Musiker-Psychotherapie – wann hilft was?

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Musikphysiologie und Musikermedizin 2007, 14. Jg., Nr. 1
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Musiker-Psychotherapie – wann hilft was?
G. Heydt, Stuttgart
Zusammenfassung
Nicht selten kommt es bei Musikern zu psychosomatischen oder seelischen Störungen,
die in ihrem Schweregrad stark variieren können von leichter Aufführungsangst bis zur völligen Unmöglichkeit des Auftretens und drohender Berufsunfähigkeit. Frühe musikerspezifische Diagnostik kann zu einem dem Schweregrad angemessenen Behandlungsangebot
führen, das von Beratung über Kurztherapie bis
zu längerfristiger Psychotherapie oder stationärem Behandlungsintervall reichen kann. In
vielen Fällen können mit diesen Angeboten
gute Befundverbesserungen erzielt werden.
Schlüsselwörter
Musiker, Musikermedizin, Psychotherapie,
Aufführungsangst, Netzwerk
Summary
Quite
often
musicians
suffer
from
psychosomatic or psychic impairments. This
can vary from subtle performance anxiety to
inablitiy to perform at all with severe consequences for the professional life. Early musician-specific diagnosis can provide adequate
treatment strategies including counselling,
short therapies to prolonged psychotherapeutic
treatment and an interval of in-patient treatment. In many cases, these treatment strategies contribute to a satisfying improvement of
the condition. Two case vignettes will illustrate
the above mentioned specific diagnostic and
therapeutic approach.
Keywords
musicians, musicians’ medicine, psychotherapy, musical performance anxiety, network
Einleitung
Schon seit der Antike weiß man um die fördernden und heilenden Kräfte der Musik. Gerade im Bereich der Musik werden Emotionen
und Affekte sehr unmittelbar empfunden, Musik kann Botschaften vermitteln oder Gemeinschaft herstellen, wo Sprache allein oft nicht
ausreichen würde. Musiker können aber auch
trotz oder sogar wegen des Umgangs mit Musik krank werden. Seelische Nöte, überzogener
Leistungsanspruch an sich selbst oder von
außen, Konkurrenzsituationen mit Kollegen,
aber auch mit modernen Tonträgern, quälendes Lampenfieber, Existenzängste in Zeiten
knapper werdender finanzieller Ressourcen,
körperliche Einschränkungen durch Alterung
oder Krankheit können zu ernsthaften Krisen
und Störungen führen. Wenn Beratung unter
Fachkollegen oder Auszeiten nicht mehr ausreichen, steht ein Netzwerk mit einem vielfältigen Angebot psychotherapeutischer Hilfen zur
Verfügung z.B. in Form Psychologischer Beratungsstellen, musikerspezifischer Institute,
ambulanter oder stationärer Psychotherapie.
Das Wissen über spezielle Musikerkrankheiten ist gewachsen
Fundierte Angaben über Störungsmuster spezieller Musikerkrankheiten, deren Entstehung
und Diagnostik sind in den zurückliegenden
Jahren
zunehmend
publiziert
worden
[1,2,4,6,8]. Auch die Behandlungsmöglichkeiten für körperliche Beschwerdebilder sind zahlreich dargestellt worden [1,5,7,9]. Dagegen gibt
es für psychosomatisch bedingte Störungen
bei Musikern bisher eher überblickartige Beschreibungen von Behandlungsmöglichkeiten
[3,6,7]. Deshalb soll mit der vorliegenden Publikation anhand zweier Kasuistiken der psychotherapeutische Prozess geschildert werden,
um deutlich werden zu lassen, dass auch
schwerwiegende seelische und psychosomatische Not bei Musikern durch eine Psychotherapie wesentliche Verbesserungen erfahren
kann.
Selbstkorrektur, Korrektur von außen
ALTENMÜLLER [1] weist darauf hin, dass
betroffene Musiker gerade bei körperlichen
Beeinträchtigungen, etwa Schmerzen beim
Spielen des Instrumentes, oft schon vor einer
ärztlichen Konsultation eine sehr gute Analyse
der Störung vorgenommen haben. Tatsächlich
dürfte ein Großteil der Probleme von Musikern
durch eigene Korrektur, durch Gespräche mit
Kollegen oder durch eine Reihe aktueller Unterrichtsstunden völlig ausreichend behoben
werden können. Zu erwähnen ist hierbei, dass
nach den bisherigen Erfahrungen unter Musikern noch keine Kultur der gegenseitigen Beratung etabliert ist. Beispielsweise ist es in der
Psychotherapie schon seit langer Zeit überhaupt nicht mehr denkbar, ohne kollegialen
Austausch (Intervision) oder externe Supervision effektiv arbeiten zu können. Bei Musikern
wird dagegen der korrigierende Hinweis eines
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Kollegen meist weniger als hilfreich denn als
kränkend erlebt. Hier wäre ein grundsätzliches
Umdenken sehr wünschenswert, da unter Musikern sehr viel Kompetenz besteht, die in der
bisherigen Praxis brach liegt. Zumindest kurzfristige Beeinträchtigungen oder geringfügige
Störungen könnten so in den meisten Fällen
ohne spezifische Behandlung behoben werden.
