Barkow Leibinger | Tour Total, Berlin © Corinne Rose Barkow Leibinger Tour Total, Berlin STÄDTEBAU Mit der „Europacity“ entsteht unmittelbar im Anschluss an den Berliner Hauptbahnhof ein neues, knapp 40 Hektar großes Stadtquartier. Auf Grundlage eines Masterplans wird sich rund um die Heidestraße langfristig ein Areal mit Kunstcampus, Marina, Restaurants, Wohnungen und Büros entwickeln. Als erster Baustein im neuen Quartier wurde im Sommer 2012 die neue Deutschlandzentrale des Mineralölunternehmens Total fertig gestellt. Eine wichtige Anforderung an den „Tour Total“ war es, dass er als weithin sichtbares Hochhaus im Bezug auf die städtebauliche und architektonische Qualität einen Maßstab setzen sollte. Der Entwurf wurde vom Berliner Büro Barkow Leibinger entwickelt und in mehreren Workshopverfahren gemeinsam mit einer Jury aus Bauherren, Nutzern, externen Gutachtern und Vertretern von Stadt und Land Berlin weiter verfeinert. Das 68 Meter hohe Gebäude mit 17 Obergeschossen (16 Büroebenen und ein Technikgeschoss) hat knapp 18.000 qm BGF, einschließlich der drei Untergeschosse mit Tiefgarage sind es 28.000 qm BGF. Nachhaltigkeit war ein wichtiges Planungsziel. Schon früh im Planungsprozess stand fest, dass eine DGNB-Zertifizierung in Silber erreicht werden soll. Komponenten des Klimakonzepts sind unter anderem eine effiziente Energierückgewinnung, eine Dreifachverglasung und ein außen liegender Sonnenschutz. Die Kubatur des Gebäudes ergibt sich zunächst aus den Anforderungen optimierter, gut zu belichtender und natürlich zu belüftender Bürogrundrisse. Städtebauliche Rahmenbedingungen machen außerdem ihren Einfluss geltend: Den Vorgaben des Masterplans folgend, richtet sich das Gebäude mit seiner Stirnseite nach Norden frontal auf den zukünftig gegenüber liegenden Platz aus. Im Sockel vollzieht sich eine Verdrehung, in der die Bewegungsrichtungen von Minna-Cauer-Straße und Heidestraße zueinander finden. Die Längsseiten sind leicht gefaltet, um vielfältiger in den Stadtraum hineinzuwirken und der Ansicht die Länge zu nehmen. Die Kolonnaden im Sockelbereich „verankern“ das Haus im Stadtraum und schaffen wie ein Filter einen Übergang zwischen innen und außen. Die Aufzugslobby des kompakten Erschließungskerns liegt nicht zentral in der Mitte des Gebäudes, sondern an der Fassade, so dass sich eine attraktive Zugangssituation zu allen Büroebenen ergibt. Mit der Mieterberatung, Belegungsplanung und Möblierung in diesen Bereichen hat Total das Unternehmen Jones, Lang, LaSalle betraut. Das Bistro im Erdgeschoss wurde von den Berliner Architekten Leyck Wollenberg geplant. An seiner städtebaulich exponierten Stelle am Umlenkungspunkt in die Heidestraße zeigt der „Tour Total“ nicht nur eine gewisse Plastizität im Baukörper. Auch die Fassade sollte das Leitmotiv der Dynamik, das ein zentrales Thema des mit Mobilität und Bewegung befassten Nutzers ist, noch weiter fortführen. Die bewegte äußere Hülle übernimmt – aufbauend auf dem zugrunde liegenden rationalen Raster – die Aufgabe, wie ein Medium zwischen Gebäude und Stadt zu vermitteln, die großen und kleinen Maßstäbe der Umgebung aufzugreifen, in der Annäherung und in der Vorbeifahrt das Gesicht des Tour Total zu verändern und die Vertikalität zu betonen. © CA Immo Der