Vorlesung Organisationspsychologie WS 06/07 Personalführung I – Führungstheorien Dr. Uwe Peter Kanning Westfälische Wilhelms-Universität Münster Beratungsstelle für Organisationen Überblick 1. Definition und Grundlagen 2. Führungstheorien 2.1 Personalistischer Ansatz 2.2 Verhaltenstheoretischer Ansatz 2.3 Kontingenztheoretischer Ansatz 3. Fazit 2 1. Definition und Grundlegen Führung = (unmittelbare,) absichtliche und zielbezogene Einflussnahme durch Inhaber von Vorgesetztenfunktionen auf Unterstellte direkte Führung indirekte Führung - face to face - Anweisungen - Gespräche etc. - Belohnungssysteme - Arbeitsplatzgestaltung - Entscheidungswege etc.. 3 1. Definition und Grundlegen Führungshandeln – normative Sicht → Führung erscheint primär als zweckrationales Verhalten Planung Planu ng ob le m ung setz Ziel Pr de f. n Organisatio Steuerung mm un ika t. Realisierung n tio Koordination un g eld a tiv Mo km l So Ko gl. V t l-Is Rü c Kontrolle ng u id e h sc t En 4 1. Definition und Grundlegen Führungshandeln: empirische Ergebnisse Alltag des Führungshandelns 2/3 der Arbeitszeit direkte Kommunikation Fragmentarisierung der Arbeit häufige Störung von außen wenig Zeit zur Reflexion viele Kontakte zur Netzwerkbildung häufig Rückgriff auf informelle Informationen/Gerüchte (Befragung/Tagebuchmethode) 5 1. Definition und Grundlegen Prozent der Arbeitszeit Relative Verhaltenshäufigkeiten (Luthans et al. 1988) 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 . . e nt M g m e ko m fle ce e r p e gs tin ag ou u s n n e a hu R Ro M e zi d. an e a rt m B Hu Manager effektive Manager erfolgreiche Mangner 6 2. Führungstheorien Personalistischer Ansatz Verhaltenstheoretischer Ansatz Kontingenztheoretischer Ansatz Persönlichkeit Person Person Führungsstil Führungsverhalten Führungsverhalten Führungserfolg Führungserfolg Führungserfolg Situation 7 2.1 Personalistischer Ansatz Grundgedanke Führungserfolg hängt allein von der Persönlichkeit des Vorgesetzten ab. „Entweder man ist ein guter Führer oder man ist es nicht.“ Untersuchungsstrategien • Vergleich der Persönlichkeit von erfolgreiche Führern mit andern Menschen, die keine Führungsposition einnehmen • Vergleich zwischen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Führern • Messung der Persönlichkeitsstruktur bei Personen, die von anderen als Führer anerkannt werden, auch wenn sie keine offizielle Funktion bekleiden Forschungsergebnisse → Es gibt nicht DIE Führungspersönlichkeit! → Persönlichkeitsmerkmale spielen eine wichtige Rolle, wirken aber kontextspezifisch → insgesamt heterogene Befunde 8 2.2 Verhaltenstheoretischer Ansatz Grundgedanke Führungserfolg hängt vom Verhalten des Vorgesetzten ab. Führungsverhalten kann erlernt werden. Studie von Lewin, Lippitt & White (1939) → drei Führungsstile autoritär demokratisch laissez faire Empirische Befunde im Überblick (Neuberger (1972) Überlegenheit des Führungsstils autoritär demokratisch kein Unterschied Leistung 9 8 6 Zufriedenheit 6 17 5 9 2.2 Verhaltenstheoretischer Ansatz Führung als Transaktion vs. Transformation Führung als Transaktion ↓ - Austauschbeziehung zwischen Führung und Mitarbeitern - Mitarbeiter hilft bei der Erreichung der Ziele des Vorgesetzten - Vorgesetzter „hilft“ bei der Erreichung der Ziele der Mitarbeiter - klare Definition der Kontingenzen - rational geprägtes Verhältnis Führung als Transformation ↓ - Führer „verändert“ die Mitarbeiter - Führer vermittelt Gefühle von Erfolg Größe, Stärke und motiviert hierdurch - Charisma - Vermittlung neuer Perspektiven - individuelle Wertschätzung - eher emotional geprägtes Verhältnis Der Erfolg beider Führungsstile ist empirisch belegt. Ist Charisma lernbar? 