Didaktik der Algebra und Analysis SS 2011 Bürker, 10. 6. 2011 3.5 Zahlbereichserweiterung ℚ → ℝ Thema: Wurzel aus 2 ist keine rationale Zahl Vorwissen: Die Schüler müssen wissen, dass die Menge der rationalen Zahlen gleich der Menge der Bruchzahlen ist. Andererseits hat jede Bruchzahl eine Dezimaldarstellung als abbrechende oder periodische Dezimalzahl. In diesem Zusammenhang sollte auch 0, 9=1 besprochen sein. Hinführungsbeispiel Lehrtext Suche nach einer dezimalen Darstellung von d Warum erstaunlich ? Merksatz Historischer Einschub: Dies war für die Pythagoreer der Grund, in der Proportion ganzer Zahlen ein Grundprinzip zu sehen. Die Länge zweier Strecken sollte sich stets durch das Verhältnis ganzer Zahlen ausdrücken lassen. Dass dem nicht so war, führte zur Krise der Pythagoreischen Philosophie. Definition: Zahlen, die nicht rational sind, nennt man irrationale Zahlen. Ein Stundenentwurf zum Thema „Wurzel aus 2 ist keine rationale Zahl“ könnte so aussehen: Tabellarischer Unterrichtsentwurf Thema: Wurzel aus 2 ist keine rationale Zahl Ziel: Die SuS sollen lernen, dass es außerhalb der Menge der rationalen Zahlen Zahlen gibt, die sich nicht als Bruchzahl darstellen lassen. Zeit Phase Unterrichtsschritt Sozialform / Medien 0 - 5' Vorwissen Die Hilfsmittel werden bereitgestellt, das Vorwissen Unterrichtsgespräch geklärt Merksatz an der Tafel ● Was sind rationale Zahlen? mit einer Skizze Eine rationale Zahlen ist eine Zahl, die als Bruchzahl geschrieben werden kann. 5' 15' Hinführung Wie kann man den Flächeninhalt eines Mit OH-Projektor und quadratischen Teichs so verdoppeln, dass wieder ein Folien Quadrat entsteht und die 4 Weiden an den 4 Quadratecken stehen bleiben können? Die Lehrperson teilt Blätter aus, auf denen 4 Quadrate mit dem Flächeninhalt von je 1 dm² so gezeichnet sind, dass sich ein Quadrat ergibt. Im großen Quadrat wird jedes der 4 Quadrate so durch eine Diagonale halbiert, dass sich ein schräg stehendes Quadrat mit dem Flächeninhalt 2 dm² ergibt. Gesucht ist die Seitenlänge d dieses Quadrats. 15' 25' Erarbeitungs- Die Seitenlänge des schräg stehenden Quadrats liegt phase 1 zwischen 1 und 2. Aufgabe für SuS: Bestimme diese Seitenlänge möglichst genau: Nach mehreren Schritten erkennt man: 1,414 < d < 1,415 Grundsätzliche Überlegung: Kann man diese Seitenlänge exakt bestimmen? Ist die Seitenlänge eine rationale Zahl? 25' – 35' Erarbeitungs- Man nimmt an, d sei eine rationale Zahl und führt phase 2 diese Annahme zum Widerspruch. (Möglichst kurzer Heft / Tafel Beweis!) 35' – 40' Haupterg. Der Merksatz „die Diagonalenlänge eines Quadrats mit der Seitenlänge 1 ist keine rationale Zahl“ wird formuliert Lehrerzentriert Heft-/Tafel 40' – 45' Zusammenfassung Nochmals Gedankengang und Haupergebnis zusammenfassen oder zusammenfassen lassen Lehrer-/Schülerzentr. schülerzentriert Schüleraktivierende Unterrichtsform, Partnerarbeit Ergebnisse an der Tafel Heft / Tafel 3.5.2 Alternativer Zugang zu irrationalen Zahlen: (nach LS neu, Bd 4 für Klasse 8): Beispiel: Mit Würfeln eine nichtabbrechende, nichtperiodische Dezimalzahl erzeugen. Wiederholung: Rationale Zahlen sind als Zahlen festgelegt, die man als Bruchzahl schreiben kann. Formt man einen Bruch in eine Dezimalzahl um, so entsteht entweder eine abbrechende oder eine periodische Dezimalzahl. [Gemischtperiodische Dezimalzahlen subsummiert man neuerdings auch unter „periodische Dezimalzahlen“.] Jede rationale Zahl kann man als abbrechende oder periodische Dezimalzahl und als Bruchzahl