Masterplan Berlin Heidestraße wurde durch das Planungsbüro ASTOC, Köln (Städtebau), Studio Urban Catalyst, Berlin (Freiraumplanung) und ARGUS, Hamburg (Verkehrsplanung), auf Basis eines preisgekrönten Wettbewerbsentwurfs im Jahr 2008 erarbeitet. D C1 C2 Nutzung B A: Büro/Dienstleistungs- und Hotelstandort B: Kunst-Campus C1: Hauptsächlich Wohnnutzungen C2: Hauptsächlich gewerbliche Nutzungen D: Büro/Dienstleistungs- und Freizeitnutzungen Stadträume A Hochhäuser Plätze Erschließung Hauptbahnhof Hauptbahnhof Nutzung/Stadtraum na in na M ße tra des Hei ße tra r-S ue Ca ue Ca in M ße ße ue Ca in M ße tra r-S 1 tra des Hei tra des Hei ße tra r-S ße na tra des Hei aße ße tra r-S ue Ca na in M 2 Europaplatz 3 Fassade zum Platz Europaplatz Europaplatz Stadtachse Europaplatz Hauptbahnhof Hauptbahnhof 3 Hochpunkte in unmittelbarer Nachbarschaft Ausrichtung der Stirnseite zum Platz Hauptbahnhof Auflösung des Blocks - Durchwegung Hauptbahnhof Orthogonales System Heidestraße Radiales System Europaplatz 3 Hochpunkte in unmittelbarer Nachbarschaft Ausrichtung der Stirnseite zum Platz Auflösung des Blocks - Durchwegung Entwicklung ße tra S r ue Ca na in M e traß on M an Je des Hei ße tra -S t ne Europaplatz e raß st en d ali Inv HBF Lageplan © Johannes Foerster © Christian Richters © Corinne Rose © Corinne Rose geplanter 2. Bauabschnitt/Passage 1 0 1 5 4 6 3 7 2 1. Bistro 2. Lobby 3. Servicecenter 4. Aufzugslobby 5. Anlieferung 6. Bauabschnitt 2 7. Fußgängerpassage 0 1 5 10 m Grundriss Erdgeschoss 10 m 5 1 0 2 1 1. offener Bürogrundriss 2. Aufzugslobby 0 1 5 10 m Grundriss Regelgeschoss 3 4 2 1. Lobby 2. Konferenz 3. Büro 4. Bauabschnitt 2 5. Tiefgarage 6. Fußgängerpassage 6 1 0 1 5 10 m 5 0 1 5 10 m Schnitt © Corinne Rose © Corinne Rose © Christian Richters © Corinne Rose © Corinne Rose Barkow Leibinger Tour Total, Berlin FASSADE asymmetrisches K-Modul Fertigung: 2 T-Elemente bilden ein K-Modul Grundsätzlich ist es ein Anliegen der Arbeit von Barkow Leibinger, die Fassade als eigenständiges architektonisches Element und als räumliche Schicht zu betrachten und zu behandeln: Viele Fassaden verfügen über eine Tiefe und Plastizität, die nach innen und außen wirkt. Fassaden sind oftmals gefaltet oder aus sich überlagernden Ebenen aufgebaut, sie suchen nach einer gewissen Expressivität und Bewegung, natürlich immer im Rahmen dessen, was der Kontext erlaubt oder vorgibt. So sind Fassaden zugleich Träger von Funktion und Technik, sie sind entscheidender Faktor in Nachhaltigkeitskonzepten, aber eben auch ein Feld für gestalterisches Experiment und bautechnische Innovation. Mit dem Tour Total sollte der Nachweis erbracht werden, dass sich auch mit dem energetisch sinnvollen Maß von offener zu geschlossener Fläche im Verhältnis 60:40 und einem wirtschaftlichen Budget für eine Hochhausfassade eine technisch und gestalterisch anspruchsvolle Lösung realisieren lässt. Bei der Planung und Umsetzung von Fassaden spielen in vielen Projekten des Büros die Themen Vorfertigung und die Erzeugung von Komplexität durch Variation einfacher Grundmodule oftmals eine Rolle. So lösen auch beim Tour Total die Wiederholung und Variation eines Betonfertigteil-Moduls die Strenge des tragenden Rasters auf. Die hellen Beton-Elemente überziehen den Baukörper