertikalen Ebenen von Männer(sozialisations-)forschern als auch Frauen(berufs-)forscherinnen gesehen und zunehmend zur Diskussion gestellt. Diejenigen Männer, die bisher in die unterschiedlichen Segmente der Frauenberufsbereiche der Erziehung, Bildung, Betreuung und Pflege eingemündet sind, dort langjährige Praxiserfahrungen gesammelt haben und sich mit unterschiedlichsten Durch- und Aufstiegen in den Feldern personenbezogener DienstleisBerufswahl tungsberufe hin- und herbewegen, sind im Hinblick auf ihre Berufswahl, Einmünund dungen und die Gestaltung ihrer Fachlichkeit bisher zu wenig berücksichtigt worEinmündung den. Dies könnte daran liegen, dass es bisher eine eher verschwindend geringe Beteiligung von Männern auf den unteren beruflichen Hierarchieebenen gibt und bisher wurden sie auch eher weniger in typischen Frauenberufsbereichen favorisiert. Die Betrachtung und Reflexion dieser Elemente männlicher Frauenberufsarbeit führt dazu, mehr über die Heranführung und Entscheidung von Männern für die erzieherischen, sozialen und pflegerischen Bereiche zu lernen und damit aktiver für diese Bereiche werben zu können. 4 Berufliche Wege von Männern in personenbezogenen Frauenberufen Über berufliche Wege von Männern in personenbezogenen Dienstleistungsberufen ist bisher eher weniger Wissen gebildet worden. Aktuell thematisiert wird es durch die Diskussion zur Erhöhung des Anteils von Männern in Frauenberufen, um damit eine Veränderung der Berufestrukturen und eine Aufwertung von Frauenberufen insgesamt zu erreichen. Damit verbunden wird die Erhöhung ihres direkten Anteils an Erziehung, Bildung, Betreuung und Pflege privat-familial erbracht sowie durch alle Ebenen verberuflichter professioneller Dienstleistungsarbeit. Es gibt mehrere Diskussionsstränge, die vor allem Identitätskonstruktionen von Männlichkeit, männliche Sozialisation und das geschlechtshierarchisch segmentierte Ausbildungs- und Berufssystem thematisieren, in dem Jungen einen Männerberuf wählen und damit ihrer Rolle als »Ernährer« der Familie gerecht werden (Brandes, 2002; Böhnisch/Winter, 1993). Darüber hinaus hat Bartjes die Bedeutung des Zivildienstes als Instanz des Nachholens vorenthaltener Lernchancen im Hinblick auf Erfahrungen des Gebrauchtwerdens, sozialer Kompe- 274 np Meyer, Männer in Frauenberufen 3/2006 tenz und Verantwortung für junge Männer hervorgehoben (vgl. Bartjes, 1996). Ausgangspunkt vorliegender Studie waren erste Ergebnisse im Hinblick auf die Gender-Männerperspektive, die eine qualitativ empirische Analyse auf horizontaler und vertikaler Ebene durch das Berufsfeld Altenpflege ergaben (Meyer, 2002). Eine professionalisierungstheoretische Untersuchung im Berufsfeld Altenpflege, vor dem Hintergrund von Akademisierung und Verberuflichung, öffneten einen unerwarteten Blick auf Männer in Frauenberufen und ihre Zugänge, Einmündungen und Aufstiege, ihre Arbeitsalltage sowie ihre besonderen Sichtweisen. Für die beruflichen Wege der Männer in typischen Frauenberufen ist insbesondere folgendes hervorzuheben. – Die Zugänge in die Berufsfelder erfolgen formal überwiegend über den Zivildienst. – Daran schließen sich Tätigkeiten als Ungelernte an oder es erfolgt eine direkte Entscheidung für eine Berufsausbildung in diesen Bereichen, die in den z. T. gleichen Einrichtungen oder in Rückbezug auf die Einrichtungen erfolgen. – Hieraus können Karrierewege für Männer entstehen, die in direktem Bezug zu ihren Zivildiensteinrichtungen möglich werden, die als »glass escalator« Karrieren bezeichnet werden können. Im Vergleich der Berufswege von Männern und Frauen ist hervorzuheben, dass die Berufswege der Männer sehr viel geradliniger verlaufen, vor allem im Hinblick auf ihre Karrierewege. – Es zeigt sich jedoch auch, dass die Erwerbsarbeitsbiografien bei Männern in sozialen, pflegerischen und erzieherischen Berufen ebenso gefährdet sind, brüchig zu werden. Es fallen Weiterbildungs- und Fortbildungsbestrebungen auf, die ähnlich den Suchund Durchstiegsbewegungen der Frauen sind. Hierzu gehören Unterbrechungen, berufsbegleitende Aus- und Weiterbildungen, Orientierungen in andere Richtungen und gleichzeitiges Streben nach etwas anderem. Es sind weitere Forschungen zu männlichen Berufswegen notwendig, um herauszufinden, ob und inwieweit Männer in Frauenberufen ebenfalls den Strukturen unterworfen sind, die brüchige Berufsbiographien entstehen lassen, ohne durch Kindererziehungsund Reproduktionstätigkeiten in ihrer Biographie eine Unterbrechung gemacht zu haben. Dies zeigt einmal deutlicher, dass sich die Struktur der Frauenberufe inzwischen verselbständigt hat im Hinblick auf Ansehen, Entlohnung und Karrierewege (vgl. Meyer, 2002). Es ist jedoch hervorzuheben, dass weder Frauen noch Männer in Frauenberufen ihre Berufstätigkeit explizit im Horizont frauenspezifischer Benachteiligungen sehen. Dieses zeigte sich in den Erwerbsarbeitsverläufen im Einzelnen sowie für den Gesamtzusammenhang weiblicher Frauenberufstätigkeit in zuvor