Die hellenistischen und persischen Götter als Lichtwesen Zitate aus verschiedenen Büchern mit einigen Kommentaren [[...]] Dr. Lothar Arendes 2014 Theodor Hopfner: „Griechisch-Ägyptischer Offenbarungszauber. Seine Methoden“. Band II, 1, 1924/1983. Aus der Reihe: Studien zur Palaeographie und Papyruskunde, Hrsg. C. Wessely. [[Der Autor stellt in den Zitaten die Ansichten der beiden Neuplatoniker Jamblichus und Proclus aus dem dritten bis fünften Jahrhundert einander gegenüber. Der Ausdruck „Neuplatoniker“ wurde in der Neuzeit geschaffen, und man bezeichnet damit Platoniker, die sich auf den Text des Platonikers Plotin (die „Enneaden“) beziehen, welcher nach Plotins Tod herausgegeben worden ist. Das meiste in Hopfners Büchern ist über magischen Aberglaube, aber die Gegenüberstellung von Jamblichus und Proclus ist interessant.]] S. 136: Die Erscheinungen der Götter [De myst. II 3] [[von Jamblichus: Die Geheimlehren]] Die Erscheinungsformen der Götter sind eingestaltig und leuchten dem Anschauen heilbringend auf (p. 70, 17); sie sind völlig unveränderlich und sowohl was die Groesse, als auch die Gestalt, das Aussehen überhaupt alles auf sie Bezügliche anbelangt (p. 71 – 2). Auch kommt ihnen (bei ihrem Sichtbarwerden) Ordnung und Ruhe zu (p. 72). Neben diesen Eigentümlichkeiten strahlen sie eine unbeschreibliche Schönheit aus, welche die Schauenden mit Staunen erfüllt und ein unsäglich göttliches Wonnegefühl gewährt; diese Schönheit offenbart sich in einem unbeschreiblichen Ebenmass und ist an Adel ausgezeichnet vor allen anderen Erscheinungsformen ... [De myst. II 4] Bei den Erscheinungen der Götter erfolgt ihr Wirken schneller als der Gedanke selbst (d. h. sie vollziehen das, was sie gewähren wollen, schneller als man denken kann), obwohl die Götter selbst in den Erscheinungen völlig unbewegt und ruhig verharren (d. h. obwohl die göttlichen Lichterscheinungen dabei keinerlei Bewegung ausführen; ihr Wille also vollzieht unsichtbar die Tätigkeit; denn “Ruhe“, d. h. Unbeweglichkeit ist ja ein [[idioma]] der göttlichen Erscheinungen! p. 74). S. 137: diesen beiden Arten des Sichtbarwerdens ... Darüber gibt, glaube ich, Proclus Auskunft ... “gestaltete Erscheinungen“ ... vor allem Menschengestalten, in denen die Götter von den Griechen gedacht wurden, und analog auch die Erzengel, Engel, Dämonen, Heroen und Seelen und dann “gestaltete Lichterscheinungen“ ... also etwa Feuerkugeln, feurige Menschengestalten u. dgl. ... die Erscheinungen ... als Lichtglanz, Lichtfülle. Auch Jamblichus scheint diesen letzteren Offenbarungsformen als der “wahren“ den Vorzug zu geben S. 139: [De myst. II 8] Und wahrhaftig! Die Götter lassen ein so feines Licht erstrahlen, dass es unsere (sterblichen) körperlichen Augen nicht zu ertragen vermögen: denn die Menschen, welche die Götter und das göttliche Licht erschauen, die vermögen die Feinheit des Lichtes nicht einzuatmen S. 154 Besonders wichtig bei dem sogenannten Jamblichus ist, dass die höheren Geschlechter diese Erscheinungsformen annehmen müssen, daran durch ihr inneres Wesen unlöslich verbunden sind; ... Denn in diesem Punkte weicht die Theorie des sogenannten Jamblichus von der des Proclus gewaltig ab ... auch Proclus nimmt auf Grund eines chaldäischen Orakels an, dass die höheren Wesen in verschiedener Weise sich offenbaren: als formloser Lichtglanz ..., als Lichtgestalt mit ausgeprägter Bildung ..., als Menschen, ja in Tiergestalt ... Aber während bei Jamblichus die Erscheinungsform an die Wesenheit der Erscheinenden geknüpft und dadurch ein für allemal festgelegt ist, hängen bei Proclus die Erscheinungsformen vom Belieben der Höheren ab S. 155 Mit ihrem innersten Wesen aber haben diese [[Erscheinungen]] nichts zu tun, denn das bleibt uns verborgen und sich ewig gleich; sie