Meine Herren, Sie haben einen gemeinsamen Workshop entwickelt. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen? Von Lehsten: Die Sensibilisierung für die Marke als strategisches Instrument der Stiftungsarbeit ist mir schon lange ein Anliegen. Gerade von Seiten des Stiftungsmanagements besteht die Notwendigkeit sich dem Thema zu öffnen. Das wird aus meiner Sicht immer dringlicher, da im rasch wachsenden deutschen Stiftungsmarkt eine immer präzisere Definition des Stiftungsauftrags notwendig wird. Dabei werden vor allem Instrumente benötigt, die die Zweckerfüllung vorantreiben und eine wirksame Stiftungsarbeit ermöglichen. Die Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Decker bezüglich verschiedener Stiftungsmarken hat mir dann klar gemacht, dass nicht nur die Markenentwicklung für Stiftungen eine sehr spezifische Herangehensweise erfordert. Auch für die rechtliche Seite hat dies genauso Gültigkeit. Herr Schiemenz mit seiner langjährigen Erfahrung im Marketing von großen Stiftungen hat die Relevanz einer ganzheitlichen Betrachtung des Themas Stiftungsmarke dann final bekräftigt. Decker: Marken erfüllen diverse Funktionen: Sie sind Herkunfts- und Qualitätssiegel, dienen der Werbung und schaffen Investitionsanreize – auch im Bereich des Funding. Wir beraten namhafte Mandanten im Bereich der Markenentwicklung und -verteidigung. Zugleich zählen sowohl Unternehmens- als auch Familienstiftungen zu unseren Mandanten. Dabei ist uns aufgefallen, dass Stiftungen noch immer den Wert und die Bedeutung einer gelungenen Markenstrategie unterschätzen. Schiemenz: Gerade Stiftungen fragen sich immer wieder: wie kann die Kommunikation effektiver, zielgerichteter erfolgen. Es werden immer wieder verschiedene Aktionen gestartet, Pressemitteilungen geschrieben, Veranstaltungen geplant. Doch die grundsätzliche Frage, wofür die Stiftung steht, geht dabei unter. Aus meiner Erfahrung ist es daher sehr wichtig, das gesamte Marketing am Markenkern auszurichten und die Kommunikation strategisch aufzubauen. Was hat Sie persönlich motiviert, einen solchen Workshop zu gestalten? Decker: Stiftungen zu beraten, war eine ganz bewusste Entscheidung unserer Kanzlei. Die Zusammenarbeit mit Mandanten aus dem Stiftungsumfeld ist inspirierend und herausfordernd. Gemeinnützige Stiftungen leisten einen wichtigen Beitrag für gesellschaftlich unentbehrliche Bereiche, denken wir nur an die Bildungsförderung von Kindern, den Naturschutz oder den Erhalt von Kunst und Kulturgütern. Diese Werte mit Hilfe unserer rechtlichen Expertise zu schützen und die Gründung einer Stiftung von der ersten Sekunde an zu begleiten, ist eine äußerst erfüllende Arbeit. Zugleich haben wir festgestellt, dass Stiftungen allzu häufig das einfachste Handwerkszeug des Marketing – nämlich Basiswissen zu ihren Marken – fehlt, obwohl gerade Stiftungen mit einer konsistenten und straffen Markenstrategie ihre Position im Konzert der Gemeinnützigen entscheidend stärken könnten. Von Lehsten: Ich habe großen Respekt vor den Menschen, die sich in Stiftungen engagieren und auf unterschiedliche Weise gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Dieses Engagement zu unterstützen in dem man Wirksamkeit, Bedürfnisorientierung und Nachhaltigkeit über die Marke befördert und innerhalb eines Markenentwicklungsprozess innovative und zukunftsweisende Antworten dazu findet, treibt mich in meiner Arbeit immer wieder an. Schiemenz: Seit vielen Jahren gebe ich ja bereits Seminare und halte Vorträge für Stiftungen und gemeinnützige Organisationen. Daher hat es mich jetzt besonders gereizt, als Trio aufzutreten. Die Kombination von drei Referenten mit drei Schwerpunkten für eine Zielgruppe ist für mich etwas ganz besonderes, etwas sehr inspirierendes. »Marke« ist