2. Berliner Forum Außenpolitik

Werbung
2. Berliner Forum Außenpolitik
Körber-Stiftung
internationale Politik
Oktober 2012
22. – 23. Oktober 2012
2. Berliner Forum Außenpolitik
22. – 23. Oktober 2012
Konferenzbericht
Europa am Scheideweg – welches
Europa wollen wir?
dungen getroffen würden. Er warnte allerdings davor, Entscheidungskompetenzen an
die Eurogruppe abzugeben – nur eine starke
»Es könnte kaum einen besseren Zeitpunkt
EU-Kommission könne eine angemessene In-
für die Konferenz geben« – mit diesen Worten
teressenvertretung innerhalb der Union ge-
eröffnete Außenminister Guido Westerwelle
währleisten. In der Debatte über die Zukunft
das 2. Berliner Forum Außenpolitik und be-
der Europäischen Union nahm Stubb die Rol-
schrieb gleichzeitig die angespannte politi-
le des Mittlers ein. So bat er Außenminister
sche Lage in Europa. In seiner Rede forderte
Hague eindringlich, sich der gemeinsamen
Westerwelle von den europäischen Partnern
Idee einer Bankenunion nicht länger zu ver-
mehr Unterstützung für den Kurs der Bundes-
schließen. Minister Westerwelle forderte er
regierung in der Eurokrise. Am Ende des
auf, keine Vertrags-
­Weges müsse eines
änderungen in der
Tages die politische
nahen Zukunft zu
Union stehen.
forcieren.
»Am Ende des Weges, den
wir jetzt einschlagen, muss
eines Tages eine politische
Union stehen.«
Sein
britischer
Amtskollege
Was
die
Rolle
Wil-
Großbritanniens in
liam Hague dage-
der EU betrifft, be-
»William, bitte halte Groß­
britannien in Europa. Guido,
eine Vertragsänderung
­würde zum jetzigen Zeit­
punkt eine weitere Spaltung
der EU riskieren.«
gen betonte, Europa solle sich lieber darauf
kräftigte
konzentrieren, die eigenen Volkswirtschaf-
welle in der Diskussion, dass die Briten zu
ten im weltweiten Maßstab wettbewerbsfä-
jedem Zeitpunkt eingeladen seien, sich an
hig zu machen. Solange dies nicht gelänge,
weiteren Integrationsschritten zu beteiligen.
sei es letztlich irrelevant, ob man neue Ver-
Der Rest Europas werde allerdings mit oder
träge unterzeichne oder neue Strukturen
ohne Großbritannien auf dem Weg der Ver-
schaffe. Der Binnenmarkt und der Freihandel
tiefung voranschreiten.
Wester-
seien stets Kern und Erfolgsgarant für Europa gewesen. Brüssel dürfe nicht zu stark in
die Aufgaben der Mitgliedstaaten eingreifen.
Auch Westerwelle sprach sich in diesem Zusammenhang für eine »Revitalisierung des
Subsidiaritätsprinzips« in Europa aus.
Mit Blick auf die Schuldenkrise zeigte sich
Westerwelle
deutlich
optimistischer
als
Neuer Osten, neue Mächte –
­Europa im asiatisch-pazifischen
Jahrhundert
Hague. Diesen Optimismus teilte der finni-
In der Debatte um die Verlagerung der wirt-
sche Europaminister Alexander Stubb: Die
schaftlichen und politischen Gewichte nach
Talsohle der Krise sei durchschritten, sofern
Asien betonte der ehemalige Premierminister
bis zum Jahresende die richtigen Entschei-
Australiens, Kevin Rudd, dass Europa sich
K onferenzbericht 2
2. Berliner Forum Außenpolitik
22. – 23. Oktober 2012
nicht länger hinter seiner Rolle als Wirt-
hakte Kevin Rudd ein. Europa habe durchaus
schaftsmacht verstecken könne. Es müsse
Gewicht, wenn es eine klare politische Linie
politisch in Asien Position beziehen – aus
­
verfolge. Zudem müsse man bei aller China-
eigenem Interesse. Der designierte SPD-­ Euphorie immer wieder die großen Heraus­
Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wies diese
forderungen unterstreichen, vor denen China
Forderung in Teilen zurück. Er mahnte Zu-
in den kommenden Jahren stehe: »Der Füh-
rückhaltung an und sah keine sicherheitspo-
rungswechsel im Herbst bestimmt derzeit
litische Rolle für Europa in der Region. Auch
das Handeln der chinesischen Regierung.