mit einem bewegten Linienverlauf, der die Wirkung von Licht und Schatten auf der Fassade verstärkt. Ganz bewusst wurde das komplexe Fassadenbild nicht über die Arbeit mit mehreren verschiedenen Materialien, unterschiedlich großen Modulen oder mit unterschiedlichen Rastern innerhalb der gleichen Fassade erzeugt – sondern mit einem asymmetrischen Grundmodul, das in leichter Variation zum Einsatz kommt und durch unterschiedliche Versätze quasi von allein Vielfalt erzeugt. Als Grundtypus für die vorgehängten Betonelemente wurde ein K-förmiges Modul mit einem diagonal verlaufenden Grat entwickelt, das über vier Geschosse reicht. Das „K“ ist aus zwei dreidimensionalen Elementen zusammengesetzt. Diese Elemente reichen jeweils über zwei Geschosse und sind 7,35m hoch. Sie haben eine T-Form, so dass zugleich die vertikale Lisene und das horizontale Brüstungsband ausgebildet werden. So lässt sich auch eine Verdrehung der Lisenen unter dem Einfluss der horizontalen Windlasten verhindern. Das vertikale Element des „T“ ist 40cm breit, das horizontale Element 2,30m. Die maximale Tiefe der Fertigteile variiert um bis zu 20,5cm. Die plastische Struktur der Fassade entsteht dadurch, dass die „K-Module“ gespiegelt und seitlich zueinander versetzt zum Einsatz kommen. Hergestellt wurden die insgesamt ca. 1.300 Elemente aus einem Architekturbeton der Firma Dreßler auf Basis von Weißzement. Aufgrund der gewünschten, möglichst scharfkantigen Geometrie der Elemente war eine große handwerkliche Präzision beim Einbringen und Verdichten des Betons erforderlich. Zum Abschluss wurden die Elemente an der Oberfläche gesäuert, was dem Material eine besonders feine Erscheinung verleiht. Je nach Wetter, Jahres- und Tageszeit zeichnet der wechselnde Lichteinfall ganz unterschiedliche Bilder auf die Fassade. Durch ein Beleuchtungskonzept, das gemeinsam mit dem Studio Dinnebier entwickelt wurde, ließe sich dieser Effekt auch in die Nachtstunden übertragen. In der Lobby greift eine Wandverkleidung aus weiß glasierten Keramikfliesen das Prinzip der Fassade auf und übersetzt sie vom stadträumlichen in einen innenräumlichen Maßstab. * Varianten einer Fassade aus vorgefertigten Grundelement K-Modul * ausgewählte Variante Varianten einer Fassade aus dem vorgefertigten Grundelement „K-Modul“ * ausgewähltes Prinzip: schräger Verlauf H H H H H 42 5 H 5 42 42 5 5 3,67 42 42 5 5 3,25 3,25 42 42 5 5 H H H H H H H H K-Module H 7,35 3,25 3,25 42 42 5 5 H H H H H H 3,25 5 3,25 3,25 3,25 42 42 5 5 H 3,25 3,67 3,25 H 3,25 5 H 5 42 H 42 3,25 H H 3,25 5 7,35 H 5 42 5 H H 42 3,25 3,67 H 5 5 H 42 3,67 H H H H H H H H H H H H H H H H H H H H T-Elemente Fassadenelementierung 3,2 3,2 H7 = STB-Geschossdecke h=30cm nach Statik Festverglasung Fassadenachse Öffnungsflügel Fassadenachse Bodenaufbau: Textilbelag, 5mm Hohlboden Dampfsperre Öffnungsflügel Verfugungen Fassadenbekleidung Festverglasung Blendschutz Innenkante STB-Stütze Fensterelement Regelgeschosse Fensterbank Kantblech Aluminium Abschlussprofil Bodenbelag Fensterbank Kantblech Aluminium Verkleidung STB-FT Befestigung / Oberfläche in Abstimmung Verkleidung STB-FT Außenliegender Sonnenschutz L-Profilwinkel Aluminium Öffnungsflügel Festverglasung Fensterelement Regelgeschosse Vertikalschnitt Teilansicht STB-Stütze 