Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 642 15. Wahlperiode Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses Wahleinspruch des Herrn W. B., Breisach a. R. Der Landtag wolle beschließen, den Einspruch des Herrn W. B., Breisach a. R., gegen die Landtagswahl vom 27. März 2011 zurückzuweisen und festzustellen, dass die Wahl, soweit angefochten, gültig ist. 30. 09. 2011 Der Berichterstatter: Der Vorsitzende: Wilhelm Halder Jürgen Filius Begründung 1. Der Einspruchsführer hat mit Schreiben vom 28. März 2011, ergänzt am 10. April 2011, beim Landtag eingegangen am 30. März 2011 bzw. am 12. April 2011, Einspruch gegen die Wahl zum 15. Landtag von Baden-Württemberg am 27. März 2011 eingelegt. Der Einspruchsführer teilt mit, dass im amtlichen Teil des Mitteilungsblatts seiner Gemeinde folgender Wahlaufruf veröffentlicht worden sei: „Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern haben wir das Recht, in unserem Land frei und unabhängig wählen zu gehen. Stellen auch Sie sich Ihrer Verantwortung! Eine Demokratie lebt vom Engagement ihrer Bürger. Darum: Wer nicht wählen geht, ergibt sich dem Schicksal und lässt andere darüber bestimmen. Kommen Sie daher mit uns zur Wahl und verschenken Sie nicht Ihre Stimme.“ Dies stellt seiner Ansicht nach eine unzulässige Wählerbeeinflussung dar. Die Unterzeichner des Wahlaufrufs seien dorfbekannte CDU-Mitglieder, die aktuelle bzw. ehemalige Inhaber von öffentlichen Ämtern (Ortsvorsteher, Ortschaftsrat) oder Parteiämtern seien. Hierin liege eine Gleichsetzung von Amt und Partei, mit der Wahlberechtigte dazu gedrängt werden sollten, CDU zu wählen. 1 Ausgegeben: 28. 10. 2011 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 642 2. Der Wahlprüfungsausschuss hat zu dem Einspruch eine Stellungnahme der Landeswahlleiterin eingeholt. Darin wird nach den Stellungnahmen der Kreiswahlleiterin des Wahlkreises 46 Freiburg I und der Stadt Breisach am Rhein ausgeführt: Die Stadt Breisach am Rhein stellt für die Stadtteile Gündlingen, Niederrimsingen und Oberrimsingen ein gemeinsames Mitteilungsblatt zur Verfügung. Das Mitteilungsblatt besteht aus einem redaktionellen Teil und einem Anzeigenteil. Der redaktionelle Teil gliedert sich in Gemeinsame Amtliche Mitteilungen, Gemeinsame Mitteilungen der Ortsverwaltungen, Gemeinsame Vereinsnachrichten, Gemeinsame Kirchliche Nachrichten und Sonstige Mitteilungen mit Anzeigenteil. In der Ausgabe vom 24. März 2011 erschien im Abschnitt „Gemeinsame Mitteilungen der Ortsverwaltungen“ unter „Niederrimsingen“ und im Anzeigenteil folgender Wahlaufruf ausschließlich mit den Vor- und Nachnamen von 16 bzw. 15 Bürgern des Stadtteils Niederrimsingen: „Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern haben wir das Recht, in unserem Land frei und unabhängig wählen zu gehen. Stellen auch Sie sich Ihrer Verantwortung! Eine Demokratie lebt vom Engagement ihrer Bürger. Darum: Wer nicht wählen geht, ergibt sich dem Schicksal und lässt andere darüber bestimmen. Kommen Sie daher mit uns zur Wahl und verschenken Sie nicht Ihre Stimme.“ Die beiden Veröffentlichungen enthielten keine Hinweise auf Berufe, Ämter oder Parteien. Den Staatsorganen ist es im Hinblick auf das Demokratieprinzip und das Recht der Parteien auf Chancengleichheit versagt, sich in amtlicher Funktion im Hinblick auf Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen oder zu bekämpfen, insbesondere durch Werbung die Entscheidung des Wählers zu beeinflussen. Auch wenn der Standort des Wahlaufrufs im Abschnitt der Mitteilungen der Ortsverwaltung Niederrimsingen des redaktionellen Teils für fragwürdig gehalten wird, liegt eine solche Wahlbeeinflussung durch den neutral gehaltenen Wahlaufruf erkennbar nicht vor. 3. Der Einspruchsführer war für die Landtagswahl wahlberechtigt und ist deshalb einspruchsberechtigt (§ 2 Landeswahlprüfungsgesetz – LWPrG). Das Einspruchsschreiben und die Ergänzung sind beim Landtag am 30. März 2011 bzw. am 10. April 2011 und damit vor der Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg am 15. April 2011 und folglich auch vor Beginn der Einspruchsfrist (§ 3 Abs. 2 LWPrG) beim Landtag eingegangen. Der Zulässigkeit eines Wahleinspruchs steht es jedoch nicht entgegen, wenn er bereits vor Beginn der Einspruchsfrist erhoben wurde (Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 8. Auflage, Rn. 25 zu § 49). Der vom Einspruchsführer beanstandete Wahlaufruf stand zwar nicht in der Rubrik „Gemeinsame Amtliche Mitteilungen“ des Mitteilungsblatts der Gemeinde, allerdings in der Rubrik „Gemeinsame Mitteilungen der Ortsverwaltungen“, obwohl es sich nicht um eine solche handelte. Allerdings wird durch die namentliche Aufführung der Unterstützer deutlich, dass es sich nicht um eine Mitteilung einer Ortsverwaltung handelt. Da Berufe, Ämter oder Parteien nicht genannt werden, liegt auch eine Gleichsetzung von Amt und Partei nicht vor. Dies gilt auch für den Fall, dass es sich um Personen handelte, die von Ortskundigen einer bestimmten Partei zugeordnet werden können. Dennoch erscheint der Standort des Wahlaufrufs im Abschnitt der Mitteilungen einer Ortsverwaltung des redaktionellen Teils fragwürdig. Eine Wählerbeeinflussung liegt jedoch erst dann vor, wenn Staatsorgane sich in amtlicher Funktion im Hinblick auf Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel unterstützen oder bekämpfen, insbesondere durch Werbung die Entscheidung des Wählers beeinflussen. Dies scheidet durch die neutrale Formulierung des Wahlaufrufs aus. 2 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 642 4. Der Wahlprüfungsausschuss kam zu dem Ergebnis, dass der Wahleinspruch offensichtlich unbegründet ist. Deshalb sah er gemäß § 6 Abs. 4 Landeswahlprüfungsgesetz durch einstimmigen Beschluss von einer mündlichen Verhandlung ab. Anschließend fasste der Wahlprüfungsausschuss einstimmig den Beschluss, dem Plenum zu empfehlen, den Wahleinspruch zurückzuweisen und festzustellen, dass die Wahl, soweit angefochten, gültig ist. 3