Politik der niedergelassene arzt 8/2013 Der Doktor lernt gerade Deutsch Ausländische Ärzte benötigen für Tätigkeit nicht nur fachliche Kenntnisse E nde Juni meldete sich der Präsident der Bundesärztekammer zu Wort: „Viele Krankenhäuser in Deutschland suchen händeringend Ärzte. Diese Lücken füllen immer häufiger Ärzte aus dem Ausland“, erklärte Prof. Frank-Ulrich Montgomery. Die ausländischen Mediziner seien willkommen, wenn ihre fachliche ­Qualifikation der deutschen entspräche. Aber sie müssten auch die deutsche Sprache beherrschen. „Die sprachliche Kompetenz ist sowohl für die Behandlung der Patienten als auch für das Gespräch mit den Kollegen entscheidend. Sprachkenntnisse sind ein wesentliches Element der Qualitätssicherung in der ärztlichen Berufsausübung und dienen in erheblichem Maße der Patientensicherheit“, so Montgomery. BÄK fordert einheitliche Regeln für Deutschland Der Präsident der Bundesärztekammer verlangte deshalb bundesweit einheitliche Regeln für die Überprüfung der Sprachkenntnisse ausländischer Ärzte. Das hatte auch bereits der 116. Deutsche Ärztetag Ende Mai in Hannover gefordert. Für die Erteilung der Berufserlaubnis oder der Approbation sollten gegenüber der zuständigen Behörde die entsprechenden Sprachkenntnisse nachgewiesen werden. Das betreffe allgemeine Sprachkenntnisse mindestens auf dem sogenannten Level B2 sowie Kenntnisse der Fachsprache. Bund und Länder sollten dafür einheitliche Krite- © Tatjana Balzer / Fotolia In die Frage der Sprachprüfungen für ausländische Ärzte, die in Deutschland arbeiten wollen, ist Bewegung gekommen. Nach dem Willen von Bund und Ländern sollen hierfür künftig einheitliche Kriterien gelten. Bis dahin müssen Bewerber, an denen eigentlich wenig Mangel besteht, aber erst einmal Deutsch pauken – und die entsprechenden Prüfungen meistern. rien festlegen. Die Ärztekammern seien bereit, diese Fachsprachprüfungen durchzuführen. Sprachlehrer werden zertifiziert: „telc Deutsch B2-C1 Medizin“ Bereit stehen auch die staatlichen Einrichtungen oder Schulen in frei gemeinnütziger Trägerschaft, die sich bereits jetzt im Bereich Deutsch für Ausländer engagieren. An besonders erfahrene Dozenten und Prüfer verschickte die deutsche telc (The European Language Certificates), die für die Erstellung der A-, B- und C-Qualifikationen auf Grundlage von Vorgaben des Gothe-Institutes zuständig ist, Ende Juli die Unterlagen für die so genannte „telc Deutsch B2-C1 Medizin“. Die Lehrkräfte, die in der Regel im Auftrag des Bundesamtes für Migration Menschen unterrichten, welche in Deutschland ansässig werden oder die Staatsbürgerschaft erhalten wollen, können sich ab Herbst nach einer Weiterbildung auch für den Sprachunterricht sowie die Prüfung ausländischer Ärzte zertifizieren lassen. Entsprechende Prüfungen können laut telc ab dem 1. Oktober 2013 angemeldet werden. Ähn- liche Programme wurden für die Pflege entwickelt. Umfangreiche Deutsch­ kenntnisse werden geprüft Um diese Prüfungen zu absolvieren und zu bestehen, müssen die Bewerber laut Unterlagen • „praktisch alles, was sie in der Ausübung ihres Berufs als Ärztin bzw. Arzt hören oder lesen, mühelos verstehen • Informationen, die sie als Ärztin bzw. Arzt im Krankenhaus erhalten, aufgreifen und zusammenfassen, um sie aufgaben- und zielorientiert weiter zu verarbeiten (Arztbrief, Anamnesegespräch, Anamneseprotokoll, Patientenvorstellung etc.) • sich spontan und flüssig sowohl im Gespräch mit Angehörigen als auch im Gespräch mit anderen Ärztinnen und Ärzten äußern und auch bei komplexeren Fachthemen feinere Bedeutungs­ nuancen deutlich machen.