Protokoll Musikgeschichte 1 - Prof. Dr. Sabine Meine Vorlesung am 28.01.2016 Verfasst von Katrin Leer, Populäre Musik und Medien 1. Semester Musikleben im 17. Jahrhundert (2.Teil) Das Thema der 13. Vorlesung war das Musikleben in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Wir befassten uns insbesondere mit dem Jahr 1674 und begaben uns auf eine imaginäre Reise durch vier bedeutende Orte zu dieser Zeit, nämlich Lübeck, Paris, London und Rom, um uns mit den musikalischen Ereignissen dort genauer auseinanderzusetzen. Lübeck: Totenmesse für Johannes Buxtehude Am 22. Januar 1674 wurde in der berühmten Haupt- und Marktkirche zu Lübeck, der St. MarienKirche, welche auch als „Mutter der Backsteingotik“ bezeichnet wurde, eine Totenmesse für Johannes Buxtehude, der im Alter von 72 Jahren verstorben war, gefeiert. An der Orgel saß sein Sohn Dietrich Buxtehude, der als berühmter Organist und Werkmeister (Kirchenverwalter) der St. Marienkirche die Musik des späten 17. Jahrhunderts sehr prägte. Persönlichkeiten wie Händel und Johann Sebastian Bach pilgerten zu Anfang des 18. Jahrhunderts nach Lübeck, um Buxtehudes berühmte Abendmusiken zu erleben, die ihm aufgrund ihrer prächtigen Vielfalt einen großen Ruf eingebracht haben. Dazu gehörten aufwendige Vor- und Nachspiele in Gottesdiensten sowie die damals sehr gängigen Trio-Sonaten. Zur Beerdigung seines Vaters schrieb Friedrich eine zweiteilige Komposition mit dem Namen: „Fried- und Freudenreiche Hinfahrt“ und „Klaglied“. Der erste Teil des Stückes wurde von Buxtehude übernommen, während das zweite Stück vermutlich von Buxtehude selbst gedichtet wurde. Paris: Aufführung einer Tragédie lyrique Zur gleichen Zeit in Paris, am 19. Januar 1674 fand im königlichen Theater Paris, der Chapelle Royale, unter der Hoheit XIV eine Uraufführung der Tragédie lyrique von Jean-Baptiste Lully (Musik) und Philippe Quinault (Libretto), einem bekannten Literaten statt. Dies geschah im Rahmen einer Triumph-Feier anlässlich des Sieges von Louis XIV. über Karl II. von Spanien, in der Franche-Comté. An dieser Oper zeigte sich auch der Streit zwischen „Altem“ und „Neuem“. Clavecinmusik Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Hofes war die sogenannte Clavecinmusik im Zeitalter der Barockmusik sehr modern. Das Clavecin war ein Tasteninstrument, welches sich besonders durch seinen hellen, obertonreichen Klang von anderen Tasteninstrumenten abhebte. Im Gegensatz zum Klavier werden die Saiten nicht mit einem Hämmerchen angeschlagen, sondern mit sogenannten Kielen gezupft. Der Anschlag beeinflusste die Tonlautstärke nicht, jedoch war es möglich durch das Ziehen von Registern, d.h von verschiedenen aus- und einschaltbaren Sätzen von Saiten, den Klang in Lautstärke und Farbe zu verändern. Das Clavecin löste die Lautinstrumente, welche vor allem im 16. Jahrhundert modern waren, ab. Bemerkenswert ist, dass alle Clavecinisten Kontakt zu dem Hof hatten, Bekanntheit allerdings erst durch Drucke erlangten. Dabei wurde in anderen Ländern mehr gedruckt als in Frankreich selbst. Sehr angesehen waren vor allem die Sammlungen von Jacques Champion de Chambonnières, der die ältere Generation zu dieser Zeit verkörperte. Chambonnières wurde 1601 geboren und stammte aus einer adeligen Musikerfamilie. Er begann eine Organistenkarriere an der Chapelle Royal , der königlichen Kapelle und war seit Mitte des Jahrhunderts Clavecinist an der Kammer der Königs. 