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Musik
Das Symphonieorchester Vorarlberg und
die Zeitgenossen – eine Entgegnung auf eine
provokante Aussage
Wenn man hinter die Kulissen blickt, offenbart sich das gespannte Verhältnis der Verantwortlichen des Symphonieorchester Vorarlberg
zu den zeitgenössischen Komponisten des Landes
„90 Prozent der Werke von Vorarlberger
Komponisten, die ich einstudiert und aufgeführt habe, kann man vergessen“, zitiert
Fritz Jurmann den Chefdirigenten Gérard
Korsten nach einem Pressegespräch des
Symphonieorchesters Vorarlberg (SOV).
Diese populistische Aussage empört mich
und sie soll nicht unkommentiert bleiben.
Die Aufführungsliste mit neuen Werken, die das Symphonieorchester in den
vergangenen Jahren gespielt hat, wirkt auf
den ersten Blick imposant. Vor allem im
Rahmen von Engagements beim Feldkirch
Festival und bei den Bregenzer Festspielen
wurden einige Werke mit einem jungen
Entstehungsdatum interpretiert. Mein
esse gilt jenen Komponisten, die in
Inter­
Vorarlberg tätig sind oder zum Bundesland
eine Beziehung pflegen und deshalb als
„Vorarlberger Komponisten“ bezeichnet
werden können. Im Fokus steht die Abonnementreihe des SOV, denn für diese fünf
Konzerte ist die Geschäftsleitung verantwortlich. Michael Löbl konzipiert die Programme in Absprache mit Gérard Korsten.
Gespannte Verhältnisse
Im Jahr 2007 wurden an Peter Engl
und Gerold Amann Kompositionsaufträge
vergeben, im Jahr 2009 schrieb Peter Herbert ein neues Werk für das SOV, und im
Jahr 2011 fand die Uraufführung einer
Komposition von Michael Amann statt.
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Musik
Seither und in der aktuellen Saison bis 2013
wurden und werden keine Werke heimischer Komponisten präsentiert. Ein Grund
dafür mag darin liegen, dass bereits einige
(Ur-)aufführungen unbefriedigend abgelaufen sind.
Wenn man hinter die Kulissen blickt,
offenbart sich das gespannte Verhältnis der
Verantwortlichen des Symphonieorchesters zu den zeitgenössischen Komponisten
des Landes. Herablassend wird die Schuld
für mäßige Aufführungserfolge gerne in
der Qualität der Kompositionen geortet.
Doch das trifft den Kern der Sache nicht.
Vielmehr beeinträchtigen schlechte Aufführungen, widersinnige Werkzusammenstellungen und mangelnde Vermittlungsarbeit oft den Gesamteindruck.
Markante Beispiele
Weil der KornmarktChor unzulänglich vorbereitet war, lief die Uraufführung
der „Kunstdebatte“ für Soli, Chor und Orchester von Gerold Amann unter der Leitung von Gérard Korsten derart schlecht,
dass das vom ORF aufgezeichnete Werk
nicht gesendet werden konnte. Bettina
Waldner-Barnay erinnert sich an dieses Ereignis, denn es „gibt tatsächlich Konzerte,
die ich, trotz meines schlechten Gedächtnisses nicht vergesse. Das war eines davon,
der KornmarktChor hat seinen Part nicht
einmal ansatzweise beherrscht, was umso
ärgerlicher war, als dass wir damals extra
für dieses Konzert den Salzburger Ü-Wagen
inklusive Besatzung kommen ließen, aber
es war uns klar, dass eine Uraufführung
von Gerold Amann in dieser Besetzung und
Größe unbedingt mitgeschnitten werden
muss. Nach dem Konzert hatte ich einen regelrechten Zusammenstoß mit Gérard
Korsten, weil mir klar war, dass das Werk
nicht einmal mit Nachaufnahmen (in vertretbarer Zeit) zu retten ist, was er mir später dann, nachdem er sich wieder beruhigt
hatte, auch bestätigt hat.“
Unzulängliche Vermittlungs­a rbeit
In den vergangenen Jahren hat sich
das Symphonieorchester Vorarlberg auch
der sogenannten Musikvermittlung angenommen. Jedoch funktioniert diese lediglich in speziellen Fällen und selten zum
Vorteil neu entstandener Werke. Besonders
ärgerlich war dies bei der Uraufführung der
„Broken Lines“ von Michael Amann zu erleben. Das SOV und Gérard Korsten waren
sehr gut vorbereitet, die Qualität der Aufführung war hervorragend. Michael
Amann hatte für sein Werk eine für das
Abonnementpublikum ungewohnte kompositorische Sprache verwendet. Ohne ein
Wort über die neu entstandene Komposition zu verlieren, folgte die Uraufführung
auf einen langen Variationensatz von Mozart. Anna Mika berichtete über das Konzert in Bregenz: „Nach der Pause ging die
musikalische Reise weiter ins zwanzigste
Kultur Nr. 9|2012
Jahrhundert, was offenbar einem Teil des
Publikums gar nicht recht war. Schon beim
ersten Klang von Michael Amanns ‚Broken
Lines’ lachten Leute und während der Musik unterhielten sich einige halblaut.“
Zu den Konzerten in Bregenz und Hittisau war Michael Amann extra aus Wien
angereist. Auf meine Frage an Michael Löbl,
warum der Komponist und seine Werkidee
dem Publikum nicht vorgestellt worden
sind, erhielt ich die völlig unzutreffende
Antwort, Michael Amann sei nicht „gesprächig“. Auffallend ist, dass derartige Fauxpas des ansonsten professionell agierenden
SOV meistens bei Uraufführungen mit heimischen Komponisten passieren.