ein Begriff aus der Wirtschaft. Warum ist das Thema für Stiftungen und Nonprofitorganisationen relevant? Von Lehsten: Eine der grundsätzlichen Aufgaben des Workshops ist es, mit genau diesen Vorurteilen aufzuräumen. Deshalb versuchen wir zu Beginn den Markenbegriff zu ersetzen, dass die Teilnehmer sich den unterschiedlichen Nutzendimensionen und Funktionen der Marke im Stiftungskontext unvoreingenommen öffnen können. Dabei ergeben sich neue Perspektiven auf die Funktion von Stiftungsmarken: neben Identifikation und Motivation nach innen und außen schafft es die Marke die Tätigkeiten der Stiftungen zu fokussieren und zielorientiert auszurichten. Sie entfaltet dabei ein positives Vorstellungsbild, das die Identität der Stiftung mit den Zielgruppenbedürfnissen zusammenführt. Decker: Ihre Frage trifft das Kernproblem. Stiftungen funktionieren in vielen Aspekten wie Unternehmen, auch wenn sie gemeinnützig tätig sind. Das widerspricht sich in keiner Weise. Im Gegenteil – Stiftungen werben um Investoren und müssen sich von anderen Stiftungen abgrenzen. Das sollte nicht unterschätzt werden. Diese Erkenntnis etabliert sich jedoch nur langsam. Schiemenz: Profit- und Nonprofit-Unternehmen trennt einiges doch sie haben auch viele Gemeinsamkeiten. Ich bin davon überzeugt, dass es zwischen diesen beiden unternehmerischen Welten ganz viele Synergien gibt. Grundsätzlich müssen sich gemeinnützige Unternehmen, ganz besonders dann, wenn sie durch Spenden unterstützt werden, die Fragen stellen, ob sie effektiv arbeiten. Effektiv heißt hierbei oft, keine Mittel zu verschwenden, die Ressourcen gezielt und ergebnisorientiert einzusetzen. Deshalb ist es immer klug, den Blick über den Tellerrand zu werfen und zu prüfen, was eine Stiftungen von einem Wirtschaftsbetrieb lernen kann. Aber auch, was anders gemacht werden kann. Vor welchen wesentlichen Herausforderungen stehen aus Ihrer Sicht die Organisationen und Stiftungen? Von Lehsten: Generell müssen sich Stiftungen heute stärker um die Relevanz und Wirksamkeit Ihrer Arbeit bemühen. Vor allem gemeinnützige Stiftungen sind ja geradezu verpflichtet dazu. Die steigende Zahl an Stiftungen und Institutionen erleichtert diese Aufgabe nicht gerade, sondern sorgt für Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Unterstützung. Eine zentrale Herausforderung liegt auch darin, die spezifische Qualität der eigenen Leistungen und Angebote und Tätigkeitsfeldern anderer Stiftungen gegenüber ähnlichen Angeboten unterscheidbar zu machen. Decker: Ich kann wunderbar an meine Antwort auf die vorhergehende Frage anknüpfen. Eine Herausforderung wird sein, zu akzeptieren, dass sich die unternehmerischen Anforderungen unserer Zeit auch für Stiftungen stellen. Schiemenz: Ich bin davon überzeugt, dass sich gemeinnützige, steuerbefreite Organisationen in der Zukunft viel stärker der Frage stellen müssen, ob sie ihren Zweck auch wirklich erfüllen. Also die Frage, ob die Steuerbefreiung beispielsweise gesellschaftlich gerechtfertigt ist. Ein gezieltes Marketing kann an dieser Stelle sehr hilfreich sein. Dr. Decker, ist Markenschutz nicht nur etwas für große Stiftungen? Überspitzt formuliert, könnte ich Ihnen mit einer Gegenfrage antworten: „Ist ein Faxgerät oder ein Server nur etwas für große Stiftungen?