genannter Untersuchung im Berufsfeld Altenpflege. Mögliche Erklärungen für dieses Ergebnis liegen darin, dass – das bisher gebildete Wissen über die Struktur von Frauenberufen und daraus folgenden Benachteiligungen gesellschaftlich zu wenig beachtet wird und z. B. bei der Berufswahl demzufolge nicht berücksichtigt werden kann, – in den Berufsausbildungen personenbezogener Dienstleistungen die Besonderheiten traditioneller Frauenerwerbsarbeit und -beruflichkeit zu wenig bearbeitet werden und demzufolge keine Sensibilisierung stattfindet (vgl. Meyer, 2002). Berufliche Wege von Männern Diese Ergebnisse und aktuelle Diskussionen um die Erhöhung der Anteile von Männern in Frauenberufen waren der Ausgangspunkt für vorliegende Studie, weitere männliche Berufswege im Gesamtbereich personenbezogener Dienstleistungsberufe zu analysieren. Insgesamt wurden 19 Experteninterviews mit Männern in unterschiedlichen Frauenberufsbereichen und auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen, vom Ungelernten bis zur Leitungsfunktion durchgeführt. Die Männer wurden zu ihren Berufswegen, Arbeitsalltagen und Motivationen für den erzieherischen, sozialen oder pflegerischen Bereich befragt. Die Befragten sind unterschiedlichen Alters, Ausbildung in einem Frauenberufsbereich, ihrem von 20 bis 62 Jahre alt und in unterschiedlichen derzeitigen Tätigkeitsfeld und ihren aktuellem beFeldern Sozialer Arbeit tätig. Folgende Abbil- ruflichen Status. dung zeigt die Männer im Sample mit ihrer evtl. 275 np Meyer, Männer in Frauenberufen 3/2006 Männer in Frauenberufen Minimierung von Unterschieden im Sample (Kelle/Kluge, 1999) Ungelernte in Einrichtungen oder Studierende mit Job im sozialen, pflegerischen oder erzieherischen Bereich Ungelernter in stationärer Altenhilfeeinrichtung Ungelernter Wohngruppenbetreuer, derzeit berufsbegleitende Ausbildung zum Heilerziehungspfleger Student Lehramt Berufsbildende Schulen, Fachrichtung Sozialpädagogik, Nebenjob in der selbstbestimmten Assistenz Student Diplom Sozialpädagogik an einer Universität Ausbildung auf Berufsfachschul- oder Fachschulebene Erzieher in Wohngruppe, berufsbegleitende Erzieherausbildung Erzieher in einer Jugendhilfeeinrichtung Heilerziehungspfleger in Behinderteneinrichtung Altenpfleger in stationärer Altenhilfeeinrichtung Erzieher, Gruppenleiter in Behinderteneinrichtung Sozialarbeiter: Streetworker/Stadtjugendpflege Leitungsfunktionen als Diplom-Sozialarbeiter/ Diplom-Sozialpädagogen Sozialarbeiter, Leitungsfunktionen in unterschiedlichen Einrichtungen, Landesverbandsarbeit Diplom-Sozialarbeiter: Leiter stationärer Behinderteneinrichtung Diplom-Sozialarbeiter: Leiter stationärer Altenhilfeeinrichtung Diplom-Sozialarbeiter: Leiter stationärer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Maximierung von Unterschieden im Sample: Männer in Berufen »Arbeit mit Menschen«, jedoch andere Schwerpunkte, einem aufgegebenen Berufswunsch und ein Handwerker Grundschuldirektor Gemeindereferent Berufswunsch Erzieher, freiwilliges Praktikum in Kindertageseinrichtung: will kein Erzieher mehr werden Zimmermann Vorannahmen, die sich auf zukünftige bzw. neue Männlichkeitskonstruktionen beziehen, Identitätsveränderungen oder gar der Wunsch, den bereits »besseren« Mann im Sinn zu haben haben, waren dabei ohne Bedeutung. Es wird davon ausgegangen, dass von den Männern im personenbezogenen Bereich selbst gelernt werden kann und muß, wie die Anzahl von Männern in Frauenberufen erhöht werden kann sowie Durch- und Aufstiege bzw. die Aufwertung der Frauenberufestrukturen erfolgen können, ohne dass hierin die Männer als eine besondere Gruppe Benachteiligungen für sich, weil sie Männer sind, überwunden haben. Folgende Ergebnisbereiche für die befragten Männer in Frauenberufen lassen sich differenzieren und werden im Folgenden dargestellt: – Der Zivildienst als Ausgangspunkt: Zivildienst verändert männliche Erwerbsarbeitsverläufe für immer. »Dann hatte ich keine Lust mehr zu arbeiten und dann habe ich Zivildienst gemacht.« (X33) – Eine kontinuierliche Vergangenheit im Sozialen liegt im Verborgenen. – Eine Zukunft im Sozialen ist aktive und selbstbestimmte Lebensgestaltung. – Die Motivation für den Frauenberuf: »Ja, und das fand ich halt echt aufregend, so nah mit Menschen in Kontakt zu treten.« (XL) 4.1 Der Zivildienst als Ausgangspunkt: Zivildienst verändert männliche Erwerbsarbeitsverläufe für immer. »Dann hatte ich keine Lust mehr zu arbeiten und dann habe ich Zivildienst gemacht.« (X33) Die hohe Bedeutung des Zivildienstes als Sozialisationsinstanz im Leben junger Männer hat Bartjes (1996) hervorgehoben und bearbeitet. Die überwiegende Mehrheit der Männer in erzieherischen, sozialen und pflegerischen Berufen münden über den Zivildienst längerfristig und mit dem Berufsziel »mit Menschen arbeiten« in diese Berufsbereiche ein. Diese Aussage kann im Hinblick auf ihre Einmündung und ihre Motivationen für den personenbezogenen Dienstleistungsbereich in mehrfacher Hinsicht konkretisiert werden. 