03 März 2016 Leading Swiss Agencies Die Schnellen und die Erfolglosen Markenführung in den schnelllebigen Zeiten der digitalen Disruption. Ein Plädoyer von Ser viceplan-CEO Christian Baertschi. Text: Christian Baertschi* bestens informiert und vernetzt – und re­ agieren deshalb auch immer schneller auf die positive oder negative Ausstrahlung ­einer Marke. Zusehends steigt die Kurzfristigkeit im Marketing, in der Kommunikation und da­ mit auch in der Werbung. Zum einen liegt dies an den immer kürzer werdenden Inno­ vationszyklen, zum anderen aber auch an der zunehmenden Austauschbarkeit der Produkte und Dienstleistungen. Mangelnde «Zusehends steigt die Kurzfristigkeit in Marketing, Kommunikation und auch Werbung.» Christian Baertschi. Heute besitzt das grösste Taxiunternehmen der Welt keine eigenen Taxis, die Telefonie­ gesellschaft mit den weltweit meisten Kun­ den verfügt über keine eigene Infrastruktur, und das global populärste Medienunterneh­ men produziert selbst keine Inhalte. Die Informationsgesellschaft lässt die vormals ­ dominierenden Intermediäre unbedeutend werden. Kunden sind zu jedem Zeitpunkt * Christian Baertschi ist CEO und Partner bei der Ser viceplan Group Schweiz AG. 74 Differenzierung durch direkt vergleichbare Produkteigenschaften wird oft mit ober­ flächlichen Angebotsoptimierungen und da­ mit – direkt oder indirekt – auch durch die kurzfristige Preispolitik kompensiert. Über diese Faktenlage zu lamentieren, bringt wenig. Jawohl, die innovativsten Pro­ dukte und Dienstleistungen müssen ihre At­ traktivität nicht mit kurzfristigen und ober­ flächlichen Angebotskorrekturen optimie­ ren. Aber gerade deshalb müssen sie viel weniger Werbung betreiben, um die Begehr­ lichkeit ihrer Marke zu halten. Für alle ande­ ren gilt: Differenzierung und Relevanz wird heute mehr denn je durch emotionale Kam­ pagnen und deren erfolgreiche Verankerung in den Köpfen potenzieller Kunden aufge­ baut. Leading Swiss Agencies medienpartner Trotzdem oder gerade deshalb gilt: Wer heu­ te erfolgreich im Markt agiert, muss schnel­ ler sein als seine Konkurrenten. Geschicktes und promptes Agieren in sich verändernden Marktsituationen entscheidet oft über Er­ folg oder Misserfolg. Das ist mitunter der Grund, weshalb die Werbeindustrie in vielen Branchen zusehends mehr taktische Kampa­ gnen realisiert, welche meist die Reaktion «Der Erfolg stellt sich bei denjenigen ein, die proaktiv agieren.» auf das Verhalten anderer Marktteilnehmer sind. Nur ist gerade ein solch fremdbestimm­ tes Reagieren latent gefährlich. Denn wer lediglich reagiert, verliert. Auch in unserer schnelllebigen Zeit bleibt das oberste Gebot bei der Markenführung das Wecken von Be­ gehrlichkeit für die Marke und damit für de­ ren Angebote und Leistungen. Entsprechend stellt sich der Erfolg in der Regel bei jenen ein, die proaktiv vorangehen und bereit sind, neue und damit andere Wege zu beschreiten, um die Begehrlichkeit für ihre Marke sicherzustellen. Damit mag auf den ersten Blick ein höheres Risiko ver­ bunden sein, doch dieser Eindruck täuscht. In praktisch jeder Branche gibt es mittler­ weile den herausragenden Aussenseiter, der zuerst belächelt, danach bekämpft und zu­ letzt beneidet wird. Auch die Werbebranche hat sich in den letzten Jahren massgeblich verändert – und weitere tief greifende Veränderungen stehen an. Zwar trauern noch immer einige Expo­ nenten den früheren, vermeintlich goldenen Zeiten nach. Aber zahlreiche dieser Akteure sind mittlerweile vom Markt verschwunden oder halten sich höchstens noch hartnäckig als Zeitungskolumnisten. Gleichzeitig haben sich einige Marktteilnehmer unter neuer Führung in den letzten Jahren deutlich ge­ wandelt und der neuen Marktsituation ange­ passt. Zudem sind einige neue, innovativ denkende und handelnde Mitspieler im Markt aufgetaucht, welche die neue Situati­ on der Veränderung als das sehen, was sie ist: eine grosse Chance, Neues zu schaffen und damit auch in dieser schnelllebigen Zeit einen klaren Mehrwert durch Marketing und Kom­ munikation zu erbringen. Schon jetzt zeichnet sich ab, wer länger­ fristig zu den Gewinnern gehören wird. Es sind nicht diejenigen, die durch tradiertes Silodenken in bestehenden Strukturen und Kanälen gefangen sind. Es sind auch nicht jene, die lauthals die mangelnde Wertschät­ zung für erbrachte Leistungen und den da­ mit verbundenen Margenzerfall beklagen. Nein, viel eher sind jene Akteure Gewinner, die trotz genügender Grösse und Leistungs­ fähigkeit mit flachen Hierarchien schnelle, flexible und gut eingespielte Einheiten mit Markenerfahrung zu jeder Zeit bereitstellen können – und so den hohen Ansprüchen einer schnellen Aktionsfähigkeit gerecht ­ werden. Mit kurzfristig gemieteten Wander­ söldnern, die am Vorabend noch für die Konkurrenzmarke gearbeitet haben, ist dies kaum möglich. Genau wie in allen anderen Branchen zeigt sich zurzeit auch in der Werbeindustrie die Aufteilung in zwei Lager: die Schnellen und die Erfolglosen. ANZEIGE 75