Wann wird professionelle Hilfe notwendig?
Bei anhaltenden oder schwerwiegenderen
Beschwerden sollte möglichst frühzeitig eine
fachspezifische Abklärung erfolgen. An mehreren Musikhochschulen sind in den letzten Jahren Institute für Musikermedizin entstanden,
die aufgrund der Doppelqualifizierung der Untersucher als Musiker und Mediziner umfassende und auf Musiker bezogene Diagnostik
betreiben und entsprechende therapeutische
Angebote (auch psychotherapeutische) machen können. Dabei wurde auf die Bedeutung
eines ganzheitlichen Denkens hingewiesen, die
Störungen sollten immer in ihrem bio-psychosozialen Gesamtzusammenhang gesehen
werden [7].
Eine Anamneseerhebung bei Musikern sollte
immer auch Fragen beinhalten nach der persönlichen musikalischen Geschichte (wann
erste Begegnung mit Musik?, welche Eindrücke?, wann welches Instrument gelernt?, Motivation dafür?, musikalischer Ausbildungs- und
Werdegang, berufliche Position, alternative
Interessen?, was tut gut bei der Musikausübung?, wo treten Probleme auf?, unter welchen Umständen gab es Schwierigkeiten?,
welche Hintergründe werden hierfür vermutet?,
gab es bereits ärztliche Abklärungen bzw. Behandlungsversuche?, welche Ziele sollten mit
einer psychotherapeutischen Behandlung erreicht werden?).
In den meisten Fällen wird [6] eine Kurztherapie ausreichend sein, die ein genaueres Verständnis der Persönlichkeit des Musikers verbindet mit Kenntnissen über dessen Beziehungsgestaltungen, in aller Regel werden Fragen des Selbstwerts und der Identifikation mit
dem Musikerberuf betrachtet werden. Es kann
dann ein Behandlungsplan mit Selbsterfahrungsanteilen und ganz konkreten Übungsanteilen (z.B. Entspannungstechniken) erstellt
werden, damit die berufliche Situation (wieder)
besser gemeistert werden kann. Gerade bei
den sehr häufigen Aufführungsängsten wird ein
solches Vorgehen hilfreich sein können.
Hilfe bei komplexen und andauernden Störungen
In besonders schwerwiegenden Fällen wird
eine längerfristige Psychotherapie, ggf. auch
mit einem stationären Intervall nötig werden.
Eine ambulante Psychotherapie i.S. einer Tiefenpsychologisch fundierten oder Analytischen
Psychotherapie wird dann notwendig, wenn es
z.B. nicht nur um isolierte oder kurzfristige
Auftrittsängste geht, wenn vielmehr grundsätzlich die Berufsausübung in Frage gestellt ist,
wenn von zusätzlichen und weitergehenden
Problemen auszugehen ist. Eine stationäre
Behandlung bietet sich etwa dann an, wenn
Schwere und Komplexität der Erkrankung dies
verlangen oder Chronifizierung droht. Es kann
auch eine Herausnahme aus dem symptomverstärkenden beruflichen oder häuslichen
Umfeld notwendig sein.
Fallvignette einer ambulanten Psychotherapie
Symptomatik vor Therapiebeginn
Der Patient mittleren Alters kam wegen starker
Unsicherheit und massiven Ängsten in Behandlung. Er hatte ständig zunehmende Befürchtungen, als Sänger auf der Bühne einfach
umzufallen. Zudem litt er unter Gewaltfantasien, im Traum habe er einmal seinen Sohn
gewürgt, sei darüber fürchterlich erschrocken.
Ständig habe er mit Verlustängsten zu tun, was
er mit einem frühen Verlust der Mutter in Zusammenhang bringe. Er klagte über eine mangelhafte Bindungsfähigkeit, seine erste Ehe sei
rasch zerbrochen. Er fühle sich schlecht, wenn
er nicht ausreichend wahrgenommen werde,
erlebe sich dann als innerlich leer. Von somatischer Seite aus bestehe schon seit dem 14.