276 np Meyer, Männer in Frauenberufen 3/2006 Bezogen auf das Sample, hat die Mehrheit der befragten Männer vor ihrem Zivildienst typische männliche Erwerbsarbeitsverläufe begonnen. Entweder haben sie einen typischen Männerberuf erlernt, wie z. B. Tischler, Industriekaufmann, KFZ-Mechaniker, Beamter im mittleren Dienst, Hotelfachmann, Ausbildung im Metallbereich oder sie haben zumindest eine Ausbildung begonnen, nicht beendet, eine weitere angefangen und sind ohne Ausbildungsabschlüsse erst einmal in den Zivildienst eingemündet. Eine weitere Variante ist eine Ausbildung in einem Männerberuf und die Entscheidung zur Bundeswehr zu gehen, sich dort sogar für einen gewissen Zeitraum zu verpflichten, um nach einer gewissen Zeit bei der Bundeswehr diesen Dienst zu verweigern. Es erfolgt eine Einmündung in den Zivildienst und damit langfris- Berufswahl und tig eine Einmündung in einen personenbezogenen Dienstleistungsberuf. Eine andere Form stellt die allgemeine Hochschulreife mit sich direkt anschlie- Zivildienst ßendem Zivildienst dar, in dem Zeit und Raum für Berufswahlüberlegungen genutzt werden. Während des Zivildienstes entscheidet sich der unentschlossene Abiturient für einen Beruf, der sich an die in dieser Zeit erlernte Praxis anschließt, vorzugsweise auf akademischer Ebene, so dass Karriere- und Aufstiegschancen von vornherein mitgedacht und nicht ausgeschlossen werden. Damit ist der Zivildienst ein erster Baustein bzw. der Grundstein für eine Erwerbsarbeitsbiografie oder Karriere mit Aufstieg im Frauenberufsbereich. Selten findet sich ein Mann, der von vornherein als Berufswunsch den personenbezogenen Bereich sieht und Erzieher oder Altenpfleger werden will. Diejenigen, die den Berufsweg direkt von einem Wunsch ausgehend genommen haben, reflektieren dies nicht im Horizont, einen Frauenberuf mit bestimmten Besonderheiten gewählt zu haben, so wie es die Untersuchung von 2002 im Berufsfeld Altenpflege ebenfalls zeigte. Beachtenswert bei dem direkten Berufswunsch und deren Verwirklichung ist die darauf folgende Wahl, die Bundeswehr zu absolvieren, da der Betreffende nicht unter seinem Niveau, also seinem Ausgebildetenstatus im sozialen Bereich arbeiten wollte. Damit wird eine Sichtweise von Professionalität explizit, die Frauen und Männern im personenbezogenen Dienstleistungsbereich in dieser Selbstverständlichkeit oft fehlt. Das Niveau, den Anspruch und die Benennung der Tätigkeiten, also die Fachlichkeit insgesamt darzustellen, stellt eine große Herausforderung für professionell Tätige dar. Ein anderer Mann mit dem Berufswunsch Erzieher absolvierte ein Praktikum in einer Kindertageseinrichtung und entschied sich gegen eine Ausbildung in diesem Berufsfeld. Gründe hierfür waren, die Unklarheit der Zuständigkeit zwischen pädagogischer Arbeit, Hilfs- und Unterstützungsarbeiten und damit zusammenhängend sein Praktikantenstatus. Ein weiteres Problem waren die Männern und Frauen gesellschaftlich zugeschriebenen Tätigkeiten, für die er als Einzelner nun zuständig erklärt wurde. Er sei »schon Mädchen für alles gewesen«, hauptsächlich für die handwerklichen Dinge, insgesamt sei das pädagogische Arbeiten zu kurz gekommen bzw. für ihn nicht transparent genug gewesen. Es ist nicht die direkte Arbeit mit Kindern, die gegen seine Berufswunschverwirklichung standen, die Gründe lagen vor allem in der Zusammenarbeit mit den anderen Erzieherinnen und in der in seiner Wahrnehmung zu wenig realisierten pädagogischen Arbeit. Diejenigen Männer, die direkte Berufswünsche im erzieherischen, sozialen und pflegerischen Bereich haben, gibt es im Sample kaum. Sie sind jedoch beachtenswert hinsichtlich der Art, wie sie aus ihrer ungelernten Sicht in Praktika in den jeweiligen fachlichen Berufsalltag quasi mitgenommen werden und wie professionell ihre Erfahrungen mit ihnen in den Einrichtungen reflektiert wurden, so dass sie das Berufsfeld nicht weiter für sich in Betracht ziehen. Es lässt sich zusammenfassen, dass der Zivildienst für alle im Sample einen absoluten Schnitt in bisherige Lebensverläufe darstellt. In der Mehrheit wechseln die Männer im Sample ihre bisherigen Berufsfelder, in denen sie schon ihre Erstausbildungen beendet hatten. Das bedeutet für diejenigen, die diesen neuen Weg in 277 np 3/2006 Zivildienst strukturiert soziales Handeln Meyer, Männer in Frauenberufen einen Frauenberuf wählen, eine weitere Ausbildungszeit, die unter Umständen finanziell nicht von den Eltern oder anderen Stellen gefördert wird. Das heißt, sie investieren erneut Zeit, sich in einem komplett neuen Berufsfeld zu qualifizieren, unabhängig von Berufs- und Aufstiegschancen. Für eine andere Gruppe verändern sich zuvor getroffene Berufswünsche und Entscheidungen. Wenn vor dem Zivildienst davon ausgegangen wurde, der Zivildienst sei als »Zeit zwischen Schule und Beruf« zu betrachten, so wird diese Zeit zu einem Wendepunkt im bisherigen Verlauf und zur genaueren Bestimmung des weiteren Lebensweges in Bezug auf