2.6 Hygienemaßnahmen in speziellen P.egesituationen

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III.2 Infektiologie
2.6 Hygienemaßnahmen in speziellen Pßegesituationen
2.6
Hygienemaßnahmen in speziellen Pßegesituationen
U. BALLIES
XEinleitung
Infektionsprävention in „speziellen“ Situationen verlangt „spezielle“ Maßnahmen. Dabei
handelt es sich häuÞg nicht um Einzelmaßnahmen, sondern um sog. Maßnahmenbündel.
© Behr’s Verlag, Hamburg
Die Erfahrung hat gezeigt, dass trotz des weltweit etablierten Konzeptes der Evidencebased Medicine und trotz der Enzwicklung evidenzbasierter Leitlinien die Erfolge der
Infektionsprävention hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Obwohl viele evidenzbasierte infektionspräventive Maßnahmen bekannt sind, lässt die konsequente
Umsetzung dieser Maßnahmen in der Routine der Hygienepraxis vielerorts zu wünschen
übrig.
Probleme bei der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis basieren
häuÞg auf Unwissenheit. Andererseits ist aber das Wissen um diese Erkenntnisse auch
kein Garant für deren Umsetzung, d. h.: Auch evidenzbasierte Leitlinien sind keineswegs
selbstimplementierend. Die Erkenntnis, dass einer auch noch so breit angelegten Publikation von Leitlinien nicht automatisch die Umsetzung ihrer Inhalte im klinischen Alltag
folgt, führte zur Entwicklung geeigneter Implementierungsstrategien.
Eine dieser Implementierungsstrategien, das sog. Bündelkonzept, hat sich als besonders
erfolgreich erwiesen.
Das Prinzip dieses Konzeptes besteht darin, aus allen evidenzbasierten Präventionsmaßnahmen einer Leitlinie nur ein Bündel (engl. bundle) von wenigen wesentlichen Interventionsmaßnahmen mit hohem Evidenzgrad auszuwählen und nur auf deren Umsetzung zu
fokussieren.
Das Bündelkonzept beruht auf den Erfahrungen des Institute for Healthcare Improvement
(IHI), dass
x die Qualität der Patientenversorgung maßgeblich von dem individuellen Wissen, den
Fähigkeiten und der Motivation des medizinischen Personals abhängt.
x nur 50 % der Patienten eine Versorgung erhalten, die den gültigen Empfehlungen entspricht
x die meisten klinischen Arbeitsabläufe eine Fehlerrate von 50 % aufweisen und dementsprechend – gemessen an industriellen Prozessen – als „chaotische Prozesse“ einzustufen sind.
Hygienepraxis im Gesundheitswesen 13 06 29
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III.2 Infektiologie
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Das Konzept des IHI besteht darin, dem medizinischen Personal ein Bündel von drei bis
fünf einfachen, aber evidenzbasierten, relevanten Einzelmaßnahmen zu schnüren, deren
konsequente Umsetzung letztendlich zur Verbesserung der Patientenversorgung führt.
Ein „Bündel“ ist mehr als nur eine Checkliste. Das IHI deÞniert ein Bündel als einen
strukturierten Weg zur Verbesserung der Versorgungsabläufe und -ergebnisse, üblicherweise bestehend aus drei bis fünf einfachen Interventionsmaßnahmen, die bereits als Einzelmaßnahme ihre Effektivität bewiesen haben und von denen zu erwarten ist, dass sie
das Ergebnis der Patientenversorgung bei gemeinsamer („gebündelter“) und konsequenter Umsetzung nachweislich verbessern.
Die Wirksamkeit eines Bündels, d. h. die Auswirkung auf das Ergebnis der Patientenversorgung (outcome) hängt damit sowohl von der Evidenz seiner Einzelkomponenten als
auch von deren konsequenter simultaner Umsetzung ab.
x bei seiner Zusammenstellung und Implementierung Fehler gemacht werden,
x eine der Bündelkomponenten nicht beachtet wird,
x die Motivation der Mitarbeiter zur vollständigen Umsetzung nicht gefördert wird,
x die Compliance der Umsetzung nicht gemessen und den Mitarbeitern mitgeteilt wird
(Surveillance).
Die Entwicklung und Implementierung von Bündeln umfasst folgende Schritte:
1. IdentiÞzierung von zwei bis fünf evidenzbasierten Maßnahmen für den betreffenden
Prozess
2. Festlegung von Zuständigkeiten und Situationen für das Bündel
Jede der zusammengefassten Einzelmaßnahmen muss klar deÞnierten, für die Umsetzung zuständigen Personen sowie klar deÞnierten Situationen zugeordnet werden.
