Wir zahlen zu viel ! Warum es nicht klappt mit billigeren Parallelimporten – und welche Abhilfe möglich ist Paulus Akademie : Fragen zur Zeit Zürich, 3. April 2017 Einführung von Rudolf Strahm 1. Der Tatbestand: Importpreise 15-25% teurer Identische Markenprodukte in der Schweiz meist teurer Hochpreisproblematik entsteht durch erhöhte Importpreise: «Schweiz-Zuschlag» der Lieferanten • Überhöhte Preise für Software und Updates (betroffen sind KMU, aber auch grosse Unternehmen, öffentliche Hand und Konsumenten) • Fahrzeugwerkstätten müssen überhöhte Preise für Ersatzteile wie Bremsen, Achsen, Pneus, etc. bezahlen • «Schweiz-Zuschlag» für Papier, Druckmaschinen und Druckplatten (Ersatzteile) • Schweizer Universitäten und Spitäler zahlen zu viel für medizinische Geräte und Labormaterialien • Massive Preisunterschiede bei importierten Kosmetikartikeln, Zeitschriften, Kleidern, Spielzeugen, usw. Falschintepretation «Hochpreisinsel» • Hochpreisproblematik Schweiz heisst nicht einfach «hohe Löhne Schweiz = Höhere Preise» in der Schweiz. • Höhere Löhne, höhere Mieten, höhere Infrastrukturkosten (aber tiefere Steuern und tiefere Mehrwertsteuern) sind Tatsache. Aber: • Hochpreisproblematik heisst: Wir zahlen für Produkte aus dem Ausland höhere Beschaffungskosten als die ausländischen Händler. • Gemessen wird richtigerweise nicht der Preisvergleich beim Endverkauf, sondern die Warenbeschaffungskosten an der Grenze. • Massgeblich ist der Importpreisindex, dh. Importpreise ohne MwSt. 2. Nachteile für die Volkswirtschaft Was der «Schweiz-Zuschlag» kostet • 2016: 173 Milliarden Franken Importgüter (ohne Dienstleistungen) • Davon rund 80 Mrd. Fr Konsumgüter / 40 Mrd. Fr Investitionsgüter • Konsumenten und KMU zahlen 12 bis 16 Mrd Fr pro Jahr mehr ans Ausland für importierte Produkte. • Kaufkraftabschöpfung: Der Schweiz-Zuschlag wird im Ausland verdient. • Von Ende 2010 bis Ende 2016 sanken Importpreise der Konsumgüter an der Grenze um ca 9 % (ohne Erdöl) ; aber durch die nominelle Aufwertung des Schweizer Frankens hätten sie um 18% sinken müssen. Einkaufstourismus • Pro Jahr Konsumgüter-Einkäufe über die Grenze: Volumen 11 Mrd. Fr. Bringt Wertschöpfungsverlust für Schweizer Detailhandel: ca 3 Mrd Fr. • Schweiz-Zuschlag bringt Kaufkraftverlust für Schweizer Familien • Einkaufstourismus mit Autos verursacht zusätzliche Umweltkosten Hochkosteninsel Schweiz • Schweiz ist seit Jahren eine Hochkosteninsel • Grund sind höhere Kosten im Inland (z.B. Löhne) aber auch ungerechtfertigte «Schweiz-Zuschläge» auf importierten Produktionsmitteln (Vorleistungen) • Betroffen davon sind insbesondere: Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) auch landwirtschaftliche Betriebe: Zur Zeit werden pro Jahr für ca. 2,4 Mrd CHF Lebensmittel im Ausland eingekauft! Konsumentinnen und Konsumenten Bund, Kantone, Gemeinden und staatliche Institutionen (z.B. Spitäler, Universitäten, etc.) Wer in der Schweiz produziert - hat höhere Produktionskosten als in den Nachbarländern - ist bei Absatz seiner Produkte weniger wettbewerbsfähig 9 Verteuerung Produktionsstandort Schweiz • Teurere Importe und Beschaffungskosten für KMU (Domestic Industry) • Höhere Produktionskosten der KMU • Landwirtschaft: + 1 Milliarde Fr höhere Inputkosten (Dünger, Schädlingsbekämpfung, Landmaschinen, Materialien) im Vergleich zu Baden-Württemberg • Multinationale Konzerne beschaffen über ihre ausländischen Filialen • UBS: Einkauf über spezielle Einkaufsgesellschaft im Ausland 3. Wie kommt Hochpreisproblem zustande ? Importe laufen über Alleinimporteur (Vertikalbindungen) Ausland l Hauptimporteur Schweiz Alleinimporteur/ Alleinvertreiber Lokale Händler Betriebe/ Kunden Was Importwettbewerb und Parallelimporte verhindert Verhinderung von Direkteinkäufen im Ausland ist eine Wettbewerbsbehinderung 4. Was tun ? Importwettbewerb und seine Gegner Strategie: Einkaufsmöglichkeit direkt im Ausland - warum soll das ermöglicht werden? Konkret: Denner, Migros, Coop können NIVEA-Produkte nur über Beiersdorf Schweiz beziehen, dies 30 bis 50 % teurer. Sie werden von Deutschland aus nicht beliefert. Das gilt für den Grossteil der Markenartikel. Direktbezugsmöglichkeiten im Ausland sind das Mittel, um Anbieter zu zwingen, auf nicht gerechtfertigte «Schweiz-Zuschläge» zu verzichten. Dann werden wieder vermehrt Produkte in der Schweiz eingekauft. Das ist das Ziel der Fair-Preis-Initiative. 