Kulturauftrag? – ja oder nein
Lange war ich der Meinung, dass das
Symphonieorchester Vorarlberg als ‚Landesorchester’ auch eine Verpflichtung habe,
mit heimischen Komponisten zusammen zu
arbeiten. Angesprochen ist in diesem Zusammenhang auch das Landeskonservatorium, das seit Jahren keine zeitgenössische
Orchestermusik aus Vorarlberg aufgeführt
hat. „Ein Auftrag von Seiten des Landes ist
mir nicht bekannt“, betonte Eduard Konzett, Präsident des SOV, schon vor längerer
Zeit und ergänzte: „Wir haben nicht das fi-
nanzielle Reservoir, etwas Extraordinäres
einzugehen. Auch seitens der Musiker gibt
es durchaus Vorbehalte.“ Wünschenswert
wäre, wenn die politischen EntscheidungsträgerInnen und Subventionsgeber dezidiert zu dieser Frage Stellung beziehen
würden.
Vielen musik- und kulturinteressierten Menschen ist wenig bewusst, dass im
Gegensatz zu anderen Kunstschaffenden,
die Komponisten fast immer auf die MusikerInnen als vermittelnde Instanz angewiesen sind. Auch stellt die Orchestrierung
groß angelegter Werke eine besondere Herausforderung dar. Dies schafft mitunter
Probleme. Doch wer, wenn nicht ein Orchester des Landeskonservatoriums oder
das ‚Landesorchester’ sind dafür prädestiniert, sich auch in den Dienst heimischer
Komponisten zu stellen und deren Werke
zu Gehör zu bringen?
Marktwirtschaftlich orientiert
Das Symphonieorchester Vorarlberg
wird als Verein geführt. Die dauernde Geldknappheit und die fehlenden künstlerischen Visionen veranlassen den Geschäftsführer Michael Löbl und die Vorstandsmitglieder Eduard Konzett, Manfred Schnetzer
und Peter Schmid offenbar, das SOV nach
marktwirtschaftlichen Grundsätzen zu
führen. Einem Kultur- beziehungsweise Bildungsauftrag fühlen sie sich allem Anschein nach wenig verpflichtet. Viel mehr
wird betont, dass zwei Drittel des Budgets
selbst erwirtschaftet werden müssen. Fragen der Verwertbarkeit einstudierter Werke
und das Kalkül des Probenaufwandes stehen im Vordergrund. Abfällige Aussagen,
die hinter vorgehaltener Hand und nun
auch offiziell getätigt werden, illustrieren,
wie arrogant Kulturmanager mit künstlerisch tätigen Menschen umgehen und Vorurteile schüren.
Chance vergeben
Mit dieser Einstellung vergeben die
Verantwortlichen meiner Meinung nach
eine große Chance. Viel zu oft werden KonzertbesucherInnen für dumm verkauft und
mit oberflächlichem Klamauk abgespeist.
Ich bin mir sicher, dass ein Großteil des Publikums einen wertschätzenden Umgang
mit Vorarlberger KomponistInnen und ihren Werken honoriert, wenn die Art und
Qualität der Präsentation stimmen. Freilich
sind dazu Urteilsvermögen und Begeisterungsfähigkeit nötig. Silvia Thurner
Erwin Höttges GmbH & Co. KG Rhombergs Fabrik
Färbergasse 15, 6850 Dornbirn, T +43 (0) 5572 22175,
[email protected], www.hoettges.at Mo. – Fr. 9.00 – 12.00
Uhr, 14.00 – 18.00 Uhr, Sa. 9.00 – 14.00 Uhr durchgehend
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