3. Bildung eines Teams
Ein motiviertes, gut organisiertes, offen kommunizierendes, ggf. interdisziplinäres
Arbeitsteam ist essentiell für die erfolgreiche Implementierung.
4. Fortbildung und Schulung
Die Compliance der Teammitglieder hängt wesentlich von ihrem Informationsstand
ab. Grundkenntnisse der zu vermeidenden Infektion sind zu vermitteln sowie kontinuierliche Schulungen durchzuführen, in denen neueste wissenschaftliche Erkenntnisse
zu den Bündelkomponenten vermittelt werden.
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Eine Verbesserung der Versorgungsqualität durch ein Bündel ist somit nicht zu erwarten,
wenn
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5. Messung der Compliance
Die Compliance, mit der Maßnahmenbündel umgesetzt werden, wird nach dem
„Alles-oder-Nichts-Prinzip“ gemessen, d. h.: Wenn eine der festgelegten Maßnahmen
vergessen oder ignoriert wurde, gilt bei dem betroffenen Patienten das gesamte Bündel als nicht umgesetzt. Anzustreben ist eine Compliance-Rate von 95 %.
6. Surveillance
Voraussetzung für die Implementierung eines Bündels ist die Kenntnis der zu beeinßussenden Zielgröße, also der HäuÞgkeit der nosokomialen Infektion, die infektionspräventiv reduziert werden soll.
7. Feedback
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Die Ergebnisse der Infektions-Surveillance und der Compliance-Messungen müssen
zeitnah und kontinuierlich mit den zuständigen Mitarbeitern kommuniziert werden.
Detaillierte Ausführungen zur schrittweisen Implementierung von Bündeln zur Prävention nosokomialer Infektionen Þnden sich auf der Internetseite des IHI (www.ihi.org).
Mit der Bündelstrategie hat die Infektionsprävention zwar nicht den einzig gangbaren
Königsweg betreten, doch scheint diese Strategie nach bisherigem Kenntnisstand ein
wichtiger Schritt in die richtige Richtung zu sein, eine messbare, deutliche Reduktion von
nosokomialen Infektionsraten zu erzielen und die Patientensicherheit in diesem Punkt
nachhaltig zu verbessern.
Auch Bündel können nur Teil einer Gesamtstrategie zur Optimierung des Hygienemanagements sein. Sie führen nur dann zu dem gewünschten Erfolg, wenn alle Bündelkomponenten evidenzbasiert sind und mit hoher Compliance umgesetzt werden.
Einige schwere nosokomiale Infektionen, insbesondere die Ventilator-assoziierte Pneumonie und die Gefäßkatheter-assoziierte Blutstrominfektion, wurden mit Bündeln bereits
sehr erfolgreich bekämpft.
Diese Bündel werden in den entsprechenden Kapiteln über die device-assoziierten Infektionen berücksichtigt.
Programme zur Infektionsprävention der häuÞgsten im Rahmen intensivmedizinischer
Betreuung auftretenden Nosokomialinfektionen Ventilator-assoziierte Pneumonie (VAP),
ZVK-assoziierte Bakteriämie und Harnwegskatheter-assoziierte Harnwegsinfektion sind
vielschichtig und anspruchsvoll. Die Programmteile, die für alle genannten Infektionslokalisationen mehr oder weniger gleichermaßen gelten, werden im Folgenden gemeinsam
dargestellt.
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x Personalausstattung
Eine qualitativ und quantitativ ausreichende Personalausstattung von Intensivstationen wird empfohlen. In der Vergangenheit konnte im Rahmen der Analyse von Ausbruchsepisoden wiederholt gezeigt werden, dass die Ausbruchsereignisse mit Personalmangelsituationen assoziiert waren. Darüber hinaus wurde auch für endemische
Situationen gezeigt, dass Personalmangel z. B. mit einer hohen Sepsis-Inzidenz assoziiert war.
x Schulungsprogramme und Präventionsprotokolle
Dabei genügt es nicht, Einzelmaßnahmen oder auch Maßnahmenbündel im Hygieneplan festzulegen, die damit verbundenen Handlungsabläufe müssen vielmehr im
Rahmen intensiver Schulungen kommuniziert und im Team trainiert werden. Zwar
wurden diese Studien auf Intensivstationen durchgeführt, ihre Ergebnisse lassen sich
aber ziemlich sicher auf „Normalstationen“ übertragen:
Auch im Routinebetrieb einer internistischen oder chirurgischen Station scheint es
sinnvoll, wichtige Handlungsabläufe in der medizinischen und pßegerischen Patientenversorgung zu standardisieren und das Personal darauf zu trainieren.
x Surveillance
Die Rate an Device-assoziierten Infektionen sowie auch anderer nosokomialer Infektionen sollte regelmäßig erfasst und analysiert werden, um Trends erkennen und
die Situation der eigenen Abteilung im Vergleich zu anderen beurteilen zu können.