Lebensjahr ein labiler Bluthochdruck mit Todesängsten (Angst vor Schlaganfall oder Infarkt). Starke Gewichtsschwankungen durch
Heißhungerphasen wurden ebenfalls beklagt.
Diagnosen:
Aufführungsängste, Angst vor unzureichender
Impulssteuerung, brüchiges Selbstwertgefühl,
Bindungsstörung bei Generalisierter Angststörung (ICD 10: F41.1) und Somatisierungsstörung (ICD 10: F45.0).
Psychodynamisch wirksam war der frühe
Mutterverlust, der Patient war damals noch ein
ganz kleines Kind. Der Vater arbeitete extrem
hart, war wenig verfügbar, der Pat. erfuhr ausgeprägte Heimatlosigkeit, er erlebte sich als
„herumgereicht“, Ausdruck einer gestörten
primären Annahme. Er bekam zu wenig narzisstische Zufuhr, woraus ein brüchiges
Selbstwertgefühl resultierte. Enttäuschungswut
Musikphysiologie und Musikermedizin 2007, 14. Jg., Nr. 1
führte zu äußerst aggressiven Fantasien, die
den Pat. selbst ängstigten.
Seine Todesangst erwies sich letztlich als eine
Angst vor dem Leben, vor der Integration von
Eros und Aggression.
Therapie und Verlauf
Der Pat. konnte von der Analytischen Psychotherapie sehr gut profitieren. Er fand mit Hilfe
von Träumen und selbst gemalten Bildern einen guten Zugang zum Unbewussten. Durch
eine Bearbeitung seiner Verlustängste, seiner
Heimatlosigkeit und seiner Bindungssehnsucht
gelang eine deutliche Reduktion der Ängste,
das Selbstwertgefühl konnte spürbar gestärkt
werden. Wichtig war, dass der Patient neben
seiner Berufstätigkeit als Musiker Zugang zu
weiteren Interessengebieten finden konnte.
Erfreulicherweise gingen auch die Blutdruckwerte messbar zurück, so dass die entsprechende Medikation vom Internisten reduziert
werden konnte. Der Pat. war wieder in der
Lage, regelmäßig seine Aufführungen wahrzunehmen, er konnte somit seinen Beruf wieder
uneingeschränkt ausüben.
Fallvignette einer stationären Behandlung
Symptomatik vor der stationären Aufnahme
Der Patient in höherem Lebensalter gab an, er
sei völlig aus dem Konzept geraten, nach einem kleineren operativen Eingriff habe es
Komplikationen gegeben, er habe zudem einen
Hörsturz erlitten, sein Körper funktioniere nicht
mehr. Er höre die hohen Frequenzen nicht
mehr, was für ihn als Organisten besonders
störend sei. Erstmals sei eine hypertensive
Krise aufgetreten, seither leide er unter
Schmerzen im Bereich des Brustbeins, nach
ausführlicher organischer Abklärung sei ihm
gesagt worden, die Schmerzen seine psychogen. Er habe schwerwiegende Ängste in engen
Räumen, aber auch vor Krankheit und vor der
Zukunft, z.T. regelrechte Todesängste, die sich
als Panikattacken darstellten. Sein Antrieb sei
stark vermindert, er verlasse kaum noch das
Haus, alles falle ihm schwer, er könne die vielen Aufführungen, die zu seiner Berufstätigkeit
gehörten, wegen dieser Ängste nicht mehr
bewältigen.
Diagnosen:
Depressive Störung mit somatischem Syndrom
(F32.11), Generalisierte Angststörung (F41.1),
Multiple psychosomatische Störung (F45.0),
Hypertonie (I10), Hörsturz (H91.2)
Psychodynamisch war im vorliegenden Fall
von Bedeutung, dass der sehr fleißige Vater für
die große Familie viel arbeiten musste, sehr oft
abwesend war, die Mutter konnte die zahlreichen Kinder nur mit Strenge erziehen, emotio-
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nale Wärme gab es wenig. Die spezifischen
Fähigkeiten des Patienten wurden nicht erkannt oder gar gefördert, aufgrund nicht erlernter tragfähiger Bindungsfähigkeit blieb er im
Wesentlichen ein Einzelgänger. Frühe nervöse
Zeichen wurden nicht als Signal für das Bedürfnis nach vermehrter Zuwendung verstanden. Ein eher enger religiöser Hintergrund in
der Familie reichte dem Patienten nicht aus,
sich in der komplexen äußeren Welt zurecht zu
finden. In den Pubertätsjahren entdeckte er
das Orgelspiel, erstmals spürte er sich selbst
lebendig, wenn er von seinen eigenen Klängen
umgeben war. Der ansonsten deutlich aggressionsgehemmte Jugendliche setzte sich gegen
die Widerstände seiner Familie durch und studierte Musik. Kunst blieb vor allem für den
Vater immer suspekt, weil für ihn nur das Wort
den wahren Glauben repräsentieren konnte.
