Fieber, Entzündungsparameter Internistische Klinik I. Station für Infektiologie Kovács Beáta 2016 EINFÜHRUNG Viele Infektionskrankheiten präsentieren sich mit einer spezifischen klinischen Symptomatik (Leitsymptom), die eine rasche Organzuordnung der Erkrankung ermöglicht. Beim Fehlen eines Leitsymptoms bei febrilen Patienten müssen spezifische Befunde aktiv gesucht werden. Es müssen gezielt kutane (Ikterus, Exantheme, Vaskulitis), neurologische (Kopfschmerzen, Nackensteife, Bewusstseinstörung), kardiale (neues Herzgeräusch), reschpiratorische (Husten, Auswurf), gastroeintestinale (Erbrechen, Durchfall, Kolikschmerzen, Peritonismus), urogenitale (Dysurie, Schmerzen im Nierenbereich) und rheumatologische (Rückenschmerzen, Gelenkschmerzen) Symptome erfragt und gesucht werden. Laborwerte (Differentialblutbild, C-reaktives Protein, Procalcitonin) können bei der Diagnostik helfen. FIEBER, DEFINITION Die normale Kerntemperatur wird vom Thermostat im Hypothalamus geregelt. Sie liegt bei 36,8 ± 0,4°C mit einer Tagesschwankung von 0,6°C. Dabei werden der Tiefstwert um 6 Uhr morgens und der Höchstwert um 18 Uhr abends gemessen. Infektionen, Entzündungen und Nekrosen verursachen über exo- und endogene Pyrogene eine Umstellung des Wärmezentrums. Über 38°C spricht man von Fieber. Im Krankheitsfall kann bei älteren Menschen Fieber ganz fehlen oder niedriger sein als bei jüngeren. Bei einer Sepsis kann anstatt Fieber auch eine Hypothermie (< 36°C) vorliegen. FIEBER Fieber ist einerseits eine Verteidigungsmaßnahme des Körpers, denn die erhöhte Körpertemperatur stimuliert die Abwehrmechanismen, z.B. die Bildung von Interferon und verschiedene Leukocytenfunktionen. Andererseits belastet aber hohes Fieber den Organismus, insbesondere Herz und Kreislauf. Dies kann, v.a. bei alten Leuten, bis zum Kreislaufschock führen. In manchen Fällen sind deshalb fiebersenkende Medikationen notwendig. FIEBERFORMEN Ohne antimikrobielle und antipyretische Therapie kann man typische Fieberkurven darstellen, dadurch unterschiedet man verschiedene Fieberformen. Bei remittierendem Fieber liegt die Temperatur am ganzen Tag über 38°C, und die Tagesschwankungen sind über 1°C. Es ist typisch für verschiedene Infektionen. Bei intermittierendem Fieber sind die Tagesschwankungen über 1°C, aber die Temperatur fällt wiederholend unter 38°C ab. Es ist typisch für Sepsis, Abszesse, Pyelonephritis, Miliar-Tbc. Bei kontinuierlichem Fieber liegt die Temperatur am ganzen Tag über 38°C, und die Tagesschwankungen sind unter 1°C. Es ist typisch für Typhus abdominalis, Paratyphus, Fleckfieber, Lobärpneumonie und Viruskrankheiten. FIEBERFORMEN Man spricht über biphasisches Fieber, wenn nach zwieschenzeitlicher Entfieberung auf den initialen kurzen Fieberschub ein zweiter Fieberschub folgt. Es ist typisch für Leptospirose und Virusinfektionen (z.B. Masern, Poliomyelitis, Dengue, hämorrhagisches Fieber, lymphozytäre Choriomeningitis, FSME). Wiederholte Fieberschübe mit variabler Dauer und variablen Zwischenabständen folgen einander bei rekurrierendem Fieber (z.B. Rückfallfieber – Borrelia recurrentis, Wolhynisches Fieber – Borrelia quintana, Schlafkrankheit – Trypanosoma gambiense). Für periodisches Fieber sind gleiche Fieberschübe und Zwischenabstände charakteristisch (z.B. Malaria). Für unduliertes Fieber ist ein wellenförmiger Verlauf mit mehrtägigen bis merhwöchigen fieberfreien Intervallen charakteristis (z.B. unbehandelte Bruzellose und Tuberkulose, Morbus Hodgkin). NICHT INFEKTIÖSE KRANKHETEN, DIE MIT FIEBER EINHERGEHEN Gewebsuntergang ("Resorptionsfieber"): z.B. bei Verletzungen, Verbrennungen, Infakrten, großen Hämatomen, Frakturen Neoplasmen (Krebs): v.a. bei Leukämien, malignen Lymphomen Autoimmunerkrankungen: z.B. bei