10 2.2 Verhaltenstheoretischer Ansatz Ergebnisse einer Metaanalyse (Judge & Piccolo, 2004) 0,7 Korrelation 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 transformational Arbeitszufriedenheit kontingente Belohnung Leistungsmotivation Gruppenleistung 11 2.2 Verhaltenstheoretischer Ansatz Ohio-Studien (50er Jahre ff.) Vorgehen • Mitarbeiter unterschiedlicher Organisationen beurteilen Vorgesetzte • Faktorenanalyse → zwei unabhängige Führungsstile „initiation structure“ (Aufgabenorientierung) - Definieren von Arbeitszielen - Anordnen, Aufgaben verteilen - Entscheidungen selbst fällen - auf Leistung drängen - etc. hoher Produktivität hohe Absentismusrate niedrigere Arbeitszufriedenheit „consideration“ (Mitarbeiterorientierung) - Aufmerksamkeit auf Beziehungen - Partizipation - Mitarbeiterbedürfnisse berücksichtigen - Vertrauensverhältnis zu Mitarb. - etc. hohe Gruppenkohäsion höhere Arbeitszufriedenheit geringe Absentismusrate 12 2.2 Verhaltenstheoretischer Ansatz Ergebnisse einer Metaanalyse (Judge, Piccolo & Ilies, 2004) 0,5 Korrelation 0,4 0,3 0,2 0,1 0 Aufgabenorientierung Arbeitszufriedenheit Mitarbeiterorientierung Leistungsmotivation Gruppenleistung 13 2.2 Verhaltenstheoretischer Ansatz 7 6 5 4 3 2 1 Mitarbeiterorientierung 8 9 Führungstheorie von Blake & Mouton (1964) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Aufgabenorientierung 14 2.3 Kontingenztheoretischer Ansatz Grundkonzept Führungsverhalten Art der Arbeit Zeitdruck Organisationsebene Größe der Arbeitsgruppe Effekte - Arbeitsleistung - Arbeitszufriedenheit - Motivation - Absentismus - Kündigung - Verantwortungsgefühl - etc. Organisationsklima Homogenität der Arbeitsgruppe Be- & Entlohnungssystem subjektive Bedeutung der Arbeit u.v.m Qualifikation der Mitarbeiter 15 2.3 Kontingenztheoretischer Ansatz Kontingenztheorie von Fiedler (1967ff) Grundannahme: Führungserfolg hängt von der Passung zwischen a) Situation, determiniert durch drei „Bedingungsvariablen“ b) Führungsstil a) Bedingungsvariablen • Beziehung zwischen Führer und Geführtem • Aufgabenstruktur • Positionsmacht des Führers Beziehung Führer-Geführte gut Aufgabenstruktur schlecht hoch niedrig hoch niedrig Positionsmacht stark schwach stark schwach stark schwach stark schwach Situation günstig-ungünstig 1 2 3 4 5 6 7 8 16 2.3 Kontingenztheoretischer Ansatz b) Führungsstil Maß für den Führungsstil: LPC-Wert (LPC = least prefered coworker) → Führungskraft schätzt den leistungsschwächsten Mitarbeiter auf einem semantischen Differential ein (Ausschnitt): freundlich 8 7 6 5 4 3 2 1 kooperativ 8 7 6 5 4 3 2 1 anpackend 8 7 6 5 4 3 2 1 unfreundlich unkooperativ zurückhaltend hoher LPC-Wert = Führungskraft differenziert zwischen Leistung und anderen Eigenschaften des Mitarbeiters geringer LPC-Wert = Führungskraft setzt Leistung und anderen Eigenschaften des Mitarbeiters gleich 17 2.3 Kontingenztheoretischer Ansatz Passung zwischen Situation und Führungsstil 0,6 Korrelation zwischen LPC-Wert der Führers und Leistung der Gruppe 0,4 Situation erfordert Führer mit hohem LPC-Wert 0,2 0 1 2 3 4 5 -0,2 6 7 8 Situation erfordert Führer mit geringem LPC-Wert -0,4 -0,6 -0,8 Günstigkeit der Situation 18 3. Fazit Es gibt weder DIE Führungspersönlichkeit, noch DEN Führungsstil, der immer und überall zum Erfolg führt. Verschiedene Situationen/Mitarbeiter erfordern unterschiedliches Führungsverhalten. Führung ist immer auch eine abhängige Variable: beeinflussbar durch → Personalauswahl → Personalentwicklung (Erlernen mehrerer Führungsstile) → Gestaltung der Rahmenbedingungen des Führungsverhaltens (inkl. Mitarbeiter) 19 Literatur Prüfungsliteratur Schuler, H. (Hrsg.). (2006). Lehrbuch der Personalpsychologie. Göttingen: Hogrefe. Kapitel 13 Ergänzungsliteratur Neuberger, O. (1995). Führen und geführt werden (5. Aufl.). Stuttgart: Enke. Weinert, A.B. (2004). Organisationspsychologie (5. Aufl.). Weinheim: Psychologie Verlags Union. Kapitel 9 20 ...und in der nächsten Sitzung: Personalführung II (Arbeitszufriedenheit) 21