Leseprobe 200601

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Der folgende Auszug ist eine Leseprobe der Zeitschrift Das Orchester.
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Schwerpunkt
Über die Arbeits- und Berufszufriedenheit im Orchestermusikerberuf ist verschiedentlich, auch an dieser Stelle, schon
publiziert worden. Eine umfassende Studie, die repräsentativ
ist, liegt erst seit Kurzem vor. Der folgende Beitrag fasst
die wichtigsten Ergebnisse zusammen.
Was
zufrieden
macht
Eine repräsentative Studie zur Arbeits- und
Berufszufriedenheit im Orchestermusikerberuf
Sabrina Paternoga
Die Arbeits- und Berufszufriedenheit im Orchestermusikerberuf ist nicht nur von berufsbezogenen Komponenten – etwa der
zeitlichen Inanspruchnahme durch die Dienste oder dem kollegialen Umfeld – abhängig, sondern z. B. auch von der Instrumentengruppe, der Orchesterkategorie, Aspekten des Freizeitlebens, soziodemografischen Merkmalen sowie der Persönlich-
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keit des Musikers. Dies zeigt eine an 467 Orchestermusikern aus
18 Kulturorchestern durchgeführte repräsentative Studie. Wenn
sich die Orchestermusiker auch als mit ihrer Arbeit insgesamt
recht zufrieden herausstellten, so wurden doch einzelne Aspekte
ungünstig beurteilt – vor allem die Aufstiegsmöglichkeiten oder
die Mitsprachemöglichkeiten in künstlerischen Fragen.
Das Orchester 1/06
Foto: Gert Mothes
Ansichten zur Arbeitszufriedenheit
bei Orchestermusikern und Forschungsstand
In den Medien heißt es immer wieder, Orchestermusiker seien
arbeitsunzufrieden und unglücklich. Auch namhafte Dirigenten
halten den Orchestermusiker für „frustriert“ bzw. „verzweifelt“:
Das Orchester 1/06
So hat sich beispielsweise Nikolaus Harnoncourt in einem Interview folgendermaßen geäußert: „Der Orchestermusiker ist notwendigerweise ein verzweifelter Mensch. Es gibt keinen Orchestermusiker, der nicht mit großer Begeisterung Musiker geworden ist. Dann kommt er ins Orchester. Er hat in seinem Leben
herrliche Orchestermusik gehört und sagt sich: Wunderbar, jetzt
bin ich ein Teil davon. Aber schon der erste Dienst wird furchtbar. Da steht einer vor ihm, der hat ein – für ihn – nicht nachvollziehbares Konzept. Trotzdem muss er so spielen, wie der das
will. […] Und dann verlangt man von einem Orchestermusiker
auch noch Enthusiasmus. Es wäre doch verrückt, immerfort begeistert zu sein, wenn eigentlich kein Grund dafür da ist.“1
Nicht nur die fehlende künstlerische Eigenverantwortlichkeit und die Abhängigkeit von oft als „unfähig“ erlebten Dirigenten wird als Ursache für eine vermeintlich große Unzufriedenheit der Orchestermusiker mit ihrer Arbeit betrachtet. Auch
häufig auftretende berufsbedingte gesundheitliche Probleme,
insbesondere hinsichtlich des Stütz- und Bewegungsapparats,
lassen vermuten, dass die Musiker in deutschen Kulturorchestern2 an ihrer beruflichen Tätigkeit wenig Freude haben. So ist
nach Aussage von Helmut Möller, Vizepräsident der Gesellschaft für Musikphysiologie und Musikermedizin und Direktor
des im Frühjahr 2002 gegründeten Berliner Instituts für Musikergesundheit, das Orchester „gemessen an der Zahl der Frühverrentungen […] der gefährlichste Arbeitsplatz. Um ein Drittel
häufiger als der Durchschnitt der Arbeitnehmer müssen Musiker ihren Beruf vorzeitig aufgeben.“3
Dass Orchestermusiker heute mit ihrer beruflichen Tätigkeit
wenig zufrieden sind, könnte nicht zuletzt auch darum angenommen werden, weil sich ihre Arbeitsbedingungen insbesondere seit der Wiedervereinigung wegen der Einschnitte in die
Kulturetats der öffentlichen Haushalte verschärft haben. Seit der
ersten gesamtdeutschen Erfassung der Kulturorchester durch
die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) im Jahr 1992 sind
bis 2004 mehr als dreißig Orchester durch Fusion oder Auflösung abgewickelt und mehr als 2 000 Stellen gekürzt worden.4
Stellenkürzungen, Fusionierungen und Schließungen von Orchestern stehen auch weiterhin zur Diskussion. Aufgrund der
wirtschaftlichen Lage geraten die Orchester zunehmend unter
Legitimationsdruck, was auch steigende Leistungsanforderungen an die Musiker zur Folge hat.