24/11/2016 Slide 16 Geltendes Kartellgesetz: Art. 5 KG ist wirksam • Vertikale Preisbindungen und selektive Vertriebsverträge: • Wird der Einkauf im Ausland zu den dort von den Unternehmen praktizierten Preisen durch mehrere, zusammen wirkende Unternehmen (Wettbewerbsabreden) verhindert (Fälle BMW, Nikon, Elmex), kann und wird das durch die Weko gestützt auf Art. 5 KG im Regelfall unterbunden. 24/11/2016 Slide 17 Geltenden Kartellgesetz: Art. 7 KG, die Missbrauchskontrolle, ist mangelhaft • Kartellrechtliches Schlupfloch: • Wird dagegen der Einkauf im Ausland zu den dort praktizierten Preisen durch simple Lieferverweigerung eines einzelnen Produzenten (Fälle Traktoren, Melkmaschinen, Stalleinrichtungen, Software-Updates, SAP, Kupplungen, Bremssysteme, Haustechnik, Fischer Ski, Otto’s?) verhindert, ist zu unterscheiden: • Ist der Lieferverweigerer nach der Praxis der Weko marktbeherrschend, kann die Lieferverweigerung durch die Weko nach Art. 7 KG untersucht und allenfalls als unzulässig beurteilt werden. • Ist der Lieferverweigerer dagegen – und das ist die Regel – nach der Praxis der Weko nicht marktbeherrschend, wird Art. 7 KG nicht angewendet. (Konstrukt des «InterbrandWettbewerbs») 24/11/2016 Slide 18 Was will die Fair-Preis-Initiative? • Grundsätzlich: Diskriminierungsfreie Beschaffung von Waren und Dienstleistungen im Ausland • Hauptmittel: Relativ marktmächtige Unternehmen sollen neu auch von der Missbrauchskontrolle des bereits geltenden Art. 7 KG erfasst werden • Ausnahme: Einschränkung von Re-Importen zum Zweck des Weiterverkaufs (ohne Bearbeitung) – Konzession an die mächtigen Unternehmen in der Schweiz (Lex Nespresso) • Diskriminierungsfreier Online-Einkauf durch eine neue UWG-Bestimmung • Insbesondere gleich lange Spiesse wie die im Ausland produzierenden Konkurrenten • Die Initiative will die Importpreise und die Produktionskosten der (noch) in der Schweiz produzierenden Betriebe senken 24/11/2016 Slide 19 Was will die Fair-Preis-Initiative nicht bzw. wohin führt sie nicht? • Es wird keine staatliche Preisregulierung geben. • Es wird niemand verpflichtet, Nachfrager in der Schweiz zu ausländischen Preisen zu beliefern. • In der Schweiz hergestellte Produkte werden nicht reimportiert. • Die Initiative verspricht nicht, die Hochpreisinsel generell zu beseitigen. Sie verspricht nur tiefere Beschaffungspreise über die Grenze. Dies führt zur • Senkung von Produktionskosten und dadurch einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der (noch) in der Schweiz produzierenden Unternehmen • Sicherung von Arbeitsplätzen im Inland • Verbesserung der Kaufkraft von Familien. 24/11/2016 Slide 20 Wer steht hinter der Fair-Preis-Initiative? • Auslöser: Basler Wirte: Bier und andere Getränke teurer als gleiches Markenprodukt in Deutschland, Lieferverweigerung über die Grenze • Arbeitgeber- bzw. KMU-Verbände: Swissmechanic, GastroSuisse, hotelleriesuisse, Wirteverband Basel-Stadt • Travailsuisse • Betroffene Unternehmen, z.B. Payot SA • Konsumentenschutz-Organisationen (SKS, FRC, acsi) • Politikerinnen und Politiker der SVP, SP, FDP, CVP, Grünen, GLP und BDP aus allen Landesteilen der Schweiz 24/11/2016 Zentralschweizer Bauernbund, Vorstandssitzung in Rothenburg Slide 21 …. und die Gegner • • • • • • • Markenartikel-Hersteller (Marktsegmentierung mit selektivem Vertrieb) Generalimporteure und Alleinvertreiber von Markenprodukten Multinationale Konzerne (Theorie der «Legitimate Business Reasons») Marktbeherrschende Unternehmen Allgemein: verkappte Wettbewerbsgegner, Einzelne Linke («Wettbewerb = pfui») , Angst vor Lohndruck. EconomieSuisse – warum ?? Sonntagsliberale predigen am Sonntag den freien Wettbewerb und die Marktwirtschaft – und von Montag bis Samstag tun sie alles, um den Wettbewerb zu behindern.