wenn man den asiatischen Partnern gerne
Dies sorgt für Span-
beratend zur Seite stünde, sei doch gerade
­
nungen innerhalb
auf Grund der Erfahrungen aus der Kolonial-
der Region.«
zeit eine verstärkte europäische Präsenz im
In Asien sei die
Pa­
zifik nicht wün-
Realität längst ge-
schenswert.
prägt von der Glo-
»Europa muss in Asien
­politisch Position beziehen.«
Ronnie C. Chan,
Unternehmer
»Asien wächst ökonomisch
zusammen und driftet
­politisch immer weiter aus­
einander.«
balisierung, die Mentalität aber weiterhin
aus
vom Nationalismus des 19. Jahrhunderts. Die
Hongkong, dagegen unterstrich, dass Europa
mangelhafte Aufarbeitung historischer Kon-
aufwachen und die Herausforderung in Asien
flikte stehe dabei der Entwicklung einer stär-
annehmen müsse, um den Anschluss nicht
keren Integration Asiens im Weg. »Während
zu verlieren. Seiner Ansicht nach sei der Ab-
die wirtschaftliche Kooperation stetig zu-
stieg des Westens keine beschlossene Sache.
nimmt, driftet Asien politisch immer stärker
Amerika ginge es gut – Europa allerdings lau-
auseinander«, so Rudd. Hier sah Steinbrück
fe G
­ efahr, seinen Einfluss in der Welt aufs
die eigentliche Rolle Europas – »als attrakti-
Spiel zu setzen: »Europa verharrt in einer
ves Model der Zusammenarbeit, ein Zivilisa-
trans­
atlantischen Welt, die längst zu einer
tionsprojekt mit starken Parlamenten, unab-
transpazifischen Welt geworden ist.«
hängiger Justiz, Freiheit und Wohlstand.«
Ihm pflichtete der indische Politikwissenschaftler Brahma Chellaney bei. Neue Akteure, allen voran China, dominierten zunehmend das politische Geschehen weltweit. Der
Aufstieg Chinas sei »die bedeutsamste politische Entwicklung des 21. Jahrhunderts«. Hier
K onferenzbericht 3
2. Berliner Forum Außenpolitik
22. – 23. Oktober 2012
Der politische Islam: Chance
oder Bedrohung?
tuation ausgefüllt werden müsse. Diese Formel war Ashraf Swelam, Berater des ägyp­
tischen
Präsidentschaftskandidaten
Amre
Ausgangspunkt der Diskussion war die demo-
Moussa und Teilnehmer der Konferenz, zu
kratische Entwicklung in vielen Ländern des
wenig aussagekräftig. Er warnte davor, dass
arabischen Frühlings und die damit einher-
die ägyptischen Muslimbrüder kaum inhalt­
gehende Regierungsbeteiligung islamischer
liche Positionen verträten, die den tatsäch­
Parteien. Mit Molham Al-Drobi und Gehad El-
lichen wirtschaftlichen und sozialen Proble-
Haddad waren zwei prominente Vertreter des
men Ägyptens gerecht würden. El-Haddad
politischen Arms der Muslimbrüder auf dem
hingegen verwahrte sich dagegen, die Mus-
Podium vertreten.
limbrüder als Gefahr darzustellen. Nachdem
Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswär-
sie jahrelang vom politischen Prozess ausge-
tigen Ausschusses im Deutschen Bundestag,
schlossen
bezeichnete es als große Herausforderung, re-
seien, müsse man
ligiöse Werte in politisches Handeln umzuset-
ihnen Zeit zur Auf-
zen. Dabei sei es in einem demokratischen
arbeitung inhaltli-
System zwingend notwendig, Vielfalt zu
cher Lücken geben.
schützen. Alle Sprecher unterstrichen, dass
Polenz
worden
bemän-
»Es ist eine politische
Herausforderung für die
islamischen Parteien, in
staatlicher Funktion auch
›unislamisches‹ Verhalten
schützen zu müssen.«
sich die Staaten nach den revolutionären Um-
gelte, dass es wei-
brüchen in einem Lernprozess befänden. Ins-
terhin an Persön-
besondere die Muslimbrüder in Ägypten
lichkeiten und Parteiprogrammen fehle, die
müssten sich den Vorwurf gefallen lassen, auf
den politischen Prozess in den Staaten der
die Übernahme von politischer Verantwor-
arabischen Revolution tragen könnten. Euro-
tung nicht ausrei-
pa könne dabei nur sehr begrenzt Unterstüt-
chend
zung leisten. Anders als in seiner direkten
»Die Frage ist nicht, was der
politische Islam mit Ä
­ gypten
macht, sondern was ein
demokratisches Ägypten
aus dem politischen Islam
macht.«
vorbereitet
gewesen zu sein.
