Aristides Arrenberg untersucht den Arbeitsspeicher im Gehirn mit Licht

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Aristides Arrenberg untersucht den Arbeitsspeicher im
Gehirn mit Licht
Wie merkt sich unser Gehirn Informationen? Neuronale Schaltkreise in einem
prämotorischen Areal des Zebrafischgehirns können für Sekunden Aktivität speichern und
stellen damit ein Gedächtnis für Augenpositionen dar. Dr. Aristides Arrenberg von der
Universität Freiburg hat in seiner Doktorarbeit in den USA eine Untersuchungsmethode
weiterentwickelt, mit der Nervenzellen des Zebrafisches in Netzwerken gezielt ein- und
ausgeschaltet werden können. Grundlage der Methode sind Lichtpulse, die zelluläre
Schalter betätigen. Der Neurowissenschaftler hat zusammen mit Kollegen bereits eine
potenzielle lichtgesteuerte Alternative zu elektrischen Herzschrittmachern präsentiert. In
der jüngsten Publikation haben die Forscher den Arbeitsspeicher für Augenbewegungen im
Hinterhirn untersucht. Gängige Netzwerkmodelle für sogenannte Integrator-Schaltkreise
müssen jetzt neu überdacht werden.
Dr. Aristides Arrenberg im Labor am Institut für Biologie I der Universität Freiburg. © Dr. Aristides Arrenberg
Optogenetik heißt das Verfahren, mit dem molekulare Schalter in Zellen über Lichtpulse
umgelegt werden können. Die Grundlage stellen Ionenkanäle aus Mikroorganismen dar, die
Wissenschaftler mit genetischen Methoden in erregbare Wirbeltieren-Zellen wie etwa Neuronen
einschleusen können. Diese Ionenkanäle öffnen oder schließen sich, wenn sie durch bestimmte
Lichtpulse angeregt werden. Ionen fließen über die Membran, das Membranpotenzial
verändert sich, eine Nervenzelle produziert elektrische Impulse und feuert auf ihre Nachbarn;
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ein neuronaler Schaltkreis kann so seine Aktivität verändern, und zwar per Knopfdruck. Der
studierte Biochemiker Dr. Aristides Arrenberg von der Abteilung für Entwicklungsbiologie am
Institut für Biologie I der Universität Freiburg hat während seiner Doktorarbeit an der
Universität von San Francisco das optogenetische Methodenarsenal für die Arbeit an
neuronalen Schaltkreisen des Zebrafisches etabliert. „Ich interessiere mich für die Funktion von
neuronalen Schaltkreisen“, sagt Arrenberg. „Mit dieser Methode kann man gezielt in solche
Schaltkreise eingreifen und sie damit sehr gut untersuchen.“
Informationsspeicherung in neuronalen Schaltkreisen
Der Zebrafisch ist der Modellorganismus der Wahl im Labor von Dr. Aristides Arrenberg und seinen
Kollaborationspartnern. © Dr. Aristides Arrenberg.
Die lichtgesteuerten molekularen Schalter können innerhalb von 10 Millisekunden an- und
wieder abgeschaltet werden. Das ist im Vergleich zu Stimulationen mit Pharmaka eine
Revolution. Hinzu kommt, dass die genetische Manipulation auf bestimmte Zelltypen
beschränkt werden kann; damit sind sehr gezielte Eingriffe möglich, die nur ausgewählte
Mitspieler in einem neuronalen Netzwerk adressieren. Das Licht wird entweder über spezielle
Mikroskopietechniken auf begrenzte Areale fokussiert oder über optische Fasern, die Bereiche
von 50 Mikrometern Durchmesser beleuchten. In jedem Fall ist auch eine hohe räumliche
Selektivität der Aktivierung möglich. Mit dem Zebrafisch als Modellorganismus der Wahl, der
als Embryo durchsichtig und damit mikroskopierbar ist und der schon in diesem frühen
Entwicklungsstadium untersuchbares Verhalten zeigt, haben Arrenberg und seine Kollegen
aus San Francisco zum Beispiel die Entwicklung von Schrittmacherzellen im Herzen untersucht.
Diese Zelltypen, die eine rhythmische Aktivität zeigen und für den regelmäßigen Herzschlag
verantwortlich sind, können im Alter oder nach Herzanfällen ihre korrekte Funktion einbüßen
und müssen dann über elektrische Herzschrittmacher künstlich unterstützt werden.
„Wir konnten mithilfe von Licht den Takt der Schrittmacherzellen im Zebrafisch künstlich und
gezielt regulieren“, sagt Arrenberg. Die Verwendung von optogenetischen Schrittmachern
hätte gegenüber elektrischen Schrittmachern Vorteile, da zum Beispiel die Entstehung
toxischer Gase bei längeren Pulsen reduziert werden könnte. Momentan ist der Einsatz
unwahrscheinlich, denn die herkömmlichen Geräte sind etabliert und funktionieren gut, aber
die Ergebnisse zeigen das Potenzial der Methode. In der jüngsten Arbeit, die vor kurzem im
renommierten Fachjournal Nature Neuroscience erschien, haben Arrenberg und seine
Kooperationspartner aus den USA das Verfahren eingesetzt, um die Mechanismen der
Informationsspeicherung in neuronalen Schaltkreisen im Hinterhirn des Zebrafisches zu
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untersuchen. Diese Schaltkreise können als Modell für das menschliche Arbeitsgedächtnis
betrachtet werden.