“ Alle diese Fähigkeiten werden in der Prüfung abgefragt, die aus einem schriftlichen (schreiben sowie deutsche Fachtexte 17 18 Politik lesen und verstehen) und einem mündlichen Teil besteht. Die Prüfung kann mehrfach wiederholt werden. Gezieltes Erlernen der ­deutschen „Medizinsprache“ Dass Ärzte, die in Deutschland tätig werden wollen, derartige Prüfungen ablegen müssen, ist nicht ganz neu. Bislang war für die Erlangung der deutschen Approbation die Prüfung B2 oder für eine Anstellung besser C1 erforderlich, die auch zum Studium an deutschen Universitäten berechtigt. Jetzt könnte für eine Anstellung auch das spezielle B2 Zertifikat reichen – eine Erleichterung, die wohl nicht zuletzt dem Ärztemangel zu verdanken ist. Qualitativ minderwertig ist die neue Prüfung dennoch nicht. Denn sie wurde – anders als die bislang geübte Praxis – gezielt auf die Belange von Ärztinnen und Ärzten zugeschnitten. Auch Ärztekammern prüfen – so in Rheinland-Pfalz In Nordrhein-Westfalen beispielsweise legen die ausländischen Ärzte eine Fachsprache-Prüfung vor der Bezirksregierung ab, andere Länder verlangen ein Zertifikat des Goethe-Institutes. In Rheinland-Pfalz springt die Ärztekammer im Auftrag des Gesundheitsministeriums in die Bresche. Ausländische Ärztinnen und Ärzte müssen sich dort beim Landesamt melden, von dem sie informiert werden, dass eine Sprachprüfung stattfinden wird. Hierzu werden sie gleich an die Kammer verwiesen. Die Sprachprüfung in der Landesärzte­ kammer besteht aus zwei Hauptteilen. Der erste ist ein simuliertes Arzt-Patienten­ gespräch. Einer der beiden Prüfer gibt vor, Patient zu sein und schildert Krankheitssymptome. Der Prüfling muss zum einen die Krankheitsvorgeschichte des Patienten und der Familie erfragen und bei den berichteten Auffälligkeiten nachhaken. Er muss dem „Patienten“ zudem erklären, welche Erkrankung er vermutet und wie die Behandlung weitergehen wird. Im zweiten Prüfungsschritt schreibt der Prüfling am PC einen Arztbrief, in dem er Diagnose und Therapie festhält. Dieser Brief soll einem weiterbehandelnden Arzt alle notwendigen Informationen vermitteln. Das simulierte Patientengespräch dau- der niedergelassene arzt 8/2013 ert in der Regel 20 Minuten. Für den Arztbrief hat der Prüfling ebenfalls rund 20 Minuten Zeit. Anschließend besprechen die Prüfer mit dem Prüfling das Testergebnis. 40 Prozent bestehen den Sprachtest leider nicht Laut Kammer merken die Prüfer aufgrund ihrer Erfahrung während des Fachgespräches schnell, ob die Sprachkenntnisse des Prüflings für eine gute und verlässliche ArztPatienten-Kommunikation ausreichen. Schließlich seien gute Deutschkenntnisse für eine gute Patientenversorgung extrem wichtig. Wenn Ärzte ihre Patienten nicht verstehen können, steige das Risiko für Missverständnisse und Fehldiagnosen. Seit August 2012 sind bei der Ärztekammer in Mainz 142 Sprachprüfungen (Stand 16.05.2013) angemeldet gewesen. Das