20. Ein Kaiser ertrinkt – Friedrich Barbarossa Der Legende nach war es ein alter Sterndeuter, der Kaiser Friedrich I. „Barbarossa“ warnte: Wenn er zum Kreuzzug ins Morgenland marschiere, werde der Monarch den Tod durch Ertrinken finden. Sicherheitshalber vermied Friedrich 1189 den Seeweg und zog zu Lande gen Osten. Seinem Schicksal konnte er dennoch nicht entrinnen. Für die Christenheit war die Meldung ein Schock: 1187 hatte der ägyptische Sultan Saladin Jerusalem erobert. Die Heilige Stadt wieder in moslemischen Händen – das durfte nicht sein! Papst Clemens III. rief zum 3. Kreuzzug auf. Trotz seines vorgerückten Alters verpflichtete sich der römisch-deutsche Kaiser Friedrich I., genannt „Barbarossa“ (Rotbart), auf einem Hoftag zu Mainz im Mai 1188 zum Kriegszug in den Orient. Friedrich hatte damals seine wichtigsten Gegner – die oberitalienischen Städte und Herzog Heinrich den Löwen – ausgeschaltet. Die politische Lage im Reich war ruhig, also sollte ein Kreuzzug den krönenden Abschluss von Barbarossas Lebenswerk bilden. Im Mai 1189 brach das Heer von Regensburg Richtung Osten auf. Zu seinen Führern zählten viele deutsche Hochadlige wie Markgraf Hermann von Baden und der Landgraf Ludwig III. von Thüringen. Nach einer Überwinterung im südlichen Bulgarien setzte das Kreuzfahrerheer Mitte März 1190 bei Gallipoli nach Kleinasien über. Warum Friedrich den beschwerlichen Landweg nahm, ist nicht klar. Zur See hätten seine Truppen ihr Ziel mehrere Monate früher erreicht. In Kleinasien mussten sich die Männer hingegen über zahlreiche Bergkämme quälen, wo sie große Teile ihrer Ausrüstung verloren. Hinzu kam die feindselige Haltung der moslemischen Bevölkerung. Im Mai 1190 griff der Sarazenensultan Kylydsch Arslan die Kreuzfahrer bei Ikonion (heute Konya) an. Es kam zur Schlacht, bei der die Deutschen anfangs in Nachteil gerieten. Schon wandten sich einige zur Flucht, da griff der charismatische Kaiser persönlich ein. „Was zögert ihr, was jammert ihr, die ihr aus der Heimat gezogen seid, mit eurem Blut das Himmelreich zu erkaufen?“, schrie er. „Christus befiehlt! Christus siegt!“ An der Spitze seiner Reiter schlug Barbarossa den Feind in die Flucht, der 3 000 Mann verlor. 55 Der Sieg von Ikonion festigte zwar die Moral der Krieger, aber der Weg nach Osten gestaltete sich immer mühseliger. Krankheiten grassierten, mehrere Bischöfe starben an Erschöpfung, die festgelegte Marschordnung löste sich auf. Extreme Hitze nebst Wassermangel lähmten Ritter und Knechte. Manche „stiegen von ihren Rossen und krochen wie Tiere auf Händen und Füßen die Berghänge hinab“, heißt es in einem Bericht. Am 10. Juni 1190 kamen die Kreuzfahrer am Fluss Saleph im südlichen Anatolien bei der Stadt Seleukia an. Hier ereilte Friedrich I. sein prophezeites Schicksal: vor den Augen des entsetzten Heeres ertrank er. Wie konnte das geschehen? Eine Version berichtet davon, dass der Vormarsch über die schmale Saleph-Brücke nur sehr langsam vonstatten ging. Voller Ungeduld habe der Kaiser seinem Pferd die Sporen gegeben und sei durch den Fluss ans andere Ufer geritten. Dabei soll er von den wild strömenden Fluten erfasst und hinweggerissen worden sein. Doch ist es plausibel, dass der fast 70-jährige Monarch sich wegen weniger Minuten Zeitgewinn einem so tödlichen Risiko aussetzte? Viel wahrscheinlicher scheint die zweite Version. Friedrich Barbarossas Abschied vor seinem Kreuzzug Demnach schlug Friedrich am Flussufer ein Lager auf und nahm sein Mittagsmahl ein. In der glühenden Junihitze verspürte er danach das Verlangen, sich abzukühlen. Der klare Bergfluss bot sich an. Vielleicht spielte auch eine Rolle, dass schon 1 500 Jahre zuvor ein bedeutender 56 Herrscher hier Ähnliches getan hatte. Als Alexander der Große gegen die Perser zog, soll er der Überlieferung nach seinen erhitzten Körper in diesem damals „Kalykadnos“ genannten Fluss gebadet haben. Offenbar wollte Friedrich es dem Makedonen gleichtun. „Die dringenden Abmahnungen seines Gefolges waren vergeblich; Friedrich hörte nicht da­ rauf, wusste er sich doch des Schwimmens kundig“, heißt es. In der Tat konnten die meisten Menschen des Mittelalters nicht schwimmen, aber seine ungewöhnliche Fertigkeit nutzte Friedrich wenig. Im Wasser sackte er zusammen, was darauf schließen lässt, dass er wegen des jähen Temperaturwechsels einen Herzschlag erlitt. Um den kaiserlichen Leichnam vor Verwesung zu schützen, trennte man die Gebeine durch Kochen vom Fleisch, das in Antiochia (Syrien) bestattet wurde. Das Skelett sollte in der Grabeskirche von Jerusalem beigesetzt werden, doch kein Kreuzfahrer gelangte mehr in die Nähe dieser Stadt. So fand Friedrich I. seine letzte Ruhestätte in der Kirche Johannes des Täufers bei der libanesischen Stadt Tyros. Das Ende des Kaisers löste in Deutschland große Trauer aus. Die Bevölkerung tröstete sich schließlich mit einer Sage. Demnach sei Friedrich gar nicht gestorben, sondern warte schlafend im thüringischen Kyffhäuser-Gebirge, um eines Tages die Deutschen aus ihrer Not zu befreien. 21. Beleidigungen rächen sich manchmal Groß war der Jubel unter den Teilnehmern des 3. Kreuzzuges, als am 12. Juli 1191 die Festung Akkon im Nahen Osten erobert wurde. Herzog Leopold V. von Österreich hisste sein Banner auf den Zinnen des Hauptturms. Die Begeisterung der Christen wich blankem Entsetzen, als der englische König Richard I. diese Fahne herunterriss, durch den Kot schleifen ließ und dafür sein rotes Banner mit den drei goldenen Löwen aufpflanzte. Diese Beleidigung sollte einschneidende Folgen für Englands Geschichte haben. Als der moslemische Sultan Saladin 1187 die Stadt Jerusalem zurückeroberte, schien die Sache der Christenheit in Palästina verloren. Um zu retten, was noch zu retten war, formierte sich 1189 ein dritter Kreuzzug, der unter Führung des deutschen Kaisers Friedrich I. „Barbarossa“ 57