Kapitel 4 - Informatik

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4 HALBRINGE
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1
Halbringe
4.1
Definition und Beispiele
Halbringe vereinen die fundamentalen Operationen Auswahl und Hintereinanderschaltung
(Komposition).
Als Beispiel hatten wir in Kap. 1 Pfade in Graphen gesehen.
• Zunachst gibt es einzelne Pfade, dargestellt als Folgen von Knoten aus einer Menge A.
• Pfade sind also Elemente von A+ , der Menge der nichtleeren W
orter uber A.
• Man kann zwei Pfade verkleben, wenn der Endknoten des ersten mit dem Anfangsknoten des zweiten
ubereinstimmt.
• Der gemeinsame Knoten wird nur einmal in den Ergebnispfad aufgenommen.
• Da diese Verklebung eng mit dem Natural Join in Datenbanken verwandt ist schreiben wir o
n daf
ur.
• Die genaue Denition lautet (x, y ∈ A, s, t ∈ A∗ ):
sxt
(sx) o
n (yt) =df
wenn x = y
undeniert sonst
• Als eigentliche Objekte betrachtet man aber oft Mengen von Pfaden, z.B. die Menge P(u, v) aller Pfade
vom Knoten u zum Knoten v.
• Dann ist v von u aus erreichbar gdw. P(u, v) 6= ∅.
• Sind die Kanten mit Gewichten versehen, will man etwa einen Pfad minimalen/maximalen Gewichts in
P(u, v) bestimmen.
• Usw.
Eine Pfadmenge ⊆ A+ stellt also verschiedene mogliche Pfade dar, die in einem bestimmtem Zusammenhang
interessant sind.
• Oft will man zwischen solchen M
oglichkeiten auswahlen.
• Ist Q(u, w, v) die Menge aller Pfade von u nach v, die u
ber w laufen, so hat man mit Q(u, p, v) ∪ Q(u, q, v)
die Auswahl, uber p oder q von u nach v zu laufen.
Wenn Pfadmengen als Objekte dienen sollen, ist es sinnvoll, die Operation des Zusammenklebens auf Pfadmengen zu erweitern.
Fur U, V ⊆ A+ (oder aquivalent U, V ∈ ℘(A+ ), wobei ℘ die Potenzmenge bedeutet) setzten wir
Uo
n V =df {s o
n t | s ∈ U, t ∈ V und s, t verklebbar}
Beispiel: Q(u, w, v) = P(u, w) o
n P(w, v)
Ein ahnliches Beispiel sind formale Sprachen U, V ⊆ A∗ uber einem Alphabet A
• Auswahl: U ∪ V
• Komposition (= Konkatenation):
UV =df {st | s ∈ U, t ∈ V}
Da diese Objekte mit ihren Operationen vielen gemeinsamen Gesetzen gehorchen, fasst man sie zu einer abstrakteren Klasse\, den Halbringen, zusammen.
"
Diue Auswahl bezeichnet man mit +, die Komposition mit · .
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Definition 4.1 Ein Halbring ist ein Quintupel (S, +, 0, ·, 1), mit folgenden Eigenschaften:
• (S, +, 0) ist ein kommutatives Monoid.
• (S, ·, 1) ist ein Monoid mit Annihilator 0, d.h. 0 · x = 0 = x · 0.
• Es gelten die Distributivgesetze
x · (y + z) = x · y + x · z
(x + y) · z = x · z + y · z
• Ist + zusatzlich idempotent, d.h. gilt stets x + x = x, so heit auch der Halbring idempotent.
Im Gegensatz zu \vollen" Ringen muss (S, +, 0) keine Gruppe sein.
Die Notationen + und · erklaren sich durch die algebraischen Gesetze, die damit denen der Schulalgebra gleichen.
Allerdings ist Vorsicht geboten:
• Wir werden + meist als idempotent voraussetzen; dann gilt die etwas unorthodoxe Gleichung 1 + 1 = 1.
• Idempotenz ist aber nat
urlich\: Eine Auswahl aus zweimal dem selben Angebot bringt nichts Neues.
"
• Die Multiplikation\ · ist in den wenigsten Halbringen kommutativ.
"
Wie ublich bindet · starker als +. Auerdem lassen wir Klammern weg, wenn Assoziativitat von + oder ·
anwendbar ist.
Beispiel 4.2
• Jeder Ring ist auch Halbring, also etwa
(ZZ, +, 0, ·, 1), (Ql , +, 0, ·, 1), (IR, +, 0, ·, 1).
• Dagegen ist (IN, +, 0, ·, 1) kein Ring, aber ein Halbring. Er ist nicht idempotent.
• Ist (M, ◦, 1) ein Monoid, so ist (℘(M), ∪, ∅, ◦, {1}) ein idempotenter Halbring. Die Operation ◦ ist dabei
deniert durch L ◦ N =df {x ◦ y : x ∈ L ∧ y ∈ N}.
• Speziell bilden die formalen Sprachen u
ber einem Alphabet A den idempotenten Halbring LAN(A) =df
(℘(A∗ ), ∪, ∅, , {ε}). Als viertes Element des Quintupels steht die unsichtbare Konkatenationsoperation.
• Auch die Pfadmengen u
ber A, als Knotenmenge betrachtet, bilden einen idempotenten Halbring, namlich
PAT(A) =df (℘(A+ ), ∪, ∅, o
n, A).
• Interpretiert man die Knoten als Programmzustande, kann man so auch Mengen von Ablaufen darstellen.
• Die zweistelligen Relationen u
ber einer Grundmenge M bilden ebenfalls einen idempotenten Halbring

REL(M) =df (℘(M × M), ∪, ∅, ; , I) (vgl. spater Ubungen).