lassen es uns bloss 2 ahnen, indem sie ihr Wesen in einer unserer unvollkommenen Erkenntnismöglichkeit anpassenden Weise sichtbar machen ... Daher kann von einer „wahren“, d. h. das innerste wahre Wesen enthüllenden Erscheinung nicht die Rede sein. Diese höchste Schau erhoffte Proclus jedenfalls für die geläuterte Seele erst nach dem Tode. So sind also die Göttererscheinungen bei Proclus nicht durch ihr innerstes Wesen bestimmt wie bei Jamblichus, sondern abhängig von dem Vollkommenheitsgrade der Erfassung des Göttlichen durch den Epopten [[den Schauenden]] ... Proclus ... fasst das alles auch ... deutlich zusammen, indem er sagt: „Die Lichterscheinungen der Götter sind (als die vollkommensten Morphai) Symbola der Götter ...“ S. 156: Im irdischen Leben aber galt die Lichterscheinung der Götter (und zwar wohlgemerkt, an sich, ohne jede Vermittlung eines Mediums) auch dem Proclus und wohl allen Theurgen überhaupt als vollkommenste und höchste Erscheinungsform des Göttlichen. Shihab Al-Suhrawardi: „Philosophie der Erleuchtung“, geschrieben ca. 1186. Hrsg. Nicolai Sinai, 2011. [[Suhrawardi war ein persischer Mystiker aus dem 12. Jahrhundert, der sein Sufitum mit den Lehren des Aristoteles', der Neuplatoniker und der vorislamischen persischen Mystik verband. Vermutlich weil sein Islamglaube nicht lupenrein war, ließ Saladin ihn köpfen (was das Pendant zum katholischen Scheiterhaufen war). Im ersten Teil des Buches, der insgesamt hier völlig uninteressant ist, geht er auf die aristotelische Philosophie ein, wie man sie damals auffasste und vertrat, und kritisierte einige dieser Ansichten. Im zweiten Teil schreibt er dann über das göttliche Licht, wie er es wohl in mystischen Zuständen erlebt hatte.]] S. 151: Die herrscherlichen Lichter, die Tatsache, daß der Hervorbringer aller Dinge ein Licht ist, und die Tatsache, daß die Archetypen [[die Urbilder der körperlichen Objekte; sozusagen die platonischen Ideen]] zu den herrscherlichen Lichtern gehören – all dies haben die vom Körperlichen Befreiten beim Ablegen ihrer [körperlichen] Tempel immer wieder geschaut. ... Platon, seine Vorgänger wie Sokrates und dessen Vorgänger wie Hermes, Agathodaimon und Empedokles sind allesamt dieser Ansicht. Die meisten unter ihnen haben offen erklärt, daß 3 sie die Archetypen in der Welt des Lichts geschaut haben. Platon hat über sich selbst berichtet, er habe die dunklen Seienden abgelegt und sie geschaut, und auch die persischen und indischen Philosophen sind sich darüber einig. ... Der Verfasser dieser Zeilen war einst ein eifriger und überzeugter Verteidiger des Weges der Peripatetiker [[der Aristoteliker]], die solche Dinge leugnen. Er wäre es geblieben, »hätte er nicht den Beweis seines Herrn erblickt«. Wer dies nicht glaubt und sich nicht von Begründungen überzeugen läßt, der soll sich spirituellen Übungen widmen und den Schauenden dienen. Vielleicht wird ihm dann eine blitzartige Eingebung zuteil, so daß er das in der Welt der Majestät erstrahlende Licht erblickt sowie die himmlischen Wesenheiten S. 154f: Die Glaubensüberzeugung Platons und aller Schauenden gründet sich nicht auf solche rhetorischen Argumente, sondern auf etwas anderes. Platon hat gesagt: »Im Zustand der Befreiung vom Körper sah ich Sphären von Licht.