Instant composing

Werbung
Schulfach Musik
DV- Arbeit
Pädagogische Hochschule
Institut Sekundarstufe 1
SF Musik - Disziplinäre Vertiefung
„Instant composing“
Ein moderner Weg zu komponieren
Beilage: CD mit 26 Hörbeispielen
Lehmann Eva
Basel, 03.10.2005
Betreuung: Markus Cslovjecsek
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung................................................................................................................................................. 2
2
Komposition historisch betrachtet ........................................................................................................... 3
3
2.1
Definitionen der „Komposition“ ..................................................................................................... 3
2.2
Kompositionsmethoden................................................................................................................... 4
2.2.1
Neumennotation.......................................................................................................................... 5
2.2.2
Kompositionsstudium bei Mozart und Brahms .......................................................................... 5
Komponieren, ein kreativer Prozess ........................................................................................................ 6
3.1
4
Neue Formen des Komponierens............................................................................................................. 8
4.1
5
Psychologische Aspekte und der „geniale Augenblick“ ................................................................. 7
„Instant composing“........................................................................................................................ 9
4.1.1
Improvisierte Komposition? ....................................................................................................... 9
4.1.2
Simons „Instant composing“ .................................................................................................... 10
Meine Komposition ............................................................................................................................... 11
5.1
Vorarbeit ....................................................................................................................................... 11
5.2
Prozessverlauf ............................................................................................................................... 12
5.2.1
Die erste Strophe....................................................................................................................... 12
5.2.2
Refrain ...................................................................................................................................... 14
5.2.3
Melodie Unterschiede in den Strophen..................................................................................... 14
6
Arrangement .......................................................................................................................................... 16
7
Reflexion................................................................................................................................................ 17
8
Interpretation der Kompositionsmethoden ............................................................................................ 19
9
Nachwort................................................................................................................................................ 20
10
Bibliographie ......................................................................................................................................... 21
11
10.1
Gedruckte Literatur ....................................................................................................................... 21
10.2
Ungedruckte Literatur ................................................................................................................... 21
10.3
Bildquellen .................................................................................................................................... 21
10.4
Befragung...................................................................................................................................... 21
Redlichkeitserklärung ............................................................................................................................ 22
1
1
Einleitung
Seit meinem fünfzehnten Lebensjahr komponiere ich eigene Lieder. Ich schreibe eigene Texte auf Deutsch
oder auf Englisch, greife zu meiner Gitarre und spiele einige Akkorde. Dazu versuche ich eine
wohlklingende Musik zu finden, indem ich über diese Akkorde singe. Ich notiere anschliessend die Akkorde
über den Text, die Melodie behalte ich im Kopf. Ich habe nie eine andere Methode zu komponieren
ausprobiert.
In dieser Arbeit setze ich mich mit Kompositionsmethoden auseinander und mit der Frage, wie komponiert
man? Ich möchte meine Kompositionsmethode einordnen in einen Kreis von anderen Methoden, die ich
vorfinde und darstelle.
Im ersten Teil meiner Arbeit widme ich mich der Komposition im Allgemeinen. Was bedeutete
Komposition damals und heute? Anschliessend möchte ich Methoden, wie komponiert wurde und wird,
herausarbeiten. Ich möchte also nicht zu erklären versuchen, warum Mozart im Kopf seine Partitur„hörte“,
also nicht eigentlich komponieren musste, sondern dieses Hören als seine Methode verstehe und sie ist
Thema meiner Arbeit. Es beschäftigen mich Fragen wie: Sass Brahms am Klavier, probierte alle möglichen
Melodien aus und schrieb schliesslich die Best-Klingende auf oder schrieb er Note an Note und hörte zuvor
schon wie diese Noten klingen? Wie entwickelte Alicia Keys die Melodie des Welthits Fallin’?
Jedes Komponieren vollzieht sich in Teilschritten, in die es möglicherweise zerlegt werden kann. Ich
beabsichtige diese Teilschritte zu definieren. Ein Kapitel meines Theorieteils verfolgt diese verschiedenen
Schritte, welche beim Komponieren ablaufen können.
Ich werde oft gefragt: „Warum ist dir dann diese Melodie eingefallen?“ Mit dieser Frage zum Einfall, zur
Inspiration beschäftige ich mich in einem weiteren Kapitel.
Der Schluss des Theorieteils wird den Übergang darstellen zur praktischen Phase. Ich möchte dabei auf
meine Art zu komponieren eingehen und diese in den Kontext zu anderen Methoden stellen.
Bereits beim Suchen von Literatur musste ich feststellen, dass Kompositionsmethoden eigentlich nicht
dokumentiert wurden. Notation, Musiklehre und unterschiedliche Formen sind Thema der musikalischen
Geschichtsschreibung. Die wenigen Angaben, welche ich dennoch gefunden habe, sind dem Kompendium:
„Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG)“ entnommen und einigen Internetrecherchen. Zusätzlich
habe ich einen befreundeten Amateurkomponisten, Simon Baumann, zu seiner Kompositionsmethode
befragt.
Meine Ausgangslage im Praxisteil ist ein von mir verfasster Text mit drei Strophen und einem Refrain.
Zusätzlich habe ich im Voraus undokumentiert zwei Akkordketten kreiert, eine für den Refrain und eine
weitere für die Strophen. Ich möchte auf der Grundlage von diesen Akkordketten spontane Melodieeinfälle
aufnehmen und diese weiter entwickeln zu einem Song. Die Aufnahmen werden jeweils auf dem Computer
gemacht. Diesen Prozess werde ich schriftlich dokumentieren und die „spontanen Melodieeinfälle“ werden
dabei als Audiodateien (
Hörbeispiele) zur Illustration verwendet.
Welchen Anteil dieser praktische Teil im Bezug auf diese Arbeit hat, werde ich nur teils durch die
Dokumentation vermitteln können. In der schriftlichen Arbeit liegt mein Kompositionsprozess als drei
Kapitel Text und als CD mit 26 Hörbeispielen vor. Im Bezug auf Zeit und Arbeitsenergie in dieser Arbeit,
2
ist mein entstandenes Lied ins Zentrum zu rücken und soll als Hauptarbeit und Hauptteil wahrgenommen
werden.
Die Diskussion der verschiedenen mehr oder weniger detailliert dokumentierten Kompositionsmethoden
ergibt den Inhalt des achten Kapitels. Hier geht es darum zusammen zu stellen, welche Prozesse in welcher
Methode wie ablaufen und welche Unterschiede gerade im Bezug auf die Analysierbarkeit festgestellt
werden können.
2 Komposition historisch betrachtet
Wenn von „Kompositionsgeschichte“ die Rede ist, so wird damit meines Erachtens die abendländischen
Musikgeschichte gemeint. Es war mir trotz der Sichtung von viel Literatur nicht möglich Dokumentationen
über die eigentlichen Kompositionsmethoden, welchen mein Hauptinteresse gilt, zu finden. Selbst im
ausführlichen Sachteil des Kompendiums „Die Musik in Geschichte und Gegenwart“ findet man zur
Komposition vor allem Merkmale der Musik der verschiedenen Epochen. Dass epochal geprägte Musikstile
auf die zeitgenössischen Komponisten Einfluss nehmen, scheint nahe zu liegen. Ein Komponist zur Zeit der
Kontrapunktmusik, komponiert auch Kontrapunktmusik. Es zeigt sich, dass Komponieren nur im
Zusammenhang mit dem historischen, kulturellen Umfeld verstanden werden kann. Stets war auch der
musiktheoretische Wissenstand von grosser Bedeutung. Das würde heissen: Erst seit der Entwicklung der
Notenschrift kann man Musik klar notieren und erst seit es eine Musiklehre als verfügbares Wissen gibt,
kann damit gearbeitet und auf sie Bezug genommen werden.
2.1 Definitionen der „Komposition“
„Meyers Taschenlexikon Musik“ von 1984 definiert Komposition wie folgt: „ [von lat. compositio
„Zusammensetzen“], gedanklich konzipiertes und ausgearbeitetes, schriftlich festgehaltenes und auf Grund
des Notentextes klanglich reproduzierbares Musikstück…“ (Eggebrecht 1984, S. 175). Laut dieser
Definition findet der Prozess des Komponierens oder des Zusammensetzens von Einzeltönen im
Wesentlichen auf der mentalen Ebene statt und wird dann durch die Notation fixiert und reproduzierbar. Die
neuere Formulierung aus dem „Wörterbuch Musik“ von 2000 ergänzt diese Definition. Komposition sei ein
„Schriftlich oder heute auch auf Tonträger oder elektronisch fixiertes und in seinen Details weitgehend
festgelegtes Musikstück, das unabhängig von seinem Autor, dem Komponisten, klanglich reproduzierbar
ist“(Dieter 2000, S.159). In der heutigen Zeit wird also das Komponieren nicht gleichgesetzt mit der
Notation. Wichtig bleibt aber, dass die Musik reproduzierbar ist. Die gedankliche Konzipierung wird hier
nicht mehr erwähnt, was ein Hinweis darauf sein könnte, dass die Entstehung von der rein mentalen Ebene
in eine eher praktische transportiert worden ist. Der Schülerduden für Musik macht dazu noch eine
Klammerbemerkung: Die Komposition sei „(im Gegensatz zur Improvisation) i.d.R. tonschriftlich
fixiert“(Redaktion Schule und Lernen 2000, S.195). Dadurch wird der Unterschied zur Improvisation
verdeutlicht, welche nicht fixiert wird und so nur einmalig gespielt werden kann oder klar an den
Improvisator gebunden ist.