akutem rheumatischem Fieber, rheumatoider Arthritis, Lupus erythematodes, Sarkoidose, Colitis ulcerosa, Mrobus Crohn Medikametenfieber Antimikrobielle Substanzen: Amphotericin B, Cephalosporine, Isoniazid, Penicilline, Rifampicin, Sulfonamide, Teicoplanin, Vancomycin Antineoplastische Substanzen: Bleomycin, Cytosin-Arabinosid, Dacarbazin, Daunorubicin, Hydroxyurea Neurologika: Carbamazepin, Chlorpromazin, Diphenylhydantion Herz-Kreislauf-wirksame Arzneimittel: Chinidin, Hydralazin, Methyldopa, Procainamid Sonstige: Allopurinol, Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Interferone, Streptokinase LABORPARAMETER Zur Basisdiagnostik von Infektionskrankheiten gehören die Beurteilung des Differentialblutbildes, die Bestimmung des C-reaktives Proteins (CRP) und des Procalcitonins (PCT). Diese drei Parameter eignen sich zur Unterscheidung zwischen Infektionskrankheiten und nicht mikrobiell verursachter Entzündungen. ROTES BLUTBILD Bei länger dauernden Infektionen entwickelt sich eine Infektanämie. Es handelt sich um eine hypochrome Anämie bei einem so genannten „inneren” Eisenmangel, wegen Verlagerung des Eisens ins retikuloendotheliale System. Laborchemistisch findet sich ein vermindertes Serumeisen, ein normales Transferrin und ein erhöhtes Ferritin. (Ausnahmen sind der Typhus abdominalis, die Leptospirose und die Hepatitis, die mit einer Erhöhung des Serumeisens durch Ausschüttung aus Hepatozyten einhergehen.) Bei Parvovirus-B19-Infektion kann durch Virusbefall von Erythrozytenvorläuferzellen im Knochenmark eine Aplasie vorkommen. Die Anämie kann sich auch akut durch eine Hemolyse (Malaria) herausbilden. Die Betrachtung der Erythrozyten im Blutausstrich durch eine erfahrene Fachperson ist unabdingbar für die Erkennung intraerythrozytärer Parasiten (Plasmodien, Babesien, Trypanososmen). WEISES BLUTBILD Die Leukozytose weist meistens auf eine Infektion hin. Die Anzahl der Leukozyten ist sehr wichtig, aber die Verteilung der verschiedenen Zellarten ist wichtiger. Eine Neurophilie kann meistens bei bakteriellen Infektionen gesehen werden. Die Leukopenie ist für Viruskrankheiten typisch, aber es gibt einige Ausnahmen: Bakterielle Sepsis kann inizial zu einer Leukopenie führen. Länger dauernde Leukopenien werden typischerweise bei Typhus abdominalis, Bruzellose, Miliartuberkulose, granulozytär Ehrlichiose, Rickettsiosen und Q-Fieber beobachtet. Unter den Protozoeninfektionen gehen Malaria und Kala-Azar (viszerale Leishmaniose) mit einer Leukopenie einher, letztere auch mit einer Panzytopenie. WEISES BLUTBILD Die mikroskopische morphologische Beurteilung der Leukozyten ist durch eine erfahrene Fachperson ist notwendig. Typisch für eine bakterielle Infektion sind bei den neutrophilen Granulozyten die so genannte Linksverschiebung (>10% unreife stabkernige Granulozyten), toxische Granula und Vakuolen. Die relative Monozytose ist typisch für die Tuberkulose, Bruzellose, Protozoen- und Richettsieninfektionen. Eine Eosinopenie wird allgemein bei akuten bakteriellen Infektionen (typisch für Typhus abdominalis!) gesehen. Die Eosinophilie ist ein charakteristischer Befund bei Gewebehelminthosen. Besonders ausgeprägt ist die Vermehrung der Eosinophilenzahl bei Trichinose, Filariosen, Strongyloides-Infektion, Toxokariasis, und bei der Askaridiasis nur während der Lungenpassage der Larven. Bei den rein intestinal parasitierenden Spul- und Madenwürmern (Ascaris und Enterobius) fehlt die Eosinophilie in der Regel. Eine geringgradige Eosinophilie ist allenfalls bei Peitschenwurmbefall (Trichuris) zu beobachten. WEISES BLUTBILD Eine Lymphozytose finfet sich bei Virusinfektionen. Bei viralen Krankheiten, insbesondere der EBV-, CMV-, und HIV-Infektion, herrschen im Blutbild so genannte