Mit seiner hohen Begabung konnte der Patient
in seinem Beruf eine steile Karriere machen,
viele Erfolge feiern, bis ihn nach Jahrzehnten
die ablehnende Haltung des Vaters „einholte“,
er plötzlich nicht mehr auftreten konnte. Es
kam zu regelrechten Todesfantasien, sollte er
sich weiterhin vor einem Publikum präsentieren. Der Patient hatte nie gelernt, sich mit der
eigenen Gefühlswelt auseinander zu setzen,
auch Beziehungen zu anderen Menschen ließen sich nicht so steuern, wie er das von der
Registrierung seiner Orgel gewöhnt war. Durch
die körperlichen Störungen war zusätzlich das
narzisstische Gleichgewicht beeinträchtigt worden.
Therapie und Verlauf
Die stationäre Behandlung erfolgte mit einer 12
Wochen umfassenden analytisch orientierten
Einzeltherapie mit drei Sitzungen pro Woche,
flankiert von je 2 Doppelstunden Musiktherapie
und
Körpertherapie, Sozialtherapie und
hochfrequenter psychotherapeutischer Behandlungspflege. Ergänzend wurden Antidepressiva gegeben, der Bluthochdruck wurde
medikamentös eingestellt.
Zu Beginn der Behandlung bestand noch ein
recht deutliches Morgentief, Hinweis auf eine
biologische Komponente der Depression, was
auch durch eine positive Familienanamnese
gestützt wurde. Inhaltlich konnte der Patient
erarbeiten, dass sein ab der Pubertät betriebenes Orgelspiel ein probates Mittel gegen umfassende Gefühle von Ohnmacht und Unterlegenheit war. Mit seinem Instrument konnte er
quasi in eine eigene Welt flüchten. Mit seiner
umfangreichen Symptomatik wurde er viele
Jahre später von der engen religiösen Auffassung der Familie eingeholt. Es gelang ihm in
der Therapie, einen eigenen spirituellen Zugang zur Musik zu erarbeiten. Der Patient erkannte, dass er ein Leben lang andere Menschen immer wieder verlassen hatte, um nicht
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selbst verlassen zu werden, was an alte Verlassenheitsängste angeknüpft hätte. Sehr früh
aufgetauchte Minderwertigkeitsgefühle mussten mit Höchstleistungen kompensiert werden,
was dadurch kompliziert wurde, dass der Patient sich selbst Erfolge gar nicht wirklich zugestehen konnte. Dem Patienten wurde bewusst,
dass sein strenges Überich ihm nicht erlaubt
hatte, mit irgendwelchen Mängeln zu leben.
Hier wirkte sich sehr entlastend aus, dass er
durch die Arbeit an der Seele auch seine leichten und heiteren Seiten aus der Versenkung
holen durfte. Hier kamen ihm zahlreiche Träume sehr zugute, an denen er mit Neugier und
Gewinn arbeiten konnte. Der Patient konnte
sich stimmungsmäßig gut stabilisieren, die
Ängste gingen deutlich zurück, die psychosomatischen Beschwerden konnten mehrheitlich
als Ausdruck innerseelischer Konflikte verstanden werden, verloren dadurch an unmittelbarer
Bedrohlichkeit. Die Situation am Arbeitsplatz
konnte so weit umstrukturiert werden, dass
eine reguläre Weiterarbeit im vorigen Beruf
möglich wurde.
Ziele einer Psychotherapie bei Musikern
Zunächst geht es um eine Arbeit an den Symptomen, die zur Aufnahme der Psychotherapie
Anlass gaben, so sollten etwa Aufführungsängste von ihrem Hintergrund her verstanden,
dadurch gemildert, im besten Fall „überflüssig“
werden. Das bedeutet in nicht wenigen Fällen
auch, dass der Beruf erst durch eine solche
Arbeit wieder ausgeübt werden kann.
Im Rahmen der Psychotherapie sollte der Stellenwert der Musik und der Musikausübung
geklärt werden. Trägt die bisherige Motivation
(noch) durch ein Berufsleben oder kann sie
ggf. neu justiert oder aktuell verbessert werden? Natürlich unterscheidet sich die Frage
nach der Motivation bei den Musikern nicht
grundsätzlich von anderen Berufen, nur wird
eine Motivationsdefizit beim professionellen
Musiker sehr rasch für andere Menschen
wahrnehmbar, weil er sich berufsbedingt auf
der Bühne präsentieren muss, wo er zwangsläufig gehört und gesehen wird.