Zusammenfassend halte ich fest: Eine Komposition ist ein schriftlich oder elektronisch fixiertes,
ausgearbeitetes Musikstück, das unabhängig reproduziert werden kann.
3
Komposition war nicht immer ein explizit musikalischer Begriff. Abgeleitet vom klassischen Latein
„[componere: zusammensetzte, zusammenstellen, zusammenlegen]“ (Finscher 1996, S.506) beschrieb die
Komposition „ein Gebilde mit Kunstanspruch“ (Finscher 1996, S.506), dies konnte sich auf verschiedene
Aspekte beziehen: „1. die Herstellung dieses Gebildes, die schöpferische Tätigkeit als solche, das
`Komponieren`; 2. das Ziel und Ergebnis dieser Tätigkeit, das jeweils einzelne ‚Werk’; 3. das Gesamtgebiet
des künstlerischen Schaffens und des bereits (historisch) Geschaffenen sowie die dazu führende oder daraus
resultierende `Lehre`“(Finscher 1996, S.506)
Die erwähnten Aspekte widersprechen nicht der bereits festgehaltenen Definition der musikalischen
Komposition. Wichtig erscheint mir weiter die differenzierte Betrachtung der Kunstformen bzw.
Kunstgebilde. Der Komponist einer Plastik produziert etwas in sich Geschlossenes, das unveränderbar ist. In
der Poesie und in der Musik stellt sich das Problem der „Doppelexistenz“ (Finscher 1996, S.506). Der Poet
oder der Musiker hält einerseits sein Werk schriftlich fest, anderseits wird es von anderen erneut
vorgetragen. Die Komposition ist nur bedingt fixiert und lässt Interpretationsfreiheiten offen.
Um nun auch Poesie und Musik zu unterscheiden wird in „Die Musik in Geschichte und Gegenwart“ R.
Hammerstein zitiert: „Die Schreibschrift birgt mehr an Sprache als die Notenschrift an Musik. Geschriebene
Dichtung hat einen viel höheren Realitätsgrad als geschriebene Musik.“ (Finscher 1996, S.506).
Hammerstein stellt hier die Fixierung von Musik durch Notation im Bezug auf die Reproduzierbarkeit in
Frage. Eine musikalische Komposition kann eigentlich nur oberflächlich schriftlich fixiert werden. Die
Dichtung ist nach Hammerstein enger an die Schreibsprache als Musik an die Notenschrift gebunden und so
ursprungsnaher reproduzierbar.
2.2 Kompositionsmethoden
Die formulierte Definition von Komposition: Eine Komposition ist ein schriftlich oder elektronisch fixiertes,
ausgearbeitetes Musikstück, das unabhängig reproduziert werden kann,gibt das Fixieren vom Musikstück
vor. Schriftlich oder heute elektronisch Festgehaltenes kann mit seinen kennzeichnenden Merkmalen
historisch verfolgt werden. Mein Interesse gilt aber dem Prozess und den Methoden nicht dem Produkt.
Einen Bericht über Kompositionsmethoden scheint es nicht zu geben.
Im Internet findet man zu Kompositionsmethoden Angaben zu unterschiedlichen Vorgehensweisen. Eva
Lovrek schreibt auf ihrer Homepage über das Komponieren der Salsa Musik. Sie hält fest, dass es historisch
und regional unterschiedliche Methoden gäbe. „Im Osten Kubas basierte die Musik auf einer Abfolge
einfacher Akkorde, die den Sänger begleiteten, der zumeist improvisierte Texte sang.“
(http://www.evalovrek.com/salsa/ Abfrage vom 19.09.05) Weiter beschreibt sie, dass im Westen Kubas die
Musik europäisch beeinflusst sei und es Orchester-Strukturen gäbe, welchen Einfluss dies auf die
Kompositionsmethoden hat erläutert Lovrek nicht.
Eine moderne Betrachtung zu Kompositionsmethoden findet man auf der Seite der „GIMIK: Initiative
Musik und Informatik Köln e.V.“ Diese Vereinigung möchte „die Entwicklung algorithmischer
Kompositionsmethoden“ (http://genterstr.hypermart.net/gimik.html Anfrage vom 19.09.05) fördern und
untersuchen. Eine also auf Computer gestützte Kompositionsmethode.
4
So werden im Internet Kompositionsmethoden thematisiert, eine
historische Betrachtung von Kompositionsmethoden im Bezug auf
die abendländische Musik konnte ich aber auch da nicht finden.
Um die eigene Kompositionsmethode einordnen zu können,
versuche ich dennoch an wenigen Angaben zur Komposition aus
zwei Epochen, Unterschiede zu zeigen. Ich interpretiere die
wenigen, vorhandenen Angaben im Kompendium „Die Musik in
Geschichte und Gegenwart“.
2.2.1 Neumennotation
Im westeuropäischen Raum kann man seit dem 9. Jahrhundert n.
Chr. von Kompositionen sprechen, denn durch die
Neumennotation1 wurden einstimmige, gregorianische Choräle
festgehalten (Abb.1). Diese älteste Form der Notation lässt aber
noch viel Interpretationsfreiheit zu. Die Choräle weisen zwar klare
Grundmerkmale auf, dennoch bleibt innerhalb dieser Grenzen ein
enormer Spielraum. Die gregorianischen Choräle gibt es bereits
seit dem 6. Jahrhundert. Sie wurden also erst nach der eigentlichen
Kompositionsleistung notiert. Der Komponist hatte sein fertiges
Werk den Sängern mündlich vermitteln müssen oder das Werk ist
während des gemeinsamen Singens entstanden. Ein Choral könnte
durch erstaunlich unterschiedliche Entstehungsmethoden
entstanden sein. Bezogen auf die bereits beschriebene mental
geprägte Kompositionsmethode, wäre die erstgenannte Art in
Betracht zu ziehen. Ein einzelner Komponist hat eine fertige
Melodie im Kopf, natürlich geprägt durch seine
Abb.1 : Ausschnitt aus der Lambacher Messe
(Neumen über dem Text)
(http://de.wikipedia.org/wiki/Notation_(Musik)
Anfrage 30.09.05)
geistesgeschichtliche, politische und gesellschaftliche Situation.
Die andere Methode wäre improvisatorisch und akustisch dominiert.
2.2.2 Kompositionsstudium bei Mozart und Brahms
Es gibt nur wenige authentische Zeugnisse über Kompositionsstudien bei grossen Meistern. „Die Musik in
Geschichte und Gegenwart“ erwähnt zwei solche Beispiele.
Th. Attwoods hatte nach seinem Kompositionsstudium in Neapel die Möglichkeit 1785 bei Mozart zu
studieren. Mozart liess ihn das, zu dieser Zeit dominierende, Kontrapunktstudium absolvieren. Später durfte
er Menuette, Rondos und weitere Stück schreiben. Mozart korrigierte das Verfasste und durch genaue
Vorgaben und die Korrekturen waren die Werke nahe denen des Meisters.
1
Neumen bezeichnen die aus Strichen und Punkten bestehenden ältesten Notenzeichen des Mittelalters. Sie
entwickelten sich aus Handbewegungen (Neume: griech. νεύµα, Wink), des Dirigenten. Sie machen keine Aussage zur
Tönhöhe, sondern geben lediglich Auskunft darüber ob aufwärts oder abwärts gesungen wird.
5
Über den Prozess des Komponierens und Zusammenstellens von Melodien wird nicht berichtet. Es hat
epochal bedingte Vorgaben wie die Kontrapunkte gegeben, an welchen sich der Autor orientierte. Ob
Attwoods die Menuette, wie es im Film „Amadeus“2 über Mozart gezeigt wird, schon im Kopf fertig
erstellte und hörte oder ob das praktische Ausprobieren ein Teil des Entstehungsprozesses war, bleibt offen.
Im Gegensatz zur Zeit der gregorianischen Choräle, hatte Attwoods die Möglichkeit seine Werke mit einer
bereits weit entwickelten Notation niederzuschreiben.
Weiterer Literatur konnte ich entnehmen, dass sich Mozart nicht auf die Notation seiner Werk versteifte,
sondern es wagt nur mit einer Skizze seines Klavierpart vor dem Kaiser Josef II zu spielen und seiner
Kreativität freien Lauf zu lassen.3 Dieser Bericht stellt bei präzisem Betrachten in Frage, ob hier von einer
Komposition gesprochen werden kann. Er zeigt aber auf, dass auch in der Klassik vor Publikum
improvisiert worden ist.