40/25 Oberfläche in Abst. 40 L-Profilwinkel Aluminium allseitig umlaufend für Toleranzaufn. Fassade / Rohbau; Oberfl. analog Fensterelemente nach Ang. Arch. 40 aden achs 20 Fass e Verlauf Vorderkante Abhangdecke / Kühldecke 9 30 25 97 F VK R Führungsschiene Sonnenschutz Oberfl. analog Oberfl. Fenster n. Ang. Arch. Fassadenachse 20 Abschlussprofil Bodenbelag Oberfläche analog Fenster, beidseitig zw. Rohbau / Fassade laufend 5 8 5 26 5 1,07 20 20 30 ac hs e 20 Fa ss ad en Verlauf Sockelleiste 25 5 5 28 20 5 6 Verkleidung STB-Fertigteile Befestigung n. Statik AN Oberfläche n. Bemusterung bzw. in Abst. Architekt 8 ca. 3 Befestigung STB-FT in Ebene Geschossdecke n. Statik AN 8 8 26 14 5 9 WD MW, A1 d ≥ 60mm VK RF 10 Verstärkung Stahlprofil n. Statik AN 2 5 5° 5,2 10 = 5 96 78 = Fensterbank Kantblech Aluminium Oberfl. analog Oberfl. Fensterel. n. Ang. Arch. Fensterelement Regelgeschosse Sonnenschutzisolierverglasung (3fach) Anford. Wärme- und Schallschutz gem. Bauteilkatalog BBM, Verglasung / Oberfläche nach Bem. / Ang. Architekt 9 8 ca. 38 89 1,07 9 20 20 40 8 ca. 1,65 L © Barkow Leibinger © Barkow Leibinger Vorfertigung bei der Firma Dreßler in Stockstadt © Barkow Leibinger Vorfertigung bei der Firma Dreßler in Stockstadt © Barkow Leibinger Vorfertigung bei der Firma Dreßler in Stockstadt © Barkow Leibinger Montage des „Kleinen T“, September 2011 © Corinne Rose © Corinne Rose © Corinne Rose © Corinne Rose © Christian Richters © Christian Richters © Nicole Nuñez/Barkow Leibinger © Johannes Foerster © Corinne Rose © Corinne Rose © Corinne Rose © Corinne Rose © Nicole Nuñez/Barkow Leibinger © Ina Reinecke / Barkow Leibinger Lichttest Illumination / Pre-Opening © Ina Reinecke / Barkow Leibinger Lichttest Illumination / Pre-Opening © Ina Reinecke / Barkow Leibinger Lichttest Illumination / Pre-Opening © Johannes Foerster Lichttest Illumination / Pre-Opening Barkow Leibinger Tour Total, Jean-Monnet-Straße 2, Berlin Programm Lobby, Büros, Konferenz- und Seminarräume, Tiefgarage Bauherr| Investor CA Immo Deutschland GmbH OrtBerlin, Deutschland Größe 28.000 qm gesamt / 18.000 qm oberirdisch Bauzeit 06 | 2010 – 09 | 2012 Architekten Barkow Leibinger Schillerstraße 94 10625 Berlin www.barkowleibinger.com Mitarbeiter Machbarkeitsstudie Martina Bauer, Michael Bölling, Hans-Georg Bauer, Patrick Delahoy, Hiroki Nakamura, Nora Peyer, Katrin Voermanek, Gabriel Warshawsky Mitarbeiter Entwurf und Ausführung Klaus Reintjes (Projektleitung) Hans-Georg Bauer, Andreas Lang, Christina Möller, Ruwen Rimpau, Tobias Wenz Modelle: Jens Weßel, Derek Bangle Werk 5, Berlin Pressekontakt [email protected] Quartiersentwicklung Europacity CA Immo Deutschland GmbH Projektmanagement und Investor CA Immo Deutschland GmbH Baumanagement omniCon Gesellschaft für innovatives Bauen mbH, Bereich Berlin Statik GuD Planungsgesellschaft Ingenieurbau mbH, Berlin Haustechnik Fürstenau & Partner Ingenieurgesellschaft mbH, Berlin Energiedesign energydesign braunschweig GmbH, Braunschweig Nachhaltigkeitsberatung Drees & Sommer, Berlin Brandschutz hhp Berlin Ingenieure für Brandschutz, Berlin Bauphysik Schallschutz/ Akustik BBM Müller-BBM, Berlin Fassadenberater Priedemann Fassadenberatung GmbH, Großbeeren/ Berlin Betonfertigteile Dreßler Bau GmbH, Stockstadt