Wichtiges Ziel ist es ebenso, bisher eher wenig
zugängliche Persönlichkeitsanteile zu integrieren. Hier ist auch und gerade an die Aggressivität zu denken, die einerseits in der Musik
gebraucht wird, um bestimmte musikalische
Wendungen überhaupt darstellen zu können,
die aber andererseits im Umgang der Musiker
untereinander üblicherweise eher als problematisch empfunden wird. Zugang zur Aggressivität kann hier eine ganz wichtige Richtung
spielen, damit auftretende Konflikte (auch und
gerade Autoritätsprobleme) aktiv und offen
angepackt werden können.
Die Beziehungsfähigkeit kann im Rahmen einer Psychotherapie deutlich verbessert werden, weil gerade auch in der therapeutischen
Beziehung (Übertragung und Gegenübertragung) sehr vielfältige Muster auftauchen und
damit einer Bearbeitung zugänglich werden,
die auch sonst im täglichen Leben vorhanden
sind. Insgesamt erscheint es als großer Vorteil,
wenn eine Öffnung für eine Betrachtungsweise
„von außen“ möglich wird. Dies wurde schon
oben bei der Frage der Notwendigkeit von Intervision bzw. Supervision angesprochen. Wer
sich in einem therapeutischen Prozess öffnen
konnte, tut sich vermutlich auch mit kollegialen
Hinweisen leichter, ohne zu schnell in die Position des Gekränkten zu geraten.
Letztlich kann es auch ein wichtiges Ziel einer
Psychotherapie sein, berufliche Alternativen zu
herauszufinden, wenn etwa absehbar wird,
dass der Musikerberuf aus körperlichen oder
seelischen Ursachen heraus nicht mehr ausgeübt werden kann. Hier braucht es auch sozialtherapeutische Kompetenz, um mit dem Patienten nach möglichst realistischen beruflichen
Neuorientierungen suchen zu können. Gerade
in der Phase eines Loslassens des bisherigen
Berufes kann es zu erheblichen depressiven
Verstimmungen und Selbstwertkrisen kommen, die eine psychotherapeutische Begleitung
notwendig werden lassen.
Fazit
Es gibt sehr verschiedene Schweregrade psychosomatischer oder seelischer Störungen bei
Musikern, für die ein differenziertes Angebot
therapeutischer Maßnahmen zur Verfügung
steht. Günstig ist eine möglichst frühzeitige
diagnostische Abklärung, etwa in einem der
Zentren für Musikermedizin, die an mehreren
Musikhochschulen eingerichtet worden sind.
Damit kann eine Behandlung erfolgen, bevor
es zu einer Chronifizierung oder gar Berufsunfähigkeit gekommen ist.
Literatur
[1] Altenmüller E, Jabusch H-Ch. Neurologische Erkrankungen bei Musikern. Med Welt
2006; 12: 569-575
[2] Bangert M, Altenmüller E. Apollos Gabe und
Fluch – Funktionelle und dysfunktionelle Plastizität bei Musikern. Neuroforum 2003; 2: 4-17
[3] Mantel G. Mut zum Lampenfieber. Atlantis
Musikbuch, Freilassing 2003
Musikphysiologie und Musikermedizin 2007, 14. Jg., Nr. 1
[4] Samsel W, Möller H, Marstedt G, Müller R.
Ergebnisse einer Befragung junger Musiker
über Berufsperspektiven, Belastungen und
Gesundheit. Musikphysiologie und Musikermedizin 2006; 13: 86-98
[5] Skarabis P. Der gesunde Musiker. Henschel, Berlin 2005
[6] Spahn C. Lampenfieber und Aufführungsangst bei Musikern. Med Welt 2006; 12: 559563
[7] Spahn C, Richter B. Multimodale, integrierte
Diagnostik und Behandlung in der Musikermedizin. Med Welt 2006; 12: 550-553
[8] Spitzer M. Musik im Kopf. Schattauer, Stuttgart 2002
[9] Steinmüller W, Gfeller R, Spahn C. Bewegungsorientierte Methoden bei Überlastungssyndromen von Musikern. Med Welt 2006; 12:
584-587
Anschrift des Verfassers
Dr. med. Gerhard Heydt
Leitender
Abteilungsarzt
(MusikerPsychotherapie)
Sonnenberg Klinik Stuttgart
Fachklinik für Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie
Christian-Belser-Str. 79
70597 Stuttgart
Tel: 0711/6781-700
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