« [[Diese Textstelle befindet sich nicht bei Platon, sondern bei Plotin, der zu den Platonikern gehörte. Platon selbst hat seine diesbezüglichen Ansichten nicht im Detail veröffentlicht und nur mündlich weitergegeben; seine Meinung hat er aber beispielsweise im Sonnengleichnis und im Höhlengleichnis angedeutet.]] ... Darauf, daß sie den Hervorbringer aller Dinge für ein Licht halten und ebenso die Welt des Intellekts, deutet die Aussage Platons und seiner Anhänger hin, daß das reine Licht die Welt des Intellekts ist. Über sich selbst hat er berichtet, daß er in manchen der von ihm erlebten Zuständen seinen Körper abgelegt habe und frei von der Ersten Materie [[ein Ausdruck von Aristoteles]] geworden sei. Hierauf habe er in seinem eigenen Selbst Licht und Glanz erblickt und sei dann zur göttlichen und allumfassenden Ursache emporgestiegen, und ihm sei gewesen, als würde er sich in ihr befinden und schweben. Am erhabenen göttlichen Ort habe er dann ein gewaltiges Licht erblickt. S. 171: Da das Sein lediglich eine intellektuelle Betrachtungsweise ist, erhält eine Sache von ihrer Emanationsursache ihr Wesen. ... Das Licht der Lichter ist die Ursache für das Sein und Fortbestehen aller Seienden, und dasselbe gilt für die herrscherlichen Lichter. [[Als herrscherliche Lichter bezeichnete er solche Lichter, die in keinerlei Beziehung zu den Schranken bzw. Körpern stehen. Demgegenüber sind regierende Lichter solche, die den kausalen Einfluss der Archetypen auf die ihnen unterstehenden Körper vermitteln; es sind somit die Seelen materieller Lebewesen. Reine Lichter sind wesensmäßig Licht und keine Zustände von etwas anderem. Akzidentelle Lichter sind zwar wesensmäßig Licht, stellen jedoch Zustände von etwas anderem dar. Das Licht der Lichter bezeichnet Gott; vergleichbar mit Platos Sonne.]] 4 S. 192: ... im Zustand eines weitgehenden Ablegens des Körpers die Erfahrung einer reinen Schau gemacht, die vollkommener als diejenige des Sehvermögens ist ... [[Das erinnert sehr an die Berichte über Nahtoderlebnisse.]] Wer sich auf dem Wege Gottes müht und zur Herrschaft über die dunklen Seienden gelangt, der sieht die Lichter der erhabenen Welt in Form einer Schau, die vollkommener ist als die Schau dessen, was man bei uns erblickt. Denn das Licht der Lichter und die herrscherlichen Lichter sind sowohl für das befehlshabende Licht als auch füreinander sichtbar, und alle immateriellen Lichter verfügen über Sehvermögen. ... Alle Vermögen [[z.B. unser Sehvermögen]] sind ein Schatten dessen, was im befehlshabenden Licht ist S. 195: Wenn der menschliche Körper vergeht und das befehlshabende Licht die dunklen Seienden liebt und seine Zuflucht nicht kennt, so wird es durch sein Verlangen in die »allertiefste Tiefe« gezogen. Auch die niedrigen Zitadellen [[d.h. unser Körper, der als Gefängnis der Seele aufgefaßt wird]] und die Welt der Schranken dürsten [nach regierenden Lichtern], so daß es mit Notwendigkeit zu einer anderen Zitadelle hingezogen wird [[d. h. auf Erden wiedergeboren wird]]. Denn der Grund, aus dem das befehlshabende Licht seine Bindungen an den Körper eingegangen ist – nämlich sein Bedürfnis, sich zu vervollkommnen –, dauert ja noch an. Licht erlangt seine Vollkommenheit aber nur durch Licht. [[Finstere Substanzen oder Schranken sind für Suhrawardi Seiende, die nicht wesensmäßig Licht sind und bei denen es sich um Zustände von etwas anderem handelt – also materielle Körper wie Tische oder Bäume – so kommentiert es der Herausgeber des Buches, Sinai.]] S. 197: Doch stimmen alle [[Philosophen]] darin überein, daß diejenigen regierenden Lichter, die rein sind, ihre Erlösung in der Welt des Lichts finden werden, ohne auf andere Körper überzugehen. S. 198f: Wenn das regierende Licht nicht von den Ablenkungen der Schranken beherrscht wird, so ist sein Verlangen nach der heiligen Welt des Lichts größer als die nach den finsteren Substanzen. Je mehr es an Licht und Leuchten zunimmt, desto mehr nimmt es an leidenschaftlicher Liebe zu den herrscher5 lichen Lichtern sowie an Unbedürftigkeit und Nähe zum Licht der Lichter zu. Besäßen die kontrollierenden Lichter eine unendliche Wirkungskraft, so würde die Anziehung durch die Ablenkungen der Schranken ihnen nicht den Horizont des Lichts verhüllen. Wenn die befehlshabenden