1657 jedoch, verließ Chambonnières aus eigener Initiative den Hof aufgrund eines Streits mit diesem. Er starb 1672. Anders als in den franz. Suiten von Sebastian Bach, hatten die Tastenspielerinnen und -spieler eine gewisse spielerische Freiheit, da die Reihenfolge ihrer Vorspiele nicht festgelegt war und sie sozusagen aus Sammlungen Stücke, welche nach Tonarten geordnet waren, auswählen konnten. Dazu gehörten vor allem stilisierte Tänze, wie die in Frankreich am gängigsten „Courantes“. Courantes waren mäßig schnelle Gesellschaftstänze, welche sich durch ungerade Taktarten auszeichneten. Das Vorwort der Stücke bestand meist aus Vorgaben zur Verzierung, Wiederholung und Ausschmückung des Stückes, was dazu führte dass die Stücke objektiv betrachtet, als sehr klein erschienen. Es wird vermutet wird, dass diese Stücke unter anderem von Elisabeth Claude Jaquet de la Guerre, 1665 geboren, gespielt wurden. Sie stammte aus einer renommierten Musikerfamilie und war erfolgreiche Komponistin und Musikerin in der 2. Hälfte des 17.Jahrhunderts. Bürger, die sich nicht in Hofnähe befanden, konnten auf den jährlich vor Karfreitag stattgefundenen Martkttheatern von St. Germain, neben dem Kauf von Textilien und Geschirr auch die Schauspiele und die Musik von Schauspielern und Sängern, welche angereist waren, genießen. Zudem erklang am Osterwochenende in der Kirche die berühmte Passionsmusik von Marc-Antoine Charpentier. Er wurde 1643 in der Umgebung von Paris geboren und studierte 3 Jahre lang bei Giacomo Carissimi in Rom. Seine Musik beruht auf einer Mischung von italienischen und französischen Stilelementen.Dabei führte dieser Einfluss der römischen Kantaten und Oratorien von Carissimi zur Italienisch-Französischen Stilmischung, welche die Musik Charpentiers prägten. Die Kirche entwickelte sich für immer mehr Menschen zu einem Schauplatz für gute Musik. London: New Spring Gardens London erlitt im 17. Jahrhundert fürchterliche Einschläge. Dazu gehörte vor allem der Brand 1666, der, so wird vermutet, aufgrund eines Bürgerkrieges zwischen dem katholischen König und Königsgegnern gelegt wurde und drei Viertel der gesamten Fläche Londons zerstörte. Erholung von den Geschehnissen baten die sogenannten „New Spring Gardens“ mit ihrem Musikprogramm. Es gab keinen Eintritt, sodass jeder die Möglichkeit besaß, kleine Konzertvorstellungen zahlreicher Sänger und Instrumentalisten zu sehen. 1730 wurde sogar ein spezielles Orchester für den Vergnügungspark, der sich später „Vauxhall Gardens“ nannte, gegründet. Zudem gab es ab 1672 die öffentlichen, im eigenen Haus gehaltenen Konzerte des Geigers John Banister. Zum Preis von einem Schilling konnten die Besucher Musikwünsche äußern. Unter anderem erklangen bei der Premiere der Restauration des sogenannten „Duke‘s Theatres„ die ouvertürartigen Symphonien von Matthew Locke, einem bedeutenden englischen Komponisten. Nach der Restauration war er ab 1661 unter Karl II., „Composer in the Private Music und Composer for the Violins". In dieser Zeit schrieb Locke viele Schauspielmusiken und Masques. Dazu gehört auch Shakespeares „Sturm“. Nach seinem Tod 1677 übernahm sein Schüler Henry Purcell das Amt des Organisten, welcher ein Trauertombeau an Locke schrieb.