schreiben. Es gibt darüber hinaus Dezimalzahlen, die weder abbrechend noch periodisch sind. Solche Dezimalzahlen heißen irrationale Zahlen. Alle rationalen und irrationalen Zahlen zusammen heißen reelle Zahlen. Man bezeichnet die Menge der reellen Zahlen mit ℝ. Der Begriff Intervallschachtelung taucht in den Schulbüchern nicht mehr auf. Irrationale Zahlen werden als nichtabbrechende, nichtperiodische Dezimalzahlen bezeichnet, mit denen man näherungsweise wie gewohnt rechnen kann (in LS 4 im Abschnitt „Rechnen mit Näherungswerten“). Das Rechnen mit reellen Zahlen wird nicht mehr genauer begründet: Die in ℚ gültigen Rechenregeln (Assoziativ-, Kommutativ- und Distributivgesetz) gelten auch in ℝ (Permanenzprinzip) Allerdings muss den SuS gesagt werden, dass man zeigen kann, dass die gewohnten Rechengesetze auch in ℝ gelten. Insbesondere ist wichtig, dass der Taschenrechner irrationale Zahlen nicht exakt, sondern nur als abbrechende Dezimalzahlen und damit nur näherungsweise anzeigt. Die Dezimalstellen irrationaler Zahlen lassen sich i. a. nicht mit Algorithmen berechnen. 3.5.3 Wichtiges Iterationsverfahren: An dieser Stelle lernen die SuS zum ersten Mal ein Iterationsverfahren kennen, nämlich das Heronverfahren. Es war schon im Altertum bekannt. Es ist nach dem Mathematiker und „Techniker“ Heron benannt. Schwierigkeiten machen SuS dabei vor allem die Berechnungs- und die Bezeichnungsweise, weil Indizes noch nicht bekannt sind. Beispiel Heronverfahren: 1 6 y= ⋅ x 2 x Es gibt eine geometrische Interpretation des Heronverfahrens: Man wandelt ein Rechteck mit dem Flächeninhalt z. B. 6 FE schrittweise mit immer besserer Näherungswerten in ein (exakt) flächengleiches Quadrat um. Die Seitenlänge dieser Rechtecke nähert sich in den einzelnen Iterationsschritten dem Wert 6 . Schritt Nr. x (Länge) 6/x (Breite) y (Länge neu) 1 3 2 2,5 2 2,5 2,4 2,45 3 2,45 2,448979592 2,449489796 4 2,449489796 2,44948969 2,449489743 1. Man geht von einem Rechteck des Flächeninhalts 6 (= Radikand) und von einer Anfangsseitenlänge des Rechtecks, z. B. von 3 LE aus . Die Breite ergibt sich dann zu 2. Man bildet das arithmetische Mittel von Länge und Breite, also von 3 und von 2 LE. Dies bedeutet: Man setzt die anfängliche Seitenlänge in den obigen Heronterm ein, somit ergibt sich im ersten Iterationsschritt der Wert 2,5 für die Seitenlänge eines neuen Rechtecks mit dem Flächeninhalt 6. Die Breite ergibt sich dann zu 2,4. Das Rechteck ist schon fast ein Quadrat. Diesen Schritt kann man mehrmals durchführen: 2. Setzt man die neue Seitenlänge 2,5 in den Heronterm ein, so ergibt sich 2,45. Die zugehörige Breite ist dann (6/2,45 ), d.h. 2,448979... . Länge und Breite dieses Rechtecks unterscheiden sich nur noch um ca. 1/1000 LE. 3. Der nächste Wert für die Seitenlänge eines neuen Rechtecks ergibt sich durch den Wert des Heronterms für x = 2,448979... , die neue Breite durch 6/2,448979... . Die neue Seitenlänge beträgt 2,449489796..., die zugehörige Breite ist 6/2,449489796... = 2,449489969. Länge und Breite unterscheiden sich nur noch ab der 8. Nachkommastelle. Da das geometrische Mittel aus Seitenlänge und Breite stets gleich 6 ist und das geometrische Mittel stets kleiner als das arithmetische Mittel ist, nähern sich die Iterationswerte für die Seitenlänge von oben her dem Wert 6 . Schreibweise: 1 6 x n1 = ⋅ x n 2 xn Das Heron-Verfahren konvergiert quadratisch. Das bedeutet: Für die Folge fn der Differenzen fn = xn - 6 gilt: fn+1 < cfn² für eine geeignete Konstante c.