die berufliche Verwirklichung genutzt. Das Sample zeigt, dass sich im personenbezogenen Dienstleistungsbereich auf allen hierarchischen beruflichen Ebenen vom Ungelernten bis zur Einrichtungsleitung Männer mit zwei alternativen Wegen in diese Berufsbereiche beschreiben lassen: – Mittlerer Schulabschluss – Erstausbildung in typisch männlichem Berufsfeld – Zivildienst – Umorientierung – Einmündung in typischem Frauenberufsfeld entweder über Ausbildung oder Einstieg als Ungelernter. – Höherer Schulabschluss – unentschlossen bezüglich der Berufswahl – Zivildienst – Entscheidung für ein Hochschulstudium in personenbezogenem Dienstleistungsbereich, Nebentätigkeit in Zivildiensteinrichtung als Ungelernter. Ein weiteres zentrales Ergebnis ist, dass der Zivildienst zuvor im Lebenslauf erlebtes soziales Handeln und Tun nun in eine formalisierte Struktur bringt. Die jungen Männer gehen einen formalen Schritt über den Zivildienst in einen Frauenberufsbereich, dabei ist ihnen auf der Ebene des Handelns die soziale Erfahrung und das soziale Handeln nicht fremd. Es ist vielmehr so, dass die Zivildienstleistenden mit den Tätigkeiten an ein kontinuierliches soziales Handeln anschließen. Dies war ihnen bisher jedoch nicht bewußt. Die weitere Differenzierung der Ergebnisse verdeutlicht, dass den Männern im Sample soziales Handeln in einer langen Kontinuität überaus bekannt ist. Der Zivildienst ermöglicht ihnen die (Wieder-)entdeckung. 4.2 Eine kontinuierliche Vergangenheit im Sozialen liegt im Verborgenen Der Zivildienst stellt für junge Männer eine besondere Herausforderung dar, weil sie mit Beginn ihrer Zivildienstzeit in einem zuvor nicht erfahrenen Übermaß mit Menschen zu tun haben und überwiegend personenbezogene Tätigkeiten tun sowie zu Mitproduzenten personenbezogener Dienstleistungen werden. Das Handeln mit Menschen wird jetzt zur Hauptsache, während die meisten Männer über ihre Erstausbildungen in Bezug auf das Arbeiten an »Dingen« orientiert sind, die es zu bearbeiten bzw. zu verändern oder herzustellen gilt. »Dann hatte ich keine Lust mehr zu arbeiten und dann habe ich Zivildienst gemacht« (X33) so charakterisiert einer der Interviewten seinen Übergang in den Zivildienst. Es wird deutlich, dass der Zivildienst als eine Zwischenstation angesehen wird, in dem Denken und Handeln in gewisser Weise zu einem Vakuum wird und erst einmal als nicht direkt zum Lebensverlauf zugehöriger Abschnitt definiert ist. Der Zivildienst steht außen vor und unterbricht die Kontinuität von Vergangenheit und die Zukunft im Hinblick auf Beruf, Berufswahl und die Bedeutung, die Erwerbsarbeit bis dahin hat. 278 Meyer, Männer in Frauenberufen np 3/2006 Im Zivildienst wird, unabhängig davon, ob die Zivildienstleistenden direkt im (sozial-) pädagogischen, pflegerischen oder eher im technischen Bereich der Einrichtungen eingesetzt werden, die Bedeutung der Arbeit mit Menschen als Normalität und vor allem als »Arbeit« angesehen. Dabei verändert sich die Einschätzung über den Wert, den diese Arbeit mit Menschen hat. In der Arbeit erleben sich die Zivildienstleistenden als selbständig und eigenverantwortlich Handelnde und sie erleben sich subjektiv als erfolgreich Handelnde. Durch die Arbeit in der personenbezogenen sozialen, erzieherischen oder pflegerischen Praxis verändern sich ihre Bedürfnisse im Hinblick auf ihre berufliche Praxis bzw. ihren weiteren Erwerbsarbeitsverlauf. Wesentlicher ist jedoch die das deutliche Ergebnis der Untersuchung, dass diese jungen Männer nicht zum ersten Mal sozialen Handlungen, sozialer Praxis bzw. sozialem Lernen begegnen. Der Zivildienst ermöglicht den jungen Männern, an ihre eigene soziale Praxis, die es in ihrem individuellen Lebensverlauf überwiegend seit frühester Kindheit gibt, anzuknüpfen und sie zu differenzieren. Jeder der untersuchten Interviewpartner sah den Zivildienst als den Ausgangspunkt für eine berufliche Um- oder Neuentscheidung an, ausgelöst durch die Erfahrungen in der Zeit des Zivildienstes. Jeder von ihnen hatte darüber hinaus für sich in seinem Lebensverlauf schon lange vor Beginn des Zivildienstes im besonderen soziales Lernen praktiziert bzw. soziale Kompetenzen angewendet. Besonders deutlich wird dies durch das Zitat eines Einrichtungsleiters, der eine stationäre Einrichtung für Menschen mit Behinderungen leitet, die Einrichtung, in der er seinen Zivildienst ableistete: »Und vielleicht bin ich auch ein kleines Kind der Behindertenhilfe« (IO). Sein Bruder ist körperbehindert und deswegen gab es nach seinen eigenen Einschätzungen eine geringere Hemmschwelle, den eigenen Zivildienst in eben einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen zu verbringen, da er mit den dazugehörigen Lebensbedingungen seit jüngster Kindheit vertraut war. Kindheitserfahrungen bzw. Sozialisationsbedingungen, die nach eigener Einschätzung der Interviewten neben dem Zivildienst in personenbezogene Dienst- Sozialisation leistungsbereiche führen, sind weibliche Mitglieder in der