Nun gibt es allerdings auch Medienberichte, die das genaue
Gegenteil vom bislang Vermuteten behaupten und nach denen
es sich bei Orchestermusikern um eine Berufsgruppe handelt,
die Freude an ihrer Arbeit hat. So hieß es im Januar 2003 in einem Artikel in der Zeit über die Berliner Philharmoniker: „Wo
gibt es das noch? Eine Insel der Seligen im Ozean des Missvergnügens. Keiner meckert, keiner jammert, keiner stöhnt. Mitten
im krisengeschüttelten Berlin ein Laden, der läuft. Strahlende
Gesichter, Spaß bei der Sache, voller Einsatz. Da arbeitet, in aller
Öffentlichkeit, ein effizientes Team junger Menschen, hoch be-
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Schwerpunkt
gabt, genial, mit nicht minder effizienten und engagierten Oldies auf engstem Raum zusammen, in einem Großraum ohne
Schreibtische und Computer, topfit, solidarisch, ein Muster an
Synergie.“5
Hier stellt sich nun die Frage, welche der konträren Annahmen Gültigkeit hat: Sind Orchestermusiker deutscher Kulturorchester tatsächlich frustriert und überfordert oder macht ihnen ihr Beruf alles in allem doch eher Spaß? Trotz eines offensichtlich großen öffentlichen Interesses an der Fragestellung, ob
sie arbeitszufrieden sind, und obwohl in den zurückliegenden
viereinhalb Jahrzehnten berufsübergreifend eine beträchtliche
Anzahl von Forschungsarbeiten zur Arbeitszufriedenheit veröffentlicht worden ist, lag bislang noch keine repräsentative Studie
im Hinblick auf Orchestermusiker vor. Um die Forschungslücke zu schließen, wurde im Sommer 2003 eine repräsentative
Umfrage zum Themenkomplex Arbeits- und Berufszufriedenheit durchgeführt. Unter Arbeitszufriedenheit werden die „allgemeinen Einstellungen einer Person gegenüber ihrer Arbeit
oder gegenüber unterschiedlichen Facetten ihrer Arbeit“ verstanden.6 Dabei ist Arbeitszufriedenheit die auf die konkrete,
aktuelle Situation bezogene Zufriedenheit, anders als die Berufszufriedenheit, die als eine durchschnittliche Arbeitszufriedenheit über einen längeren Zeitraum definiert ist. Berufszufriedenheit gilt somit als zeitlich stabiler als die Arbeitszufriedenheit und
betrifft im Prinzip die Frage nach der richtigen Berufswahl.7
Zielsetzung und Aufbau der Studie
Foto: Susanne Dunkl
Besonders erfreulich: Nahezu alle Mitglieder eines Orchesters
kennen aus ihrem Arbeitsalltag „Flow“-Erlebnisse, die mit positiver
Stimmung bis hin zur Euphorie einhergehen
10
Zentrales Anliegen vorliegender Untersuchung war, den Ist-Zustand hinsichtlich der Arbeits- und Berufszufriedenheit auf repräsentativer Basis zu ermitteln und Einflussfaktoren auf die Arbeits- und Berufszufriedenheit zu erforschen. Damit sollte Datenmaterial bereitgestellt werden, auf dessen Basis Überlegungen dazu angestellt werden können, wie problematische Gegebenheiten in deutschen Orchestern möglicherweise zu verbessern sind. Es wurde ein quantitativer Forschungsansatz gewählt
und ein 146 Fragen umfassender Fragebogen konstruiert, der
auch einem Pretest (Voruntersuchungen) unterzogen wurde.
Damit konnten unterschiedliche statistische Auswertungsverfahren angewendet werden. Der Datenrücklauf der 955 verteilten Fragebögen belief sich auf 467, sodass die Rücklaufquote
rund 50 Prozent betrug. Das Datenmaterial stammte von Musikern aus 18 Kulturorchestern und die Datenrücklaufanalyse
ergab, dass die Stichprobe als repräsentativ betrachtet werden
kann. Die Grundgesamtheit bestand aus allen Musikern deutscher Kulturorchester, ausgenommen Musiker der relativ kleinen C- und D-Orchester mit insgesamt vergleichsweise wenigen
Orchestermusikern. Damit umfasste die Population 88 Prozent
aller etwa 10 000 Orchestermusiker, also rund 8 800.
Die Vielzahl der Fragen zu unterschiedlichen Fragenkomplexen ergab sich dabei daraus, dass unter Arbeitszufriedenheit ein
ganzes Merkmalsbündel fällt: Untersucht wurden nicht nur die
Arbeits- und die Berufszufriedenheit allgemein, sondern auch
die Zufriedenheit mit spezifischen Arbeitsaspekten wie z. B. die
Zufriedenheit mit dem Dirigenten oder mit dem kollegialen
Umfeld. Dabei wurde sowohl der Istzustand hinsichtlich der Arbeitskomponenten erhoben als auch die Bedeutung, die die Orchestermusiker den unterschiedlichen Aspekten für ihre Arbeitszufriedenheit beimessen. Untersucht wurden außerdem
unterschiedliche Formen der Arbeitszufriedenheit bzw. -unzufriedenheit, da nach Ansicht einiger Autoren nicht von Arbeitszufriedenheit schlechthin auszugehen ist, sondern vielmehr davon, dass es neben positiven Formen z. B. auch eine resignative
Arbeitszufriedenheit gibt.8
Weitere Fragen bezogen sich auf berufsbedingte Belastungen
und Beanspruchungen, wobei Beanspruchungen als die subjektiven Folgen von Belastungen definiert sind und nicht nur negativer, sondern auch positiver Art sein können.9 Untersucht wurden
hier z. B. auch arbeitsbedingte Hochgefühle. Auch wurde geprüft,
wie Persönlichkeitsfaktoren, Freizeitaspekte, darunter auch musikalische Nebentätigkeiten, und soziodemografische Variablen (wie
z. B. das Geschlecht) die Arbeitszufriedenheit beeinflussen, da
sich auch diese Merkmalsgruppen in der berufsübergreifenden
Forschung als bedeutsam für die Einstellung zur Arbeit herausgestellt haben. …
… Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2006.
Das Orchester 1/06
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