Ein Integrator mit räumlicher Struktur?
Wie bei uns Menschen führen die Augen des Zebrafisches sprunghafte Bewegungen aus, wenn
sie die Blickrichtung ändern (sogenannte Sakkaden). Eine solche Bewegung wird ausgelöst von
einer Population von Nervenzellen im Hinterhirn des Fisches, die Impulse zu Motoneuronen
sendet und damit indirekt die Augenmuskeln aktiviert. Nach jeder Sakkade verharren die
Augen für mehrere Sekunden in ihrer neuen Position. Diese Fixierung einer bestimmten
Blickrichtung wird von einem zweiten Schaltkreis gesteuert, der als neuraler Integrator für
Augenbewegungen bezeichnet wird. Er bekommt seinen Input von denselben Zellen, die mit
den Motoneuronen verschaltet sind. Die Zellen im Integrator-Schaltkreis sind aufgrund von
bisher unbekannten Verschaltungsmustern in der Lage, ihre elektrische Aktivität über mehrere
Sekunden aufrechtzuerhalten. Sie senden dieses andauernde Signal ebenfalls an die
Motoneurone weiter und sorgen dafür, dass die Augen nun in der neuen Position verbleiben,
bis die nächste Bewegung ausgelöst wird. Wie kommt die Aktivitätsspeicherung in den Zellen
des Integrators zustande?
Die bisherigen Modelle gingen davon aus, dass alle Zellen im Integrator ihre Aktivität gleich
lange speichern. Durch optogenetische Manipulationen einzelner Zellgruppen in der Region
erfuhren Arrenberg und seine Kollaborationspartner das Gegenteil. „Die Zellen im Schaltkreis
haben unterschiedliche zeitliche Konstanten, mit denen die Aktivität wieder abnimmt“, sagt
der Neurobiologe. „ Anders als bisher gedacht, bringen die Verschaltungen im Integrator
offenbar eine große Vielfalt an Zeitkonstanten zustande.“ Und dem nicht genug: Die Forscher
fanden heraus, dass Zellen mit ähnlichen zeitlichen Konstanten in benachbarten Regionen
organisiert sind. Damit liegt dem Integrator offenbar eine hochgeordnete räumliche Struktur
zugrunde. Innerhalb des Hinterhirns sind die Zellen in Richtung des Rückenmarks nach
zunehmender Länge der Speicherkapazität hintereinander geschaltet. „Unsere Hypothese ist,
dass die Zellen ihre Aktivität innerhalb des Hinterhirns in Richtung des Rückenmarks Station
für Station weitergeben und dass die Zellen in Nähe des Rückenmarks, die die Aktivität am
längsten speichern können, das Signal an die Motoneurone senden“, sagt Arrenberg. Ob dieses
sogenannte Feed-forward-Verschaltungsmuster tatsächlich existiert, ist noch nicht klar. In
jedem Fall müssen aber die bisherigen Annahmen überdacht werden.
Wie kommt die Ordnung zustande?
Seine Untersuchungen führte Arrenberg bisher mithilfe von Lichtfasern durch, die wie erwähnt
Gehirnareale von etwa 50 Mikrometern Durchmesser ein- und abschalten können. Um auch
kleinere Bereiche von rund zehn Zellen manipulieren zu können, will der Neurobiologe in
Zukunft im Labor von Prof. Dr. Wolfgang Driever in der Abteilung für Entwicklungsbiologie des
Instituts für Biologie I ein spezielles Mikroskop verwenden. „In zukünftigen Projekten möchten
wir herausfinden, wie die räumliche Ordnung im Integrator für Augenbewegungen zustande
kommt“, sagt Arrenberg. „Hierzu wollen wir Schritt für Schritt die Verschaltungsmuster
zwischen den einzelnen Zellen enthüllen.“ Zusammen mit theoretischen
Neurowissenschaftlern möchten die Freiburger Forscher außerdem neue Modelle entwickeln,
die die Realität in dieser Hirnregion des Zebrafisches besser abbilden. Und die vielleicht auch
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Mit solchen Lichtfasern kann man kleine Gruppen von Nervenzellen im Gehirn des Zebrafisches an- und abschalten.
© Dr. Aristides Arrenberg.
helfen, die Funktionsweise ähnlicher Schaltkreise im menschlichen Präfrontalkortex zu
verstehen, wo unser Arbeitsgedächtnis sitzt.
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Fachbeitrag
17.10.2011
mn
BioRegion Freiburg
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Dr. Aristides Arrenberg
Albert-Ludwigs-Universität
Institut für Biologie I
Freiburg
Tel.: 0761/203-2581
E-Mail: Aristides.Arrenberg(at)biologie.uni-freiburg.de
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Optogenetik: An- und Abschalten von Zellaktivität mit Licht
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