Familie, die bereits im in Frauensozialen, erzieherischen oder pflegerischen Bereich arbeiten und somit einen berufe selbstverständlichen Zugang in soziale Organisationen und zu deren Adressatinnen und Adressaten ermöglichen. Durch diese Selbstverständlichkeit wachsen Jungen ebenfalls in eben diese Bereiche hinein, vertiefen eigene Erfahrungen in einem professionelleren Bereich, eben ihrem Zivildienst und erleben sich selber als Gestalter sozialer Situationen. Besonderheiten in der Sozialisation, also im Aufwachsen schon früh soziales Lernen und Handeln zu lernen, ergeben sich in Großfamilien. Bedingungen wie z. B. Auseinandersetzungen, Aufwachsen mit wenigen Ressourcen und Haushalten in materieller, emotionaler und jeglicher anderer Sicht werden als bedeutend hervorgehoben. Die vielen unterschiedlichen Lernoptionen, Inhalte und Begegnungen mit unterschiedlichsten Menschen und zugleich andauernd eine größere Anzahl von Menschen werden ebenso als besonders »günstige« Aufwachs- und Lebensbedingungen für die Wahl des Zivildienstes bzw. eines sozialen, erzieherischen oder pflegerischen Berufs gesehen. Weitere Wege in die personenorientierten Berufe über den Zivildienst führen über eine möglichst eigenständig nachgefühlte Kindheit, in der diejenigen Männer sehr früh selbständig ihren Weg suchen und gehen konnten, ohne dass sie in ih- 279 np 3/2006 Meyer, Männer in Frauenberufen rem Aktionsradius allzu sehr begrenzt wurden. Einer der Interviewten im Sample formuliert, er habe eigenständige Entscheidungen schon seit frühester Kindheit getroffen, ohne allzu sehr beeinflußt worden zu sein von den Eltern. Dies läßt sich ergänzen durch ausführliche Selbstbildungsprozesse, die die Männer in ihrer Kindheit und Jugend im Austausch mit anderen, Vorbildern, die sie entweder im wirklichen Leben zur Verfügung hatten oder durch Wissen aus Büchern, die ihnen eine solche Lernbreite bot, dass sie sich in die Lage versetzt fühlten, ihre eigenständigen Wege zu suchen und unabhängig von Eltern- bzw. Gesellschaftserwartungen »den Mensch als Menschen und seine Fähigkeiten als Menschsein zu akzeptieren.« (UX). In diesem »selbstgebildeten« Bewusstsein haben die Männer ein bestimmtes Selbstbewusstsein entwickelt, so dass sie im Moment des Zivildienstes offen sind für eine bestimmte Form des Arbeitens mit Menschen und dies als Qualität des Lebens entdecken. Es zeigt sich, dass Sozialisationsbedingungen und -erfahrungen von Jungen sehr viel stärker im Hinblick auf Berührungen mit sozialem Handeln und sozialer Aktivität in der Kindheit zu reflektieren sind. Dieses könnte zu Berufsentscheidungen führen, die bisher aufgrund fehlender Sichtbarmachung oder Reflexion nicht in Betracht gezogen wurden, bis neue Erfahrungen im Sozialen durch den Zivildienst vertieft und verfestigt werden. So entstehen neue Berufsentscheidungen mit Beendigung des Zivildienstes, die schon längst während der Berufsfindungsphase hätten berücksichtigt werden können, wären sie gemeinsam mit den Jungen bearbeitet worden. 4.3 Eine Zukunft im Sozialen ist aktive und selbstbestimmte Lebensgestaltung Der Zivildienst kann somit eine Phase für junge Männer sein, in der es ihnen möglich wird, ihr bisheriges Leben so in Frage zu stellen, dass sie im Anschluss nicht in ihre erlernten Berufe zurück gehen können, sondern eine deutliche berufliche Veränderung stattfinden muss. Es werden nicht erst im Zivildienst Kompetenzen ausgebildet, um soziale, erzieherische und pflegerische Dienstleistungen zu erbringen, so ein zentrales Ergebnis. Die jungen Männer bringen die Kompetenzen bereits mit, bemerken sie jedoch im Zivildienst zum ersten Mal, erkennen sie als besondere Kompetenzen an und zwar so deutlich, dass die jungen Männer ihre bisherige berufliche Zukunft in Frage stellen und in den personenbezogenen Bereich wechseln. Beruflicher Für diesen beruflichen Wechsel lassen sich überwiegend zwei unterschiedliche Wechsel Wege herausstellen. Zum einen ist es die formale Qualifizierung in Form einer Ausbildung, vollzeitschulisch oder auf akademischer Ebene als ein Studium in einem der Bereiche wie z. B. Sozialpädagogik oder Pflegewissenschaften. Dieser Weg führt überwiegend über kurze Zwischenstationen direkt in Leitungsfunktionen. Auffällig oft stehen diese Karrierewege im Zusammenhang mit ihren Zivildiensteinrichtungen. Die Männer trauen sich die Übernahme einer Leitungsfunktion auch ohne Weiteres zu. Zum anderen ist es der berufliche Einstieg über eine Ungelerntenposition. Die Männer auf diesem Weg verfügen im Hinblick auf die Finanzierung, Schulabschlüsse etc. nicht über die Voraussetzung in den personenbezogenen Dienstleistungsbereich als Ausgebildete einzumünden. Damit beginnen berufliche Wege, 280 np Meyer, Männer in Frauenberufen 3/2006 die große Bemühungen mit Such- und Durchstiegsbewegungen nach sich ziehen, um die Erwerbsbiographie in einen formalen Berufabschluss münden zu lassen. Damit ist verbunden, einen Job zu haben, der einigermaßen existenzsichernd