Gustav Jenner absolvierte 1903 bei Brahms ein Kompositionsstudium. Überliefert wurde von dieser
Ausbildung vor allem Brahms harsche mündliche Kritik. Er empfahl Jenner schliesslich Werke von „Mozart
oder Beethoven „nachzukomponieren“, um ein sicheres Gefühl für die Einheitlichkeit des
Modulationsverlauf zu erlangen. „Geht Beethoven von C-Dur nach E-Dur, so thun Sie desgleichen; so habe
ich es früher auch gemacht“.“ (Finscher 1996, S.534). Obwohl hier detailliert über den Prozess gesprochen
wird, geht lediglich daraus hervor, dass man nach Modellen suchte und diese versuchte zu kopieren. Ob man
sich die Werke anhörte und nach den Konzerten selber zu schreiben begann oder ob sogar das notierte Werk
als Hilfe genommen wurde, kann den Beschreibungen nicht entnommen werden. Festzustellen ist, dass man
wiederum klare, musikalische Gesetzte oder gar ein Modell als Vorlage hatte und diese weiterzuentwickeln
versuchte. Welche Rolle das Ausprobieren oder das akustische Hören spielte, ist nicht vermittelt.
3 Komponieren, ein kreativer Prozess
Komponieren ist wie alle Kreativität etwas Mystisches, Unerklärbares. Zwar hat die Komposition zur
Bedingung, dass sie fixiert wird, dennoch ist der Entstehungsprozess, die Inspiration für die musikalischen
Gedanken nicht dingfest zu machen.
Man hat Ende 20. Jahrhundert versucht, durch die so genannte Kreativitätspsychologie kreative Prozesse zu
analysieren. S. Preiser beispielsweise entwickelte 1976 ein „Modell zum Prozess kreativer Problemlösung
im Person-Umwelt-Bezug“ (Finscher 1996, S.546). Dieses Modell ermöglicht das Systematisieren und
Interpretieren von „Komponistenaussagen über musikalische Inspiration und deren Verifikation in
Abhängigkeit von persönlichen und zeitbedingten Variablen“ (Finscher 1996, S.545).
Anfangs des 20. Jahrhundert war die Idee vorherrschend, Komponieren sei ein „Geniestreich“, dennoch gibt
es Theorien, welche das „`Komponistengenie` auf den Boden der Realität“ (Finscher 1996, S.546) stellten.
2
3
Historiendrama, USA 1984; Regie: Milos Forman; Drehbuch: Peter Shaffer
„ Es heißt, dass Mozart bei der Uraufführung der Sonate KV 454 mit der aus Mantua stammenden Geigerin Regina
Strinasacchi sein eigener Klavierpart nur als Skizze vorlag, er ihn jedoch nichtsdestotrotz mit spontaner Kreativität
füllte. Zudem war Kaiser Josef II bei der Aufführung anwesend, was ebenfalls reichlich zu Mozarts Selbstsicherheit
beitrug.“ (http://www.gotomidori.com/german/musicnote-200302/musicnote-26mozart.html Anfrage vom 27.09.05)
6
Beide Pole werden im Folgenden kurz vorgestellt, gestützt auf das Kompendium „ Die Musik in Geschichte
und Gegenwart“.
3.1 Psychologische Aspekte und der „geniale Augenblick“
Der innerste, kreativste Prozess des Komponierens ist der Wissenschaft nach wie vor unzugänglich. Ende
des 19. Jahrhundert begannen sich Wissenschaftler mit den verborgenen Teilaspekten des Komponierens zu
beschäftigen. F. von Hauseggers Theorie sagt 1897: „Der „geniale Augenblick“, dem ein Kunstwerk
entspringt, sei „natürlicher Ausdruck“ von starken Persönlichkeiten, die sich der „Geheimnissen in tiefer
Werkstätten des Lebens“ bedienen.“ (Finscher 1996, S.544) Auch nach Richard Wagner ist es der Künstler,
welcher das Unbewusste und das Seelenleben kennt und es in Musik transformiert und dadurch zum
Komponisten wird. Die Kompetenz ist an die Persönlichkeit gebunden und führt zur Gleichschaltung von
Genie und Krankheitsfall, als Quelle der Inspiration „…der Wahnsinn zum Preis genialer Schöpfungen“
(Zitierte in Finscher 1996, S.544).
1920 entwickelte G. Wallas die „Vier-Phasen-Theorie“ (Finscher 1996, S.544) zum Ablaufs eines kreativen
Prozesses. Folgende Phasen werden unterschieden: „1. Vorbereitung (Problem-/Aufgabenstellung), 2.
Inkubation (Auseinandersetzung mit der Aufgabe im Vor- und Unbewussen), 3. Illumination (Einfall) und 4.
Verifikation (Verwirklichung in Bezug zur konkreten Produktionssituation).“ (Finscher 1996, S.544)
Transferiert auf den Kompositionsprozess verstehe ich die Phasen wie folgt: 1. Zweck des Werkes/
Auftragswerk, 2. Erste Eingaben und Sammeln von Ideen, 3. Musikalische Gedanken konkretisieren,
präzisieren, weiterverarbeiten, 4. Festhalten des Werkes, Arrangieren: Komposition.
In den neunzehndreissiger Jahren führte J. Bahle Untersuchungen zu den Prozessen beim Komponieren
durch. Er liess dazu Komponisten ein Gedicht vertonen und sie mussten nach bestimmten Kriterien einen
Fragebogen zum Kompositionsvorgang und ihren musikalischen Einfällen ausfüllen. Danach war es Bahle
möglich über musikalische Gedanken, „Entstehungsbedingte musikalische Einfälle“ (Finscher 1996, S.545)
und Rationalität beim Komponieren Aussagen zu treffen. Daraus entwickelte er das „Inspirationsgesetz“.
Diesem Gesetzt wird aber nicht viel Aussagekraft zugesprochen. Bahn habe sich einerseits nur mit den
Kompositionsprozessen des 18. und 19. Jahrhundert befasst, anderseits wird in Frage gestellt, ob die
Introspektion, die richtige Methode für die Untersuchung von kreativen Prozessen sei. Dazu wird Hausegger
zitiert, welcher 1903 diese Problematik, Introspektion bei Künstlern, wie folgt beschrieb: „Wer bürgt dafür,
dass der Künstler, der ja seinem Beruf gemäss in Einbildung lebt und webt, sich nun, wo es sich um
Mitteilungen über seine Erlebnisse und Erfahrungen handelt, nicht auch von Einbildung täuschen
lässt?“(1903, S.419 nach Finscher 1996, S.545)
Aus meiner Sicht liegt die Problematik dieser Untersuchung auch darin, dass die Eingaben, die
musikalischen Gedanken von Emotionen mit beeinflusst sind. Das Emotionale objektiv analysierbar zu
machen scheint mir bereits ein Ding der Unmöglichkeit. Emotionen bezeichne ich als sehr subjektiv und nur
schematisch verbalisierbar.
Es entwickelten sich speziell zwei Theorien, welche das Komponieren als rein für „Genies“ vorbehaltene
Kompetenz entthronen und versuchen, den Kompositionsprozess zu analysieren.
1. Das Kommunikationstheoretische Modell; es besagt, dass kompositorische Vorgänge sich in einem
Bedingungssystem gesellschaftlich vermittelter Faktoren abspielt. Die Komposition ist also zwangsläufig in
7
dieses Bedingungssystem einbezogen. Komposition wird so zum Teil einer kommunikativen Handlung.
Nach M. Bense ist eine „generative“ Sphäre die Voraussetzung für die Entstehung von Musik, welche durch
die musikalischen Strukturen konkretisiert wird, und diese sind die Grundlagen der musikbezogenen
„Wirkungssphäre“. Dem zu Folge ist die kompositorische Kompetenz in dem hier beschriebenen Modell;
„…die Fähigkeit, Musik und soziokulturelles Umfeld in einen als sinnvoll erkannten, auf Akzeptanz
stossenden Zusammenhang zu bringen.“ (Finscher 1996, S.543)
2. Das Handlungsbezogene Modell; es stellt ein weiteres Erklärungsmodell des Kompositionsprozesses dar.
R. Grossmann hat die Theorie über das Komponieren als „gesellschaftliches Handlungssystem“ präzisiert.
Er hält fest, dass ein Komponist als Erzeuger „musikalischer Kommunikation“ über eine Fülle von
Voraussetzungen mit persönlichen und allgemeinen Bedingungen verfügt. „In Abhängigkeit von einer
bestimmten Produktionssituation (z.B. Arbeitsplatz, Zeitdruck) entwickelt er Produktionsstrategien
(Handlungsplan, Arbeitstechniken), deren Resultat das Werk ist“ (Finscher 1996, S.544). Durch das Spielen
bzw. Vermitteln wird das Produkt „Gegenstand von Rezeption und Bewertung“ (Finscher 1996, S.544), dies
kann so weit gehen, dass der Rezipient zum Komponisten wird, wie bei J. Cages 4´33“.