bisherige Prüfergebnis zeige, wie wichtig der Sprachtest ist: Etwa 40 Prozent der geprüften Ärztinnen und Ärzte bestehen die Prüfung im Sinne des Patientenschutzes nicht, weil sie sich mit den Patienten nicht verständigen können oder weil sie sogar kurzfristig den Prüfungstermin wieder abgesagt hatten. „Alte“ Sprach-Zertifikate reichen oft nicht aus Die meisten der angemeldeten Prüflinge kommen aus Nicht-EU-Ländern: 78 Kandidaten – die meisten davon aus Syrien (11), der Ukraine (7) und Jordanien (6). Bei den angemeldeten Prüflingen aus EU-Ländern stammen die meisten aus Rumänien (23), Ungarn (16) und Bulgarien (7). „Die bisherigen Prüfungen haben nach Aussage der Kammer gezeigt, dass auch Inhaber eines Sprachdiploms der Stufe B2 beziehungsweise C1 oft nicht in der Lage sind, in ausreichendem Maße mit einem Patienten zu kommunizieren“, fasst Dr. Jürgen Hoffart, Hauptgeschäftsführer der Landesärztekammer, die Prüfungserfahrungen zusammen. Anwerbung durch Behörden und professionelle Vermittler Das könnten die speziell auf Ärzte ausgerichteten Sprachkurse und Prüfungen demnächst ändern. Hier engagiert sich auch der Marburger Bund, der im Juni gemeinsam mit dem Gothe-Institut zu einer Fachtagung eingeladen hatte. Der MB-­Vorsitzende Rudolf Henke warnte in diesem Zusammenhang kürzlich vor den Angeboten professioneller Vermittler, die zwar ­horrende Summen von den Interessenten kassierten, diese aber dann in Deutschland ihrem Schicksal überließen. Das ende für die betreffenden Ärzte ohne ­Deutschkenntnisse oft in einem Desaster. Andere Länder wie beispielsweise Nordrhein-Westfalen setzen auf offizielle Job-Messen zum Beispiel in Griechenland, auf denen das Land gemeinsam mit der Krankenhausgesellschaft und den Ärztekammern sowie mit Kliniken für den Umzug der Ärztinnen und Ärzte in die Bundesrepublik wirbt. Fast 30.000 ausländische Ärzte in Deutschland tätig Schon heute gehören ausländische Mediziner in deutschen Kliniken und Praxen längst zur Regel, ohne die eine Versorgung nicht mehr möglich wäre. Nach der offiziellen Statistik der Bundesärztekammer lebten Ende 2012 in Deutschland 32.548 ausländische Ärztinnen und Ärzte. Davon waren 28.310 berufstätig – ein Plus von 15,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Krankenhaus arbeiteten 22.382 dieser Ärzte, 3652 waren in der Praxis niedergelassen und 2276 übten eine sonstige ärztliche Tätigkeit aus. Rund zwei Drittel der ausländischen Ärzte kamen aus der EU. Ihre Diplome werden also problemlos anerkannt. Das sieht bei Ärzten aus den übrigen Gebieten der Welt anders aus. Sie müssen eine s­ ogenannte Gleichwertigkeitsprüfung bestehen, die zum Beispiel in Rheinland-Pfalz seit gut 16 Jahren Pflicht ist. Inhaltlich ist diese auf dem Niveau des zweiten Staatsexamens. Dabei zeigt sich nach Aussage der Landesärztekammer, dass ein Medizinstudium im Nicht-EU-Ausland inhaltlich oft nicht vergleichbar mit dem Medizinstudium in Deutschland ist: Die Durchfallquote bei den Gleichwertigkeitsprüfungen liege bei rund 50 Prozent. Um das Problem des Ärztemangels auch durch Kollegen zu beheben, die nicht in Deutschland studiert haben, bleibt also noch viel zu tun. Die Vereinheitlichung der Sprachprüfungen ist aber ein erster wichtiger Schritt. Elmar Esser