“ Was ich damit meine, liegt auf der Hand. Eine gelungene Markenstrategie sollte nicht als Luxus missverstanden werden, sondern eine Selbstverständlichkeit darstellen. Die Kosten und der Umfang einer Markenberatung können ganz individuell angepasst werden, so dass auch kleinere Stiftungen davon profitieren. Herr von Lehsten: kann sich eine kleine Organisation einen Markenprozess überhaupt leisten? Das kann ich eindeutig mit JA beantworten. Gerade kleinere Organisationen mit geringem Stiftungskapital, die auf Förderer und Zustifter angewiesen sind, benötigen ein klares Profil und zielgerichtete Kommunikationsmaßnahmen, um sich Gehör in ihrem Umfeld zu verschaffen. Ein Markenentwicklungsprozess für eine kleine Organisationen kann auch im Bezug auf Zeit und Kosten sehr kompakt ablaufen. Es kommt dabei vor allem auf eine klare Zielsetzung an. Was will man als Stiftung mit dem Markenprozess erreichen? Im Kern geht es immer um eine Fokussierung im Angebot, im Profil, in der Kommunikation. Herr Schiemenz: sind für spendensammelnde Organisationen nicht die Projekte wichtiger als eine Marke? Das ist so, als wenn Sie sich zwischen Essen oder Trinken entscheiden müssen. Nein, beides ist wichtig. Eine Organisation mit einer starken Marke, mit einer sehr guten Kommunikation kann ohne gute Projekte nicht wirken. Der Inhalt, also das Projekt, und die Form, also die Marke, müssen zusammen passen. Doch auch das beste Projekt allein wird nicht ausreichen, eine Organisation dauerhaft zu etablieren. Dazu gehört mehr: eine starke Marke, ein eindeutiges Corporate Design und ein intelligentes Marketing. Welches sind die gravierendsten Fehler von Organisationen? Von Lehsten: Viele Nonprofit-Organisationen und Stiftungen stehen vor der selben Herausforderung wie Kultureinrichtungen oder Bildungseinrichtungen: sie müssen sich stärker an den Bedürfnissen ihrer Zielgruppen orientieren um im zunehmenden Wettbewerb zu bestehen. Erst wenn der Prozess einsetzt, sich dieser Sichtweise zu öffnen, kann relevante Zweckerfüllung entstehen. Decker: Stiftungen sollten sich an die Herausforderungen einer gelungenen Markenstrategie herantrauen, wenn sie sich langfristig in den Köpfen ihrer Zielgruppe etablieren wollen. Speziell im Bereich digitaler Medien wachsen die Möglichkeiten für Dialog und Austausch. Auch unterliegen bestimmte Wertanschauungen einem gesellschaftlichen Wandel, der sich auch in der Markenkommunikation widerspiegeln kann. Schiemenz: Viele gemeinnützige Organisationen, ganz besonders aber die kleineren Stiftungen, beschäftigen sich nicht wirklich mit dem Thema. Sie verdrängen es, schieben es auf. Das ist in dem Wettbewerbsumwelt des heutiges Nonprofit-Marktes ein gravierender Fehler. Vogelstraußpolitik, also den Kopf in den Sand stecken, taugt hier nichts. Kann nicht ein klares Design die Marke ersetzen? Von Lehsten: Das »klare Design« ist am Ende Ausdruck einer erfolgreichen Markenentwicklung und übernimmt eine wichtige Funktion innerhalb der Marke. Die Marke ist aber nicht nur ein Logo. Sie ist ein positives Vorstellungsbild, das sich durch die Ganzheitlichkeit von Kommunikation, Auftreten und Verhalten der Stiftung als Absender langfristig in den Köpfen seiner Zielgruppen manifestiert. Die Marke schafft für die Angebote und die Identität der Stiftung nachhaltige Differenzierbarkeit im Verhältnis zum eigenen Konkurrenzumfeld – als Qualitätsanker und als Übermittlerin von Emotionen, Sinnhaftigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Decker: Nehmen Sie das Beispiel „Stiftung Warentest“ – Können Sie mir ad hoc sagen, wie das Design der Marke aussieht? Oder fällt es Ihnen leichter, mir kurz und bündig zu beschreiben, was die Stiftung macht und wofür sie steht? Sie merken also, dass eine Marke sich nicht in einer Ansammlung von Zeichen und Bildern erschöpft, sondern im besten Fall ein Bild im Kopf der Menschen erzeugt, wenn sie von einer Marke sprechen. Dabei versteht es sich von selbst, dass sich das Design des Logos und die Marke ideal ergänzen sollten. Schiemenz: Glücklicherweise sind wir Menschen emotional. Unsere Gefühlswelt bestimmt über die rationale Wahrnehmung. Daher ist es natürlich ganz besonders entscheidend, dass die Markenattribute, die Emotionen einer Marke, über ein