Diese Theorien sprechen dem Komponisten nicht seine Begabung ab und machen auch keine Aussagen über
das benötigte Vorwissen. Sie sind aus meiner Sicht lediglich ein Versuch, die Eingabe zur Melodie, welche
die Komposition in ihrer Einzigartigkeit ausmacht, in einen Zusammenhang mit der Umwelt und dem
Individuum zu bringen. Von einem kausalen Zusammenhang von Individuum, Umwelt und Melodie kann
und soll, so denke ich, nicht die Rede sein.
4 Neue Formen des Komponierens
Im zweiten Kapitel, mache ich Aussagen zum „klassischen“ Kompositionsprozess, welcher im
Wesentlichen im Kopf stattfindet und auf dem Papier festgehalten wird. Komponieren hier Synonym für das
Setzen und Zusammenfügen von Klängen und Tönen zu einer in sich geschlossenen Form, ist eng gebunden
an die abendländische Musik. Jazz hingegen, ein weitaus jüngerer Musikstil, hat seine Ursprünge in der
Improvisation, welche der definierten Komposition gegenübergestellt werden kann. Improvisation, in
welcher die spontane musikalische Erfindung und die klangliche Realisierung zusammenfallen, und die
Komposition, welche klar strukturiert und festhält, sind gerade in den letzten Jahren näher
zusammengerückt. Bereits die unter 2.1 beschriebenen Veränderungen in der Definition der Komposition,
zeigt den Wandel auf vom mentalen zum praktischen Komponieren. Im Extramfall kann durch die neue
Technik Improvisation fixiert werden und so zur Kompositionsgrundlage werden.
Musiker und Komponisten neuer Musikrichtungen suchten neue Kompositionsformen, neue Methoden.
Immer mehr verläuft dieser kreative Prozess weitgehend durch das Ausprobieren von Klängen und
Klangfolgen, wie das bereits beim kubanischen Salsa in 2.2 beschrieben wird.
Die amerikanische Souldiva Alicia Keys beschreibt ihre ersten Kompositionsversuche wie folgt: „Als ich
dann älter wurde, kam ich auf die Idee, zur Untermalung der Texte ein wenig auf dem Klavier zu spielen.
Und das klappte sehr gut.“ (http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/24/0,1872,1004312,00.html Anfrage vom
12.09.05). Die Sängerin und „Songwriter“ Heather Nova trägt jeweils ein Diktiergerät mit sich, um spontane
8
Melodieeinfälle festzuhalten. Diese Form der „improvisierten Komposition“ widme ich mich im folgenden
Abschnitt.
4.1
„Instant composing“
„Instant composing“, „Im Moment Komponieren“, beschreibt der Jazzmusiker Frank Gratkowski4 als einen
„…Prozess des Komponierens, nur eben einer, der direkt im Augenblick geschieht.“
(http://www.einseitig.info/html/content.php?txtid=311 Anfrage am 03.09.05). Harry Pepl ein
österreichischer Jazzmusiker und Komponist sagt, dass das Prinzip des „real-time composing“ oder eben
„instant composing“ darin bestehe „…, dass der Komponist, ohne von reflexiven Methoden geleitet zu sein,
(instrumental) aufzeichnet, was sich im Moment des schöpferischen Vorgangs in seinem musikalischen
Bewusstsein befindet - sich „abspielt“ “(http://alt.mica.at/person/person_detail.asp?clr=5&iID=69084
Anfrage am 03.09.05).
Das „instant composing“ ist ein neuer Begriff. Dennoch nehme ich an, dass Jazz-Kompositionen im
Wesentlich darauf beruhen. In der Gegenwart sind Jazz-Kompositionen und „instant composing“ klar
verbunden. „Googelt“ man „instant composing“ sind von 615 Einträgen die Hälfte der ersten zehn
Erscheinungen direkt verbunden mit Jazzmusik. Auch sind die von mir gefundenen Interviews mit Musiker,
welche „instant composing“ machen und diesen Begriff verwenden, vor allem Jazzmusiker.
4.1.1 Improvisierte Komposition?
Schwierig zu differenzieren ist, wie sich „instant composing“ von „normaler“ Improvisation unterscheidet.
Harry Pepl sagt: „Mein Anliegen ist, eine Synthese zu leisten zwischen dem Besonderen, der subjektiven
Freiheit - der Zeitlichkeit - und dem Allgemeinen, der objektiven Gesetzmäßigkeit des gelungenen
Kunstwerkes - der Überzeitlichkeit. Wesentlich für das Gelingen der Synthese aus Zeitlichem und
Überzeitlichem ist nur der erfüllte Augenblick: Ein Augenblick wird ihm umso erfüllter - und damit umso
unwiederbringbarer -, je mehr er etwas schafft, das in Dauer bestehen kann.“
(http://alt.mica.at/person/person_detail.asp?clr=5&iID=69084 Anfrage vom 03.09.05)
Pepl zeigt hier die Widersprüchlichkeit auf, wenn Improvisation zur Komposition wird. Er unterstreicht
aber, dass es bei dieser Form genau das braucht, nämlich dass sich die Musik im Augenblick
(Improvisation) und die danach fixierte Musik (Komposition) qualitativ verstärken. Eine Komposition ist
gut, wenn sie aus einem subjektiven Moment entsteht und der musikalische Augenblick wird wertvoll, wenn
er als objektives Werk auf Dauer bestehen kann. Der Kompositionsprozess ist hier das Musizieren selbst.
Spinnt man diese Idee weiter, wird bewusst, dass vermutlich vor der Notenschrift so musiziert worden ist.
Laut Definition kann zwar so nicht von Komposition gesprochen werden. Gehe ich hier aber mal davon aus,
dass die in 2.2.1 erwähnten gregorianische Choräle durch das gemeinsame Singen entstanden sind, kann
man hier auch schon von „instant composing“ sprechen. Somit kann vertreten werden, dass diese
Kompositionsform als die älteste gelten kann und dass die Komposition in Zusammenhang mit der
4
Frank Gratkowski geboren 1963 in Hamburg spiel Altsaxophon, Klarinette, Bassklarinette, Kontrabaßklarinette und
ist Komponist. Er ist Mitgründer des James Choice Orchesters.
9
schriftlichen Notation erst später in der abendländischen Musikgeschichte auftauchte. Auch Damo Suki5
sagt über sein „instant composing“: „So, how I make sound is just as it was in the stone age. Europeans
began to set music to notes- a found system. And developed this to make music as product. I don't need this
kind of system.“ (http://www.knittingfactory.com/articles/damo_s.cfm Anfrage am 03.03.09)
4.1.2 Simons „Instant composing“
Weder Harry Pepl, noch Frank Gratkowski, machen in ihren Interviews Angaben dazu, auf welcher Basis,
mit welchen Abmachungen sie in ihrer Gruppe improvisieren oder eben „im Moment komponieren“. Ich
gehe hier davon aus, dass Harmonien abgesprochen werden und so die Basis Akkordfolgen sind. Je mehr
Musiker, je schwieriger wird das gemeinsame Improvisieren oder Komponieren. Die wohl einfachste Form
des „instant composing“ ist, wenn es nur ein Akkordinstrument gibt und dazu einen Sänger oder eine
Sängerin.
Simon Baumann6 schreibt seit vielen Jahren seine eigenen Songs. Wenn er alleine komponiert, beginnt er
mit einer Akkordkette. Er erprobt auf der Gitarre immer wieder neue Akkorde und kombiniert diese anders.
Hat er eine für ihn gut klingende Akkordfolge gefunden, ist der nächste Schritt das rhythmische Schlagen.
Die Schlagart prägt schliesslich auch den Stil des entstehenden Songs. Es werden Rhythmen ausprobiert,
dazu versucht er bereits eine Melodie zu singen. Der Text ist jetzt noch sekundär. Er begnügt sich in dieser
Phase mit dem Singen von Vokalen oder einzelnen englischen Ausdrücken. Langsam findet sich so ein
Schlagrhythmus und es entstehen Melodiefetzen. Simon „pröbelt“ jeweils weiter, bis er eine Melodie
gefunden hat, die ihm gefällt. Der erste so entstandene Teil eines Songs ist meist der Refrain. Simon erzählt,
dass er manchmal Monate lang einfach eine Refrain- Melodie immer wieder spielt und langsam einen Text
dazu schreibt. Einige Zeit später durchläuft er denselben Prozess und so entstehen die Strophen. Er
komponiere in Schüben, sagt Simon von sich. Manchmal habe er auch eine Blitzidee für einen Text,
verfasse diesen und suche Akkordkette und Singstimme passend zum Text.
Simon spielt auch in einer Heavy Metal Band, welche ihre Songs selber komponieren. Der
Komponierprozess sei in einer Gruppe komplexer, meint Simon, dennoch verlaufen die Teilschritte ähnlich.
Meist kommt einer der beiden Gitarristen mit einem von ihm zusammengestelltem Riff, wie es Simon nennt.