atypische Lymphozyten vor. Dies sind meist große Tlymphozyten, gekennzeichnet durch einen verbreiterten Plasmasaum, eingedellte Kerne sowie Granula. THROMBOZYTEN UND GERINNUNGSSTATUS Während einer Sepsis wird häufig eine Thrombopenie (<150 G/l) gesehen. Sie entsteht in der Regel durch einen vermehrten Verbrauch infolge Aktivierung des Gerinnungssystems durch Lipopolysaccharide oder durch Bestandteile grampositiver Bakterien. Gleichzeitig kann ein Abfall der Gerinnungsfaktoren, insbesindere des Fibrinogens, beobachtet werden. Erhöhte D-Dimere weisen auf eine gleichzeitige Aktivierung der Gerinnung und eine gesteigerte Fibrinolyse hin. Bei schweren Fällen (sowohl bei Infektionen durch gramnegative Bakterien, typischerweise bei der Meningokokken-Meningitis, als auch bei Infektionen durch grampositive Erreger, typischerweise bei der PneumokokkenSepsis) kann es zur Verbrauchskoagulopatie führen. Thrombopenie kennzeichnet auch die hämorrhagischen Fieber, die Leptospirose, das Hantavirus-Schocksyndrom, die Ehrlichiosen, das Dengue-Schocksyndrom und die Malaria tropica. BLUTSENKUNGSGESCHWINDIGKEIT (BSG) BSG ist ein unschpezifischer Entzündungsparameter. Die BSG ist erhöht bei einer Anämie, bei einer Hypalbuminämie und einer Erhöhung der Immunglobuline. Die Latenzzeit bis zum Anstieg der BSG beträgt einige Tage, Höchstwerte werden in der Regel nach 3-5 Tagen erreicht. BSG ist an sich für die akute Diagnosestellung und Differenzialdiagnostik nicht entsprechend. C-REAKTIVES PROTEIN (CRP) Das CRP is ein „Akute-Phase-Protein”, das unter dem Einfluss von Interleukin-6 in der Leber synthetisiert wird. Die Latenzzeit bis zum Anstieg des CRP beträgt ca. 6-10 Stunden, Höchstwerte werden in der Regel erst nach 2-3 Tagen erreicht, die Serumhalbwertzeit is 24 Stunden. Der Normalwert von CRP liegt unter 10 mg/l. Im Allgemeinen kann man sagen, dass das CRP bei viralen Infektionen nicht oder nur leicht erhöht ist (<50 mg/l), und bei bakteriellen Infektionen strak erhöht ist (>50 mg/l). Bei perakuten Septikämien ist in der Regel das CRP bei der Erstbestimmung noch normal, da für den Anstieg mehrere Stunden beansprucht werden. Bei Patienten mit Steroidtherapie ist der CRP-Anstieg stark unterdrückt. Der CRP-Anstieg ist aber unspezifisch. Das CRP kann sowohl bei verschiedenen Tumoren, als auch bei Autoimmunerkrankunken erhöht sein. PROCALCITONIN (PCT) PCT ist ein Prohormon des Calcitonins, welches als Polypeptid von 114 Aminosäuren im Blut zirkuliert. Unter normalen Stoffwechselbedingungen wird PCT überwiegend in den C-Zellen der Schilddrüse gebildet, wo es praktisch vollständig intrazellulär in Calcitonin umgewandelt wird. PCT wird während bakterieller Infektionen nicht nur in der Schilddrüse, sondern auch ubiquitär in den verschiedenen Geweben syntetisiert. Bei bakteriellen Infektionen steigt der PCT-Spiegel rascher als der CRP-Spiegel an, nämlich innerhalb weniger Stunden, und die Spitzenwerte werden bei akuten Infektionen innerhalb der ersten 24 Stunden erreicht, während das CRP 2-3 Tage braucht. Die Plasmahalbwertzeit beträgt 25-30 Stunden. • PROCALCITONIN (PCT) PCT ist ein zuverlässiger Marker für systemische bakterielle Infektionen als das CRP, und zwar sowohl in der Abgrenzung von bakteriellen infektionen und anderen Entzündungen, als auch in der Abgrenzung zwischen bakteriellen und viralen Infektionen. Das Ausmaß des Anstieges ist abhängig vom Schweregrad der Infektion und der begleitenden Entzündung bzw. CoMorbidität des Patienten. Beim septischen Schock werden Werte über 10 ng/ml, bei schwerer Sepsis zwischen 2 und 10 ng/ml gefunden. Der Normalwert liegt unter 0,5 ng/ml. Wegen der kurzen Plasmahalbwertzeit eignet sich PCT für das frühe Folgen der Wirksamkeit der AntibiotikumTherapie.