ist. Dieser Weg wird jedoch von Männern gewählt, die an ihre Zivildienstzeit anschließend als Ungelernte in soziale Einrichtungen einsteigen. Es werden Wechsel zwischen voller Stelle und halber Stelle vorgenommen, um berufsbegleitende Ausbildungsmaßnahmen über einen längeren Zeitraum zu absolvieren und somit eine Zukunft als beruflich Qualifizierte zu haben. Insgesamt ist hervorzuheben, dass allgemein die Zeit und die Qualität des Zivildienstes dazu führt, erst einmal für eine Unterbrechung im männlichen Erwerbsarbeitsverlauf verantwortlich zu sein, die im weiteren Verlauf für eine komplette Umorientierung im Hinblick auf Beruf- und Karriereorientierungen sorgen kann. Die Lebensläufe der jungen Männer fangen an diesem Punkt jedoch nicht erst an, sozial, pflegend oder sorgend für andere Menschen zu handeln. Der Zivil- Soziales dienst gibt ihnen die Möglichkeit, eher an eine Kontinuität explizit anknüpfen zu Handeln als Kontinuität können. Diese jungen Männer, die mit Abschluß des Zivildienstes einen neuen beruflichen Weg gehen, empfinden sich erstmals viel deutlicher als zuvor als aktive Gestalter ihrer Erwerbsarbeitsbiographien, was unter anderem auch in ihren Motivationen für ihre Frauenberufstätigkeit deutlich wird. Die Motivationen für die Arbeit in einem Frauenberuf ist bei allen im Sample befragten Männern, die Möglichkeit, mit Menschen zu arbeiten. Sie bringen überwiegend Erfahrungen aus anderen verwaltenden oder produzierenden Berufen mit, die jedoch nicht die Bedeutung haben, die Erfahrungen in der Arbeit mit Menschen für sie erlangen. 4.4 Motivationen für den Frauenberuf: »Ja, und das fand ich halt aufregend, so nah mit Menschen in Kontakt zu treten.« (XL) Die inhaltliche Qualität ist der zentrale Ausgangspunkt für Männer, in einen personenbezogenen sozialen, erzieherischen oder pflegenden Bereich zu wechseln und die zuvor gelernten bzw. ausgeübten Berufsfelder in typisch männlichen Berufen zu verlassen. Dabei lässt sich diese Qualität weiter ausdifferenzieren in die nun folgenden ausgewerteten vielfältigen Motivationen aus den Experteninterviews. Motivationen, in einem personenbezogenen Dienstleistungsberuf tätig zu werden, sind zu unterscheiden in die Kategorien gesellschaftliche Lebensqualität, Verbesserung individuell Lebensqualität für andere und für sich selber herstellende Aspekte: der Lebensqualität – als großen Gestaltungsspielraum für Entwicklungen, die in gesellschaftlicher, beruflicher sowie persönlicher Hinsicht selber aktiv verändert werden können. – als aktive Gestalter von Gesellschaft beteiligt und verantwortlich für deren Entwicklung zu sein, – als Verbesserung der eigenen Lebensqualität, durch die Arbeit mit Menschen und die Rückmeldungen, – als Verbesserung der Lebensqualität anderer Menschen durch die Unterstützung und Hilfeangebote Professioneller, – als Beitrag dazu, für Kinder und Jugendliche als Zukunft der Gesellschaft aktiv Teilhabe herzustellen, Erziehungs- und Entwicklungsprozesse zu begleiten und anzustoßen, damit es eine Zukunft gibt, – als Berufsbereiche, in denen es keine Routine gibt und jeder Tag neue Herausforde- 281 np Meyer, Männer in Frauenberufen 3/2006 rungen darstellt, weil es Arbeit mit Menschen ist, die jeden Tag neu herausgefordert sind – als verantwortungsvolle und sinnvolle Tätigkeiten, die Erfolge direkt vermitteln, weil es direkte Rückmeldungen von den Menschen gibt. – als Spaß, der durch den direkten und unmittelbaren Kontakt mit Menschen hergestellt wird und somit die ganze Persönlichkeit beanspruchen. Deutlich wird die Mehrdimensionalität, die mit dem Handeln in personenbezogener Dienstleistungsarbeit verbunden wird. Der Stellenwert der gesellschaftlichen Entwicklung und die Herausgehobenheit der individuellen Perspektive verdeutlichen den Wert und die Bedeutung der Arbeit, wie sie von den Männern empfunden wird. Sie machen etwas gesellschaftlich Bedeutendes, wenn sie Kinder, Jugendliche, Hilfe- und Pflegebedürftige erziehen, betreuen, bilden, pflegen, mit ihnen den Alltag gestalten. Die Thematisierung der gesellschaftlichen Dimension ist in der männlichen personenbezogenen Dienstleistungsarbeit durchaus bemerkenswert. Die im Sample befragten Männer ordnen ihre individuelle Arbeit in einen größeren gesellschaftlichen Entwicklungszusammenhang ein, unabhängig auf welcher hierarchischen Ebene sie selber arbeiten. Dabei trägt die jeweilige individuelle Entwicklung jedes ihrer Adressaten und Adressatinnen zur Gesamtentwicklung bei. Für die Männer in personenbezogenen Dienstleistungsberufen entsteht eine hohe Motivation dadurch, dass sie sich in einem direkten Wechselspiel zwischen Individuum und Gesellschaft sowie ihr direktes Mittun daran sehen und auch wahrnehmen. Diesen Spielraum nehmen sie aktiv gestaltend wahr, ihre Aufgaben beziehen sie nicht nur auf die Einrichtung oder den Organisationsteil, in dem Gesell- sie tätig sind, sondern sie ordnen ihre Aufgaben in einen größeren gesellschaftschaftliche lich bedeutsamen Zusammenhang