Es wird vorgespielt und kritisiert, gefällt es den anderen Bandmitglieder, werden die Akkorde transparent
gemacht und Schlagzeuger, Bassist und der besagte Gitarrist versuchen das Riff bzw. Akkordfolge
zusammenzuspielen. Jeder der Instrumentalisten hält sich zwar an das Grundschema, hat aber gewisse
Improvisationsfreiheiten. Der Schlagzeuger übernimmt hier die Führung in dem er Beginn, Übergänge und
Schluss markiert. Der Riff wird so noch ein paar Mal durchgespielt, bis sie den Vorstellungen der
Bandmitglieder entspricht. Dies ist jedoch erst ein Teil eines Songs. Ist aber mal ein Riff „im Kasten“
entstehen durch kleine Abänderungen die weiteren Riffs und so setzt sich das Puzzle langsam zusammen.
Immer wieder werden diese einzelnen Teile gespielt Neues ausprobiert, Übergänge entworfen und das Best-
5
Damo Suzuki geboren 16. Januar 1950, Japan, ist der Sänger der Krautrockgruppe Can.
Er wurde von den Can-Mitgliedern Holger Czukay und Jaki Liebezeit in München als Straßenmusikant entdeckt und
sofort engagiert.
6
Simon Baumann ist Student des SF Musik an der PH Aargau.
10
Klingende behält man. Simons Band hat die nötige Technik in ihrem Übungsraum, um die neu entstandenen
Songs aufzunehmen, diese wird auch manchmal gemacht. Es kommt aber auch oft vor, dass jedes Mitglied
sich kurz etwas notiert zu der Abfolge und zu den einzelnen Riffs. Simon betont aber, dass diese
persönlichen Notizen weder interpretierbar noch reproduzierbar für andere seien.
Obwohl Simon diesen Begriff nicht kennen, ist seine praktizierte Kompositionsmethode klar „instant
composing“. Um nicht unpräzis zu werden, muss ich hier betonen, dass erst von Komposition gesprochen
werden darf, wenn die Songs aufgenommen worden sind. Notieren sich die Bandmitglieder in eigener Art
den Ablauf und die Spielart ist dies, wie Simon sagt, nicht reproduzierbar und kann als solche nicht
Komposition genannt werden.
Das Produkt des Alleinigen- Komponierens von Simon, kann ebenfalls erst als Komposition und so mit als
Produkt von „instant composing“ betitelt werden, wenn er die Lieder aufgezeichnet hat. Simon notiert zwar
zu seinen eigenen Liedern jeweils die Akkordfolgen und den Text, die Melodiestimme ist aber nur in seinem
Kopf memorisiert. Dem zur Folge für andere nicht reproduzierbar, also keine Komposition.
5 Meine Komposition
Im praktischen Teil meiner Arbeit möchte ich nun einen von mir durchgeführten Kompositionsprozess
dokumentieren. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, wenn ich mit einer Gruppe komponieren
würde, auch würde eine Dokumentation über das Schaffen eines fertig arrangierten Werkes einen zu grossen
Aufwand bedeuten. Ich beschränke so meinen dokumentierten Teil auf das komponieren einer Singstimme.
5.1 Vorarbeit
Das Komponieren enthält in sich viele, sehr schwer zu beschreibende, komplexe Prozesse, auf welche ich
im dritten Kapitel bereits verwiesen habe. Ideen, Inspirationen sind vielseitig beeinflusst und rational nicht
immer zu erfassen und darzustellen.
Um die Ausgangslage zu klären kann ich festhalten:
Ich habe einen englischen Songtext verfasst, der aus drei Strophen und einem leicht variablen Refrain
besteht. Ich werde es mir erlauben, diesen Text falls nötigt unbegründet und nur knapp dokumentiert zu
verändern. Des Weiteren habe ich im Vorfeld zwei Akkordfolgen erstellt: eine Akkordfolge für den Refrain
und eine weiter für die Strophen.
Diese Struktur ist bewusst so gewählt, dass sie einer einfachen Form des „instant composing“ entspricht.
Wie ich unter 4.1.1 beschreibe, muss ich davon ausgehen, dass auch Harry Pepl und Frank Gratkowski auf
der Basis von Akkorden mit anderen Musikern „im Moment komponieren“. So sind auch für meine
Melodie-Komposition Harmonien die Grundlage. Die Akkordfolgen werden während des
Kompositionsprozesses der Melodie nicht verändert.
Um die Akkordketten möglichst einfach zu machen, entschied ich mich für ein aus vier Akkorden
bestehendes Ostinato in der für meine Stimme geeigneten Tonart F-Dur.
So enthalten die Strophen das Ostinato mit den Akkorden: F Gm B C.
Um die beiden Teile des Liedes ähnlich zu machen, überschneiden sich die Akkorde des Ostinatos für den
Refrain mit dem Strophen-Ostinato. Die Akkorde des Ostinato für den Refrain lauten: F B Dm C.
11
5.2 Prozessverlauf
Um eine harmonische Basis durch die Akkorde zu haben, spielte ich die Dreiklänge jeweils als ganze Noten
in Midi-Format ein, nach jedem Takt ein neuer Akkord also. Um die vorhandene Technik etwas zu nutzen,
spielte ich den Bass mit halben Noten auch noch dazu ein. So erhielt ich eine minimal Instrumentalisierung
auf der Basis von Akkorden.
Für zwei kennzeichnende Merkmale der Strophenmelodie habe ich mich vor dem ersten Einsingen bereits
entschieden: Die Melodie muss erstens leicht melancholisch und zweitens erzählend sein. Der erste Aspekt
resultiert daraus, wie mich die Akkordkette emotional angesprochen hat in Verbindung mit dem Text. Das
zweite ist gegeben durch meine Vorstellung, dass die Strophen den Inhalt vermitteln müssen und der Refrain
diesen dann betonen soll.
Diese Charakterisierung der beiden Teile bringt klare Bedingungen mit sich, welche mir helfen das Lied zu
strukturieren und die einzelnen Teile zu differenzieren.
5.2.1 Die erste Strophe
Die Strophe muss erzählend sein, also sollte es kleine Intervalle in der Singstimme haben.
Zu Beginn probiere ich sehr frei gerade mit dem Text zu improvisieren und verschiedene Tonlagen
auszuprobieren um die Akkordkette besser im Gehör zu haben.
Hörbeispiel 1 & 2
Nebenbei kann ich so gleich etwas mit dem Text arbeiten, erhalte erste Ideen für mögliche Melodien und
kann die Aufnahmetechnik ausprobieren. Die ersten Beispiele sind fälschlicherweise mit der Funktion
„stereo“ aufgenommen. Dies korrigiere ich anschliessend.
Ich versuche nun die ersten erhaltenen Inspirationen
umzusetzen im Bewusstsein der zu vor bestimmten
Kriterien.
Hörbeispiel 3
Die Bedingungen werden in diesem Versuch nicht
vollständig erfüllt. Es gibt für mein Empfinden zu starke
Schwankungen in der Melodie.
Der Anfang ist gut, erste die Silben „near east“ sind
unregelmässig gesungen mit einem leichten Trillern,
1. Strophe
I just heard in the news, they built a wall in
the near-east.
Just like years ago the Chinese.
To demonstrate power and to keep the
enemies out.
But I believe in no one who saies that this
wall has anything in common, with the one
I’m sitting on.
A wall is never just for sitting on.
welches mir nicht gefällt. Auch die Wort „just-like–yearsago“ sind mit diesem Auf und Ab in der Melodie zu unregelmässige und wirken so künstlich. Im Gegensatz
dazu gefällt mir die Vertonung der Wiederholung und von „the Chinese“. Zusätzlich stören mich die
Intervalle bei den Worten „demonstrate“ und „power“. Die Bedeutung der Worte fordert zwar eine
Betonung, dennoch sind die Intervalle zu gross und dynamisch zu stark hervorgehoben.
Die Melodie zum Satz „But I believe in no one who…“ gefällt mir so noch gar nicht. Ich möchte klar dieses
„But“ betonen, aber noch ist dieser Teil der Strophe unbefriedigend. Auch die Verdoppelung und die
Dynamik im letzten Satz sind zu stark und gehören eher an das Ende eines Liedes und sollten nicht Teil der
ersten Strophe sein.
Unter Berücksichtigung dieser beschriebenen Kriterien, versuche ich erneut diese Strophe zu singen.
Hörbeispiel 4
12
Diese Version gefällt mir zu Beginn gut, bis zu den Worten „just like years ago“ und „the Chinese“. Hier
macht die Melodie wieder diese Auf und Ab Bewegung, welche unnatürlich wirkt. Zu dem fehlt mir nun die
Wiederholung, welche eigentlich gut klang im Hörbeispiel 3. Die Melodie von „to demonstrate power and
to keep the enemies out“ gefällt mir dieses Mal viel besser. Allerdings sind die Betonungen schlecht. Der
Akzent sollte auf „demonstrate“ sein, nicht auf dem „to“. Die Vertonung von„ keep the enemies out“ ist gut.