Nachbarschaft könne es kaum einen direkten
Volker Perthes,
Anreiz für nachhaltige Demokratisierung bie-
Direktor der Stif-
ten, sondern lediglich durch verstärkten Han-
tung Wissenschaft
del und Unterstützung beim Aufbau einer
und Politik, sah in
Verwaltung versuchen, den Entwicklungspro-
den ersten Wah-
zess zu begleiten.
len noch keinen verlässlichen Indikator für
eine demokratische Entwicklung. Erst bei
den nächsten Wahlen würde sich zeigen, wie
­islamische Parteien mit Stimmverlusten um­
gingen und ob sie gemäß demokratischer
Spielregeln auch in der Opposition eine kons-
Die Zukunft der transatlantischen
Beziehungen
truktive Rolle einnehmen könnten.
Die Diskussion drehte sich auch um Defi­
Am Ende der Konferenz stand ein Gespräch
nition und Ausgestaltung der Demokratie.
zwischen Verteidigungsminister Thomas de
El-Haddad führte an, dass Demokratie der
Maizière und Theo Sommer, Editor-at-Large
­Rahmen sei, der passend zur ägyptischen Si-
bei der ZEIT, über die Zukunft der transatlan-
K onferenzbericht 4
2. Berliner Forum Außenpolitik
22. – 23. Oktober 2012
tischen Partnerschaft im Vorfeld der US-ame-
higkeiten bündelten. Eine effizientere Zu-
rikanischen Präsidentschaftswahl.
sammenarbeit innerhalb Europas könne die
Mit Blick auf die viel diskutierte Hinwen-
gemeinsame Sicherheit erhöhen. Dabei blei-
dung der Amerikaner nach Asien blieb de
be die Rolle der NATO zentral: »Sie hält die
Maizière gelassen. Diese Schwerpunktver-
USA und Europa auch als politisches Bündnis
schiebung sei nicht ausschließlich, sondern
zusammen, deswe-
komplementär zur europäischen Partner-
gen hat die NATO
schaft zu sehen. Letztlich sei es auch in euro-
auch eine Z
­ ukunft.«
päischem Interesse, dass sich die Amerikaner
Eine
deutliche
»Nicht jeder Verzicht auf
Fähigkeiten ist automatisch
ein Verzicht auf Sicherheit.«
der asiatischen Herausforderung annähmen.
Absage erteilte de
Auch er erteilte einer sicherheitspolitischen
Maizière einer militärischen Rolle der NATO
Rolle Europas in Asien eine Absage. Seinem
in Syrien, bezeichnete eine europäische Aus-
Kabinettskollegen Westerwelle pflichtete er
bildungsmission in Mali hingegen als durch-
bei, dass sich Europa in Zukunft verstärkt
aus sinnvoll. Die Frist für die Planung laufe
selbst um seine Sicherheit kümmern müsse.
bereits. Zentrale Entscheidungen müssten
­
Auch wenn die deutsche Bevölkerung weiter-
noch bis Weihnachten getroffen werden. Eu-
hin Schwierigkeiten mit der eigenen sicher-
ropa könne hier Verantwortung übernehmen,
heitspolitischen Rolle habe, werde sie sich
allerdings müsse man sich darüber im Klaren
mit Blick auf die
sein, dass diese Mission kaum kurzfristige Er-
Bündnissolidarität
folge zeitigen werde. Einen Blick in die Zu-
an eine verstärkte
kunft mochte de Maizière nicht wagen, eins
internationale Prä-
bliebe aber klar: Eigentlich sei, seit er denken
senz deutscher Sol-
könne, davon die Rede, dass das transatlan-
daten
tische Verhältnis in der Krise s­ tecke. Gleich-
»Wir können die Zukunft
nicht aus einer ›Luftbrücken­
emotion‹ betrachten – aber
ich sehe die transatlanti­
schen Beziehungen weiter­
hin positiv.«
gewöhnen
müssen.
Deutlich sprach
sich de Maizière für die Zusammenlegung
zeitig hätten die USA nirgendwo sonst einen
so zuverlässigen, demokratisch organisierten
Partner wie Europa.
von Verteidigungskapazitäten in Europa aus.