Lichter aber die finsteren Substanzen beherrschen, ihre Liebe und ihr Verlangen nach der Welt des Lichts erstarkt, die herrscherlichen Lichter sie erhellen und ihnen der Habitus, mit der Welt des reinen Lichts in Verbindung zu treten, zuteil wird, dann vergehen ihre Zitadellen, ohne daß sie zu anderen Zitadellen hingezogen werden, da ihr Vermögen vollkommen ist und sie mit großer Macht zu den Quellen des Lichts hingezogen werden. Das Licht, welches durch gewaltige Erleuchtungen erstarkt ist und Liebe zu seinem Ursprung empfindet, wird zur Quelle des Lebens hingezogen; es wird nicht mehr zu Zitadellen wie diesen hingezogen und verspürt keinerlei Neigung mehr zu ihnen. Es wird in die Welt des reinen Lichts entrückt und nimmt die Helligkeit des Lichts der Lichter und der heiligen herrscherlichen Lichter an. ... Das Verlangen führt Wesen, die zum Erfassen imstande sind, hin zum Licht der Lichter. Je vollkommener ihr Verlangen ist, desto vollkommener wird es zum erhabenen Licht hingezogen und steigt zu ihm empor. S. 200f: Niemand, dessen größte Sorge nicht das Jenseits ist und dessen Gedanken nicht vorrangig mit der Welt des Lichts beschäftigt sind, wird Erlösung zuteil. Wenn das befehlshabende Licht durch die Kenntnis der Wesenheiten und durch die Liebe zur Quelle des Lichts und des Lebens erglänzt und rein vom Schmutz der Schranken geworden ist, dann wird es von der Zitadelle erlöst, wenn es nach dem Tod des Körpers die Welt des reinen Lichts erschaut. [[Suhrawardi lebte in moslemischen Gebieten, aber im mystischen Sufiorden waren sicherlich noch Ideen aus vorislamischer Zeit gängig. Vor der Eroberung durch die moslemischen Araber glaubte man in Persien hauptsächlich an die Religion Zarathustras, und ihr Gott Ahura Mazda (dt. „Herr der Weisheit“) dieser monotheistischen, dualistischen oder polytheistischen Religion (mit Ahriman als dem Prinzip des Bösen) soll vor allem Licht gewesen sein. Ahura Mazda war geradezu ein Synonym für Licht, und die Sonne galt als seine schönste Form (s. Maneckji Dhalla: „Zoroastrian Theology From The Earliest Times To The Present Day“, S. 84, 1914). Es ist denkbar, dass Plato und andere griechische Philosophen von Persern beeinflusst worden waren (z.B. der Nous des Aristoteles‘), denn kurz vor Platos Zeit besaßen die Perser viele Teile Hellas und hatten in Athen sogar auf der Akropolis die Götterstatue von Pallas Athene zerstört. Vielleicht liegt darin auch ein Grund, weshalb die platonischen Philosophen teilweise einen esoterischen Geheimbund bildeten, denn persische Ideen waren damals in Athen sicherlich unbeliebt. Es ist vermutlich kein Zufall, 6 dass nach dem Verbot der Philosophie durch die Christen viele Philosophen ins Exil nach Persien gingen. Viele Ideen der christlichen und jüdischen Religionen stammen aus den persischen Religionen: die Unterscheidung Gott versus Teufel, die Unterscheidungen Himmel, Fegefeuer und Hölle, das Kommen des Erlösers als eines großen Königs, das Jüngste Gericht etc. (s. Geo Widengren: „Iranische Geisteswelt“, 1961). Hauptsächlich auf die iranischen Religionen (auch auf den Zervanismus) aufgebaut hatte auch die damalige große Konkurrenz zur christlichen Religion, die Religion Manis (mit ihren christlichen und buddhistischen Zutaten), und auch im Manichäismus spielte das Licht die Hauptrolle (s. Geo Widengren: „Mani und der Manichäismus“, 1961). Wie sehr das gesamte Volk in der hellenistischen Zeit das Göttliche als Licht betrachtete und Licht geradezu ein Synonym für Gott war, darüber schreibt Gillis Wetter ausführlich in seinem Buch „Phos. Eine Untersuchung über hellenistische Frömmigkeit“ von 1915 (gr. Phos = Licht). Er glaubte, dass die Identifizierung Gottes mit Licht aus Babylonien gekommen sei, was ich jedoch nicht überzeugend finde.]] 7