Der Rest der Strophe ist melodisch und rhythmisch schlecht, auch sind die Worte abgehackt gesungen.
Einzig die Schlussmelodie des „a wall is never just for sitting on“ mit dieser Aufwärtsbewegung zu Beginn
des Satzes gefällt mir. Die Intervalle sind aber noch nicht optimal.
Aufzählend zusammengefasst:
•
der Beginn wie in der zweiten Version
•
„just like years ago“ wird wiederholt und ein ähnlich Melodie wie in der ersten Version
•
„the Chinese“ gleich wie in der ersten Version
•
„to demonstrate power and to keep enemies out“ sollten die Betonungen anders sein, aber sonst wie in
der zweiten Version
•
das „But“ soll betont sein, ansonsten eine neue Melodie
•
„a wall“ verbinden mit einer Aufwärtsbewegung in der Melodie
Ich versuche also auf diese Punkte zu achten.
Hörbeispiel 5
Diese Version gefällt mir nun schon gut. Das lang gezogenes „li-ike“ und das Intervall auf „power“ finde
ich noch nicht schön. Sehr gut finde ich die Vertonung von „But I believe in no one who saies that this wall
has anything in common with the one I’m sitting on.“. Der Text des letzten Satzes stimmt zwar nicht, die
Melodie ist aber wieder schön.
Ich versuche die Strophe erneut zu verbessern.
Hörbeispiel 6
Diese Version ist mir überhaupt nicht gelungen. Das lang gezogene „like“ ist zwar jetzt kurz, aber die
Melodie habe ich verschlechtert. Das „power“ ist etwas besser. Ansonsten ist der erste Teil schlechter, der
zweite Teil mit „But I believe…” ist in Ordnung.
Bevor ich die Strophe gleich noch Mal einsinge, höre ich aber zuvor noch das Hörbeispiel 5 um die richtige
Melodie des ersten Teils im Gehör zu haben. Als nächstes nehme ich die Instrumentalisierung mit einem
Mikrophon auf. So kann ich eine Wave-Datei der Instrumentalisierung erstellen. Diese führt nicht zu einer
optimalen Soundqualität. Singe ich aber nun erneut die erste Strophe eine nehme ich die
Instrumentalisierung gleich dazu, für eine Rohversion taugt diese sehr wohl.
Hörbeispiel 7
Diese Melodie ist gut gelungen. Das „like“ ist nicht mehr so lange ausgehalten. Die Dynamik meiner
Stimme überzeugt mich noch nicht, noch oft mache ich zu starke Lautstärkeunterschiede. Im Besonderen
hört man dies bei „demonstrate“. Um eine bessere Singtechnik werde ich mich aber erst später bemühen.
Betrachtet man nun die Notation des Beginns der ersten Strophe (Abb. 2), sieht man sehr gut, dass die zuvor
genannten Aspekte so weit eingehalten werden
13
Beginn der 1. Strophe
Abb. 2
Die Melodie verläuft mit kleinen Intervallen und ist so „erzählend“
5.2.2 Refrain
Als ich versuche eine Melodie für den Refrain zu machen, habe ich vor allem Mühe mit dem Text. Ich
möchte, dass der Refrain wenig Text hat, aber dennoch zentrale Aussagen machte. Die Melodie sollte zu
dem eingängig sein, dem zur Folge „einfach“. Ich improvisiere mit verschiedenen Texten
Hörbeispiel 8
bis 12. Während diesem Prozess reduziere ich immer mehr den Text bis er nur noch aus einem Haupt- und
einem Nebensatz besteht, den man in zwei möglichen Variationen singen kann. Mit diesem Text probiere
ich nun erneut zu improvisieren
Hörbeispiel 13. Der Anfang dieser Melodie gefällt mir sehr gut, jedoch
sind immer noch zu viele verschiedene musikalische Motive vorhanden. Ich habe mich zu wenig nun auf
den Text konzentriert, so dass ich etwas anderes sang. Noch immer ist die
Lyrik des Refrains zu lange. Ich formuliere den Satz um und versuchte
mich an der Anfangsmelodie des Hörbeispiels 13 zu orientieren.
Hörbeispiel 14 Diese Variante überzeugt mich, zusammen mit dem
Klavier klingt es nun so:
Hörbeispiel 15
Text:
1. Refrain:
//I have to say, I have to
say, walls
are made to separate.
I have to say://
Betrachtet man die Notation (Abb.3) sieht man den Unterschied zur
Beginn des Refrains
Abb. 3
Erzählmelodie der Strophen (Abb. 2). Die Melodie des Refrains bewegt sich in einem grösseren
Tonspektrum und enthält grössere Intervalle.
Um noch klarere Aussagen in dem Refrains zu machen, entscheide ich mich dafür in den drei Refrains auch
verschiedene Texte zu verwenden (Abb. 5).
5.2.3 Melodie Unterschiede in den Strophen
Die einfachste Liederform besteht aus einem Refrain und einigen Strophen, welche dieselbe Melodie haben.
Wenn ich meine Konzentration darauf legen möchte, dass die Strophen meiner Komposition alle die gleiche
Melodie haben, würde das sehr viel Zeit beanspruchen um zu einer identische Vertonung der Strophen zu
gelangen. Der Text müsste je aus gleich vielen Silben bestehen und gleiche Betonungen haben. In dieser
Arbeit geht es mir aber darum die Melodie zu komponieren und nicht primär ums Texten. Ich habe
14
entschlossen, mich mit „ähnlichen“ Melodien in den Strophen zu begnügen und in der Dokumentation die
Entstehung der ersten Strophe detailliert zu zeigen.
Die Audiospur der ersten Strophe lasse ich bei der Aufnahme von Strophe zwei und drei jeweils mitlaufen.
So kann ich diese Melodie als Richtlinie benutzten.
Ich probiere also verschiedene Vertonungsmöglichkeiten der zweiten Strophe aus.
Hörbeispiel 16 & 17
Die Stimmführung ist in beiden recht ähnlich, aber noch unsicher. Der Text ist um einige Takte kürzer, wie
der der ersten Strophe. Ich entscheide mich dazu an Stelle von mehr Text, einfach der letzte Satz der Strophe
hier zwei Mal zu singen. Mit dem zweiten Refrain und mit der Klavierstimme klingt das nun so:
Hörbeispiel 18
Bei diesem Tonbeispiel hört man, dass der Übergang von Strophe zu Refrain noch unkomponiert ist. Daran
werde ich aber zu einem späteren Zeitpunkt arbeiten. Die Melodie gefällt mir recht gut, ich halte noch oft
am Ende eines Satzes die Silben zu lange aus. Dies liegt aber auch, vor allem an meiner Unsicherheit, übe
ich die Melodie noch, werde ich darauf besser achten können.
Der Prozess für die Vertonung der dritten Strophe verläuft ähnlich. Ich probiere zuerst einige Melodien aus.
Hörbeispiel 19 & 20 Bei diesen Beispielen hört man sehr gut hinaus, wie künstlich es wirken kann,
wenn man irgendeinen Text zu einer bestehenden Melodie singen will. Besonders gut hört man dies an
einigen Sequenzen des Hörbeispiels 20.
Die Silben „bo-ox“, „tha-at“ und „bre-ak“ sind hier künstlich in die Länge gezogen:
Hörbeispiel 21
Ich probiere also erneut eine Vertonung zu machen, welche eine bessere Silbenverteilung hat, so dass die
Betonungen natürlicher wirken.
Hörbeispiel 22 Dieses Beispiel gefällt mir eigentlich, zum Teil sind aber
die Endsilben etwas lange
ausgehalten, was aber
leicht durch eine Pause
ersetzt werden kann.
Abb. 4
Mit dem Audio-Bearbeitungsprogramm lasse ich die langen Töne etwas früher ausklingen und so ist es
gleich etwas besser.
Hörbeispiel 23
Ich denke eine Verbesserung der Stimmführung erreiche ich erst, in dem ich die Melodie übe, so belasse ich
es bei diesem Versuch. In dieser Fassung ist der Text noch nicht korrektes Englisch, daran muss ich noch
arbeiten.
15
Das Hörbeispiel 22 zusammen mit dem dritten Refrain und dem Klavier klingt nun so:
Hörbeispiel 24
Die Melodien der einzelnen Strophen klingen unterschiedlich, betrachtet man die Notationen auf der
Abbildung 4, wird ersichtlich, dass
doch zu mindest die Anfangsmelodien
sehr ähnlich sind. Nur einzelne
Notenwerte sind unterschiedlich, was
bedingt ist durch die verschiedene
Silbenverteilung.
Die Rohversion des Liedes klingt nun
so:
Hörbeispiel 25
6 Arrangement
Wichtig für meine Arbeit ist klar der
Kompositionsprozess.
Um aber auch für mich ein
befriedigendes Produkt zu haben,
wollte ich das Lied noch arrangieren
und in einer guten Qualität aufnehmen.