Er wies darauf hin, dass dafür nicht alle Mitgliedstaaten notwendigerweise zusammen­
arbeiten müssten. So sei es bereits ein großer
Schritt nach vorne, wenn nur einige ihre Fä-
K onferenzbericht 5
2. Berliner Forum Außenpolitik
22. – 23. Oktober 2012
Sprecher
Molham Al-Drobi, Vertreter der Muslimbrüder,
Generalsekretariat, Syrischer Nationalrat, Istanbul
Dr. Mustafa Alani, Senior Advisor und Program
Director, National Security and Terrorism Studies
Department, Gulf Research Center, Dubai
Alexander Stubb, MP, Minister für europäische
Angelegenheiten und Außenhandel der Republik
Finnland
Dr. Guido Westerwelle, MdB, Außenminister
der Bundesrepublik Deutschland
Ronnie C. Chan, Vorstandsvorsitzender, Hang Lung
Properties Ltd, Hongkong
Prof. Dr. Brahma Chellaney, Professor für strategische Studien, Centre for Policy Research, Neu-Delhi
Moderatoren
Botschafter Vladimir Chizhov, Ständiger V
­ ertreter
der Russischen Föderation bei der Europäischen
Union, Brüssel
Ali Aslan, Moderator, Deutsche Welle TV, Berlin
Gehad El-Haddad, Berater, Freiheits- und Gerechtigkeitspartei, Muslimbrüder, Kairo
Prof. Dr. Stephen Flanagan, Henry A. Kissinger
Chair in Diplomacy and National Security,
Center for Strategic & International Studies,
­Washington, D.C.
Maha Azzam, Associate Fellow, Nahost- und Nord­
afrika-Programm, Royal Institute of International
Affairs, Chatham House, London
Daniel Brössler, Korrespondent, Parlaments­
redaktion, Süddeutsche Zeitung, Berlin
Marion von Haaren, stellv. Leiterin, ARD-Studio,
Brüssel
William Hague, MP, Außenminister des Vereinigten Königreichs
PD Dr. habil. Markus Kaim, Forschungsgruppen­
leiter Sicherheitspolitik, Stiftung Wissenschaft und
Politik (SWP), Berlin
Prof. Dr. Jin Canrong, Professor für Internationale
Beziehungen, Renmin Universität, Peking
Susanne Koelbl, Der Spiegel, Berlin
Hans-Ulrich Klose, MdB, stellv. Vorsitzender, Auswärtiger Ausschuss, Deutscher Bundestag, Berlin
Michael Link, MdB, Staatsminister im Auswärtigen
Amt, Berlin
Dr. Thomas de Maizière, MdB, Verteidigungs­
minister der Bundesrepublik Deutschland
Botschafter Hossein Mousavian, Gastdozent,
Princeton University; ehem. Sprecher für das iranische Atomprogramm
Dr. Volker Perthes, Direktor, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin
Ruprecht Polenz, MdB, Vorsitzender, Auswärtiger
Ausschuss, Deutscher Bundestag, Berlin
Ahmed Rashid, Journalist und Autor, Lahore
Nora Müller, Programmleiterin, Körber-Stiftung,
Berlin
Dr. Thomas Paulsen, Leiter Internationale Politik,
Körber-Stiftung, Berlin
Janusz Reiter, Präsident, Center for International
Relations (CSM), Warschau
Prof. Dr. Eberhard Sandschneider, Otto-WolffDirektor, Forschungsinstitut, Deutsche Gesellschaft
für Auswärtige Politik (DGAP), Berlin
Dr. Theo Sommer, Editor-at-Large, Die Zeit,
­Hamburg
Dr. Klaus Wehmeier, stellv. Vorsitzender des
­Vorstands, Körber-Stiftung, Hamburg
Dr. Almut Wieland-Karimi, Direktorin, Zentrum
für Internationale Friedenseinsätze, Berlin
Kevin Rudd, MP, ehem. Premierminister
­Austra­liens
Peer Steinbrück, MdB, ehem. Finanzminister
der Bundesrepublik Deutschland
Sprecher und M oder atoren 6
2. Berliner Forum Außenpolitik
22. – 23. Oktober 2012
Impressum
Berliner Forum Außenpolitik
Koordination
Dr. Klaus Wehmeier (stellv. Vorstandsvorsitzender)
Dr. Thomas Paulsen (Leiter Internationale Politik)
Programmleitung
Bernhard Müller-Härlin
Programm Management Iris Wellmann
AdresseKörber-Stiftung
Hauptstadtbüro
Pariser Platz 4a
10117 Berlin
Tel.:
+ 49 - 30 - 20 62 67 60
Fax:
+ 49 - 30 - 20 62 67 67
E-Mail: [email protected]
http://www.foreign-policy-forum.org
Das Berliner Forum Außenpolitik wird in Zusammenarbeit
mit dem Auswärtigen Amt durchgeführt.
© Körber-Stiftung, Hamburg, 2012
Redaktion
Janka Oertel
Bernhard Müller-Härlin
Gestaltung
Das Herstellungsbüro, Hamburg
Impre ssum 7
Herunterladen