Voraussetzung für die Vergleichbarkeit der Daten und für ihre Auswertung im Sinne
einer ständigen Verbesserung der Hygienequalität ist die Anwendung einheitlicher
DeÞnitionen zur Diagnose von VAP, postoperativer Wundinfektionen etc., sowie die
Bestimmung einheitlicher Raten (z. B. Anzahl von VAP pro 1.000 Beatmungstage
und Anzahl von Bakteriämien pro 1.000 ZVK-Tage).
Des Weiteren wird empfohlen, die verursachenden Erreger incl. ihrer Resistenzsituation regelmäßig zu erfassen und zu analysieren.
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Eine Vielzahl von Studien belegt, dass entsprechende Schulungsprogramme für das
Personal auf Intensivstationen die Rate nosokomialer Infektionen reduzieren können,
und zwar für die Ventilator-assoziierte Pneumonie, die ZVK-assoziierte Bakteriämie und die Katheter-assoziierte Harnwegsinfektion. Das heißt: Der strikt aseptische
Umgang mit sog. Devices reduziert das Infektionsrisiko!
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XHygiene bei multiresistenten Erregern
Health care associated infections (HAI) sind in den entwickelten Industrieländern die mit
Abstand häuÞgste Form der relevanten Infektionskrankheiten und eine der häuÞgsten
Todesursachen. In der Europäischen Union sehen Gesundheitsexperten in der Zunahme
nosokomialer Infektionen die größte Bedrohung für die Bevölkerung und bewerten deren
Gefahrenpotential deutlich höher als das durch pandemische Inßuenza und HIV.
Der Erkennung und Prävention von HAI wird demzufolge im gesamten Gesundheitssektor höchste Priorität beigemessen.
© Behr’s Verlag, Hamburg
Derzeit geht man bei den nosokomialen Infektionen von einem Vermeidungspotential
von etwa 30 % durch moderne Präventionsmaßnahmen aus.
Die aktuelle Situation ist gekennzeichnet durch die zunehmende Ausbreitung von multiresistenten Erregern (MRE), durch den medizinischen Fortschritt mit ständig neuen diagnostischen und therapeutischen Verfahren und Produkten, durch die steigende Anzahl
immunsupprimierter Patienten, durch den Mangel an qualiÞziertem und motiviertem Personal für die Umsetzung und Überwachung der Infektionspräventionsmaßnahmen sowie
relativ häuÞg durch Inkompetenz bei der Anwendung präventiver Maßnahmen wie konsequentes Hygieneverhalten und rationale Antibiotikastrategie.
Die Geschichte der MRE beginnt 1961 mit dem ersten Nachweis von MRSA und ist seitdem geprägt von der weltweit zunehmenden Ausbreitung von MRSA-Stämmen und das
Auftreten weiterer MRE wie VRE, VISA und MRGN.
Während bei MRSA noch hinreichend antiinfektive Substanzen für die Therapie zur
Verfügung stehen, ist bei Multiresistenz im gramnegativen Segment zu berücksichtigen,
dass die rasche chemotherapeutische Eliminierung nicht mehr möglich ist, die Behandlung also häuÞg versagt, und darüber hinaus die Ausbreitung dieser gefährlichen Erreger begünstigt wird. Diese Entwicklung ist nicht mehr beherrschbar, insbesondere nicht
durch Einzelmaßnahmen wie Antiseptik, Desinfektion und Sterilisation.
Die einzige Chance, in der Krankenhaushygiene nicht zu kapitulieren, sondern im Sinne
einer proaktiven Strategie die Ausbreitung multiresistenter Erreger möglichst einzudämmen, ist das Multibarrieresystem der Infektionsprävention mit den Schwerpunkten Screening, Isolierung, Desinfektion, Antiseptik, MP-Aufbereitung, rationale Antibiotikastrategie und Surveillance.
Dieses Konzept wird seit den 70er Jahren in der evidenzbasierten Krankenhaushygiene
konsequent verfolgt und weiterentwickelt.
Die Verabschiedung des Änderungsgesetzes zum IfSG im Jahr 2012, wonach die Einhaltung der KRINKO-Empfehlungen dem Stand des Wissens Rechnung trägt und deren
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