Antonio Mele mein früherer Dozent
des Kurses „Computerbased
composing“ nahm sich netterweise
Zeit, mit mir zusammen das Lied zu
Lyrik
1. Strophe
I just heard in the news, they built a wall in the near-east.
Just like years ago the Chinese.
To demonstrate power and to keep the enemies out.
But I believe in no one who saies that this wall has anything in common,
with the one I’m sitting on.
A wall is never just for sitting on.
Refrain:
//I have to say, I have to say, walls
are made to separate.
I have to say://
2. Strophe
People build walls to be secure, they build a shelter but what do they fear?
Don’t they realize that they’re loosing freedom?
Security, imprisoning come hand in hand.
A wall is never just for one thing.
A wall is never just for one thing.
Refrain:
//I have to say, I have to say,
walls are made to secure.
I have to say://
3. Strophe
Woke up this morning, didn’t feel the sun on my skin,
‘cause the box that I’m in.
The walls surrounding me couldn’t break through.
Every wall I have to overcome
Even though I’m feeling so numb.
A wall should never let you resign.
Refrain:
//I have to say, I have to say,
walls are made to break.
I have to say://
arrangieren und aufzunehmen.
Abb. 5
In der Zusammenarbeit mit ihm wurde
klar, dass das Lied in dieser Form aus Einzelteilen besteht. Wie ich unter 5.2 erwähne gibt es noch keine
Übergänge von Strophe zu Refrain und von Refrain zur Strophe. Die jetzige Struktur des Liedes ist auf Abb.
5 und 6 ersichtlich.
Intro // F Gm B C://
Strophe: // F Gm B C:// 5mal
Übergang: / F Gm /
Refrain: // F B D C:// 4mal
Ablauf:
Intro / Strophe / Übergang / Refrain / Übergang / Strophe / Übergang / Refrain / Übergang / Strophe / Übergang
Abb.6
Das Problem stellen bei diesem Ablauf die Übergänge dar, diese sind als Übergänge akustisch nicht
erkennbar. Dies stellt vor allem beim Singen ein Problem dar, es ist mir so nicht möglich an der
Instrumentalisierung die Struktur zu erkennen. So muss ich aufs Takt-Zählen zurückgreifen, was in einem
solch einfachen Lied mir als unangebracht erscheint.
16
Die Liedteile unterscheiden sich zwar durch das Ostinato, die Melodie und den Text, aber sie werden nicht
eingeleitet.
Antonio hatte die Idee mit Bridges zu arbeiten. Für eine Bridge sehen wir zwei Möglichkeiten vor: 1. Man
fügt eine Akkordfolge ein, welche sich harmonisch als Übergang eignet; 2. Man verändert Bestehendes so,
dass es als Übergang musikalisch erkannt wird. Wir entschlossen uns von der Strophe zum Refrain die
zweite Methode zu verwenden und vom Refrain zur Strophe die erste.
Für die Bridge von Refrain zur Strophe hatte ich bereits zu vor eine Akkordfolge etwas ausprobiert, jedoch
bis anhin noch nicht verwendet: Bridge 2: /D B C C/
Für die Bridge 1 sieht Antonio folgende Möglichkeit vor: Das Ostinato der Strophe wird drei Mal gespielt.
Die letzten Zeilen der Strophe, werden zur Bridge mit den Akkorden:
/ BB FF BB C4C/. Diese Kombination des C-Quartakkords und C weisst musikalisch auf eine kommende
Veränderung hin.
Teil des Ablaufs
Intro
/
Strophe /
Bridge 1
/ Refrain
/Bridge 2
Akkorde: / F Gm B C/ /3x F Gm B C/ / BB FF BB C4 C/ /4x F B Dm C/ / D B CC/
Abb. 7
Da ich das Arrangieren und Aufnehmen als Zusatz sehe und nicht als Teil des dokumentierten
Kompositionsprozesses, war ich bereit das Lied nun mit dieser Änderung (Abb. 7) einzusingen.
Dies bringt mit sich, dass ich für den auf Abbildung fünf fett gedruckten Text eine etwas andere Musik
entwickeln muss. Auf der Abbildung sieben wird die neue Struktur erkennbar. Ich probiere also leicht
veränderte Melodien aus und singe diese ein, zusätzlich entwickle ich eine Zweitestimme. Dieser Prozess ist
improvisatorisch geprägt. Ich lasse ihn aber bewusst ausserhalb der Dokumentation.
Die neue Struktur, die neue Melodien und die zweite Stimme macht das Lied interessanter und es ist so
musikalisch strukturiert.
Hörbeispiel 26
7 Reflexion
Durch die klaren Vorgaben war mein kreativer Prozess zu Beginn etwas eingeschränkt. Ich wollte bewusst
an den Ostinatos festhalten, obwohl ich zu Beginn gerne andere Akkorde eingesetzt hätte. Diese
Einschränkung ist aber auch eine Vereinfachung, es band die Änderung immer an die Melodie und nie an
die Begleitung, was in anderen Kompositionsprozessen bei mir auch schon der Fall war.
Ich hatte bei der dokumentierten Komposition auch nicht den Anspruch, dass dieses Lied speziell werde.
Mein Kriterium war nicht die Raffinesse sondern eher die Einfachheit. Dies ermöglicht aus meiner Sicht
auch eine eindeutigere Analyse.
Erstaunt musste ich feststellen, dass ich wie die Musikwissenschaft auch am Produkt interessiert bin.
Obwohl ich mich in der Arbeit klar dem Prozess zuwende, war es für mich wichtig noch eine gute Fassung
meines Liedes aufzunehmen und sie den Prozessbeispielen beizulegen. Ich habe das Lied mit der Mithilfe
17
von Antonio arrangiert und aufgenommen. In der Zusammenarbeit mit Antonio Mele ist klar geworden, dass
ich trotz der Einfachheit das Lied noch zu wenig strukturiert habe. Ich war gerne bereit auf Antonios
Änderungsvorschläge einzugehen. Das macht deutlich, dass ein bestehendes Produkt wieder einen neuen
Prozess anlaufen lässt. Etwas Fertiggestelltes ist definiert und weckt damit neue Ansprüche und Emotionen,
verstärkt durch eine Aussensicht, durch einen weiteren Hörer.
Durch die Veränderungen konnte ich mein bisheriges Werk neu analysieren. Ich habe rückblickend
feststellen müssen, dass bereits vor der Veränderung der Strophenteile zur Bridge, dieser Teil des Verses
sich melodisch abgehoben hat vom anderen. Die Arbeit mit Antonio hat mir somit neben einer guten
Instrumentalisierung des Stückes auch zu einer neuen Erkenntnis verholfen. Ich erkannte, dass ich noch
nicht genügend über musiktheoretische Kenntnisse verfüge, um ein gut strukturiertes Lied zu verfassen.
Durch meine Unsicherheit im Bezug auf die Musiktheorie und mangels Hörerfahrung ist mein
Kompositionsprozess vermehrt geprägt vom Ausprobieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass mit einer
vertieften Schulung von Lehre und Gehör die ersten musikalischen Einfälle und Aufzeichnungen besser und
kriterientreuer wären. Meine Stimmführung im Speziellen wäre harmonisch sicherer.
Ich erlebte meine Komposition von Zeitdruck geprägt. Das ist ein Hinweis darauf, wie deutlich
Kontextmerkmale den kreativen Prozess mitsteuern und ihn an Raum und Zeit binden. Durch den Zeitdruck
ist meine kreative Quelle eine andere geworden. Um auf Simons Aussage zurückzukommen: Auch ich
komponiere gewöhnlich„in Schüben“ und lasse mich in einem Moment, von einer Stimmung inspirieren.
Dieses Suchen nach musikalischen Einfällen unter Zeitdruck würde ich als „forcierte Kreativität“
bezeichnen.
Die Arbeit mit dem Computer, das konstante Aufnehmen von Einfällen, empfand ich als äusserst produktiv.
Keine Idee kann so verloren gehen und es ist möglich Einfälle weiterzubearbeiten. Als ungewohnt erlebte
ich die Tatsache, dass ich nach dem Komponieren meine erstellte Melodie üben musste. Normalerweise
memorisiere ich die Melodie während des Kompositionsprozesses. Sie bleibt aber gerade dadurch, dass sie
sich noch nicht so tief eingeprägt hat, weiter wandelbar.
Die Methode des „instant composing“ hat durch ihren improvisatorischen Entstehungsprozess eigentlich
kaum noch einen Bezug zur Notenschrift. Sie wird fixiert durch eine Aufnahme und wird so zur
Komposition. Das spätere Notieren der Melodie widerspricht meines Erachtens dieser Methode. Ich behalte
mir als Komponistin die Freiheit vor, die Melodie frei zu interpretieren. Die Melodien sind in dieser Arbeit
aus diesem Grund bewusst nur zum Teil notiert. Zudem wäre eine vollständige Notation mit einem grossen
Zeitaufwand verbunden.