• Weitere Halbringe spielen in Extremwertaufgaben auf Graphen eine Rolle.
4.2
t
u
Die natürliche Ordnung
Wir wollen die Elemente eines Halbrings S hinsichtlich ihrer Auswahlmoglichkeiten vergleichen.
Dazu denieren wir fur x, y ∈ S die Relation
def
x≤y ⇔ x+y=y .
• Das heit, dass x zu den M
oglichkeiten von y nicht Neues beitragt,
• also y mindestens so viele M
oglichkeiten aufweist wie x.
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• Wir sagen auch kurz, dass x in y enthalten ist.
In Mengenhalbringen, wo + mit ∪ zusammenfallt, gilt tatsachlich
x≤y ⇔ x+y=y ⇔ x∪y=y ⇔ x⊆y
Einige charakteristische Eigenschaften von ≤ und + stellen wir zusammen in
Lemma 4.3
(1) ≤ ist transitiv und antisymmetrisch.
(2) ≤ ist reexiv gdw. + idempotent ist.
Fur idempotentes + ist also ≤ eine partielle Ordnung, genannt die naturliche
Ordnung.
Beweis:
(1) Transitivitat: Sei x ≤ y und y ≤ z, d.h. x + y = y und y + z = z. Dann gilt wegen der Assoziativitat auch
x + z = x + (y + z) = (x + y) + z = y + z = z
d.h. x ≤ z.
Antisymmetrie: Sei x ≤ y und y ≤ x, d.h. x + y = y und y + x = x. Dann gilt wegen der Kommutativitat
auch
x=y+x=x+y=y
(2) Nach Denition gilt x ≤ x ⇔ x + x = x.
t
u
Lemma 4.4 Sei nun + idempotent.
(1) 0 ist bezuglich ≤ kleinstes Element von S; daher gilt x ≤ 0 ⇔ x = 0.
(2) x ≤ x + y.
(3) x + y ≤ z ⇔ x ≤ z ∧ y ≤ z
D.h. x + y ist die kleinste obere Schranke (das Supremum) von x und y.
(4) Es sei f : S → S eine Funktion. Dann ist f isoton (oder monoton wachsend) bezuglich, d.h. x ≤ y ⇒
f(x) ≤ f(y), genau dann, wenn f superdistributiv ist, d.h. f(x + y) ≥ f(x) + f(y).
(5) Die Operationen + und · sind bezuglich der naturlichen Ordnung in beiden Argumenten isoton.
(6) Auf einem idempotenten Halbring ist die naturliche Ordnung die einzige partielle Ordnung mit kleinstem
Element 0, bezuglich der + in beiden Argumenten isoton ist. Das rechtfertigt die Bezeichnung \naturliche
Ordnung".
Beweis:
(1) 0 ≤ x ⇔ 0 + x = x ⇔ TRUE.
Ist x ≤ 0, so folgt wegen 0 ≤ x auch x = 0 wegen der Antisymmetrie von ≤.
Gilt x = 0, so auch x ≤ 0 wegen der Reexivitat von ≤.
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(2) x + (x + y) = (x + x) + y = x + y.
(3) (⇒) Nach (2) gilt x ≤ x + y und y ≤ x + y, woraus die Behauptung folgt.
(⇐) Es sei x + z = z und y + z = z. Nun folgt
(x + y) + z = x + y + z + z = (x + z) + (y + z) = z + z = z .
(4) (⇒) Es gilt x ≤ x + y, also wegen der Isotonie auch f(x) ≤ f(x + y). Analog gilt f(y) ≤ f(x + y). Nun folgt
die behauptete Ungleichung aus (3)
(⇐) Sei x ≤ y, d.h. x + y = y. Dann hat man
f(y) = f(x + y) ≥ f(x) + f(y) ≥ f(x) .
(5) Im Beweis von (3) wurde mit gezeigt, dass
(x + y) + z = (x + z) + (y + z) ,
d.h. da + uber sich selbst distributiert. Fur festes x sind damit die Funktionen (x+) und (+x) distributiv,
also wegen der Reexivitat von ≥ auch superdistributiv und damit nach dem vorigen Punkt isoton.
Weiter sind fur festes x die Funktionen (x·) und (·x) sogar distributiv, also wegen der Reexivitat von ≥
auch superdistributiv und damit nach (4) auch isoton.
(6) Sei eine Ordnung mit den angegebenen Eigenschaften.
Wir wollen zeigen, da =≤ gilt.
(⊆) Sei x y. Wegen der Isotonie von + bez
uglich und der Idempotenz folgt x + y y + y = y.
Andererseits haben wir y = 0 + y x + y, da 0 kleinstes Element bezuglich und + auch -isoton ist.
Zusammen folgt aus der Antisymmetrie von , da x + y = y, also x ≤ y.
(⊇) Sei x ≤ y, d.h. x + y = y. Wie vorher k
onnen wir schlieen x = x + 0 x + y = y, also x y.
t
u
Wir wollen noch kurz die Rolle von 0 im Zusammenhang mit der Auswahl deuten.
• 0 steht f
ur die leere Auswahl, also \Blockieren".
• Die Gleichung x + 0 = x lasst sich dann so deuten: Wird ein Zweig der Auswahl als blockierend erkannt,
so wird auf jeden Fall der andere gewahlt (\wenn es weitergehen kann, geht es auch weiter", optimistische
oder angelische Auswahl).
• Dagegen bedeuten die Annihilationseigenschaften x · 0 = 0 = 0 · x, da bei Komposition Blockieren fatal
fur das Gesamtsystem ist.
• Insbesondere \vernichtet" spateres Blockieren auch alles, was vorher erreicht wurde.
• F
ur bestimmte Anwendungen ist das zu streng, so da man das zweite dieser Gesetze gelegentlich fallen
lasst.
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