bestimmtes Erscheinungsbild transportiert werden. Wie häufig muss sich eine Organisation mit der Marke beschäftigen? Von Lehsten: Die Marke als Vorstellungsbild entsteht von innen nach außen. Das bedeutet, dass zunächst, das Selbstbild zur eigenen Identität der Organisation intern erarbeitet wird und dann der Abgleich mit externen Zielgruppen bezüglich deren Fremdbild stattfindet. Beide Sichtweisen entwickeln sich stetig weiter, so dass diese Beziehung von Innen und Außen laufend gepflegt werden muss. Hier liegt das Potential für Innovationen mit dem Stiftungen ihr gesellschaftliches Engagement vorantreiben können. Decker: Ganz allgemein verläuft die Positionierung einer Marke verschiedenen Schritten: Am Anfang steht die gemeinsame Entwicklung in enger Zusammenarbeit mit einem rechtlichen Berater und einer Designagentur. Nach einer ausführlichen Recherche stellen wir einen Eintragungsantrag beim Deutschen Patent- und Markenamt. Unter Umständen hat das DPMA etwas zu beanstanden und ein Widerspruch wird erforderlich. Nach erfolgreicher Eintragung überwachen wir die Marke hinsichtlich potentieller oder erfolgter Verletzungen. Dazu gehört natürlich auch, dass wir im Verletzungsfall rechtliche Schritte einleiten müssen. Außerdem überprüfen wir das Markenkonzept regelmäßig auf Aktualität und Anpassungsbedarf. Schiemenz: Immer! Eine Organisation, ein Unternehmen, eine Stiftung muss sich immer mit der Marke beschäftigen. Und ganz häufig findet dass ja auch im Alltag statt. Planmäßig sollte grundsätzlich bei der Auswahl eines Projektes die Frage gestellt werden: passt das zur Marke der Stiftung. Auch die Spendenbriefe sollten nicht nur im Design sondern auch im Inhalt den Markencheck bestehen. Selbst die Auswahl des Personals kann aus meiner Sicht nicht von der Marke losgelöst werden. Gemeinnützige Organisationen leisten wichtiges für die Gesellschaft. Ist da eine Markenführung überhaupt notwendig? Von Lehsten: Gerade gemeinnützige Organisationen sind aufgrund der steuerlichen Begünstigungen dazu verpflichtet ihre Arbeit gesellschaftlich zu legitimieren. Dies tun sie am besten dadurch, dass sie mit Hilfe eines effizienten und effektiven Management ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Die Markenführung als strategisches Instrument hilft ihnen dabei, unter anderem durch die Fokussierung der Tätigkeitsfelder, die Entwicklung zielgruppengerechter Angebote und die Förderung von Innovationsbereitschaft in der Organisation. Die Marke unterstützt also den Erfolg von gemeinnützigen Organisationen und ihren Projekten. Decker: Gemeinnützigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit schließen sich nicht gegenseitig aus. Dabei handelt es sich auch nicht um einen vermeintlichen Tabubruch, sondern um die Anerkennung der realen Lage. Es ist sowohl im Sinne des Stifters als auch der Gesellschaft, wenn eine Stiftung ihr Vermögen zielgerichtet einsetzt und intelligent verwaltet. Auf diese Weise können Stiftungen noch viel nachhaltiger arbeiten. Schiemenz: Walter Fisch wird das Zitat zugeschrieben: "Tue gutes und sprich darüber". Gerade in der heutigen Zeit prasseln so viele Informationen, Nachrichten, Bilder, Eindrücke auf uns Menschen ein. Wir nehmen an vielen Stellen nur noch das Fettgedruckte war. Daher ist es wichtig, die guten Taten einer gemeinnützigen Aktivität auch richtig zu positionieren. Das erwartet die Gesellschaft, die sich in vielfältiger Weise an gemeinnützigen Aktivitäten beteiligt, von Stiftungen und Organisationen. Deshalb ist es wichtig, den interessierten Menschen die richtigen Nachrichten, die richtigen Botschaften zu senden. Und für mich ist es einfach wunderbar, mit welcher Leidenschaft beispielsweise Spender von der Arbeiter "ihrer Organisation" berichten. D7/173-13