Im Bezug auf die Definition von „instant composing“ könnte ich sagen, dass durch das konstante
Verbessern und Verändern der Melodie die Komposition zwar nicht aus einem einzigen „instant“
entsprungen ist. Dennoch ist aber die Endkomposition in einem Augenblick entstanden und Produkt einer
musikalisch, kreativen Handlung.
Ich erlebte diese Methode zu komponieren als sehr innovativ. Sie ermöglicht ein fast schon objektives
Betrachten der Teilmelodien. Die Improvisationen sind festgehalten und können so optimiert werden.
Gerne würde ich auch zu einem späteren Zeitpunkt meine Kompositionen mit einem professionellen
Musiker besprechen. Bei Attwood und Jenner haben Brahms und Mozart diese Rolle übernommen. Es
18
scheint sich auch damals bewährt zu haben seine Kompositionen von einem Meister kritisieren zu lassen
und Modelle zu beachten um sich steigern und verbessern zu können.
8 Interpretation der Kompositionsmethoden
Betrachtet man den gesamten Kompositionsprozess, so basiert ein wesentlicher Teil auf einer mentalen,
nicht verbalisierbaren Ebene. Des Weiteren werden stets die Kenntnisse über die Musiklehre als Werkzeug
gebraucht und sind somit Grundlage jeder Kompositionsmethode. Der Kompositionsprozess beruht im
Wesentlichen auf der Verknüpfung von drei Komponenten: 1. ein geschultes Musikgehör; 2. die Kenntnisse
der Musiklehre; 3. die Eingebung aus einer unergründlichen Tiefen der musikalischen Erfahrung und des
eigenen Empfindens. Durch die Zusammensetzung dieser Komponenten wird das Komponieren erst
möglich. Alle drei Elemente habe ich in meinem eigenen Prozess als wirkungsvoll erleben können.
Das Vorgehen beim Komponieren besteht aus vielen Teilschritten in Form von Entscheidungen, welche
kaum einzufangen sind. Es scheint mir wichtig zu erkennen und selber zu erfahren, dass ein Teil des
Kompositionsprozesses nicht bewusstseinsfähig ist, nicht vermittelt werden kann. Das ermöglicht eine
Erklärung der Tatsache, dass über die Kompositionsprozesse wenig geschrieben worden ist oder
geschrieben wird.
Mozarts Kompositionsmethode beruhte im Wesentlichen auf einer nicht erklärbaren, eben genialen, Ebene.
Erst das Produkt schrieb er nieder und es wurde öffentlich analysierbar. Diese Methode ist verbunden mit
einer ausserordentlichen Begabung, welche das Komponieren als „Geniestreich“ bestätigte. Mozart wird
nicht umsonst als „Wunderkind“ bezeichnet und als Beispiel für Genialität.
Die Kompositionsmethode ist beim „instant composing“ transparenter. Sie ist praktisch orientiert und der
Entstehungsprozess hörbar, dennoch bleibt die Inspiration nicht nachvollziehbar. Das improvisierte
Musizieren setzt auch ein geschultes Musikgehör voraus, welches an das Wissen der Musiklehre gebunden
werden kann. Die Musiklehre kann überhaupt als theoretische Begründung von wohlklingender Musik
dienen. Mit den Regeln, den Gesetzen, dem Wissen der Musiklehre wird Harmonie erklärt und begrifflich
erfasst. Zu der Verbindung vom Komposition und Lehre sagt Finscher: Komposition umfasse „das
Gesamtgebiet des künstlerischen Schaffens und des bereits (historisch) Geschaffenen sowie die dazu
führende oder daraus resultierende `Lehre`“(Finscher 1996, S.506)
Ich habe selber auch keine Möglichkeiten zu erläutern, warum ich gerade diese Melodie über diese
Harmonien gesungen habe. Meinen Kompositionsprozess habe ich in jeder Phase festzuhalten versucht, um
ihn dokumentieren zu können. Die Vorstellungen, die ich zu oder von meinen Melodien hatte sind teil der
Dokumentation, der sprachlichen Darstellung. Durch das minutiöse Dokumentieren sind viele Teilprozesse
verbalisierbar geworden. Die Melodieänderungen konnte ich festhalten und der Entstehungsprozess der
Melodie wird weitgehend nachvollziehbar. Man kann Änderungen zeigen, interpretieren, aber der Anlass
und der Entscheid der Änderung sind weitgehend emotional bestimmt und entziehen sich einer rationalen
Begründung. Komponieren ist gebunden an persönlichen, vom Kontext mitgeprägten, musikalischen
Eingebungen und an ein Denken in Form von Musik und als solches schwer sprachlich erfassbar.
19
9 Nachwort
Ich musste mich im theoretischen Teil meiner Arbeit darum bemühen, mich lediglich auf die
Kompositionsmethoden zu konzentrieren und nicht immer in anderes, leichter zugängliches Wissen über
Kompositionen abzuschweifen.
Das Einordnen meiner eigenen Kompositionsmethode und das Beantworten der Frage, wie man komponiert
sind die Erkenntnisfragen, die den Theorieteil angeleitet haben. Ich habe hier verschiedene Vorstellungen
von Kompositionsprozessen gezeigt und sie historisch eingeordnet im Interesse des Verständnisses der
eigenen Kompositionsmethode.
Meine Komposition ist der Versuch Improvisation einzufangen und durch Weiterverarbeitung eine
Endkomposition entstehen zu lassen. Ich habe zeigen können, wie „musikalische Eingebungen“ durch eine
Mischung von emotionalen und rationalen Kriterien optimiert und zum gültigen musikalischen Produkt, zu
einer Komposition, zusammengefügt wird.
20
10 Bibliographie
10.1 Gedruckte Literatur
•
Dieter, G. Wörterbuch Musik. München 2000.
•
Eggebrecht, H.H. (Hrsg.). Meyer Taschenlexikon, Musik in 3 Bänden. Mannheim/Wien/Zürich 1984.
•
Finscher, L (Hrsg.). Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). Sachteil. Band 5. Stuttgart 1996.
•
Redaktion Schule und Lernen (Hrsg.). Schülerduden Musik. Mannheim 2000
10.2 Ungedruckte Literatur
•
•
Anonym. Gratkowski.http://www.gratkowski.com. Anfrage am 30.09.05
Bech de Careda,M. Die Geschichte des Gregorianischen Chorals
http://www.choral.de/frames/gregorianik/gregorianik_frame.htm. Anfrage am 26.09.05
•
Buhre, J. Heather Nova, Ich möchte, dass Musik mein Leben ist. http://www.planetinterview.de/interviews/pi.php?interview=nova-heather. Abfrage 12.09.05
•
Denhoff, M. Jazz und Komposition. http://www.denhoff.de/jazzkomposition.htm. Anfrage am 21.09.05
•
Friel, D. Damo Suzuki. http://www.knittingfactory.com/articles/damo_s.cfm. Anfrage am 03.09.05
•
Helmke, F.-M. Amadeus. http://www.filmszene.de/gold/amadeus.html. Anfrage am 30.09.05
•
Lovrek, E. Sals. http://www.evalovrek.com/salsa/ Abfrage vom 19.09.05
•
Manion, M. GIMIK: Initiative Musik und Informatik Köln. http://genterstr.hypermart.net/gimik.html
Anfrage vom 19.09.05
•
Misori. Texte zur Musik –Mozart. http://www.gotomidori.com/german/musicnote-200302/musicnote26mozart.html. Abfrage am 27.09.05
•
Pepl, H. Mica, music information center austria.
http://alt.mica.at/person/person_detail.asp?clr=5&iID=69084 Anfrage am 03.09.05
•
Schwarz, J. Alicia Keys - Interview vom 17. November 2001.
http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/24/0,1872,1004312,00.html. Anfrage am 12.09.05
•
Verschiedene Autore. Wikipedie, die freie Enzyklopädie. http://de.wikipedia.org/wiki/Hauptseite.
Anfrage am 30.09.05
•
Zickgraf, P. Instant Composing, Wie es 24 Musikern gelingt, einen gemeinsamen Stil hervorzubringen.
http://www.einseitig.info/html/content.php?txtid=311. Anfrage am 03.09.05
10.3 Bildquellen
•
Titelseite: Schallwelle der Aufnahme des Beginns der ersten Strophe. Dargestellt von WaveLabLit.exe
•
Wikipedia, die freie Enzyklopädie. http://de.wikipedia.org/wiki/Notation_(Musik). Anfrage am 30.09.05
10.4 Befragung
Von Simon Baumann durch Eva Lehmann. Reithalle Aarau, 13.09.05
21
11 Redlichkeitserklärung
Ich bestätige hiermit, dass ich diese Arbeit redlich verfasst habe.
Ich habe insbesondere keine unzulässigen Hilfen beansprucht und
habe übernommene Textpassagen (aus Artikeln, Büchern und
Internet) ausgewiesen.
Name, Vorname: Lehmann Eva
Unterschrift:
Ort/ Datum: Basel, 03.10.05
22
Herunterladen