ein. Bedeutung Ein weiterer hervorzuhebender Wert der Arbeit liegt für Männer in der Direktheit des Arbeitens. In der Zeit der Produktion der Dienstleistung wirkt sie für Männer unmittelbar und ist greifbar. Die Besonderheiten personenbezogener Dienstleistungen werden oft mit ihrer Unsichtbarkeit und dem fließenden Prozess der Entstehung personenbezogener Dienstleistungen beschrieben (vgl. RabeKleberg, 1993). Die Männer des Samples empfinden dieses nicht so, sie haben ein besonderes Verständnis von Erfolg in der personenbezogenen Dienstleistungsarbeit. Der Sinn bzw. das Sinnvolle der Arbeit werden hervorgehoben, der Spaß, die zu diesen alltäglichen bzw. alltagsstrukturierenden Tätigkeiten ebenfalls dazugehören. Als Erfolge der Arbeit gelten auch positive Rückmeldungen. Ein männlicher Erzieher einer Kindertageseinrichtung hebt hervor, dass er Erfolge mit den Kindern erzielt, weil er etwas anderes mit ihnen macht als die übrigen Erzieherinnen und somit flogen ihm nicht nur die Herzen zu, sondern er empfand seine professionelle Vorgehensweise als eine Alternative zum Herkömmlichen. Solche Rückmeldungen bekam er sodann auch von Kindern und wertet dieses als Erfolg seiner Arbeit: »(...) es gab auch viele Erfolge im Kindergarten – also als Mann im Kindergarten, die Kinderherzen fliegen ei- 282 nem sofort zu – ja, man hat da keine großen Kämpfe auszuführen – der Mann ist da, hat auch die größeren Cracks gleich in der Hand gehabt (...)« (WGL). Damit verbunden ist des weiteren der Spaßfaktor, den die Männer in der direkten Arbeit mit Menschen haben, wobei »Spaß« gar nicht weiter ausgeführt wird. Es muss weitgehend offen bleiben, ob damit nicht wiederum der Sinn, der Austausch, das Beobachten von Weiterentwicklungen, direkte Einwirken verbunden werden. Meyer, Männer in Frauenberufen np 3/2006 Vor dem Hintergrund männlicher erlernter Erwerbsarbeit muß der Unterschied zwischen »etwas produzieren« und »Menschen die Teilhabe an Gesellschaft ermöglichen« ein kaum vorstellbarer sein: »Früher, wo ich eben Möbelstücke gemacht hab oder Fenster eingebaut hab, oder oder oder, (...) das ist eine Routine, dann hat man den ganzen Tag diesen ollen Radiosender drinnen und man setzt sich um neun auf’n Arsch und muß’ne Viertelstunde Frühstück machen und das müßte ich genau in 8 Jahren, um die Uhrzeit, um neun müßt ich frühstücken und das ist hier nicht (...) das Leben ist einfach zu kurz für Routine und das hat mich motiviert« (XY). Es eröffnet sich eine Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten im Herstellen personenbezogener sozialer, erzieherischer und pflegerischer Dienstleistungen, so die zusammenfassende Einschätzung der Männer in unterschiedlichen Arbeitsfeldern und auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen. Sie sehen sich als Garanten und Hersteller der Erhaltung und Erhöhung von Lebensqualität in der Gesellschaft. Ihre eigene Lebensqualität sehen sie gesichert, wenn sie authentisch, eigenverantwortlich und professionell arbeiten können. 5 Mehr Männer in personenbezogene soziale, erzieherische und pflegerische Dienstleistungsberufe – machbar jenseits des Zivildienstes Frauenarbeit ist nicht nur Arbeit für Frauen, sondern sie kann insbesondere auch für Männer Arbeit werden, die für sie eine hohe Bedeutung gewinnt. Bedingungen hierfür sind bisher, mit den Tätigkeiten langfristig so in Berührung zu kommen, so dass soziales Lernen und Handeln selbstverständlich wird. Böhnisch mit seiner Argumentation von Entgrenzung gefährdeten männlichen Perspektive und Rabe-Kleberg als Stellvertreterin des langjährigen Frauenberufeaufwertungsprozesses stehen für die komplexen Zusammenhänge, die als Auswirkungen von gender Kontrukten gelten können. Sie weisen auf die Notwendigkeit für die gesellschaftliche Entwicklung hin, zukünftig – Jungen nicht mehr ausschließlich von Frauen erziehen, bilden und betreuen zu lassen und – Männer nicht von Frauenberufen auszuschließen und sie vor allem in alle horizontalen und vertikalen Ebenen der Berufs- und Handlungsfelder zu beschäftigen, so dass sie auch gleichermaßen sichtbar und wirksam werden für Jungen und Mädchen in den unterschiedlichen Einrichtungen. Dabei geht es vor allem nicht um einen Aufwertungsprozess der Frauenberufe, der durch die Erhöhung der Anteile an Männern gelingen soll. Das ist sowieso ein Oberziel, das jedoch nicht durch die Erhöhung von Quantitäten zu erreichen ist. Inzwischen dürfte deutlich geworden sein, dass mehr Männer in Frauenberufen zu »glass escalator« Prozessen führen und für Frauen wiederum in den jeweiligen Berufen zum Nachteil werden, da ihre »eigentlichen« Leitungspositionen von den Männern besetzt werden. Es geht dabei vor allem darum, die Erziehung, Bildung und Betreuung sowie Pflege für Mädchen und Jungen, alte Frauen und Männer mit gleichen Anteilen von Männern und Frauen unter den Professionellen so abzubilden, wie sie sich auch in der Gesellschaft widerspiegeln. Damit stehen mehr Rollen zur Auswahl, an denen und mit denen gesellschaftliche Vielfalt gelernt und gelebt werden kann. Zwischen Entgrenzung und Aufwertung 283 np Meyer, Männer in Frauenberufen 3/2006 Gesellschaft könnte sich für Jungen und Mädchen und die diesbezügliche Verteilung von Chancen für Jungen und Mädchen deutlich verändern. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass auch bei Wegfall des Zivildienstes Männer in die personenbezogenen Dienstleistungsberufe einmünden werden und die direkte Arbeit mit Menschen reizvoll finden werden. Für Jungen müssen jedoch Bedingungen geschaffen werden, ihre in der Kindheit und Jugend auf unterschiedlichen Ebenen erworbenen sozialen Kompetenzen in jeweilig für sie biographisch wichtigen Punkten wie z. B. in Berufsfindungsphasen für sie selber und mit ihnen sichtbar zu machen. So werden diese Kompetenzen für die Jungen greifbar und nutzbar zu Zeitpunkten, die für die Jungen selber bedeutsam sind und nicht etwa innerhalb eines Prozesses, in dem sie eigentlich außerhalb ihrer eigenen Biographie stehen, wie das für die Zivildienstzeit von einigen der Befragten beschrieben wurde. Literatur Bartjes, H./Hammer, E., 2005: »Du bist schwul bis zum Beweis des Gegenteils« – Männer in der Altenpflege. In: Dr. med. Mabuse, 30. Jg., Heft 155/2005: 32–35 Bartjes, H., 2003: Männer in Frauenberufen. Zwischen Zuschreibung Profilsuche. In: Büttner, C./Nagel, G. (Hrsg.), 2003: Alles Machos und Zicken? Zur Gleichstellung von Mädchen und Jungen in Kindertagesstätten, Seelze-Velber Bartjes, H., 1996: Der Zivildienst als Sozialisationsinstanz. Theoretische und empirische Annäherungen, Weinheim/München Böhnisch, L., 2003: Die Entgrenzung der Männlichkeit, Opladen Böhnisch, L./Winter, R., 1993: Männliche Sozialisation. Bewältigungsprobleme männlicher Geschlechtsidentität im Lebenslauf, Weinheim Cameron, C./Moss, P./Owen, C. 1999: Men in the nursery. Gender and Caring Work. London, Thousand Oaks, Dehli: Sage Cloos, P./Züchner, I, 2002: Das Personal der Sozialen Arbeit. Größe und Zusammensetzung eines schwer zu vermessenden Feldes. In: Thole, W. (Hrsg.) 2002: Grundriss Soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch, Opladen Heintz, B./Nadai, E., 1998: Geschlecht und Kontext. In: Zeitschrift für Soziologie, 19. Jg.: 573–-588 Karsten, M.-E./Kowalewski, H./Hetzer, S./van Riesen, K., 2000: Positionen – Potenziale – Perspektiven. Wissenschaftliche Begleitung und Evaluation des niedersächsischen Modellprojektes »Mädchen in der Jugendarbeit«, Lüneburg/Hannover Karsten, M.-E./Degenkolb, A./Hetzer, S./Meyer, C./ Thiessen, B./Walther, K., 1999: Entwicklung des Arbeitskräfte- und Qualifikationsbedarfs in den personenbezogenen Dienstleistungsberufen. Schriftenreihe der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen, Berlin 284 Karsten, M.-E., 1998: Frauen – Berufsausbildungen im Erziehungs- und Sozialbereich: Aufwertung oder Umwertung durch Professionalisierung. In: ÖTV-Report, Stuttgart Karsten, M.-E., 1996: Entwicklung von sozialen Professionen: Professionelle Organisationen in der Zukunft, Lüneburg Karsten, M.-E., 1991: Personenbezogene soziale Dienstleistungen produzieren: Über professionelle Zuständigkeiten, Handlungsorte und den Charakter des Produktionsprozesses Karsten, M.-E., 1991: Sackgassen – Irrwege der Professionalisierung. Das Beispiel Kinderpflege und Erziehung In: Rabe-Kleberg, U., Pro Person. 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Ass. im Institut für Sozialpädagogik, Fakultät Bildungs-, Kultur- und Sozialwissenschaften, Universität Lüneburg, Scharnhorststr. 1, 21335 Lüneburg E-Mail: [email protected] Reiner Becker Der »Feinschliff« Persönliche Beziehungsnetzwerke und ihre Bedeutung in der Verfestigung rechtsextremistischer Orientierungen1 Die rechte Jugendszene scheint sich als eine neue Sozialisationsmacht etabliert zu haben: Nicht unbedingt flächendeckend, aber in den Kommunen, in denen die rechtsextreme Szene insgesamt erheblichen Einfluss besitzt (Wagner, 2000). Dabei besteht ein stabiles Ost-West Gefälle: Im Osten Deutschlands ist die Szene breiter, in der Fläche entwickelt, propagandistisch und öffentlich präsenter, wie auch härter. Im Westen finden sich eher lokale und regionale »Zentren« (Hafeneger, 2004). Wie die meisten Jugendszenen unterliegt auch die rechte Jugendszene einer hohen Fluktuation, einem Kommen und Gehen. Dies betrifft die Mitgliedschaft einzelner Jugendlicher ebenso, wie auch die Konstituierung und Auflösung lokaler rechter Cliquen. Wie ist eine solche Dynamik zu bewerten? Wenden sich Jugendliche tatsächlich immer der rechten Szene ab oder verfügen einige über regionale Kontakte, Treffpunkte usw., die sich über die Grenzen eines Landkreises hinaus erstrecken, so dass diese Jugendliche ihren individuellen Aktionsraum 1 Die vorliegende Studie und das o.g. Dissertationsprojekt sind Teil des Forschungsprojekts »Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit« im gleichnamigen Graduiertenkolleg der Universitäten Bielefeld/ Marburg. 285